Bevor Sie dieses Buch lesen, erkläre ich ein paar grundlegende Dinge. Ich fasse mich kurz, damit Sie schnell anfangen können zu lesen. Vieles erklärt sich mit dem Lesen des Buches.
Die Fantasiewelt:
Die Fantasiewelt der Heiligen Quellen (Die Illustration auf der nächsten Seite) wird durch einen Fluss in drei Länder aufgeteilt. Oben befindet sich das Land Orman. Auf der linken Seite liegt das Land Mesto. Das Land Dykuma befindet sich auf der rechten Seite der Weltkarte. Die vier Völker (Waldmenschen, Stadtmenschen, Höhlenmenschen und Wüstenmenschen) verteilen sich auf diese drei Länder. Die Höhlenmenschen sind in jedem Land einmal vertreten und beherbergen die Internate, in denen die Kinder und Jugendlichen zur Schule gehen.
In der Fantasiewelt gibt es Quellen mit geweihtem Wasser, die aber auf der Weltkarte nicht verzeichnet sind. Diese Heiligen Quellen geben der Fantasiewelt und dem ganzen Projekt den Namen.
Die Leseregeln:
Die Geschichte beginnt mit einem Vorspann. Diesen gibt es nur in einer Version. Dann folgen 32 Abschnitte. Bei jedem Abschnitt hat der Leser die Wahl zwischen drei Versionen. Von jedem Abschnitt liest man nur eine beliebige Version. Die Abschnitte liest man in aufsteigender Reihenfolge. Am Ende der Geschichte gibt es noch einen Abspann, den es nur in einer Version gibt.
Die drei Versionen eines Abschnitts:
Es gibt eine Basisgeschichte. Zwei weitere Versionen der Geschichte entstehen durch Recherchearbeiten in Archiven der Fantasiewelt der Heiligen Quellen. Sie bestehen aus einer Beschreibung der Recherarbeit, sowie der zu Tage kommenden Geschichte (Basisgeschichte).
Ich wünsche Ihnen viel Spaß!
Spieleautor und Initiator: Tobias Thorsten Thulke
Autorin der ersten Textabschnitte: Brina Stein
Autor aller weiteren Textabschnitte: Frank Beyer
Illustratorin (Weltkarte): Kirsten Piepenbring
Hintergrund Cover: www.mediamilitia.com
Drückende Stille herrscht in dem Salon des königlichen Palastes zu Auropolis. Gespannt warten drei Männer in feinen Roben darauf, Gehör zu finden. Eine Audienz bei der Königin ist stets eine Ehre, aber auch mit Gefahr verbunden. Wohl jeder Mensch weiß, es ist das ständige Wetteifern der Königin mit der Welt der Heiligen Quellen welches die Königin zu Auropolis antreibt. Das Streben nach Macht und Ruhm führt die Königin nur allzu oft zu eigenwilligen Ideen und merkwürdigen Anforderungen an ihre Helfer.
Für gewöhnlich ließ die Königin sie nie lange warten. Doch heute dauert es ungewohnt lange. Entsprechend angespannt ist die Stimmung. Nervös tauschen die drei Blicke aus. Keiner wagt es, etwas zu sagen. Endlich erscheint ein Diener. „Die Königin lässt nun bitten!“ Einer nach dem anderen folgen die drei Männer dem Diener. Überraschenderweise geleitet er sie nicht in den Thronsaal, sondern in die Bibliothek des Palastes. Die Männer wissen, dort lagern hunderte von Büchern und Schriften, die aus aller Welt zusammengetragen worden sind. Der Diener lässt die drei ein und verschließt die Tür von außen. Im Inneren des geräumigen Lesesaals stehen mehrere Tische und Liegen bereit. Auf einer von ihnen sitzt die Königin, gehüllt in ein Kleid aus kostbarem Brokat mit Chiffonspitze. Lächelnd begrüßt sie die drei Männer, die sich voller Ehrfurcht verbeugen.
„Nicht so förmlich, meine Freunde. Wir sind hier unter uns. Und unser Treffen ist von höchster Wichtigkeit. Nehmt Platz.“
Langsam nehmen die drei Platz und haben bereits das Buch erspäht, welches offen auf einem der Tische ruht. Die Königin ist ihren neugierigen Blicken gefolgt. „Sicher fragt ihr euch, was ich euch zeigen möchte. Ihr, als meine weisen Berater und engsten Vertrauten, verfügt über nahezu unendliches Wissen.“
„Womit können wir behilflich sein“, fragt Archon, der älteste der drei Weisen.
