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Haus der Tränen




„Wer hat Zeit, den Blinddarm in den OP zu fahren?“

„Ich muss auf 18, der hat das Bett vollgeschissen.“

„Und ich muss selber…“

„Und danach kommt ihr alle zur Kaffeepause. So viel Zeit muss sein!“


„Ist hier jemand?“

„O! Herr Chefarzt! Zu Diensten.“

„Ruf‘ doch mal meine Entourage zusammen, ich möchte Visite machen.“

„Der Assistenzarzt assistiert gerade.“

„Soll sofort abtreten und kommen.“

„Habe verstanden: Löffel weglegen.“

„Das Desinfektionsmittel!“

Das noch immer kleine, nicht repräsentative Grüppchen betritt Zimmer 1.
„Guten Morgen, Herr …“

Stationsschwester souffliert flüsternd: „Schönemann.“

„...Schönemann. Wie geht es uns heute?“

„Gut, gut!“

„Also: Ich habe Sie operiert.“

„N e i n! Ich komme erst morgen dran, wenn’s stimmt. Gestern haben Sie mich doch abgesetzt wegen eines Notfalls.“

„Notfall? Kann mich nicht erinnern. Bei uns ein Fremdwort.“

„Herr Schönemann meint sicher den Zwischenfall mit Frau Hilbig.“

„Ja, das war’s dann.“

Der Chefarzt drängt nach draussen.


Das Gefolge hat die Tür noch nicht passiert, schon hört man lautes, röhrendes Schreien.
Und unüberhörbares Schluchzen.


Das Krankenhaus, Haus der Krankheit und der kranken Machtentfaltung. Haus des Elends und der Ausbeutung.














 

Risiko

Der Anästhesist setzt sich an's Bett der jungen Patientin, um mit ihr die Narkose für den kommenden Tag zu besprechen.

Es ist ein kleiner Eingriff nur, gottseidank.

Zuerst erkundigt er sich über Vorerkrankungen und eingenommene Medikamente.

Dann folgt eine wenig ausführliche Untersuchung: Mundöffnung, Zahnstatus, Halsumfang, Kopfbeweglichkeit. Er lässt sie ein Zündholz ausblasen.

Das Prokoll wird ausgefüllt, die Narkoseaufklärung folgt auf dem Fuße, ebenso die Risikoaufklärung.

Der Anästhesist: "Haben Sie noch Fragen?"

"Ja, wie ist Ihre Telefonnummer?"

Ein X für ein O

Eine Patientin erzählt mir ihr Erlebnis:

„Nun, wo drückt das Mieder, gnädige Frau ?“

„Ich habe mir das Knie verdreht. Habe vor zwei Monaten eine Kniespiegelung machen lassen. Sagten mir: Alles o.k. Ist es aber nicht: Ich habe immer noch Schmerzen und kann nicht richtig gehen.“

„Machen Sie sich bitte frei. Und jetzt aufrecht stehen, Brust raus, Po rein. Klare Sache: O-Beine. Oder sehen Sie das anders, Herr Doktor, Herr Kollege?“

„Nein, Herr Professor. O-Beine.“

„Tja: Der ärztliche Blick! Der Erfahrene braucht keinen Firlefanz, wie Röntgenbilder…“

Der junge Kollege strafft sein Rückgrat.

„Das gehört operiert. Knieprothese. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen. Sollte es Ihnen bitter aufstoßen: Wir sind immer für Sie da.“

Die Patientin rafft ihre Habseligkeiten zusammen und verlässt das Untersuchungszimmer.

Wochen später ist es ihr gelungen, einen Termin bei einem konservativ arbeitenden Orthopäden zu bekommen.

„Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“

Schnell ist die Anamnese erzählt, nun um ein Erlebnis ‚reicher‘. 

„Da hinten in der Ecke können Sie sich freimachen und ihre Sachen deponieren. Ich hacke schon mal die Vorgeschichte in den PC."

Die Patientin erscheint vor dem erbarmungslosen Blick des Arztes.

„Klarer Fall von X-Beinen. Was wurde operiert? Der Innenmeniskus? Sehen Sie!“

Impressum

Texte: Copyright bei der Autorin
Bildmaterialien: Cover-Bild: yatego.com; Röntgenbild und Foto Arzt: fotosearch
Tag der Veröffentlichung: 26.02.2012

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