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[KAPITEL 1]

  

 

 

Wie ein dumpfer Herzschlag pulsiert der Bass eines House-Titels gegen die Fensterwand in meinem Rücken. Ich beobachte gelangweilt eine Plastiktüte, die vom Gehweg auf das feuchte Kopfsteinpflaster der Straße geweht wird, und hoffe darauf, dass jemand Bekanntes auftaucht, um mir ein wenig die Zeit zu vertreiben. Es ist eine der Nächte, in denen ich mich danach sehne, Teil des nächtlichen Geschehens zu sein und nicht nur Wächter und Beobachter.

Mit einem Schlag wird die Musik lauter. Die Tür neben mir öffnet sich und Rick tritt heraus. Er ist eben erst rein, das waren keine fünfzehn Minuten. Das übliche Spiel zwischen ihm und meinem Boss, Andy. Das heißt, eigentlich spielen die beiden nie im SMack. Andy kehrt die submissive Rolle, die er in ihrer Beziehung einnimmt, ungern nach außen, deshalb hält sich Rick selten lange im SMack auf. Es sei denn, ihm ist danach, Andys dominanten Neigungen nachzugeben, indem er ihnen einen Sub zum gemeinsamen Spielen sucht. Diese Subs nehmen sie wiederum nicht mit nach Hause.

»Hey, na?«, sage ich zu ihm. »Schon wieder auf dem Sprung?«

Ricks Mundwinkel heben sich zu einem müden Lächeln. »Langen Tag gehabt und morgen Früh die nächste Schicht. Ich wollte nur Andy abholen.«

»Glück gehabt damit?«

»Er zieht sich was an«, erklärt Rick und hebt die Augenbrauen. Der Blick seiner dunklen Augen wandert über meine zerrissenen Jeans. Bei den Nude-Partys sind sie für gewöhnlich mein einziges Kleidungsstück. Ein Kompromiss, da ich mich in meiner Position kaum nackt auf die Straße stellen kann.

»Ist dir nicht kalt?«, will er wissen. »Sind gerade mal zehn Grad.«

»Ach, geht für den Moment.« Ich reibe mir über die bloßen Oberarme. In der Tat ist es recht frisch. »Will nur kurz frische Luft schnappen. Geh gleich wieder in den Vorraum.«

Die Reaktion darauf ist ein Nicken. Ricks Blick wird von einer Bewegung am Tor eingefangen, wo es zum Lieferanteneingang des Clubs geht. Auch ich sehe in die Richtung und dort Andreas auftauchen. Lässig schlüpft er noch in seine Lederjacke, während er mit einem breiten Grinsen auf uns zukommt. Es weicht einem Stirnrunzeln, als er mich mustert.

»Ey, Markus, du frierst dir ja die Nippel ab«, spottet er nonchalant wie immer. »Geh lieber rein, bevor du noch krank wirst.«

Ich kann es nicht leiden, wenn man mir so was vorschreiben will, Boss hin oder her. Daher schnaufe ich unwillig und lehne mich wieder an das beklebte Fenster. »Gleich.«

»Alles okay?«, will Andreas leicht irritiert wissen.

Er ist im Umgang mit mir vorsichtiger geworden. Weil ich mit der Art, wie er den Laden führt, nicht ganz klargekommen bin, hätte ich beinahe gekündigt. Außerdem habe ich im besoffenen Zustand die Klappe zu weit aufgerissen und ihm eine Menge Ärger eingehandelt. Im Prinzip war es nur ein Missverständnis. Wir konnten es klären, er hat mir verziehen und ich verstehe ihn inzwischen besser. Dennoch läuft es immer noch nicht ganz rund zwischen uns.

Daher ist auch nicht alles okay. Wird es vermutlich niemals sein. Ich zucke mit den Schultern. »Mir ist langweilig.«

»Kein Grund zum Erfrieren«, stellt Andy fest. »Fuck, wieso tauschst du nicht mal mit Frankie-Boy? Kannst ihn drinnen ablösen und auch mal an die Tür stellen.«

Ich verziehe den Mund und blicke zu dem gegenüberliegenden Haus auf. Dort ist noch ein Fenster erleuchtet. »Keine Ahnung, klar, kann ich machen. Wobei, Typen ihre gebrauchten Kondome aufheben lassen, ist auch nicht so das Wahre. Da bleib ich lieber an der Tür.«

»Wie du meinst«, sagt Andreas. »War nur 'ne Idee. Ich meine, heute ist Frank da. Deine Chance.«

»Ich überleg's mir«, verspreche ich. »Und nun sieh zu, ehe dich Rick mit Gewalt wegzerrt.«

Der wirkt bereits ungeduldig. Ich will nicht zwischen ihre Fronten geraten. Doch Andreas nimmt Ricks finsteren Blick gelassen auf und zwinkert mir zu, als er sich in Bewegung setzt. »Also dann, meld dich, wenn was ist.«

»Viel Spaß«, wünsche ich den beiden noch.

Rick nickt mir zu, ehe Andreas ihn verspielt anrempelt und die beiden sich auf den Weg in seine nahe gelegene Wohnung machen. Ich seufze leise, als ich ihnen nachsehe. Sie bilden ein merkwürdig harmonisches Paar, wenn man bedenkt, dass sie beide recht dominant und, abgesehen davon, ziemlich gegensätzlich sind.

Schließlich wird mir doch zu kalt und ich betrete wieder die schwüle Hitze des Clubs. Die Musik ist heute ohrenbetäubend laut. Durch den schwarzen Kunstledervorhang werfe ich einen Blick auf das Treiben. Nackte Leiber. Überall. Erneut regt sich in mir das Verlangen, mich zu ihnen zu gesellen. Aber als einer von ihnen. Nicht als Aufpasser.

Mein Blick sucht Frank. Nachdem er anfangs nur bei größeren Events ausgeholfen hat, arbeitet er seit Kurzem fest bei uns, aber nur am Freitag, an dem die Themenpartys stattfinden. Samstags mache ich die Security immer noch allein. Da ist der Kreis überschaubarer und die Gesichter vertrauter, nicht die Massen Unbekannter, die sich jetzt in meinem Sichtfeld vergnügen.

Endlich mache ich Frank aus. Er steht in der Nähe der Tanzfläche und behält mit konzentriertem Stirnrunzeln einen offenbar betrunkenen Gast im Auge, der sich nicht mehr hundertprozentig unter Kontrolle hat. Ich beneide ihn nicht darum. Auch wenn er mittendrin ist, es ist doch Arbeit. Jetzt, da der erste Ansturm vorbei ist, hat er sogar noch mehr zu tun als ich draußen.

Ich spüre einen kalten Zug im Nacken und drehe mich um. Ein neuer Gast. Ich kenne ihn vage vom Sehen. Typischer Ficksuchender Mitte dreißig. Kein Fetischist. Ich habe ihn zumindest noch nie an einem Samstag hier gesehen.

»Hey.« Mit einem spekulativen Grinsen reicht er mir den Eintrittspreis.

»Hi, willkommen«, grüße ich höflich zurück und lege das Geld in die Kasse, ehe ich ihm einen Stempel aufdrücke. Andreas hat mal über die Anschaffung eines Schwarzlicht-Stempels nachgedacht, doch dagegen haben Ingo und ich uns erfolgreich gewehrt. Ich habe kein Bock, die ganzen Flecken von sonst was zu sehen, mit denen die Gäste hier rein- und rausgehen.

»Viel los?«, will der Gast wissen.

»Ja, da findet sich bestimmt was für dich«, versichere ich ihm.

»Cool, danke.« Er zwinkert mir zu und verschwindet durch den Vorhang.

Ich sehe ihm nach, bis er in die Umkleide abbiegt, dann erlischt mein Interesse auch schon wieder. Noch einmal wandert mein Blick zu Frank. Inzwischen hat er eingegriffen und führt den Betrunkenen ebenfalls in Richtung Umkleidekabine. Es geht nicht ganz freiwillig vonstatten. Sieht aber nicht so aus, als bräuchte er Hilfe.

Nach kaum fünf Minuten bringt er den halbwegs angezogenen Gast in meine Richtung und setzt ihn mit dem freundlichen Rat, sich ein Taxi zu nehmen, vor die Tür. Erst dann wendet er sich zu mir um und verdreht die Augen. »Was für eine beschissene Nacht, ey. Die sind doch alle irre. Nur weil sie nackt sind, verlieren sie alle Hemmungen.«

»So ist es halt«, stimme ich zu und zucke mit den Schultern. »Sag Bescheid, wenn du Unterstützung brauchst.«

»Komm vielleicht drauf zurück.« Frank wirkt befangen, als er mich von der Seite mustert. »War hier sonst nicht so viel los oder wie hast du das vorher allein geschafft?«

»Ingo hatte ein Auge auf den Innenbereich und mich geholt, wenn sich wer danebenbenommen hat«, erkläre ich und nicke in Richtung Theke. »War aber nicht ideal. Bin froh, dass Andy dich endlich fest eingestellt hat.«

»Gut zu hören. Ich meine, ich will nicht, dass du denkst, ich würde dir den Job hier streitig machen.«

Darauf schüttle ich den Kopf. »Keine Sorge.«

Frank verschränkt die Arme vor seiner muskulösen Brust. Im Gegensatz zu mir trägt er ein schwarzes Shirt und normale Jeans. Damit fällt er aus dem Rahmen, was vermutlich beabsichtigt ist. So ist er als Security leicht erkennbar.

»Ich fühle mich wie ein Alien«, gesteht er mir jedoch.

»Dann zieh dich doch aus«, schlage ich belustigt vor.

»Das meine ich nicht.« Er runzelt leicht die Stirn, während er sich umschaut. »Ich meine, das ist eine normale Nacht für euch, verglichen zu sonst. Für mich ist das hier schon ausgefallen. Mir fehlt noch dein Blick dafür. Wenn ich sehe, wie ein Typ den anderen packt und mit sich zerrt, bin ich in Alarmbereitschaft und hier ist es meistens nur Vorspiel.«

»Kommt mit der Zeit«, versichere ich ihm.

»Meinst du?«, will er wissen. »Auch, wenn ich selbst nicht so ticke?«

»Bestimmt.«

»Was ist mit dir?«, will Frank wissen und sein Blick wandert zu meinen gepiercten Brustwarzen. »Ist das nur ein Job oder stehst du auch auf die härteren Spielarten?«

»Letzteres«, antworte ich, habe aber keine Lust, mich zu erklären.

»Schon immer?«, hakt Frank nach. »Oder hast du erst damit angefangen, seit du hier arbeitest?«

Ich versuche, nicht zu lachen. »Angst, dass du selbst einen Kink entwickelst?«

»Nein, Unsinn, nur so«, behauptet Frank rasch. »Also?«

»Die Umgebung färbt manchmal etwas ab, aber die Neigung hatte ich schon immer«, erkläre ich schlicht. »Keine Angst, du wachst nicht eines Morgens auf und hast Bock drauf, jemandem den Arsch zu versohlen. Aber es kommt vor, dass dich hier Dinge anmachen, die du dann mal selbst ausprobieren möchtest.«

Frank nickt und blickt Richtung Theke. »Ich bin der Einzige, der hier arbeitet und noch nicht sonderlich viele Berührungspunkte mit der Szene hatte, oder?«

»Hm, ja, Ingo arbeitet hier ja schon seit Anfang an. Auch wenn er in den letzten Jahren weniger aktiv in der Szene ist.«

»Was ist mit Thies?«

Mein Blick wandert ebenfalls zur Theke. »Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Er ist devot. Aber so jung wie er ist, wird er noch nicht so viel Erfahrung haben.«

Frank runzelt die Stirn. »Ich dachte, er ist dreiundzwanzig.«

Eben. Ich zucke mit den Schultern. Die Tür geht auf und Karsten tritt ein, ein guter Freund von mir. Wir begrüßen uns mit Handschlag. Normalerweise würde ich ihn ohne Eintritt einlassen, doch Frank steht immer noch neben mir und vor ihm mag ich diese Gefälligkeiten nicht tun. Karsten erwartet sie auch nicht und reicht mir die fünf Euro.