„Sicher hat es mit dem Buch dort zu tun“, fügt Sofis, der jüngste hinzu. „Wenn ich es richtig erkenne, dann ist es eine alte Geschichte.“
Omeger nickt. „Anhand der Form des Buches und der Schriftart halte ich es für eine Rarität.“
Zufrieden blickt die Königin in die Runde. „All dies erkennt ihr bereits, ohne das Buch auch nur näher betrachtet zu haben. Ihr seid wirklich weise. So ist es euch sicher nicht fremd, wenn ich nach Höherem strebe. Bei der Sichtung alter Schriften bin ich auf etwas gestoßen, was meine Macht noch vergrößern wird. Was wisst ihr über ein Objekt namens „Weltkarte (von der Welt der Heiligen Quellen)?“
Verblüfft blicken die drei Männer zu ihrer Königin. Sofis schnappt nach Luft, während Archon sich nur räuspert. Nach einem kurzen Blick zu den anderen beiden ergreift er das Wort. „Nun, es ist ein altes Märchen, manch einer würde es Sage nennen. Ihrem Besitzer fallen Reichtum und Wissen in den Schoß. Einst soll sie den Völkern der Heiligen Quellen gehört haben und wurde entsprechend zum Wohle aller genutzt. Doch all dies ist lange her, sagt man.“
„Und sie ist vor langer Zeit verschwunden“, fügt Sofis hinzu.
„Es gibt Gerüchte, dass diese Macht bei uns verborgen lag und dann aus dem königlichen Palast zu Auropolis gestohlen wurde, wie manch einer zu wissen glaubt.“, meint Omeger. „Man vermutet, ein Zwerg namens Iguasu sei der Dieb gewesen, doch er ist verschwunden. Genauso wie die Karte. Er war ein Bewohner der Welt der Heiligen Quellen.“
Leise lacht die Königin in sich hinein und reibt sich die Hände. „Famos! Ich merke, ihr kennt euch aus. Erzählungen über besagte Weltkarte habe ich in diesem Buch gefunden. Also habe ich eine Gruppe von Forschern in die Welt der Heiligen Quellen ausgeschickt, mir diese Karte zu holen. Dabei ist allerdings ein kleines Missgeschick passiert.“ Das Lächeln der Königin erstarrt. „Einer der Forscher ist verschollen, vom Erdboden verschluckt. Die anderen haben nach ihm gesucht, jedoch weder ihn noch die Karte gefunden. Dann wollten sie aber nicht weitermachen. Ihr Pech, denn sie werden nicht die Gelegenheit bekommen, mir noch einmal zu widersprechen.“ Erneut hält sie für einen Moment inne und beobachtet die Reaktion der drei Weisen.
Archon sieht fragend zu Omeger, der nur mit den Schultern zuckt. Auch Sofis weiß sich keinen Rat.
„Jetzt guckt nicht wie die Ölgötzen!“, faucht die Königin wutentbrannt. „Ich will diese Karte haben! Koste es, was es wolle!“
Die Männer erschrecken und bemühen sich, Haltung zu wahren. „Aber werte Königin!“, sagt Omeger mit bebender Stimme. „Es ist doch nur eine Sage. Geschwätz von Bauern und dem einfachen Volke. Dem wollt Ihr doch nicht Glauben schenken?“
„Viele haben danach gesucht, doch nie hat sie jemand gefunden. Wir wüssten auch weder, was mit Reichtum und Weisheit gemeint ist, noch, wie diese Karte das bewerkstelligen soll“, erklärt Sofis.
„Und selbst wenn es sie geben sollte, sie gehört den Völkern der Heiligen Quellen!“, meint Archon. „Der Rat der Völker wäre sicher erbost, wenn nicht gar empört, die Karte in Eurem Besitz zu wissen.“
„Was schert mich der verdammte Rat! Diese ewigen Abstimmungen mit den Vertretern der Völker langweilen mich. Diese Karte muss die meine werden. Ich will keine weiteren Ausflüchte hören“, ordnet die Königin an und erhebt sich. Sofort stehen auch die drei Weisen auf. „Ihr dürft jetzt gehen. Aber besorgt mir diese Karte. Eure Belohnung dürfte nicht unerheblich sein. Denkt nicht einmal daran zu scheitern. Ich hoffe, ihr habt mich verstanden.“
Unter diversen Verbeugungen verlassen die drei Männer eilig den Salon. Vor der Tür beraten sie sich:
„Wie sollen wir das bewerkstelligen? Die Spur der Karte ist seit langem verschollen“, meint Sofis.
„Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Recherche selbst in die Hand zu nehmen. Der verschwundene Forscher ist interessant. Wieso ist er verschollen? Wenn schon nichts über diese Karte bekannt ist, vielleicht finden wir eine Spur des Zwerges“, schlägt Omeger vor und atmet schwer. „Ich wüsste jedenfalls niemand, der besser geeignet wäre als…“
„All den alten Spuren nachzugehen, übersteigt unsere Möglichkeiten“, unterbricht ihn Archon. „Deswegen schlage ich vor, wir nutzen unsere Kontakte. In den einzelnen Ländern der Heiligen Quellen muss es doch Hinweise geben. Wir benötigen Spezialisten, die für uns die Drecksarbeit machen. Kennst du, Omeger, nicht jemand im Wald des Landes Orman? Da wohnt doch diese Hexe. Und du, Sofis, bist du nicht im Briefkontakt mit dem Großwesir?“
„Eine brillante Idee. Doch was ist mit den Städten?“, fragt Sofis.
„Das lass nur meine Sorge sein“, erwidert Archon. „Ich habe da so meine Kontakte.“
„Ist gut. So machen wir es“, versichern die andere beiden.
„Gut“, gibt Archon zurück. „Aber denkt daran, kein Wort zu niemanden sonst. Meine Herren, wir haben zu tun. Lasst uns die werte Königin nicht enttäuschen."
Hinweis:
Die Geschichte beginnt im Land Orman (oben). Damit befinden sich auch die Archive im Land Orman.
Erster Abschnitt der Basisgeschichte: Eine einsame Entscheidung
Erster Arbeitstag eines Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Ein herzlicher Empfang
Erste Arbeitstag einer Hexe im Archiv der Waldhexen: Die Altehrwürdige Oberhexe
1. Abschnitt (Basisgeschichte) (Eine einsame Entscheidung) (Autorin: Brina Stein)
Mein Name ist Constantin von Jupiner. Ich bin der Erste von unserem Forschungsteam, der die Höhlen Vallos erreicht. Der Rest würde in den nächsten Tagen folgen. Die Anreise hatte mich ermüdet, denn ich bin den ganzen Weg auf Hiros geritten. Nur ab und an hat er nach einer Pause verlangt. Hiros ist mein Hund, der jedoch die Größe eines stattlichen Ponys hat. Hiros trinkt gern frisches Wasser direkt aus dem Bach. Nun knurrte uns beiden der Magen und ich sammle einige Kräuter aus denen ich für mich eine wunderbar schmackhafte Suppe zubereite. Hiros bekommt die Kräuter gleich pur. Müde dösen wir danach in einem nahen Waldgebiet ein, wo wir Schutz unter großen Bäumen finden. Am nächsten Morgen bin ich immer noch alleine, keiner meiner Kollegen war bisher eingetroffen. Ich beschließe alleine einen ersten Abstieg in die Höhle vorzunehmen, denn ich bin Höhlenforscher und verfüge über genug Erfahrungen bei Einzelexpeditionen. Der Einstieg ist leicht zu finden und ungefähr eine Stunde lasse ich mich mit einem Sicherungsseil nach und nach in den Bauch der Höhle ab. Nun ist es komplett finster und ich bin auf das karge Licht meiner Taschenlampe angewiesen. Schließlich erreiche ich die Höhle. Sie ist gut 10 Meter breit und fünf Meter lang. Immerhin kann ich aufrecht stehen. Als ich konzentriert einige Gesteinsproben nehme, frage ich mich insgeheim warum die Königin meines Reiches gerade die Untersuchung dieser unbewohnten Höhle angeordnet hat. An einer Stelle finde ich einen besonders lockeren Stein und beginne vorsichtig mit meinem Meißel an ihm zu klopfen. Als er sich löst, gibt er den Blick auf einen Ausschnitt eines anscheinend großen Gemäldes frei, welches hinter dieser Wand verborgen zu sein scheint. Ich wische mit der rechten Hand Staub zu Seite. Deutlich kann ich Menschen sehen, die offensichtlich im Wald leben. Sie tragen nur spärliche Kleidung und ihr Haarwuchs, speziell der der Männer, ist immens. Sie scheinen um ein großes Feuer zu tanzen, vermutlich feiern sie ein Fest. Mein Forscherherz ist berührt! Ob es sich um ein Abbild der lang verschollenen Weltkarte handelt, die einst von einem bösen Zwerg namens Iguasu aus dem Palast der Königin geraubt wurde? Als ich vorsichtig versuche, den Stein rechts davon mit meinem Meißel aus der Mauer zu lösen, vernehme ich plötzlich ein Donnern, meine Taschenlampe beginnt zu flackern und erlischt schließlich ganz. Von ganz weit weg höre ich Hiros wiehern. Wenn sich mein Hund auf diese Art und Weise bemerkbar macht, dann bedeutet das stets Gefahr. „Mist“, denke ich, nehme meinen Rucksack von der Schulter und beginne ihn zu öffnen, um nach einer Ersatzlampe zu suchen, die ich immer mit mir führe.
1. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Ein herzlicher Empfang) (Autorin: Brina Stein)
Ich habe einen neuen Auftrag für unsere Zeitung bekommen, eine Recherche über die legendäre Zeitreise des Forschers Constantin von Jupiner in die Vergangenheit. Die Königin zu Auropolis hat mich um diese Recherche gebeten. „Dies ist deine Chance, Falkmar“, sage ich zu mir selbst. Also setze ich mich am frühen Nachmittag auf mein Einhorn, welches auf den Namen Pafus hört und finde mich einige Zeit später im Stadtarchiv von Brückenau wieder, welches über und über voll mit Büchern und Manuskripten ist. Doch wo soll ich mit der Suche beginnen? Die Frau am Empfang, eine typische Elfe, bekleidet mit einem weißen kurzen Kleid und fast durchsichtigen Flügeln, schaut zunächst ebenfalls ratlos, als ich ihr mein Anliegen vortrage. Schließlich wird sie nach längerem Suchen doch fündig und überreicht mir mit lächelnden Augen einige zusammen geschweißte Papiere, die sie sorgsam aus einer großen Papprolle zieht. Bisher wusste ich nicht, dass Augen lächeln können, doch ihre hatten die Gabe dazu. Sie serviert mir ungefragt einen Kaffee und versichert, dass Pafus einen großen Eimer Wasser erhalten habe.
Das beruhigt mich, Pafus ist mein wichtigster Weggefährte und ein wahrer Freund. Fasziniert lese ich kurze Zeit später vom Höhleneinstieg des Forschers, den er überraschenderweise ganz allein vornimmt. Er wartet nicht auf sein Team. Das Ganze geschieht nahe der kleinen Höhlenstadt Vallos. Ich erfahre, dass er an einer Stelle einen lockeren Stein findet. Als er diesen entfernt, gibt sich der Blick auf einen Ausschnitt eines Gemäldes frei. Der Forscher scheint schneller als ich zu verstehen, dass es sich hier um einen ganz besonderen Fund handelt. Während die nette Elfe mir wieder ungefragt Kaffee Nummer 2 serviert, wischt der Forscher Sand von dem Bild und erblickt typische Waldmenschen, die um ein Feuer tanzen. Langsam verstehe ich den Auftrag der Königin zu Auropolis. Jeder im Reich kennt die Sage von der verschollenen Weltkarte, die einst der böse Zwerg Iguasu stahl. Ob ich deswegen diesen Rechercheauftrag bekommen habe? Ist dieses hier ein Abbild der Weltkarte? Als der Forscher versucht den Stein rechts mit einem Meißel zu lösen, ertönt plötzlich ein Donnern und das Licht von seiner Taschenlampe beginnt zu flackern und erlischt schließlich ganz. Erschrocken fahre ich hoch, als sich eine Hand auf meine rechte Schulter legt. Es ist die der Elfe, die mir freundlich aber bestimmt sagt, dass das Archiv in fünf Minuten schließt. Ich schaue auf meine Uhr und bin überrascht. Es ist tatsächlich schon 18 Uhr. Ich gebe ihr die Dokumente zurück und sage, dass ich Morgen wieder komme. Sie nickt und wünscht mir mit ihrem unergründlichen Lächeln einen schönen Abend. Pafus hat brav vor der Tür ausgeharrt und begrüßt mich mit einem zufriedenen Wiehern. Der Eimer vor ihm ist leer. Ich sitze auf und erreiche meine Stadtwohnung nur 10 Minuten später. Ich gehe sofort ins Bett und schlafe ein, das Lesen hat mehr Energie gekostet, als ich dachte.
1. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Die Altehrwürdige Oberhexe) (Autor: Frank Beyer)
Was eine Aufregung! Die Altehrwürdige Oberhexe zitiert mich am frühen Morgen zu sich, um mir etwas Wichtiges mitzuteilen. Hätte lieber ausgeschlafen, aber was soll ich machen? Die Alte – sie würden mich streng bestrafen, wenn sie wüsste, dass ich sie so nenne – überträgt mir einen hochoffiziellen Auftrag. Sie selbst hat es von der Königin zu Auropolis aufgetragen und delegiert es an mich. Offensichtlich war der Alten die Aufgabe nicht spannend genug. „Alyah“, sage ich zu mir, „jetzt darfst du dich durch das staubige Archiv des Hexenwaldes wühlen. Wird schon nicht so schlimm werden.“ Alles nur, um die Zeitreise eines Forschers zu untersuchen. Also sattele ich meine Reitkröte und mache mich auf den Weg.
