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„Ich bin ein Dackel",

 sagte das Windspiel. „Ein Kraushaar, curley“. Und hatte damit nur teilweise gelogen. 

 

Es stand in diesem Augenblick vor seinem Finanzbeamten, der des Windspiels Steuererklärung durchforstete und der, da er in seiner Freizeit in seinem ihn finanziell langsam überfordernden und wildschweinverseuchten Revier unterwegs war, sehr wohl vom Jagdwert eines Dackels überzeugt war.

 

Wohlgemerkt nicht gegen Wildschweine.

 

Bei der saugfingerunterstützen Prüfung der eingereichten Steuererklärungsformulare hatte der Jäger-Beamte diverse Punkte gefunden und mit dem Finger aufgezeigt, wo das Windspiel noch etwas hätte für sich gutmachen können. Falls es vor diesem Termin und dem damit verbundenen Offenbarungseid darauf gekommen wäre.

 

Jetzt war es zu spät. Sein Jagdinstinkt machte den Finanzbeamten zum Winner, das Gejammere vom ‚Freund und Helfer‘ ging ihm schon lange auf die Nerven.

 

 

„Vielleicht sind Sie ja auch ein Wildschwein, oder gar eine Wildsau."

 

„Ich bin ein das.“

 

„Was?“

 

„Ein Neutrum. D a s Windspiel.“

 

Schon wieder gelogen, das Windspiel war weder kastriert noch sterilisiert. Ein Blick des Kenners zwischen seine Hinterläufe hätte genügt, um es zuzuordnen. Der Finanzbeamte war kein Kenner.

 

„Sehen Sie, das ist es eben: Ich habe auf die Anschaffung von geschlechtsverhehlenden Unterhosen verzichtet, die ich ja hätte absetzen können. Nicht als Werbungskosten, sondern als das Gegenteil.“

 

„Das Gegenteil gibt es nicht.“

 

„Das Tragen von solchen Unterhosen ist nicht zu billigender Nachteil, eine Erschwernis, denn es verhüllt meinen wichtigsten Wettbewerbsvorteil und unterstützt die Pilzpopulation.“

 

„Damit unterstützt sie das Gesundheitswesen und die Pharmaindustrie.“

 

„Aber sie schadet der Solidargemeinschaft.“

 

„Pilzpopulation, Solidargemeinschaft! Hätte nie gehört, daß die ihrer Steuerpflicht nachkommen.“

 

Damit hatte der Finanzbeamte gelogen, denn die Mitglieder der Solidargemeinschaft zahlten sogar mehrfach Steuern: zuerst Lohn- bzw. Einkommenssteuer, dann Mehrwert-, gleichzeitig Mineralöl- und Versicherungssteuer, wenn es sein mußte Luxussteuer, dann Steuer auf die Rente und am Ende Erbschaftssteuer.

 

„Dackel sind in der Hundesteuer in einer niedrigeren Stufe,“ nahm das Windspiel das Gespräch wieder auf. „Da ich – wie Sie sehen – ein Dackel war, muß ich heruntergestuft werden.“

 

„Wie : ich sehe?“

 

„Haben Sie die Brille mit der richtigen Stärke auf der Nase? Wann waren Sie das letzte Mal beim Augenarzt?“

 

„Geht Sie nichts an, kann ich mir nicht leisten.“

 

„Meine Beine versagen mir ihren Dienst, sie brechen langsam zusammen. Meine Beinhöhe hat, seit ich hier vor Ihnen stehe, die eines Dackels erreicht. Lügen und Dackel haben kurze Beine. So wie ich.“

 

„Für die Einstufung ist die Augenhöhe ausschlaggebend.“

 

„Wie Sie sehen, habe ich gar keine Augen.“

 

„Darf ich mal?“

 

„Finger weg, unterstehen Sie sich, das ist Nötigung.“

 

„Wie Sie meinen, dann muß ich Augenmaß anwenden.“

 

„Dafür sind Sie noch zu jung, ich zweifle an Ihrer Erfahrung. Auch wenn Sie es nicht glauben werden, ich war in meiner Jugend Finanzbeamter, lange her.“

 

„Lügen Sie nicht so schamlos.“

 

"Man tut, was man kann. Überleben wird nur der Clevere.“

 

„Es lebe die freie Marktwirtschaft!“

 

„Ganz davon abgesehen, war ich auch einmal Philosoph. Kennen Sie das Buch: ‚Philosophie der Lüge. Ein erkenntnistheoretischer Ansatz unter besonderer Berücksichtigung der Postmoderne‘? Ist von mir.“

 

„Sie sind also Fach-Mann.“

 

„Ich bin allenfalls Fach-Es.“

 

„Wenn Sie so weitermachen, sehe ich mich gezwungen, Sie aufzufordern, das Bein zu heben.“

 

„Wie gesagt: Im Lügen macht mir keiner was vor.“

 

„Haben Sie eine Ahnung! Darin bin ich nun wieder Fachmann.“

 

„Stelle Ihre Geschlechtszuordnung in keinster Weise in Frage. Sie müssen es nicht immer betonen. Könnte Ihnen sonst Sexismus vorwerfen.“

 

Dem Finanzbeamten bricht allmählich der Schweiß aus. Auch der Fingerschweiß. Da er das ausgefüllte Formular fest im Griff hat, wird es langsam naß und nässer. Am Ende sind die Eintragungen des Windspiels, die zugegebenermaßen dackelhaft-ehrlich waren, nicht mehr zu entziffern und als Dokument nicht mehr zu gebrauchen.

 

Damit hat der Meisterlügner sein Ziel erreicht und kann nun ein neues, diesmal verlogeneres Formular ausfüllen.

 

Impressum

Texte: Copyright bei der AutorinAuszug aus 'Belvedere, miramare'
Tag der Veröffentlichung: 06.08.2010

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