»Jemand da, den man kennt?«, will Karsten wissen.

»Einige«, antworte ich. »Malte tobt irgendwo auf der Tanzfläche rum.«

»Hm, mir ist heute nicht nach der kleinen Schlampe, eher nach einer guten Unterhaltung«, entgegnet Karsten. »Joachim da?«

»Nein, wüsste auch nicht, dass er vorhat, zu kommen.«

»Andy?«

»Schon weg. Rick hat ihn abgeholt.«

Karsten nickt. »Und du? Viel zu tun? Oder hast du Zeit für ein Bier?«

Ich sehe zu Frank, doch der hat uns über die Musik nicht verstehen können und deutet mir an, dass er sich wieder um den Innenraum kümmern wird. Daher meine ich zu Karsten: »Klar, der große Ansturm ist vorbei. Aber ich muss hierbleiben.«

»Kein Ding, ich hol uns das Bier her.« Karstens Blick wandert zur Theke und ein Grinsen stiehlt sich auf seine Züge. »Bis gleich.«

»Ja, bis gleich.«

Er geht direkt zur Bar und zieht sich auf dem Weg dorthin das Shirt über den Kopf. Er hat einen attraktiven Körper und erntet einige interessierte Blicke. Doch er ist bekannt dafür, dass er sich die Typen lieber selbst aussucht, und wird selten angesprochen.

An der Bar lehnt er sich an einen der Hocker und schält sich aus seiner Hose, ohne die Schuhe dafür auszuziehen. Sie ist weit genug, auch wenn es etwas ungelenk wirkt. Es macht nichts. Der Striptease wird dennoch lüstern beobachtet.

Schließlich reicht Karsten die ausgezogenen Kleidungsstücke über die Theke zu Thies und ruft ihm etwas zu. Mit einem Nicken deutet er in meine Richtung. Sofort ruckt Thies Kopf zu mir herum. Er schenkt mir ein Lächeln. Ich nicke knapp und verschwinde in den Vorraum.

Kurze Zeit später kehrt Karsten zurück. Er reicht mir das versprochene Bier und macht ein enttäuschtes Gesicht. Als ich ihn darauf anspreche, erklärt er: »Eigentlich hatte ich gehofft, dass Thies es uns bringt, aber Ingo lässt ihn nicht weg.«

»Zu viel los für solche Spielchen.«

Karsten nickt. »Ich hasse die Freitage hier.«

»Wieso bist du dann gekommen?«

»Natürlich nur, um dich zu sehen, Mensch«, spottet er. »Vielleicht auch, um mir später was zum Ficken zu suchen. Dann bin ich morgen entspannter, wenn ich mich mit meinem Sub treffe.«

»Mit wem?«, hake ich nach. »Hast du jemand Neues?«

»Eine Internetbekanntschaft«, erklärt Karsten. »Ich chatte schon eine Weile mit ihm, aber er wohnt nicht in Hamburg. Morgen kommt er zum ersten Mal her. Ich habe mir was Nettes für ihn ausgedacht.«

»So? Was denn?«

Karsten lächelt selbstzufrieden und erklärt mir kurz, worauf der Sub steht und was er für ihre erste, reale Session geplant hat. Es ist recht unspektakulär für unsere Verhältnisse, aber ich weiß, dass Karsten es schon interessant gestalten wird. Er hat einen guten Ruf, die Subs mögen ihn. Außerdem weiß er sich anscheinend immer zu steigern.

Ich weiß nicht, wo seine Grenzen liegen oder ob sie überhaupt existieren. Bisher hat noch kein Sub so lange durchgehalten, beziehungsweise meistens hat Karsten das Interesse an ihnen verloren, ehe sie dort angekommen sind. Er ist nicht der Typ für ernste Beziehungen. Beruhigend, dass ich damit nicht alleine bin.

»Woher kommt er?«, will ich wissen.

»Nähe Flensburg«, erklärt er. »Irgendein kleines Dorf. Ich denke nicht, dass er viel Erfahrung hat. Im Chat ist er ziemlich frech und er hat mir Bilder von sich geschickt, aber mal schauen, wie mutig er in der Realität ist.«

»Hm, viel Spaß, klingt zumindest so, als würdest du ihn haben.«

»Und bei dir?«, hakt Karsten nach. »Gibt's was Neues?«

Ich schüttle den Kopf. »Grade ist mir nicht danach.«

»Alles okay?«, hakt er nach. »Ich kann mich nicht dran erinnern, wann du das letzte Mal jemand hattest.«

Das Schlimme ist: ich mich auch nicht. Wahrscheinlich ist es schon vier Monate her oder länger. Um einen anderen Menschen zu dominieren und für ihn während der Session die Verantwortung zu tragen, muss man eine stabile Psyche haben. Kontrolle über sich selbst, noch mehr als über den Sub. In letzter Zeit fühle ich mich nicht so, als hätte ich mein Leben wirklich unter Kontrolle. Ich kann mir in diesem Zustand nicht trauen und ich will es auch niemand anderem zumuten.

»Alles okay«, behaupte ich dennoch. »Keine Ahnung, ist vielleicht der zusätzliche Job. Wenn das SMack dichtmacht, bin ich meistens zu müde, um noch jemand mitzunehmen.«

»Hast du nicht auch irgendwann mal frei?«, hakt Karsten nach.

Ich zucke mit den Schultern. »Nicht oft.«

Karsten nimmt einen tiefen Schluck von seinem Bier und mustert mich über den Rand seines Glases hinweg. Dann setzt er ab und schüttelt den Kopf. »Verdienst du so gut bei deinem Cousin?«

»Kann nicht meckern.«

»Aber du machst nur die Security, oder?«

Ich hebe die Mundwinkel zu einem freudlosen Lächeln. »Ich eigne mich nicht zum Zuhälter, Karsten. Kann den Mädels nicht bieten, was sie wollen.«

»Solltest froh sein.« Karsten blickt nachdenklich auf sein Bier, dann mir eindringlich in die Augen. »Bleib bloß sauber, Mann.«

Ich klopfe ihm beruhigend auf die Schulter. »Mach dir keine Gedanken.«

Es ist nicht so, als hätte ich nicht schon darüber nachgedacht, tiefer in die Geschäfte meines Cousins einzusteigen. Es gibt entsprechende Angebote. Doch im Prinzip eigne ich mich für keines davon. Bisher beschränke ich mich daher auf die Security-Aufgaben für sein Kasino. Letztlich ist das der Ort, an dem die Gelder zusammenfließen und die meisten Reibungen mit bestehenden anderen Gruppierungen aus dem Milieu entstehen.

»Mann«, seufzt Karsten, kommt aber nicht weiter, denn die Tür öffnet sich.

Ich unterdrücke ein Seufzen und reiche Karsten mein Bier, ehe ich mich von der Wand abstoße und dem Jungen den Weg versperre. »Perso dabei?«

Wahrscheinlich überrage ich ihn um gut zwanzig Zentimeter. Er ist schmal gebaut und hat ein ganz passables Gesicht, aber noch nicht mal richtigen Bartwuchs. Seine Augen blicken nervös zu mir auf. Sein Mund verzieht sich zu etwas, das wohl ein gewinnendes Lächeln sein soll.

»Na-natürlich.« Hastig tastet er über seine Jeans, angelt sein Portemonnaie hervor und hält mir dann mit unruhigen Fingern einen abgewetzten Personalausweis unter die Nase.

Neunzehn. Ich verbeiße mir ein Schmunzeln und hebe eine Augenbraue, als ich ihn wieder ansehe. »Und du weißt, was das hier für ein Laden ist?«

Er nickt rasch.

»Ach ja?« Ich ziehe den Vorhang beiseite, damit er einen Eindruck bekommt, bleibe jedoch vor ihm stehen. »Sicher, dass du nicht noch so zwei bis drei Jahre warten willst?«

Sein Blick richtet sich neugierig unter meinem Arm hindurch. Sofort erhitzen sich seine Wangen und er tritt eingeschüchtert einen Schritt zurück. Damit steht mein Entschluss fest: Der Junge kommt hier nicht rein. Ich lasse den Vorhang wieder zurückgleiten und sehe ihn möglichst freundlich an. »Hier sind überwiegend alte Säcke, Kleiner. Ich bin mir sicher, dass du ihnen gefallen würdest, aber sie dir wahrscheinlich weniger. Wieso kommst du nicht einfach nächsten Freitag mit einem Freund wieder? Da haben die alten Säcke wenigstens was an.«

Er schluckt, senkt niedergeschlagen den Blick und nickt. »Okay, und dann lässt du mich rein?«

»Na klar«, verspreche ich, obwohl ich nicht glaube, dass er noch mal wiederkommt. Zumindest nicht nächste Woche. »Wenn du das wirklich willst, lass ich dich auch heute rein. Aber glaub mir, das willst du nicht.«

»Okay.« Er nickt und wendet sich zur Tür. »Dann bis nächste Woche.«

»Freu mich drauf!«, ruf ich ihm hinterher. Als sich die Tür hinter ihm schließt, wende ich mich an Karsten. »Die Jugend heutzutage.«

»Du bist ein Spielverderber, Markus«, stellt der fest. »Wieso lässt du ihn nicht rein und seine eigenen Erfahrungen machen?«

»Der Junge war erst neunzehn, Karsten.«

»Na und? Gibt doch auch genug junge Typen hier.«

»Das Durchschnittsalter liegt bei knapp über dreißig«, entgegne ich. »Das ist zu alt für einen, der erst süße neunzehn ist.«

»Gibt auch genug, die erst Anfang zwanzig sind.«

»Die können sich aber auch wehren oder stehen auf Daddys«, entgegne ich. »Der kleine Spatz eben? Dem wird schneller ein Schwanz irgendwohin geschoben, als er gucken kann. Und glaub mir, das würde ihm nicht gefallen.«

Karsten lacht bei der Vorstellung auf. »So schlimm sind wir nun auch nicht.«

»Du vielleicht nicht, aber frag mal Frank, was der heute schon alles erlebt hat.«

»Du eignest dich wirklich nicht zum Zuhälter, Markus.« Karsten gibt mir mein Bier zurück und klopft mir auf die Schulter. »Womit wir wieder beim Thema wären: Ernsthaft, Mann, pass auf, dass dich dein Cousin nicht mit in den Dreck zieht.«

»So ist er nicht.« Ich bereue, dass ich Karsten ins Vertrauen gezogen habe, als ich über das Angebot meines Cousins nachgedacht habe.

Dario ist vielleicht in ein paar krumme Sachen verwickelt, aber er würde mich nie ins Messer laufen lassen. Er ist Familie und das ist ihm viel wert. Dafür sorgt das italienische Blut in unseren Adern, auch wenn wir beide in Deutschland geboren und aufgewachsen sind.

»Vielleicht nicht absichtlich«, entgegnet Karsten. »Aber wenn man im Dreck wühlt, lässt es sich nicht vermeiden, dass die Umstehenden auch Spritzer davon abbekommen.«

»Zu poetisch für mich.«

Zum Glück geht die Tür ein weiteres Mal auf und hindert Karsten daran, das Gespräch weiter zu vertiefen. Ein Stammgast. Ich tausche ein paar Nettigkeiten mit ihm aus, ehe er weitergeht. Danach wechsle ich das Thema.

 

 

[KAPITEL 2]

 

 

 

Gegen drei Uhr morgens bin ich müde. Die Party ist noch im vollen Gang, doch sie konzentriert sich vor allem auf die Tanzfläche und den Darkroom. Es kommt kaum noch jemand Neues. Ich habe nichts mehr zu tun und Karsten ist in der Menge untergetaucht.

»Hey.« Der Vorhang öffnet sich und Thies tritt hindurch. Er trägt nur eine kurze Kellnerschürze. Den Blicken nach zu urteilen, die ihm folgen, hat er darunter nichts an. Er ist ein hübscher Junge, eins achtzig etwa, mit blondem Haar, das an den Seiten auf wenige Millimeter kurz rasiert ist und sonst mit einem Stylingprodukt in Form gehalten wird. Seine Arme sind komplett tätowiert und in der linken Augenbraue steckt ein Piercing.