Das Archiv der Waldhexen wird von einem spießigen Hexer geleitet. Er heißt Sadonak, wird aber meist „Text-Hexer“ genannt. Auf so einen Namen muss man erst mal kommen! Ich kenne ihn bereits von meinen Studien. Dummerweise kennt er mich auch. Was kann ich dafür, wenn Kröten nicht im Lesesaal erlaubt sind? Jedenfalls hat er mich und meine Reitkröte seinerzeit einfach rausgeworfen. Meine Kröte binde ich heute natürlich vor der Tür an.
„Was treibt dich hier her, Alyah?“, erkundigt sich der Text-Hexer skeptisch als ich mich vor ihn stelle. Er wirkt, als hätte ich ihn gestört. „Ich muss ein paar Dinge recherchieren“, sage ich der Wahrheit entsprechend. „Wer nicht“, erwidert er kurz angebunden und winkt mich hinein. Im Archiv stehen Hunderte von Regalen in Kreisform und warten nur darauf, von ihren Schriften befreit zu werden. Das ganze Gebäude ist unübersichtlich, alt und irgendwie muffig. Man könnte hier wirklich mal abstauben. Da ich ihm nicht verraten darf, worüber ich recherchiere, kann mir Sadonak auch nicht helfen. Kommt mir nur gelegen, denn ich kann ihn ohnehin nicht ausstehen. Ich brauche eine Ewigkeit, um mich zwischen all den Schriftrollen und Büchern zurechtzufinden. Endlich finde ich den ersten Hinweis. Der Forscher mit Namen Constantin von Jupiner ist von der Königin zu Auropolis direkt beauftragt, die Höhlenstadt Vallos zu erkunden. In Begleitung seines Hundes Hiros begibt er sich dort hin. Mir sind ja Kröten lieber. Aber so sind die Forscher der Königin. Jedenfalls wartet der Forscher auf sein Team, wird aber ungeduldig. Also ist er alleine in die Höhle hinabgeklettert. Erfahrung hat er genug, großartig Bedenken hat er deswegen nicht. Zumal sein Team nachkommen soll. Nicht mal einen richtigen Pausenraum gibt es in diesem Archiv. Meine Kehle ist trocken von dem ganzen Staub. Wie halten das eigentlich die anderen Leser aus? Vor der Tür gibt es zum Glück eine gemütliche Taverne. Etwas später, genau genommen viel später, kehre ich zum Archiv zurück. Gut, dass die Alte davon nichts weiß. Die würde nur drängeln. Jedenfalls ist dieser Constantin durch die Höhlen geklettert und dringt immer weiter mit seiner Taschenlampe vor. Gesteinsproben sammelt er. Gut, wenn das sein Auftrag ist. Für mich wäre das nichts. Er findet dann einen Ausschnitt von einem Wandbild. Natürlich guckt er sich das näher an, ist ja ein Forscher. Er hält es für ein Abbild der verschwundenen Weltkarte der Heiligen Quellen. Als er dann am Stein meißelt, wird es um ihn herum dunkel. Ich kann mir gut vorstellen, wie er sich gefühlt hat. Hier ist es mittlerweile auch dunkel und der Text-Hexer sitzt an seinem Platz und starrt in meine Richtung. Er wartet, bis ich endlich gehe. Sonst ist niemand mehr da. Vielleicht sollte ich abhauen und morgen wiederkommen.