Mit einem frechen Lächeln sieht er zu mir auf. »Ingo will wissen, ob du was trinken möchtest.«

»Ein Wasser wäre gut«, antworte ich. »Danke.«

»Kein Bier?«, hakt er nach und seine Augenbrauen zucken kurz empor.

Seine Reaktion irritiert mich. Es ist nicht so, dass ich jede Nacht Bier trinke. Nur ab und zu gönne ich mir mal eins. »Ich hatte schon.«

»Ach so.« Irgendwie wirkt er beruhigt. »Wasser kommt sofort!«

Er dreht sich um und eilt davon. Unwillkürlich richtet sich auch mein Blick auf seinen Hintern. Er ist nicht nackt unter der Schürze, aber so gut wie, denn er trägt nur einen Jockstrap. Für einen Moment kann ich den unverhüllten Anblick bewundern, bis der Vorhang zufällt.

Ich öffne die Tür, lasse etwas kühlere Luft über mich wehen, schließe sie wieder und sehe gelangweilt auf die Uhr. Wahrscheinlich noch zwei Stunden, ehe ich gehen kann. Ins Bett. In zwölf Stunden beginnt meine Schicht im Kasino. Ich habe keinen Bock, auch wenn ich dort gutes Geld verdiene. Zugegeben überwiegend schwarz, damit mir das Finanzamt nicht alles auffrisst. Es reicht ja, wenn Andy mein Gehalt mit Steuern, Krankenversicherung, Rentenversicherung und dem ganzen Kram halbiert.

Thies tritt wieder durch den Vorhang. »Dein Wasser.«

»Danke.« Ich nehme ihm das Glas ab und trinke einen tiefen Schluck. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, dass Thies nicht wieder verschwindet, sondern mich beobachtet.

»Nicht mehr viel los an der Bar?«, frage ich. Es wird Ingo nicht gefallen, wenn er trödelt und ihm die ganze Arbeit überlässt.

»Geht«, antwortet Thies. »Ich hab Pause.«

Das hätte ich auch gerne. Aber inzwischen ist es selbst mir zu kalt, um draußen Luft zu schnappen.

»Wusstest du schon, dass Andy ein Halsband von Rick trägt?«, will er wissen und sein Lächeln wird zu einem Grinsen. »Cooles Ding. Sieht aus wie eine Ankerkette, nur edler und feiner.«

»Ist mir aufgefallen.« Allerdings habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Ich dachte eher, es wäre eine Halskette und kein Besitzanspruch. »Aber die trägt er schon eine Weile. Sicher, dass es ein Halsband ist?«

»Es hat den O-Ring«, erklärt Thies und formt einen Kreis mit Daumen und Zeigefinger, den er sich ein wenig affektiert an den Hals hält. »Als ich ihn mal drauf angesprochen hab, hat er nur mit den Schultern gezuckt. Aber heute hat Rick ihn daran zu sich gezogen, also mit dem Ring, und hat ihm so einen typischen Dom-Blick zugeworfen. Damit war es recht offensichtlich, dass es für die beiden was zu bedeuten hat.«

»Tja, wundern würde es mich nicht«, stelle ich fest.

»Ich finde es komisch, dass sie es so heimlich machen. Ich meine, wenn sie glücklich miteinander sind, können sie es doch ruhig zeigen.«

»Ist ihnen vielleicht zu privat?«

Thies schaut etwas skeptisch. »Andy? Etwas zu privat?«

»Soll vorkommen.« Ich stupse ihn leicht vor die Stirn. »Zumindest geht es dich nichts an, wenn sie es nicht offiziell machen wollen, oder?«

»Nein.« Sein Blick saugt sich förmlich an meinem Piercing fest. Er wirkt etwas unruhig, als er wieder kurz zu mir aufblickt. »Was ist eigentlich mit dir?«

»Was soll mit mir sein?«

»Wäre es dir auch zu privat?« Er sieht auf seine Stiefel. »Würdest du dich lieber woanders mit jemandem treffen?«

»Nicht unbedingt. Wieso?«

»Okay, gut, also triffst du dich gerade mit niemanden?«, hakt er nach.

Ich hebe die Augenbraue. »Nein, offensichtlich nicht.«

Das zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht. »Interesse, das zu ändern?«

»Nein.«

Das Lächeln erlischt. »Okay… Ich… ich denke, ich sollte meine Pause nicht überstrapazieren.« Er nickt in Richtung Bar. »Sonst kommt Ingo mich noch holen.«

Und schon ist er fort. Ich seufze. Das war etwas brüsk von mir. Vielleicht sollte ich mal mit Ingo reden. Ich brauche keinen persönlichen Kellner. Er muss nicht immer Thies losschicken, um mich zu bedienen. Ich will nicht, dass der auf falsche Ideen kommt, falls Andy ihm nicht ohnehin schon Flausen in den Kopf gesetzt hat. Das fehlt mir gerade noch.

 

Wie immer sind Ingo und ich die Letzten im Club. Frank hat mit mir zusammen die verbliebenen Gäste rausgeschmissen und ist dann gegangen. Ich mache noch einen letzten Rundgang durch alle Räume, damit sich auch nirgendwo jemand versteckt, während Ingo die Bar sauber macht und das Gröbste an Ferkeleien beseitigt. Der Putzdienst ist da etwas zimperlich.

Manchmal ist Andy noch da, um eine der Aufgaben zu übernehmen, in letzter Zeit aber eher selten. Nur wenn Rick Nachtschicht hat. Mir kommt das Halsband wieder in den Sinn und damit das Gespräch mit Thies. Der ist schon vor einer Stunde von Ingo heimgeschickt worden. Er ist nicht noch einmal bei mir aufgetaucht.

Dennoch trete ich an Ingo heran. »Sag mal, ist ja nett gemeint, aber du brauchst Thies nicht immer abkommandieren, damit er mir was zu Trinken bringt. Ich hole mir schon was, wenn ich was will, oder schicke halt jemanden von mir aus.«

Ingo schnauft amüsiert. »Ich muss ihn nicht abkommandieren, Markus. Er macht das freiwillig.«

»Ein bisschen zu freiwillig«, deute ich an.

»Ach nein«, sagt Ingo jedoch nur.

»Also ist dir das bewusst?«, hake ich nach. »Ich will nicht, dass er sich da in was reinsteigert… Kannst du –?«

»Ich werde mich da nicht einmischen«, entgegnet Ingo strikt. »Der Junge hat ein Recht darauf, sich zu verlieben – in jeden, den er will, und mit allen möglichen Konsequenzen. Ich verstehe außerdem nicht, wo dein Problem liegt. Er ist ein Hingucker, eindeutig devot, aber auch nicht so brav, dass es schnell langweilig wird. Er weiß, was er will, und zufälligerweise bist du das aktuell.«

»Er ist mir zu jung.«

»Stehst du auf ältere Typen?«, spottet Ingo. »Hätte ich Chancen? Mensch, Markus, du bist selbst doch erst wie alt? Dreißig? Das sind gerade mal sieben Jahre Unterschied.«

»Trotzdem.«

Das mit Thies ist ein wenig so wie ein guter Film, der von allen gepriesen wird. Je mehr er gehypt wird, desto geringer ist mein Interesse, ihn zu schauen. Keine Ahnung, wieso das so ist. Ich bin mir sicher, es gibt einen Grund für den Hype, aber…

Ingo schüttelt nur den Kopf und wendet sich wieder seiner Arbeit zu. Frustriert sehe ich ihm einen Moment zu. Dann fällt mir wieder etwas ein. »Thies hat aber gesagt, dass du ihn geschickt hättest.«

Ingo zuckt mit den Schultern. »Dann hat der Bengel geflunkert, um mit dir ins Gespräch zu kommen. Du machst es ihm wahrscheinlich nicht gerade leicht.«

Das tue ich wirklich nicht. Dennoch mag ich es nicht, wenn man mich anlügt. Ich gehe mir meine Jacke holen. »Die Toiletten sind leer. Ich gehe dann heim.«

»Danke. Bis morgen.«

»Bis dann.«

Als ich ins Freie trete, hole ich tief Luft. Ich bin verdammt müde. Zum Glück habe ich es nicht weit bis zu meiner Wohnung. Sie befindet sich in einem Altbau über dem Hansaplatz. Ich bin dort eingezogen, als die Gegend noch ziemlich verrufen und die Mietpreise im Keller waren. Meine erste eigene Wohnung. Inzwischen wurde die Miete einige Male erhöht, dennoch liege ich damit weit unter dem aktuellen Mietspiegel von Hamburg.

Sie ist vor allem groß und ich halte sie ganz gut in Schuss, aber nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass sie dringend mal saniert werden müsste. Das Bad stammt aus den Sechzigern und hat dunkelgrüne Fliesen. Die Küche ist in einem dreckigen Gelb gefliest. Es gibt drei Zimmer, ein Wohnzimmer, mein Schlafzimmer und eine Mischung aus Fitness- und Abstellraum. Darin befinden sich auch ein paar Spielsachen, aber ein wirkliches Spielzimmer, wie zum Beispiel Andy eins hat, brauche ich nicht. Es würde sich auch nicht lohnen. Dafür nehme ich zu selten jemanden mit heim.

 

Nach nur wenigen Stunden Schlaf werde ich von meinem Handy geweckt. Müde blinzelnd schiele ich aufs Display und mache den Namen meines Cousins aus. Dario.

Mit einem unwilligen Brummen nehme ich den Anruf entgegen. »Was willst du?«

»Ey, Markus, Alter!«, ruft er gut gelaunt in mein Ohr. »Habe ich dich etwa geweckt?«

»Verdammt, wie spät ist es?«, frage ich verschlafen. »Dir ist schon klar, dass ich die ganze Nacht gearbeitet habe?«

»Es ist zehn. Mann, tut mir auch leid.« Im Hintergrund höre ich jemanden feixen. Dario hat einige Idioten in seinem näheren Umfeld, daher habe ich keine Ahnung, wer da diesmal so dämlich lacht.

»Was willst du?«, frage ich noch einmal.

»Okay, kommen wir gleich zur Sache.« Er klingt irgendwie aufgedreht. »Ich brauche ein paar Leute, die nach was aussehen. Muss mich mit einem Typen unterhalten, der eins meiner Mädchen angemacht hat.«

»Du weißt, dass ich damit nichts zu tun haben will.«

»Ey, ja, weiß ich doch. Geht wirklich nur um ein Gespräch.«

»Wieso brauchst du dann mich, wenn du nur reden möchtest?«

»Je mehr starke Männer ich dabeihabe, desto eher wird geredet. Ich will mich wirklich nur mit ihm unterhalten. Keine Sorge, ist nichts Illegales.«

»Jemanden einschüchtern zu wollen, damit er deine Huren nicht abwirbt, ist nichts Illegales?« Ich richte mich etwas auf und reibe mir verschlafen übers Gesicht. »Außerdem sehe ich gerade nicht sonderlich beeindruckend aus. Ich hab noch keine vier Stunden geschlafen und in nicht mal fünf Stunden soll ich bei dir im Kasino stehen.«

»Ach, vergiss die Schicht heute. Wenn du mich in einer Stunde zu Hasan begleitest, geb ich dir den doppelten Lohn und den restlichen Tag frei.«

»Doppeltes Gehalt?«, hake ich nach. »Für den regulären Arbeitstag?«

»Bar auf die Hand.«

»Und den restlichen Tag frei?«

»Ja, Mann.«

Ich kann nicht verhindern, dass ich skeptisch klinge. »Für ein bisschen blöd Rumstehen und gefährlich Aussehen?«

»Wenn es gut läuft«, gibt er zu. »Ansonsten wird es eventuell etwas ruppig.«

»Scheiße. Ich wusste es.«

»Aber ich denke nicht, dass er Stunk machen wird. Wahrscheinlich ist er ganz handzahm, wenn wir ihm den kleinen Überraschungsbesuch abstatten.«

»Woher weißt du überhaupt, wo er ist?«, will ich wissen.