Zweiter Abschnitt der Basisgeschichte: Mitten ins Geschehen
Zweiter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Keine Hilfe erwünscht
Zweiter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Ein kurzer Arbeitstag
2. Abschnitt (Basisgeschichte) (Mitten ins Geschehen) (Autorin: Brina Stein)
Auf einmal sehe ich den großen Feuerschein direkt vor mir. Ich höre die Gesänge der Waldmenschen und ich kann sie riechen. Nach einigen Momenten des Staunens realisiere ich erst, dass ich offensichtlich einen Zeitsprung gemacht habe und mich nun mitten in der Welt im Wald befinde. Um mich herum ist keine Höhle mehr zu sehen, sondern nur grüne Natur. Auf einmal sehe ich eine Frau, die sich von allen anderen unterscheidet, die ich jemals gesehen habe. Sie ist ganz in weiß gekleidet und schlendert mit traurigem Gesicht ein paar Meter abseits von mir. Ich bin Forscher mit Leib und Seele und deshalb spreche ich sie an. „Sie sehen so traurig aus“, beginne ich. Sie scheint meine Sprache, ist das überhaupt noch meine, zu verstehen und sagt: „Ja, komisch, wenn die Braut am Tag ihrer Hochzeit nicht strahlt.“ Ich nicke. „Mein Vater hat auf die Hochzeit mit einem Waldmenschen bestanden, es wäre Familientradition, da nur so bei einer Fortpflanzung die Heilige Quelle der Wahrheit weitergegeben werden könne. Aber, ich liebe ihn doch nicht und überhaupt finde ich das Waldleben spießig.“ Sie kichert entschuldigend. Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll und schweige daher. „Sie sind ein Stadtmensch“, stellt sie fest. „Äh, Ja, ich heiße Constantin“, gebe ich zurück, ohne den Unterschied zu kennen. „Das habe ich gleich an Ihrer Kleidung gesehen“, setzt sie schüchtern nach. „Mein Name ist Eponia.“ Ich blicke an mir hinunter. Ich trage nicht mehr die elegante silberne Robe, die uns als Forscher zu erkennen gibt, sondern eine Art braunen Sack, der mich wie ein Overall umschließt. Plötzlich zuckt die Frau zusammen. „Mein Ehemann ruft mich“, sagt sie mit belegter Stimme und fährt dann fort: „Komm mit zum Feuer und trinke einen Schluck mit ihm, das lenkt ihn vielleicht von mir ab.“ Ich folge ihr in kurzem Abstand. Am Feuer angekommen, stellt sie mich vor. Der bärtige Mann drückt mir einen Krug mit einer undefinierbaren Flüssigkeit in die Hand, den ich wohl oder übel entgegen nehme. Das Gebräu in ihm riecht genauso moderig wie diese Waldmenschen. Als ich es widerwillig probiere schmecke ich Eukalyptus heraus. Ich sehe mich um. Auf dieser Hochzeitsfeier, in die ich ungewollt hineingeplatzt bin, befinden sich auch Höhlenmenschen. Anders als die Waldmenschen sind ihre Köpfe nahezu kahl geschoren. Sie alle tragen dieselben orangen Kutten und haben seltsam aussehende Knochen an einem Band um den Hals. Direkt neben mir stehen zwei Höhlenfrauen und unterhalten sich lautstark. Mühelos kann ich auch ihre Sprache verstehen. Ich lerne, dass alle Jugendlichen der drei Völker in ein gemeinsames Internat gehen müssen und die Frauen diskutieren gerade die neusten Entwicklungen, die ihre Sprösse dort offensichtlich vollzogen haben. Gegenseitig versuchen sie sich dabei zu übertrumpfen. Ich kann über so viel Selbstverliebtheit nur mit dem Kopf schütteln. Eponia tritt wieder zu mir und deutet auf die Höhlenfrauen: „Sie haben keine Heilige Quelle, nur dieses Internat, was bleibt ihnen also übrig, als über dieses Thema zu sprechen.“
2. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Keine Hilfe erwünscht) (Autorin: Brina Stein)
Am nächsten Morgen treffen Pafus und ich pünktlich um 9 Uhr im Archiv ein. Die Elfe wartet schon lächelnd am Eingang mit einem frisch gebrühtem Kaffee und einem Eimer Wasser auf uns. Ich mache mich sofort an die Arbeit und schon die ersten Zeilen des zweiten Dokuments lassen mich staunen. Der Forscher scheint in die Vergangenheit gereist zu sein. Er befindet sich mitten in einem grünen Wald und steht an einem prasselnden Lagerfeuer, als er plötzlich eine Frau sieht, die ganz in weiß gekleidet ist. Er bemerkt ihr trauriges Gesicht und spricht sie daraufhin an. Sie heißt Eponia und vertraut ihm an, dass heute der Vortag ihrer Hochzeit mit einem Waldmenschen gefeiert wird. Sie würde ihn jedoch nicht lieben, aber ihr Vater bestehe auf die Hochzeit, das sei Tradition, denn im Falle einer Fortpflanzung könne die Heilige Quelle der Wahrheit weiter gegeben werden. Der Forscher entwickelt Mitleid, ich frage mich aber insgeheim warum er sich gar nicht wundert, wie er an diesen Ort gekommen ist. Dann wird die Frau von ihrem Ehemann gerufen und lädt den Forscher ein, mit an das Feuer zu kommen und ein Gläschen zu trinken. Er folgt der Einladung ohne zu zögern. Als er auf den Waldmenschen trifft, sieht er eine bärtige Gestalt. Es stellt sich vor und bekommt ein seltsames Gebräu in die Hand gedrückt, welches nach Eukalyptus riecht. Ich blicke von der Schriftrolle auf und beginne mich ein wenig zu recken. Ich stehe auf und schaue vor die Tür. Die Sonne steht schon hoch am Himmel und Pafus wiehert erfreut zur Begrüßung. „Nein, mein Freund, wir sind hier noch nicht fertig, ich mache nur eine kurze Pause.“ Schon steht die Elfe wieder neben mir und beginnt ein Gespräch. Sie interessiert vor allem nach was ich suche, doch das will und darf ich ihr nicht verraten.“ „Keine Informationen an irgendwen“, hatte die Königin zu Auropolis ausdrücklich gesagt. Ich seufze und mache es mir wieder an meinem Lesetisch gemütlich. Constantin entdeckt gerade die Höhlenmenschen, die sich im Aussehen und ihrer Art erheblich von den Waldmenschen unterscheiden. Ihre Köpfe sind kahl geschoren und sie tragen orange Kutten. Offenbar gibt es eine gewisse Rivalität zu den Höhlenmenschen, denn der Forscher lauscht einem Gespräch zwischen zwei Höhlenfrauen, indem es um den Besuch ihrer Sprösslinge im Internat geht.