»In einem Imbiss, der ihm gehört. Er hängt da jeden Mittag ab.« Dario klingt ungeduldig. »Komm schon, Markus. Das Schwein hat mein Mädchen bedroht.«

»Ich werde nicht für dich irgendwo hinfahren und mich prügeln.«

»Okay, sollst du ja auch nicht. Du sollst nur böse gucken. Falls du dich wehren musst, verdreifache ich dein Gehalt. Tu's für mich.«

Ich schließe für einen Moment die Augen. Dreifaches Gehalt und den Nachmittag frei. Es sei denn, jemand ruft die Bullen, aber das werden sie in dem Milieu nicht tun. Dennoch ist es das, was mich am meisten abschreckt. Ich habe meine Prinzipien und wegen dem SMack hatte ich im letzten Jahr schon genug Kontakt mit den Bullen. Allerdings hatte ich auch schon ewig keinen Nachmittag mehr für mich. »Na gut, dreifaches Gehalt, wenn ich auch nur einen Finger krümmen muss, und den restlichen Tag frei.«

»Geil. Ich hol dich in einer Stunde beim Kasino ab.«

»Bis dann.« Ich lege auf und falle seufzend zurück ins Bett. Für einen Moment schließe ich noch einmal die Augen, doch dann gebe ich mir einen Ruck, stehe auf und mache mir einen Kaffee. Einen sehr starken Kaffee. Scheiße. Ich brauche das Geld nicht mal wirklich. Eigentlich tue ich es nur, weil Dario mich gebeten hat und er zur Familie gehört. Auf das Geld bestehe ich trotzdem, damit es für ihn nicht zur Gewohnheit wird, mich um diesen Dreck zu bitten.

 

Eine Stunde später sitze ich in Darios fettem BMW. Das Gespräch zwischen Mike und Kevin auf dem Rücksitz dreht sich gerade um Weiber und wie man sie behandeln muss, um sie bei der Stange zu halten. Dario fährt und beteiligt sich nicht an der Unterhaltung. Er braucht ja auch keine Tipps mehr, für ihn arbeiten mehrere Huren – freiwillig, denn alles andere wäre ja illegal.

»… so richtig besorgen«, erklärt Kevin gerade. »Du musst die Unauffälligen nehmen, die beten dich dafür an. Außerdem kannst du mit ein bisschen Schminke aus jeder Maus 'ne Schlampe machen.«

Um nicht länger zuhören zu müssen, wende ich mich an meinen Cousin. »Also, was hat Hasan eigentlich genau gemacht?«

»Kennst du Michelle?« Dario klingt ernster als am Telefon, während er sich auf die Straße konzentriert. Weniger gekünstelt. »Kleine, süße Blonde, die für mich auf dem Kiez arbeitet. Ist nicht auf den Mund gefallen und tough… Macht sich echt gut dort. Hasan hat sie nach Feierabend auf einen Drink eingeladen und wollte ihr einen Trip ausgeben. Sie hat nicht gewollt, aber er war ziemlich hartnäckig. Hätte sie wohl auch gezwungen, wenn ihr nicht einer meiner Jungs zur Hilfe gekommen wäre. Ich will rausfinden, was Hasan sich dabei gedacht hat.«

»Wusste er nicht, dass sie dir gehört?«

»Das hoffe ich für ihn.« Dario seufzt missmutig. »Verdammte Scheiße, die er da abziehen wollte. Ich hasse das.«

Ich nicke. Die beiden hinter uns reden immer noch abfällig über das andere Geschlecht. So respektlos wie sie sind, würde es mich nicht wundern, wenn sie nie ein Mädchen dazu bekommen werden, für sie anschaffen zu gehen. Und falls doch, ist das Mädchen strohdoof und wird es nicht lange bringen.

»Wie lange arbeitet Michelle für dich?«, frage ich weiter.

»So etwa ein halbes Jahr.«

»Also sollte man eigentlich wissen, dass sie eins deiner Mädchen ist.«

Dario nickt. »Da braucht jemand eine verdammt gute Ausrede.«

»Ey, Mark, hier.« Kevin reicht mir etwas über die Schulter.

Als ich blind danach greife, ertaste ich sofort, was es ist. Angewidert reiche ich ihm die Knarre zurück. »Hast du einen Knall, Mensch? Ich trag doch keine Waffe mit mir rum.«

»Ist nicht mal geladen. Zur Drohung.«

»Das ist ja noch bescheuerter«, entgegne ich. »Was ist, wenn die des Bedrohten geladen ist, he? Vollpfosten.«

»Wie hast du mich genannt?«, fragt Kevin empört.

»Vollpfosten«, antwortet Dario für mich. »Lass die Knarre weg! Ich will keinen Ärger, Mann. Zumindest nicht größer, als er ohnehin schon wird. Wir werden keine Schießerei am helllichten Tag anfangen.«

»Und was ist, wenn die Waffen haben?«, mischt sich Mike ein.

»Ist bei Hasan wahrscheinlich, aber er weiß auch, dass es eine beschissene Idee ist, die zu benutzen«, erklärt Dario mit Seitenblick auf mich. »Wenn er das tut, ist er dran.«

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie er das meint. Hoffentlich meint er damit, dass sich dann die Bullen um ihn kümmern und nicht ich. Doch ich enthalte mich meiner Meinung und bete, dass das Ganze reibungslos über die Bühne gehen wird. So wie ich Dario kenne, wird er zumindest versuchen, es sachlich auszudiskutieren. Keine Ahnung, ob man mit einem Typ, der ein junges Mädchen mit Drogen bestechen wollte, vernünftig reden kann.

Wir erreichen den Imbiss. Eher ein Lieferservice mit ein paar wenigen Tischen. Ich denke, er dient ähnlich wie Darios Kasino eher zum Geldwaschen als zum Geldverdienen, aber es riecht zumindest nach Essen, als wir ihn betreten. Dario geht vor, gefolgt von den anderen beiden. Ich bleibe zunächst an der Tür und sichere uns damit den Fluchtweg. Konzentriert schaue ich mich um. In der Küche hinter dem Tresen sehe ich zwei Typen das Essen zubereiten. Ein weiterer Typ hängt am Telefon und nimmt eine Bestellung an.

Im vorderen Bereich, allerdings recht weit entfernt von der Tür, sitzt ein Typ auf einem hohen Hocker an einem ebenfalls hohen Tisch mit Blick nach draußen. Er hat einen aufgeklappten Laptop vor sich und tippt gelangweilt auf dem Touchpad herum. Neben ihm steht ein Glas Cola.

Vermutlich ist das Hasan. Es steht also vier zu vier, wenn seine Angestellten tatsächlich so loyal sind, dass sie sich gegen uns stellen. Allerdings müssten sie erst einmal über den Tresen kommen. Es gibt einen Durchgang zum Bereich dahinter. Mit fünf Schritten bin ich dort und stelle mich davor.

Zeitgleich erreicht Dario den Mann am Laptop und macht auf sich aufmerksam, indem er auf seinen Tisch klopft. »Hallo, Hasan, hast du einen Moment für mich?«

Erst jetzt schrickt Hasan auf und mustert meinen Cousin aus geweiteten Augen. Sein Blick huscht zu den Männern in der Küche, trifft jedoch auf mich, da ich im Weg stehe. Er wirkt beunruhigt, scheint jedoch möglichst gelassen erscheinen zu wollen. »Dario, was machst du denn hier?« Sein Blick wandert zu Mike und Kevin und er hebt eine Augenbraue, als würde er sagen wollen, dass er den Auflauf übertrieben findet.

»Ich hab gehört, es gab da ein…«, Dario seufzt leise, »Missverständnis. Anscheinend hast du nicht gewusst, dass Michelle eins meiner Mädchen ist, und wolltest ihr was andrehen?«

»Michelle? Welche Michelle?« Hasan verschränkt die Arme vor der Brust und erhebt sich langsam von dem Stuhl. »Kenn ich nicht.«

»Mikes Bruder«, Dario nickt in Richtung von Mike, »hat mir aber erzählt, dass du gestern versucht hast, sie kennenzulernen: kleine Blonde, ein bisschen frech. Du wolltest ihr was andrehen und bist dabei aufdringlich geworden?«

Hasan wirkt extrem misstrauisch. Alle Anwesenden scheinen davon auszugehen, dass er wusste, dass Michelle Darios Mädchen ist. Dario macht ihm ein nettes Angebot, indem er so tut, als hätte Hasan aus Versehen einen Fehler gemacht. Vielleicht zu nett.

Hasan traut ihm offensichtlich nicht. Schließlich gibt er sich trotzdem einen Ruck und geht darauf ein. »Ach, die Kleine von gestern arbeitet für dich? Ich dachte, das wäre nur so 'ne Partyschlampe.«

Der Blick, den Dario ihm daraufhin zuwirft, sagt deutlich, dass er ihm kein Wort glaubt. Doch sein Tonfall bleibt höflich. »Ja, sie arbeitet für mich. Du wärst ihr sicher nicht zu nahe getreten, wenn du das gewusst hättest. Ich meine, du weißt, wie das so läuft und dass ich so was nicht durchgehen lassen könnte.«

Hasans Blick wandert noch einmal zu seinen Angestellten, die inzwischen aufgehört haben zu arbeiten und die Szene verfolgen. Sie scheinen jedoch kein Interesse daran zu haben, sich mit uns anzulegen. Ich stelle mich dennoch so, dass ich sie besser im Blick habe. Einen von ihnen starre ich finster an, bis er einen Schritt zurückweicht und sich wieder seiner Pizza widmet.

»Scheiße, Dario, ich will keinen Ärger mit dir.« Da ist ein leichtes Zittern in Hasans Stimme.

Ich sehe wieder zu ihm. Es ist so typisch, wenn sie ihre Freunde nicht hinter sich haben, sind sie plötzlich ganz kleinlaut. Nicht dass es bei Dario anders wäre. Allein sind sie immer ganz vernünftig. Nur in Rudeln fühlen sie sich stark. Das ist ja auch Sinn und Zweck dieser Übung. Ich tue es für Dario, aber eigentlich habe ich keine Lust, mich in seinem Rudel unterzuordnen.

Zum Glück sind wir bald darauf fertig. Hasan verspricht, sich von Darios Huren fernzuhalten. Dario verspricht Hasan durch die Blume, ihn andernfalls aus dem Weg zu räumen. Ich befürchte, dass er das ernst meint. Er würde es nicht selbst machen, aber er wird jemanden finden, der es für ihn tut. Das Rotlichtmilieu ist extrem. Deshalb will ich auch nichts damit zu tun haben.

 

[KAPITEL 3]

 

 

 

Einen kompletten Samstagnachmittag frei. Das ist so ungewohnt, dass ich gar nicht weiß, was ich mit der Zeit anfangen soll. Nach Trainieren und Schlafen ist immer noch etwas davon übrig. Ich gehe kurzerhand raus und schlendere durch die Mönckebergstraße. Nach Shopping ist mir nicht, aber ich mag es, die Leute zu beobachten, und schließlich gönne ich mir sogar ein Eis.

In der Spitalerstraße steht eine junge Frau neben einer großen Musikbox und singt mit deren Untermalung offenbar selbst komponierte Lieder. Ich setze mich auf eine der runden Bänke unter einer Baumgruppe, um mein Eis zu genießen und ihr zuzuhören. Auch andere Passanten bleiben stehen und bilden einen lockeren Halbkreis um sie. Hin und wieder tritt jemand vor und wirft ihr Geld in den dazu bereitgestellten Hut und sie singt jedes Mal ein kleines Dankeschön passend zu der Melodie ihres aktuellen Liedes.

Mein Blick gleitet über die Zuhörer, bleibt aber an niemandem hängen, bis ich plötzlich aufmerke, als ein Mann an mir vorbeigeht. Es sind die Schuhe, die als Erstes in mein Blickfeld treten. Sie sind nicht ungewöhnlich, aber ich mag Dr. Martens, vor allem, wenn sie von einem Mann getragen werden. Mein Blick wandert aufmerksam an den schlanken Beinen hoch, die in engen Jeans stecken. Er hat einen runden Knackarsch, der zum Spanking einlädt. Ich mag den rotschwarzen Ringelpullover, den er unter einer offenen Lederjacke trägt. Er ist blond und hat große Kopfhörer auf. Das kann ich noch erkennen, ehe er im Lego-Store verschwindet.

Lego. Eindeutig zu jung oder hetero. Ich konzentriere mich wieder auf mein Eis und die Sängerin, doch ich kann mir gelegentliche Blicke in Richtung des Geschäfts nicht verkneifen. Ich weiß selbst nicht, was ich an dem jungen Mann so faszinierend finde. Bisher habe ich nur seine Kehrseite gesehen. Kann sein, dass er von vorn eine absolute Gesichtsgrätsche ist.

Nein, ist er nicht. Ich fluche innerlich, als er kurz darauf wieder aus dem Laden tritt und sich die Kopfhörer von einem Ohr hebt, um anscheinend der Straßensängerin zu lauschen. Dann entdeckt er mich, da ich schräg hinter der Sängerin genau in seinem Blickfeld sitze, und strahlt, ehe er sich zielstrebig in meine Richtung aufmacht. Es ist Thies.

Thies in einem schwarz-rot geringelten Pullover. Ich habe ihn noch nie mit so vielen Klamotten gesehen. Na gut, vielleicht schon, wenn er zum Dienst erschienen ist, dann allerdings immer nur kurz.

»Hi!«, grüßt er immer noch lächelnd. »Was machst du denn hier?«

Ich zucke mit den Schultern. »Höre der Musik zu und esse Eis, wie du siehst.«

»Es sind grade mal fünfzehn Grad«, stellt er fest.

»Und?«, frage ich gleichmütig zurück. »Die Sonne scheint.«

»Brrr.« Er schüttelt sich. Dann lacht er fröhlich und schiebt die Kopfhörer zurück, sodass sie um seinen Hals hängen. Ich höre leise Rockmusik, ehe er diese per Knopfdruck verstummen lässt.

»Und du?«, frage ich. »Was machst du hier?«

»Ich suche Inspiration für ein Projekt«, erklärt er seufzend. »Ich dachte, ich mache vielleicht was mit Lego, aber das Zeug ist scheißteuer. Jetzt stehe ich wieder am Anfang.«

»Hast du kein Lego mehr bei deinen Eltern?«, hake ich nach.

»Ich hatte mal welches, aber ich glaube, meine Mutter hat es weggegeben.« Er kraust verschmitzt die Nase und schenkt mir ein schelmisches Lächeln. »Wahrscheinlich hat sie die Hoffnung aufgegeben, von mir Enkelkinder zu bekommen, für die das Aufheben sich lohnen würde.«

»Tja...« Ich schiebe die restliche Waffel meines Eises in den Mund und kaue gemächlich darauf herum. »Was genau ist das für ein Projekt?«

»Für die Kunsthochschule...« Er holt noch ein wenig aus, erklärt mir das Thema, seine bisherigen Ideen und wieso Lego sich für die Umsetzung geeignet hätte. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung von Kunst. Mir fällt nur wieder auf, wie jung und energiegeladen Thies ist. Er wirkt ziemlich aufgedreht.

»Was machst du jetzt noch?«, will er schließlich wissen. »Musst du heute nicht im Kasino arbeiten?«

Ich zucke mit den Schultern. »Nein.«

Er verlagert das Gewicht unruhig von einem Bein aufs andere. »Wollen wir... was zusammen unternehmen? Ich kenne einen echt guten Coffeeshop in der Nähe...«

Mein erster Impuls ist abzulehnen. Doch dann fällt mir ein, wie enttäuscht er letzte Nacht gewirkt hat, als ich seinen Annäherungsversuch abgeschmettert habe. Ich könnte ihm zumindest die Gelegenheit geben, sich selbst davon zu überzeugen, dass ich nicht so ein toller Hecht bin, wie er zu glauben scheint. Dann bin ich ihn dauerhaft los. Außerdem habe ich nichts Besseres zu tun.

»Okay.«

Seine Augen weiten sich überrascht, doch dann strahlt er. »Wirklich?«

Ich erhebe mich gemächlich. »Klar, warum nicht...«

Ehe ich mit ihm gehe, schmeiße ich noch ein bisschen Kleingeld in den Hut der Straßensängerin. Dann schlendern wir ohne viele Worte die Fußgängerzone hinunter und biegen in eine Querstraße ein, in der sich einige Coffeeshops befinden. Macht vielleicht die Nähe zum Hauptbahnhof. Thies führt mich zu einem Laden an der nächsten Straßenecke. Es wirkt recht behaglich darin, mit unterschiedlichen Sitzgelegenheiten und einem größeren Angebot an Kuchen und Speisen. Es ist eher ein richtiges Café als ein Laden, in dem sich die Leute nur schnell einen Kaffee mitnehmen.

»Was magst du?«, will Thies wissen und lächelt kühn. »Ich lad dich ein.«

Darauf schnaube ich und schüttle den Kopf. »Netter Versuch. Ich zahle.«

»Aber es war meine Idee.« Sein Lächeln wird unsicher.

»Aber meine Entscheidung.« Ich sehe ihn fragend an. »Also, was möchtest du?«

»Einen Latte macchiato.« Er neigt den Kopf zur Seite und schenkt mir einen Augenaufschlag. »Danke, Sir.«

»Möchtest du noch ein Stück Kuchen, oder so?«

Er schüttelt den Kopf.

Ich gebe seinen Wunsch an die junge Frau hinter dem Tresen weiter und bestelle für mich einen doppelten Espresso. Nach kurzem Überlegen setze ich mich über Thies' Einwand hinweg und bestelle zwei Muffins für uns, weil die wirklich gut aussehen. Wenn ich mich schon mit ihm in ein Café setze, sollten wir es so angenehm wie möglich gestalten.

Ich reiche ihm die beiden Teller mit den Muffins. »Such uns schon mal einen Platz. Ich komme mit den Getränken nach.«

»Möchtest du lieber am Fenster sitzen oder weiter hinten?«

»Fenster wäre gut.«

Er nickt und macht sich auf den Weg. Ich sehe ihm nach und bleibe mit dem Blick an seinem Apfelhintern hängen. Es liegt nicht an ihm. Ich könnte mich schon dabei sehen, wie ich seinen süßen Arsch zum Glühen bringe. Aber nicht in meiner aktuellen Situation. Ich habe kein Interesse, etwas mit jemandem anzufangen, erst recht nicht, wenn ich ihn berufsbedingt so oft sehen muss.

Die Bedienung reicht mir die beiden Getränke und ich folge Thies an einen schmalen Tisch am Fenster. Er hat sich den Platz mit dem Rücken zum Eingang ausgesucht, was ich begrüße. Ich behalte den Raum lieber im Auge.

»Danke.« Er lächelt mich an, als ich das Glas mit dem Latte vor ihm abstelle.

Die Teller mit den Muffins stehen auf meiner Seite des Tisches, als hätte ich die beide für mich bestellt. Ich schiebe ihm einen davon zu. Den mit der dreifachen Schokolade. »Hier, iss die Hälfte, dann tauschen wir.«

»Aber...« Er schlägt lächelnd die Augen nieder. »Danke, Sir.«

Geht doch. Ich schmunzle matt, ehe ich den Blick aus dem Fenster richte. Wir sitzen an der Seite, wo viele Passanten vorbeikommen. Ich beobachte eine ältere Dame, die den Bürgersteig am Café entlangstolziert. Eine typische Hamburgerin mit blondierten, mittellangen Haaren, geschminkt und in einem hübschen Kostüm. Die Handtasche passt zu den Schuhen. Sie erinnert mich an meine Tante väterlicherseits.

Ich richte meinen Blick wieder auf Thies und ertappe ihn dabei, wie er wiederum mich neugierig mustert. Nun senkt er jedoch den Blick und spielt mit dem Muffin vor sich. Schließlich bricht er ein Stück ab und steckt es sich in den Mund. Seine Zurückhaltung wundert mich, eigentlich ist er ziemlich frech und vorlaut, zumindest immer, wenn ich ihn bei der Arbeit beobachtet habe.

»Mache ich dich nervös?«, frage ich direkt.

»Was?« Er blickt auf, lächelt zögernd und zuckt mit den Schultern. »Nicht direkt. Ich meine... Ich... Ich kann es noch nicht ganz fassen, dass du ja gesagt hast.«

»Es ist nur ein Kaffee.«

»Ich weiß, trotzdem...«

Ich hebe eine Augenbraue und zucke mit den Schultern, um dann eine unverfängliche Frage zu stellen. »Arbeitest du heute Abend?«

»Ja, aber wie üblich erst ab Mitternacht«, erklärt er. »Und du?«

»Wie üblich«, antworte ich. »Ab zehn.«

»Ich bin froh, dass du immer noch für Andreas arbeitest. Das SMack wäre nicht das Gleiche ohne dich.«

»Wie kommst du darauf?« Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee. »Hat dir Andreas erzählt, dass ich überlegt hatte zu kündigen?«

»Nein. Ich hab zufällig gehört, wie er mit Ingo darüber gesprochen hat.«

»Zufällig gehört, soso.« Als er darauf wieder die Augen niederschlägt, sein Lächeln diesmal jedoch auf seinen Lippen bleibt, muss ich ebenfalls lächeln. Es ist ansteckend. Er hat Charisma.

»Es lässt sich nicht immer vermeiden, dass man hinter der Bar etwas aufschnappt, das nicht unbedingt für alle Ohren bestimmt ist«, erklärt er. »Ich meine, Andy beratschlagt sich gerne mit Ingo. Sie haben darüber geredet, dass es jetzt besser läuft mit Frank als zusätzliche Security und dass es dich wohl auch entlastet. So sind sie darauf gekommen. Wolltest du deshalb gehen? Weil es zu viel für eine Person war?«

Es war tatsächlich ein Grund. Ich fand es schon fast verantwortungslos, mich die Security allein machen zu lassen, nachdem die Partys immer größer geworden sind. Aber nicht der Hauptgrund. »Es war ein Missverständnis zwischen mir und Andy. Haben wir geklärt.«

»Ach so, dann ist ja gut.« Er schiebt sich noch ein Stück von seinem Muffin in den Mund und kaut einen Moment schweigend darauf herum. »Wie bist du eigentlich an den Job im SMack gekommen? Du arbeitest schon ziemlich lange da, oder?«

»Mhm, ähnlich lange wie Andy. Als der Manager wurde, hat er mich eingestellt. Da hat ihm das SMack noch nicht gehört.« Ich nehme einen weiteren Schluck von meinem Kaffee, während ich noch einmal nach draußen gucke und diesmal mit dem Blick an einem kleinen Terrier hängen bleibe, den eine aufgedonnerte Tussi an der Leine führt.

»Wann war das?«

»Hm? Ach, so vor vier Jahren etwa.«

»Wie alt warst du da?«, hakt Thies nach.

Ich sehe ihn wieder an. »Siebenundzwanzig.«

»Was hast du davor gemacht?«

»Ich war beim Bund.«

»Oh.« Seine Augen werden groß. »Und als was?«

»Ich war Zeitsoldat bei den Fallschirmjägern.«

»Cool. Warst du auch im Auslandseinsatz?«

»Klar, ein paar Mal.« Ich seufze und nehme einen Schluck von meinem Espresso.