Die Braut tritt zu dem Forscher und erklärt, dass die Höhlenmenschen keine Heilige Quelle hätten und ihnen daher andere Gesprächsthemen als das Internat verwehrt werden. Mir raucht der Kopf, ich bin nicht sicher, ob ich hier finde was ich suche. Schon früh am Nachmittag übergebe ich die Dokumente an die Elfe und verspreche Morgen wieder zu kommen. Anstatt nach Hause reite ich jedoch mit Pafus, der hoch erfreut ist, durch die Wälder des Landes Orman und hoffe hier vielleicht Inspiration für meine weitere Recherche zu bekommen.
2. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Ein kurzer Arbeitstag) (Autor: Frank Beyer)
Als ich aufwache, steht die Sonne bereits hoch am Himmel. Ein Frühaufsteher wird aus mir nie werden, da bin ich sicher. Meine Reitkröte schläft auch gerne aus. Am Archiv angekommen sehe ich dem Text-Hexer (Leiter des Archivs) an, wie sehr er sich über meine Anwesenheit freut, nämlich gar nicht. „Heute wirst du auf die Zeit achten“, sagt er und sieht mich finster an. „Ich schließe heute pünktlich.“ Ich nicke und drücke mich an ihm vorbei. Ehrlich gesagt bin ich neugierig, wie es mit dem Forscher weitergeht. Das Buch von gestern finde ich schnell wieder. Der Forscher steht in der Dunkelheit und dann sieht er auf einmal den Schein von Feuer und hört die Gesänge der Waldmenschen. Die habe ich auch mal gehört. Gar nicht mal so schlecht. Für Constantin ist es schnell klar, er hat einen Zeitsprung gemacht. In die Vergangenheit wohlgemerkt. Außerdem ist er nicht mehr in der Höhle, sondern steht mitten im Wald. Überall nur Natur. Vor sich sieht er eine Frau in weißen Kleidern, die sehr traurig auf ihn wirkt. Neugierig, wie er ist, spricht er sie an. Sie stellt sich ihm als Eponia vor und erzählt etwas von wegen Hochzeit und wie schlimm es wäre, wenn die Braut nicht glücklich wäre. Kann ich mir gut vorstellen. Muss übel sein. In ihrem Fall ist es so, dass sie den Bräutigam nicht liebt. Ihr Vater besteht auf die Familientradition, weswegen sie einen Mann aus dem Waldvolk heiraten müsse. Also so einem Vater würde ich was husten! Dann ist da die Rede von der Quelle der Wahrheit, die nur auf diese Weise weitergegeben werden könne. Verzwickte Angelegenheit. Der Forscher folgt ihr zum Feuer. Sie hofft, er kann dort den Bräutigam ablenken. Mein Magen knurrt. Wird Zeit für eine Pause. Ich spüre förmlich den Blick von Sardonak (Text-Hexer) als ich an ihm vorbei gehe. Er brütet momentan über irgendeinem Dokument. Ich habe nur eine Menge Totenköpfe darauf gesehen. Vor dem kann man sich ja fürchten! „Geh du nur, unwürdiges Geschöpf“, ruft er mir hinterher.