»Und wo?«

»Afghanistan und Kambodscha.«

Interessiert lehnt er sich vor. »Und? War es gefährlich?«

»Ja.« Leugnen kann ich es nicht, aber weiter darauf eingehen möchte ich auch nicht. Mit einem leichten Stirnrunzeln besinne ich mich auf ein anderes Thema. »Bist du hier öfter?«

»Hm, manchmal«, antwortet er und sieht sich um, als wäre er entgegen seiner Aussage zum ersten Mal hier. Vielleicht versucht er, das Café durch meine Augen zu sehen. »Mit Kommilitonen. Es ist günstiger als Starbucks

»Hm, der Espresso ist ganz okay.«

»Du trinkst den ohne Zucker?«

Ich nicke schlicht. »Der Muffin ist süß genug.«

»Stimmt, aber lecker...« Er steckt sich noch ein Stück von seinem in den Mund. »Du möchtest nicht, dass ich dich weiter über deine Zeit als Soldat ausfrage, oder?«

»Es ist nicht so spannend, wie es sich vielleicht anhört.«

»Also nein.« Er zieht einen Schmollmund, doch dann zuckt er mit den Schultern. »Okay, worüber willst du dich mit mir unterhalten?«

Es ist nicht so, als würde mir Small Talk nicht liegen. Mehr als fünfzig Prozent meines Jobs besteht aus Small Talk. Allerdings habe ich keine Ahnung, worüber ich mich mit einem dreiundzwanzigjährigen Kunststudenten unterhalten soll. Wir kommen aus völlig unterschiedlichen Welten. Um Zeit zu schinden, probiere ich erstmals meinen Muffin.

Thies scheint durch mein Schweigen nervös zu werden. Er rutscht unruhig auf seinem Stuhl herum und ergreift schließlich wieder das Wort: »Ich könnte dir eine Auswahl an Themen vorschlagen, wenn du möchtest.«

»Das klingt irgendwie frech«, stelle ich fest.

»Ist es aber nicht gemeint«, beteuert er sofort. »Ich meine, nur...«

Ich hebe meine Augenbrauen. »Hm, lass mal deine Vorschläge hören.«

»Ähm, Tattoos? Musik? Das Wetter? Besondere Vorlieben?«

Mein Blick fällt auf seine Arme, die jedoch in seinen Ringelpullover verpackt sind, sodass man die Tätowierungen nicht sieht. Ich mag seine Tattoos, will seit Jahren selbst eins, doch gerade weil ich es immer noch nicht in Angriff genommen habe, wie so vieles in meinem Leben, habe ich keine Lust, darüber zu sprechen.

Nachdenklich richtet sich mein Blick nach draußen in den blauen Himmel. In meiner Vorstellung hat Thies ebenso unschuldig blaue Augen, doch als ich sie jetzt mit dem Himmel vergleiche, stelle ich fest, dass seine Augen anders sind. Blau, aber nicht himmelblau. Eher ein sehr klares Graublau mit einem ockerbraunen Kreis um die Iris. Interessant, um nicht zu sagen, sehr hübsch.

Ich richte meinen Blick über seine Schulter Richtung Ausgang. Mein Fluchtweg. Scheiße, ich verstehe nicht, wieso ich mich überhaupt hierauf eingelassen habe. Natürlich finde ich ihn anziehend. Es gibt nichts an ihm, was ich unattraktiv finden kann, außer das Alter, aber er ist erwachsen, verdammt noch mal.

»Besondere Vorlieben?«, wiederhole ich. »Dann schieß mal los...«

Plötzlich wieder verlegen dreht er das Glas vor sich zwischen seinen Handflächen. »Ist... ich meine, wäre es nicht relevanter, was du für Vorlieben hast?«

»Relevant wofür?« Ich weiß natürlich, was er meint und es ist gemein nachzuhaken. Aber dann wiederum ist es wichtig, damit er weiß, dass dieses Treffen nichts bedeutet. Es ist nicht relevant für uns. Es gibt kein Uns. Wird es auch nicht geben.

Thies zuckt mit den Schultern. Mir fällt auf, dass seine Ohren ganz rot geworden sind. War ich das etwa? Süß.

»Für was wäre es relevant, Thies?«, frage ich noch einmal.

Er schluckt und zieht wieder die Schultern hoch. Nur zögerlich hebt er den Blick und begegnet meinem. »Meine primäre Vorliebe ist, dominiert zu werden. Es sind die Vorlieben der Doms, die darüber entscheiden, was während einer Session passiert. Darum sind meine Vorlieben weniger relevant.«

Einerseits hat er sich mit der Verallgemeinerung geschickt aus der Affäre gezogen, aber anderseits auch ins Aus gespielt. Zumindest für mich. Seine Antwort scheint mir zu sehr darauf ausgelegt zu gefallen. Dadurch fühle ich mich nur noch mehr bestätigt: Er ist zu unerfahren.

Ich seufze leise. »Meine Vorliebe sind Subs, die wissen, was sie wollen. Ich finde es langweilig, einen Sub zu dominieren, der keine klaren Vorlieben und Abneigungen hat.«

Thies zuckt zusammen. Er scheint nicht zu wissen, was er darauf antworten soll, und nimmt zunächst einen Schluck von seinem Latte. Als er das Glas absetzt, wischt er sich mit einem Finger den Milchschaum von der Oberlippe und leckt ihn ab. Die Geste wirkt sinnlich, erst recht, weil sie unbewusst geschieht. Ich spüre, wie mein Schwanz darauf reagiert, obwohl die Situation ambivalenter nicht sein könnte.

»Okay, so betrachtet...«, meint Thies schließlich einsichtig. »Aber...« Er zögert. »Du würdest dich ja nicht nach einem Sub richten, mit dessen Vorlieben du nichts anfangen könntest, oder?«

»Nein, ein Grund mehr, sie vorher kennen zu wollen und sich gar nicht erst auf jemanden einzulassen, bei dem es nicht passt. Es wäre für beide Seiten unbefriedigend.«

»Macht Sinn.« Thies fährt mit dem Zeigefinger über den Rand seines Glases. »Ehrlich gesagt, bin ich gerade tatsächlich etwas verwirrt und weiß ich nicht, was ich wirklich will. Ich dachte immer, ich stehe auf Daddys und was so dazugehört...«

»Daddys?« Er steht auf ältere Männer. Absurd. Demnach ist nicht nur er zu jung für mich, ich bin es für ihn auch. Sieben Jahre sind zu wenig für ein überzeugendes Rollenspiel dieser Art.

»Mhm, na ja... bisher. Keine Ahnung, vielleicht habe meine Daddy-Issues überwunden.« Er lächelt mich spekulativ an. »Und irgendwie wollte ich auch schon immer einen großen Bruder haben. Ich mag Inzest-Fantasien. Vielleicht weil ich Einzelkind bin und meine Eltern wenig Zeit für mich hatten. Ich weiß, dass so was in der Realität total abnorm ist...«

»Darum nennt man es Fetisch.« Mit diesem habe ich jedoch nie etwas anfangen können. Vielleicht, weil ich eine sehr große Familie habe und weiß, wie unterschiedlich die Gefühle für sie zu denen sind, die ich für Männer empfinde, die mich sexuell ansprechen. Dennoch gehe ich auf ihn ein. »Was sind das für Fantasien?«

Sein Lächeln wird herrlich schmutzig, als er sich umsieht. Dann lehnt er sich über den Tisch zu mir, um mit leiserer Stimme zu gestehen: »Ich weiß nicht, ob ich dir das jetzt erzählen sollte. Hier sind Kinder.«

»Komm mit deinem Stuhl her«, fordere ich ihn auf. Mir gefällt sein frecher Gesichtsausdruck. Es erscheint mir außerdem harmlos. Ich teile seinen Fetisch nicht. »Dann kannst du es mir ins Ohr flüstern.«

Er rückt tatsächlich mit seinem Stuhl um den Tisch zu mir herum. Seine Ohren glühen wieder. Er wirkt so eifrig. Ich will ihm keine Hoffnungen machen, aber irgendwie bin ich auch neugierig, was jetzt kommt. »Also, was denkst du, was große Brüder mit ihren kleinen Brüdern anstellen?«

»Kommt drauf an, was der kleine Bruder angestellt hat«, sagt er und lehnt sich zu mir rüber. Seine Hand legt sich scheinbar unwillkürlich auf meinen Schenkel. Ich tue, als würde ich es nicht bemerken, doch die Wärme seiner Handfläche strömt intim durch mein Bein in meinen Schwanz. So ein kleiner... Das ist bestimmt Absicht. Seine blauen Augen mustern mich verschmitzt.

»Also gut, was hat der kleine Bruder angestellt?«, hake ich scheinbar gelassen nach.

Er leckt sich über die Lippen. »Nichts, weißt du, er kann gar nichts dafür, dass sein großer Bruder so gut aussieht und wenn...« Thies scheint kurz zu überlegen. »… wenn er zum Beispiel duscht, dann kann man es seinem kleinen Bruder echt nicht übel nehmen, wenn er ein bisschen zuguckt. Er kann ja nicht ahnen, dass sein großer Bruder sich dabei gerne einen runterholt...«

Ich schnaufe leise, als ich mir vorstelle, wie Thies mich heimlich beim Duschen und Wichsen beobachtet. Ohne Zweifel wäre ihm das zuzutrauen. »Und was, wenn dich dein großer Bruder dabei erwischt?«

»Erst mal ist es ihm sicher peinlich«, gibt Thies zu. »Er ist bestimmt sauer auf mich und sagt, dass ich verschwinden soll. Aber ich kann mich nicht bewegen vor Schreck und dann kommt er aus der Dusche auf mich zu. Ganz nass und nackt und immer noch so hart...« Er schließt die Augen und seine Hand auf meinem Bein greift zu. »Und ich bin auch hart und als er es merkt, beschimpft er mich und fragt mich, ob ich ein verdammter Schwanzlutscher bin.« Er sieht mich wieder spekulativ an und ein gemächliches Lächeln erobert seine Züge. »Das bin ich... und als ihm das bewusst wird, fällt ihm etwas Besseres ein, als mich zu beschimpfen...«

»Du würdest den Schwanz deines großen Bruders lutschen wollen?«

Gott, irgendwie finde ich die Vorstellung erregend. Thies' volle Lippen wirken plötzlich unheimlich verführerisch und in seiner Fantasie wirkt alles so herrlich unkompliziert. Der kleine Bruder will ohnehin etwas vom großen Bruder und der bleibt davon dennoch relativ unberührt, weil er es ursprünglich nicht ausgelöst hat und ihn nur benutzt. Es ist nur ein heißes Intermezzo.

»Gott, ja«, haucht er und sein Blick richtet sich gierig auf meinen Schritt. Es zeichnet sich eine deutliche Beule unter dem Stoff meiner Jeans ab. Aber auch Thies wird hart. Seine enge Hose lässt daran wenig Zweifel.

Verdammt, ich werde mich nicht verführen lassen. Der Inzestgedanke stößt mich immer noch ab. Dennoch ist die Versuchung groß: In seiner Fantasie macht es ihn an, nur benutzt zu werden. Vielleicht möchte Thies benutzt werden. Vielleicht ist das alles, was er von mir möchte. Vielleicht ist meine Annahme, dass er mehr möchte, sogar anmaßend. Ein Blowjob und dann lässt er mich in Ruhe.

Seine Hand liegt immer noch auf meinem Bein. Ich habe sogar das Gefühl, dass sie höher gewandert ist. Entschieden schiebe ich sie beiseite. »Hier sind Kinder, Thies.«

Seine Ohren sind immer noch sehr rot. »Ich wüsste einen Ort, wo keine sind...«

»Iss lieber deinen Muffin auf«, rate ich ihm. Distanz tut gut. Verdammt, beinahe hätte er mich gehabt. Er kann mir gefährlicher werden als gedacht.

Nun setzt er sich wieder mir gegenüber und scheint zu schmollen. Zumindest ist seine Unterlippe vorgeschoben, während er missmutig auf den Muffin starrt. Schließlich seufzt er herzzerreißend und schiebt sich ein großes Stück davon in den Mund.

Ich fühle mich wie das größte Arschloch der Welt. Dabei will ich ihn nur nicht verletzen. »Abgesehen von Schwanzlutschen, was machen Brüder noch zusammen? Oder ist das eine einmalige Sache?«

Er schluckt und sieht mich abwägend an. »Kommt auf den großen Bruder an.«

Also will er mehr. Nicht die Antwort, die ich hören wollte. Ich seufze leise, leere dann meinen Espresso und sehe auf meine Uhr. Es ist jetzt fast sechs Uhr. Draußen wird es dunkel. »Ich muss noch einkaufen. Wir sehen uns später, Thies.«

 

[KAPITEL 4]

 

 

 

 

Samstagnacht sind die meisten Gäste im SMack Stammkunden. Es gibt einen strengen Dresscode, der dafür sorgt, dass der übliche Kreis vornehmlich unter sich bleibt. Neue Gesichter erfordern besondere Aufmerksamkeit und es liegt an mir, sie zu filtern und nur diejenigen reinzulassen, die dazu passen. Bisher war es ein ruhiger Abend.

Thies ist vor einer halben Stunde angekommen und hilft Ingo hinterm Tresen. Allerdings hat er nicht wie sonst für jeden Gast ein strahlendes Lächeln übrig. Für mich bisher nicht einmal einen Blick. Wahrscheinlich schmollt er noch, nachdem ich ihn mit einem Ständer sitzen gelassen habe.

Die Tür öffnet sich, ich wende mich um und vor mich tritt ein recht großer Typ. Schwarzes Haar. Seine Nase wirkt, als wäre sie schon einmal gebrochen gewesen. Das linke Ohrläppchen ist gerissen und nicht wieder zusammengewachsen. Sein Körper erscheint recht muskulös. So wie er sich hält, könnte man beinahe denken, dass er bereit ist, sich mit mir anzulegen. Sein ganzes Auftreten steht in herbem Kontrast zu seinem Alter. Er ist vielleicht gerade mal zwanzig.

»Hi?« Ich mustere ihn fragend. Irgendwie kommt er mir bekannt vor, aber ich kann ihn gerade nicht einordnen. Kein Stammkunde, kein Dresscode – so viel ist offensichtlich. Er trägt Jeans und eine abgetragene Trainingsjacke. Obwohl es kalt ist, trägt er darunter nur ein schwarzes Tanktop. Harter Typ, aber kein Fetischist. Es sei denn, er steht auf abgefuckte Turnschuhe.

»Hey«, grüßt er zurück und blickt an mir vorbei über meine Schulter. Der Vorhang ist offen und er kann von hier die Bar sehen.

»Ich glaube nicht, dass ich dich reinlassen kann«, stelle ich fest.

Der Ausdruck in seinen Augen wird finster, doch er wirkt auch nicht sonderlich überrascht. »Okay... Eigentlich muss ich auch nur kurz mit Thies sprechen.«

Vielleicht ist er einer von Thies Kommilitonen. Doch wie ein Kunststudent sieht er nicht aus. Verdammt, er kommt mir so bekannt vor. Vor allem der trotzige Mund. Das einzige Weiche an ihm. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. »Ich kenne dich doch...«

Sein Unterkiefer schiebt sich leicht nach vorn.

Ja, ich kenne den Bengel und er mich auch. Vor ein paar Jahren habe ich ihm geholfen, als ihm ein paar fiese Typen nicht weit vom SMack sein Geld abknöpfen wollten. Danach habe ich ihn mit zu mir genommen und wollte ihn am nächsten Tag zur Polizei oder einem Streetworker bringen, aber er ist abgehauen.

Aus Sorge habe ich beinahe die ganze Stadt nach ihm durchkämmt. Er war nicht mal achtzehn damals und ich wusste, dass er unter anderem auch sich selbst verkauft. Ich hatte tatsächlich Mitleid mit ihm, bis ich erfahren habe, dass er wegen eines geplatzten Drogendeals und Ärger mit den Bullen abgetaucht ist. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.

»Was willst du von Thies?« Ich verschränke die Arme vor der Brust.

»Nichts«, antwortet er und weicht meinem Blick missmutig aus. »Nur was sagen.«

»Sag es mir und ich richte es ihm aus.«

Darauf schnauft er und blickt wieder über meine Schulter. »Kann ich bitte selbst mit ihm reden? Es ist wichtig, Markus. Dann hau ich auch wieder ab. Thies ist ein Freund von mir.«

»Weiß Thies, dass sein Freund ein Stricher ist?«

Er nickt.

Ich verziehe den Mund. Auch das noch. Es gibt immer mal wieder Stricher, die sich hier in den Club schmuggeln wollen. Sie sind hier nicht erwünscht, wir sind schließlich kein Puff. Allerdings bevorzugen selbst die Mutigen, die es dennoch drauf anlegen, die Freitage.

»Wie heißt du noch mal?«

»Timm.«

»Okay, Timm. Warte hier, ich schau, ob er Zeit hat.« Ich ziehe den Vorhang vor ihm zu und gehe an die Bar. Allerdings bewegt sich Thies auf die andere Seite des Tresens, als ich mich nähere. Großartig.

»Na, Markus? Durst?« Ingo schmunzelt spöttisch. »Ein Bier?«

»Nein«, antworte ich. »Da ist jemand an der Tür, der mit Thies reden will.«

»Wer?«

»Ein Stricher.« Mein Blick richtet sich streng auf Thies. »Timm.«

Thies hat bis eben noch betont desinteressiert Gläser abgetrocknet, doch jetzt fährt er irritiert zu mir herum. »Timmy ist kein Stricher mehr.«

Ich weiß dank Dario, wie unwahrscheinlich es ist, dass man wieder in die Spur kommt, wenn man erst einmal mit Prostitution angefangen hat. Es macht einfach etwas mit der Psyche. Zugegeben, Timm sah nicht aus wie ein Junkie, aber auch nicht wie jemand, der einen vernünftigen Job hat. Daher hebe ich nur vielsagend eine Augenbraue und zucke mit den Schultern.

Thies schnauft und wendet sich an Ingo. »Kriege ich fünf Minuten?«

»Zieh es dir von deinen Raucherpausen ab.«

Das lässt sich Thies nicht zweimal sagen. Er duckt sich unterm Eingang zum Tresen durch und eilt Richtung Tür. Ehe sich der Vorhang schließt, sehe ich noch, wie Thies von Timm mit einem Handschlag begrüßt wird. Sieht freundschaftlich aus, gefällt mir dennoch nicht. Ganz und gar nicht. Als ich mich wieder Ingo zuwende, mustert der mich mit verschränkten Armen.

»Ist was?«

»Das würde ich auch gerne wissen«, sagt er. »Ich habe keine Ahnung, was sich zwischen euch seit gestern wie, wann und warum geändert hat, aber offenbar ist der Junge nicht gut auf dich zu sprechen.«

»Scheint so.« Ich habe nicht die Absicht, darauf einzugehen. Stattdessen kehre ich auf meinen Posten zurück. Als ich den Vorhang öffne, überreicht Thies Timm gerade einige große Geldscheine, die der nonchalant in seinem abgegriffenen Portemonnaie verschwinden lässt.

Ich halte ungläubig inne. »Was zum Teufel zieht ihr hier ab?«

Ertappt blickt Timm zu mir auf und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch Thies kommt ihm zuvor und stellt sie schützend vor seinen Freund. Er ist kleiner als Timm, etwas mehr als fünf Zentimeter. Dennoch scheint er eine Art Beschützerinstinkt für ihn zu empfinden und begegnet mir auf Augenhöhe. »Das geht dich nichts an.«

»Ich glaube schon«, entgegne ich. Möglich, dass Thies ein bisschen Gras an der Hochschule vertickt und Timm seine Quelle ist. Eigentlich harmlos. Aber nicht hier im SMack. Wir hatten schon genug Ärger mit illegalen Substanzen. »Gib mir das Zeug.«

»Welches Zeug?«

»Die Drogen, die dir der kleine Wichser gegeben hat.«

»Was für Drogen?«

Entnervt hole ich Luft und trete einen Schritt auf Thies zu, um ihm zu verdeutlichen, dass wir keineswegs auf gleicher Augenhöhe sind. »Thies, es ist mir scheißegal, was du außerhalb dieses Clubs anstellst, aber hier im SMack will ich verdammt noch mal keine Drogen haben. Also gibst du sie mir jetzt oder muss ich mit Andy reden?«

»Es gibt keine Drogen, Mann!«, mischt sich Timm ein. »Das Geld ist für...«

»Klappe, Timm!«, unterbricht ihn Thies energisch.

Der zuckt mit den Schultern. »Was auch immer.«

Keine Drogen? Aber was auch immer es ist, es ist nicht sauber. Ich blicke Timm über Thies' Schulter grimmig an. »Hau ab. Besser, du lässt dich hier nicht mehr blicken.«

Timm zögert. »Okay, wenn ich gehe, T?«

Er spricht das T englisch aus. Soll wohl cool klingen. Vor allem aber klingt es vertraut. Die beiden scheinen sich gut zu kennen. Besser als Dealer und Zwischenhändler? Ich bin immer noch skeptisch. Keine Ahnung, was ein netter Junge wie Thies sonst mit so einem abgefuckten Typen zu tun haben soll.

»Ja, okay«, antwortet Thies, wendet sich zu ihm um und damit von mir ab. »Ich muss eh wieder rein, sonst krieg ich Ärger mit Ingo. Wir telefonieren morgen?«

Timm nickt, ehe er mir einen skeptischen Blick zuwirft und sich aus der Tür schiebt. »Bis dann.«

Bisher habe ich Thies tatsächlich für einen netten Jungen gehalten. Fast unschuldig. Machen wohl die blauen Augen und das blonde Haar. Zwar arbeitet er in einem Fetischladen, aber wohl hauptsächlich, weil er hübsch anzusehen ist. Andy und Ingo passen besonders auf ihn auf. Er studiert verdammt noch mal Kunst.

»Was hast du mit einem verfickten Stricher zu schaffen?«

»Timm ist kein Stricher mehr!« Sein Unterkiefer ist leicht vorgeschoben und seine Brauen zusammengezogen, als er zu mir herumwirbelt. »Er ist ein guter Freund.«

Ehe ich selbst weiß, was ich vorhabe, habe ich Thies mit dem Rücken an die Tür gedrängt. »Dann such dir gefälligst bessere Freunde! Und jetzt will ich wissen, wieso du ihm ein paar hundert Euro rübergeschoben hast!«

»Es geht dich nichts an, mit wem ich befreundet bin!«

»Tut es nicht, solange dich deine kleinen Dealer-Freunde nicht im SMack besuchen kommen. Jetzt geht es mich etwas an.«

Ich beginne seine Hose abzutasten. Viele Verstecke gibt es da nicht. Thies trägt heute enge Latexpants und darüber einen schmalen Lederharness, der nur über seine linke Schulter geht und dann unter beiden Armen festgemacht ist. Seine Füße stecken in hohen Schnürstiefeln.

Ich finde nicht einmal ein Portemonnaie. Er muss das Geld lose dabeigehabt haben. Vielleicht habe ich es aber auch übersehen. Ich streiche noch einmal über seine Hose. Diesmal spüre ich etwas unter meiner Hand: Seinen Schwanz, der sich langsam ausdehnt und an Härte gewinnt.

Automatisch ziehe ich meine Hand zurück und sehe ihm wieder in die Augen. Verdammt, er wirkt eindeutig erregt, wenn auch widerwillig. Er hat immer noch die Unterlippe vorgeschoben und inzwischen ganz rote Ohren.

»Letzte Chance, Thies«, sage ich möglichst freundlich. »Wofür war das Geld?«

»Fuck you! Es hat nichts mit dem SMack zu tun.«

Die Tür in seinem Rücken bewegt sich. Jemand versucht reinzukommen. Mist. Ich greife Thies am Harness und ziehe ihn von der Tür weg, um sie zu öffnen, lasse ihn jedoch nicht los.

Draußen steht ein mir unbekannter Mann, Mitte vierzig mit blondem Bart und attraktiven Gesichtszügen. Er trägt einen gut sitzenden Anzug, inklusive dunklem Hemd und dazu passender Krawatte. Der Mann stutzt kurz, als er uns sieht. Sein intensiver Blick wandert zunächst über mich, dann über Thies, der bei seinem Anblick aufgehört hat, sich gegen meinen Griff zu wehren und ihn ebenso interessiert zurückmustert.

Ich kann ihn sogar verstehen. Nach diesem Mann würde sich so ziemlich jeder umdrehen. Nur sein Timing ist beschissen. Es widerstrebt mir, Thies davonkommen zu lassen, ohne dass er meine Fragen beantwortet hat. Noch dazu, nachdem er so frech gewesen ist und Fuck you zu mir gesagt hat. Doch mein Job geht vor und der neue Gast fordert meine Aufmerksamkeit.

»Wir sind noch nicht fertig«, raune ich Thies unheilvoll ins Ohr, ehe ich ihn freigebe und mit einem Schubs durch den Vorhang zurück zur Bar schicke. Dann wende ich mich dem Mann zu. »Hi. Neu hier?«

Seine Mundwinkel heben sich zu einem schmalen Lächeln. »Nicht wirklich neu. Ist nur schon eine Weile her.«

Seit vier Jahren arbeite ich in diesem Club und bin mir sicher, dass ich ihn noch nie gesehen habe. Er wäre mir definitiv im Gedächtnis geblieben. »Wann warst du das letzte Mal hier?«

»Hm, acht oder neun Jahre dürfte es her sein... Ich habe vor Kurzem erfahren, dass der Laden noch immer existiert. Gehört er noch Udo?«

»Nein, hat vor drei Jahren den Besitzer gewechselt.«

»Ah, das erklärt es.«

Erklärt, dass der Laden noch existiert? Er erläutert seine Aussage nicht näher, doch seine Geringschätzung schwingt recht unverhohlen in den Worten mit und ich nehme an, dass sie sich auf Udos Fähigkeit, den Laden zu führen, bezieht.

»Aber schon zu Udos Zeiten gab es einen Dresscode.« Ich verschränke die Arme vor der nackten Brust. Heute trage ich eine Lederhose und habe zwei Armbänder, ebenfalls aus Leder, um die Oberarme gebunden.

»Ein Grund für meine Abwesenheit«, sagt der Mann. »Ich halte nicht viel von Desscodes.« Er hält mir die Hand hin. »Ralph Grezella.«

Ich greife nach ihr. Sein Händedruck ist angenehm fest, wirkt jedoch nicht wie eine Herausforderung. Er ist dominant, aber ohne aggressiv zu wirken. Von ihm geht eine gewisse Autorität aus und... keine Ahnung. Seine Art gefällt mir. Dennoch kann ich ihn nicht einfach reinlassen. »Markus.«

»Markus. Freut mich. Also, ich bin kein Lederkerl. Aber ich habe gewisse Bedürfnisse, die von der Norm abweichen. Darum würde ich gerne mit dem neuen Besitzer sprechen, falls du mich nicht reinlassen kannst oder möchtest.«

Andreas ist heute Abend noch nicht aufgetaucht. Wenn es nach mir ginge, hätten wir kein Problem, allerdings kann ich diese Entscheidung nicht allein treffen. Ich mustere Ralph noch einmal. Er hat eine gute Figur, schlanke Hüften, die Schultern breit, nicht ganz so groß wie ich. Der Anzug fügt eine maskuline Eleganz hinzu. Ich greife nach dem internen Telefon und rufe Ingo an.

»Hey, gibt's Stress?«, meldet der sich.

»Nein, im Gegenteil. Ich habe einen potenziellen, neuen Gast, allerdings nicht im Dresscode. Er würde gerne mit Andreas sprechen.«

»Der ist nicht da.«

»Ich weiß.«

»Dann schick ihn weg und sag, dass er sich umziehen oder nächsten Freitag wiederkommen soll, wenn er reinwill.«

»Ich denke, er würde heute besser reinpassen. Er war vor ein paar Jahren schon Gast. Ralph Grezella, kennst du ihn zufällig?«

Nach einem überraschten Ausruf legt Ingo auf. Irritiert hänge ich das Telefon wieder ein und öffne den Vorhang, um herauszufinden, was mit Ingo los ist, der kommt aber bereits auf uns zu. Ich hebe die Augenbrauen und trete einen Schritt beiseite, als er uns erreicht und mit einem breiten Grinsen auf den anderen Mann zugeht. »Ralph! Dass du dich noch mal hertraust!«

»Oh Gott, Ingo.« Ralph lacht auf und die beiden begrüßen sich mit Handschlag und klopfen sich auf die Schulter. »Arbeitest du immer noch hier?«

»Wo sollte ich sonst arbeiten?«, fragt Ingo zurück.

»Wenigstens bist du Udo losgeworden.«

»Ja, sogar aus dem Land habe ich ihn gejagt«, erklärt Ingo und zwinkert Ralph zu. »Immer noch nicht gut auf ihn zu sprechen? Mensch, wie geht's dir?«

»Kann nicht klagen«, antwortet Ralph. »Aber mir fehlt in letzter Zeit ein bisschen der Ausgleich...«

»Ausgleich, hm? Na, wir finden bestimmt etwas für dich...«

»Bestimmt. Wer war eigentlich der Junge eben?«

»Welcher Junge?« Fragend wendet sich Ingo an mich.

»Thies«, erkläre ich.

Ingo schenkt Ralph einen wissenden Blick. »Sorry, aber ich glaube nicht, dass du bei dem Chancen hast.«

Mit einem selbstbewussten Lächeln zuckt Ralph mit den Schultern, ehe er meint: »Ich beweise dir gerne das Gegenteil.«

Ingos Blick wandert über Ralphs Anzug und er seufzt. »Immer noch so ein Lackaffe, was? Na ja, machen wir eine Ausnahme. Thies muss arbeiten, aber ich stelle dir gerne ein paar der anderen Jungs vor. Leon könnte dir gefallen.«

»Mal sehen.« Ralph nickt mir dankend zu, dann folgt er Ingo in den Innenraum. Sein Interesse an Thies und dessen spürbares Gegeninteresse wurmen mich mehr, als ich zugeben möchte. Es ist eine Sache, Thies abzuweisen, es ist eine andere, ihn mit einem anderen zu sehen.

Ich lasse den Vorhang offen, um die Bar beobachten zu können, bleibe jedoch im Schatten des Vorraumes stehen.

Ingo stellt Ralph ein paar der anwesenden Gäste vor. Er schüttelt den Doms die Hände, die Subs mustert er interessiert, aber distanziert. Ich beobachte Thies. Eigentlich müsste Ralph sein absoluter Traum-Daddy sein. Mein Verdacht scheint sich bald zu bestätigen: Obwohl Ralph von Ingo bedient wird, sieht Thies immer wieder zu ihm rüber. Auch Ralph schenkt Thies, während er an seiner Cola nippt, ein paar eindeutige Blicke.

Plötzlich dreht Ralph sich um und ertappt mich beim Starren. Er lächelt und entschuldigt sich bei Joachim, mit dem er zuvor gesprochen hat, um mit seinem Getränk auf mich zuzukommen. In meiner Magengegend prickelt es. Keine Ahnung, woher es kommt, aber ich finde ihn sexy.

Verwirrend, auch wenn er nicht der erste Dom ist, der mir gefällt. Mit Rick war es ähnlich, ehe er mit Andy zusammengekommen ist – also ungefähr fünf Minuten lang. Wahrscheinlich ist die Anziehung ein weiteres Zeichen meiner aktuellen Unzurechnungsfähigkeit. Zum Glück muss ich mir keine wirklichen Gedanken darüber machen, da ich ohnehin nicht in ihr Beuteschema passe. Ich möchte mich ihnen nicht unterordnen.

»Ruhiger Abend?«, erkundigt er sich bei mir.

Ich nicke. »Es verteilt sich heute. Einige Gäste sind unten im Keller.«

»Gibt es dort noch die Zimmer zu mieten?«

»Ja. Erst kürzlich renoviert.«

»Wie viele?«

Ich erkläre ihm, dass es drei Zimmer gibt und wie sie gestaltet sind. Allerdings sind sie meistens ausgebucht. Ohne Reservierung kommt man da nicht weit und die verwaltet Ingo. Ralph stellt noch weitere Fragen zum Aufbau des Kellers, der Wet-Area und der Spielzimmer.

»Du stellst ziemlich spezifische Fragen; willst du den Laden etwa kaufen?«, erkundige ich mich schließlich, da seine Nachfragen eindeutig über gewöhnlichen Small Talk hinausgehen.

Er lacht und schüttelt den Kopf. »Nein, obwohl es tatsächlich eher berufliches als persönliches Interesse ist.«

»Was machst du eigentlich beruflich?«

»Mir gehört eine Eventagentur«, antwortet er.

»Was für Events?«, hake ich nach.

»Wir planen überwiegend Firmenevents: Jubiläumsfeiern, Konferenzen, Wohltätigkeitsveranstaltungen und Derartiges. Allerdings auch größere private Veranstaltungen, wie Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten der…« Er runzelt leicht die Stirn. »… nun, der oberen Zehntausend in Hamburg, sozusagen.«

»Aha. Erklärt für mich nicht, weshalb du dich so für die Ausmaße unseres Kellers interessiert, aber gut.«

Er lächelt matt und reibt sich über den Bart. »Ich bin immer auf der Suche nach interessanten Locations. Aber vermutlich spreche ich darüber lieber mit deinem Boss. Andreas, richtig?«

»Andreas Eggers.«

Ralph nickt. »Und du bist für die Sicherheit zuständig?«

»Ja.« Nett, dass er mich nicht nur als Türsteher bezeichnet.

»Früher hat es hier keine Sicherheitsmaßnahmen gegeben. Wie lange arbeitest du für das SMack

Ich sage ihm das Gleiche, das ich bereits Thies im Café erzählt habe. Für Udo hat Ralph immer noch keine Sympathien und verbirgt es auch nicht.

»Bist du jeden Abend hier?«

»Sonntags und montags nicht. Dienstag nur bei Bedarf.«

Sein Blick wandert wieder zur Bar. Er richtet sich auf Thies, der uns anscheinend beobachtet hat. Ich bemerke zumindest noch die Kopfbewegung, als er hastig den Blick abwendet.

Ralph lächelt amüsiert, als er sich wieder an mich wendet. »Gehört der kleine Barkeeper zu dir? Es sah so aus, als hätte ich euch vorhin bei etwas gestört.«

»Nein.«

»Was nein? Er gehört nicht zu dir oder ich habe euch nicht gestört?«

»Beides.« Bis eben hat mich Ralphs Ankunft komplett von dem Vorfall mit Timm abgelenkt, doch nun fällt es mir wieder ein. »Das heißt, doch... Es gibt da was, das ich mit ihm klären muss.«

»Also... stört es dich, wenn ich ihn nachher mit nach Hause nehme?«

»Mich nicht, aber ich denke, Andy hätte was dagegen.« Ich mustere ihn abschätzend. »Neue Doms spielen in der Regel das erste Mal hier, ehe sie jemanden mit nach Hause nehmen dürfen.«

»Wie bitte?«

»Sicherheitsgründe.«

Ralphs Augenbrauen heben sich arrogant. »Aha?«

»Es gab einen unschönen Vorfall«, erkläre ich. »Seitdem hat Andy die Regeln verschärft.«

»Ingo kennt mich...«

»Aber Andy hat das Sagen. Du nimmst keinen Sub von hier mit nach Hause, erst recht nicht Thies, bevor Andreas dir vertraut.«

»Ist das so?«, hakt Ralph nach. Plötzlich schimmert etwas in seinen Augen auf und ein Lächeln legt sich auf sein Gesicht. »Was ist, wenn du mitkommst?«

Jetzt bin ich überrascht. »Wofür?«

»Nun, zum Covern?« Ralphs Blick gleitet über meine Brust und Bauch zu meinem Schritt. »Es sei denn, du hast vielleicht Lust mitzuspielen?«

 

 

Impressum

 

Deutsche Erstausgabe Dezember 2017 © 2017 by A.C. Lelis

 

 

Verlagsrechte © 2017 by Cursed Verlag Inh. Julia Schwenk, Taufkirchen

 

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile, Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

 

Bildrechte Umschlagillustration vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

 

Satz & Layout: Cursed Verlag Covergestaltung: Hannelore Nistor Druckerei: CPI Deutschland

 

ISBN-13: 978-3-95823-120-7

 

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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.12.2017

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