Als ich später zurückkomme, hat jemand mein Buch weggeräumt und ich muss es erst wieder suchen. Das macht der bestimmt absichtlich! Werde mir was einfallen lassen. Der Forscher stellt sich dem Bräutigam vor und die beiden trinken erst einmal einen. Männer eben! In dem Text heißt es später, Constantin sei erstaunt über die Menschen am Feuer. Die Höhlenmenschen würden sich stark von den anderen unterscheiden in ihren orangen Kutten und den kahlgeschorenen Köpfen. Außerdem hätten sie Knochenhalsbänder. Wenn sie hübsch gemacht sind, kann man so was tragen, keine Frage. Constantin mischt sich unter die Leute und hört eine Weile zu. Die Höhlenfrauen plaudern munter vor sich hin und reden über das Internat und welche Fortschritte ihre Kinder dort erzielen würden. Eponia erklärt ihm, bei den Höhlenmenschen sei dies das beliebteste Thema. Da sie keine Heilige Quelle besitzen, würde sich fast alles um eben dieses Internat drehen. Schließlich müssten die Kinder aller drei Völker dort hin, entsprechend wichtig fühlen sich die Höhlenfrauen. Dem Forscher wird das alles schnell zu viel. Kann ich mir gut vorstellen. Als ich umblättern will, baut sich Sardonak mahnend vor mir auf. „Du wirst jetzt gehen. Meine Experimente dulden keinen weiteren Aufschub.“ Sein Blick sagt mir, er meint es Ernst. Dann gehe ich eben früher. Morgen ist auch noch ein Tag.
Dritter Abschnitt der Basisgeschichte: Der Leidensdruck
Dritter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Ein bisschen mehr Nähe
Dritter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Es wird unbehaglich
3. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der Leidensdruck) (Autorin: Brina Stein)
Nach einer Weile zieht Eponia mich vom Feuer weg. Von ihrem Ehemann unbemerkt zieht sie mich in die nahe gelegenen dichten Büsche. Schon nach wenigen Schritten verschluckt uns das dichte Grün. „Bring mich hier weg, ich kann, werde ein Leben in diesem Wald nicht ertragen, ich weiß es“, sagt sie mit einer Stimme, die so verzweifelt klingt, dass ich nicht gleich ablehnen kann. Trotzdem zögere ich. Ich bin Forscher, sollte eigentlich gar nicht hier sein, aber in keinem Fall darf ich doch die Geschichte verändern. „Dein Auftauchen heute an diesem Ort ist doch kein Zufall, woher Du auch immer kommst. Ich habe Dich hier noch nie gesehen, Du musst mein Retter sein“, fährt sie fort und ignoriert mein Schweigen. In meinem Kopf dreht sich alles. Den Gedanken wie ich wieder zurück in die Höhle komme schiebe ich bei Seite als sie weiter spricht: „Wenn Du mich nicht rettest, dann nehme ich mir das Leben, hier und sofort.“ Mit einer schnellen Bewegung greift sie nach meinem Dolch, der bisher sicher verwahrt in seinem Halfter steckt. Sie hält ihn sich direkt an die Pulsader am Hals und macht Anstalten sich mit diesem die Kehle zu durchschneiden. Bei meinem Versuch ihn ihr zu entwenden entsteht ein kleiner Kampf. Ich habe nicht mit so viel Kraft einer Frau gerechnet. Wir fallen beide und ich lande direkt auf Eponia. Ihr Körper fühlt sich warm und weich an. Mit letzter Kraft drücke ich ihr den Dolch aus der Hand. Er fällt zu Boden. Unsere Gesichter sind nur Zentimeter auseinander. Ich spüre eine unbändige Lust sie zu küssen. Ihre vollen Lippen heben sich sanft meinen entgegen. Plötzlich hören wir Rufe, unser Verschwinden scheint bemerkt worden zu sein. „Rette mich und es wird nicht dein Schaden sein“, flüstert sie mit verführerischer Stimme. Sie hat meine Schwäche bemerkt. Schnell rappel ich mich auf, ziehe sie mit einer Hand hoch und schon laufen wir tiefer und tiefer in den Wald hinein. Nach einiger Zeit verstummen die Rufe. Wir gehen langsamer. „Wohin kommen wir hier?“, frage ich. Sie schaut mich entgeistert an und sagt: „Na, Du bist doch ein Stadtmensch, ich dachte Du kennst den Weg in die Stadt?“ Ich nicke und lasse sie in dem Glauben. „Da“, ruft sie plötzlich, „das erste Haus ist schon zu sehen.“ Sie strahlt und sieht dabei unglaublich schön aus, fast wie eine Königin. Das kleine gelbe Haus, welches wir kurze Zeit später erreichen sieht bewohnt aus, denn die Fensterläden sind geöffnet und ein wenig Rauch zieht aus dem Schornstein. „Wir fragen nach dem genauen Weg“, bestimme ich und klopfe an die alte braune Holztür, die unter dem Druck nachgibt und sich knarrend öffnet. Wir blicken in den kleinen nur spärlich eingerichteten Innenraum. Um das Feuer am Kamin sitzen zwei Kreaturen. Eine uralte Frau, die gemächlich häkelt und ein Zwerg, der bei unserem Anblick bösartig kichert. „Die Waldhexen, es gibt sie wirklich“, ruft meine Begleitung aus, als sie hinter mir in den Raum späht. „Iguasu, der Zwerg, der die Weltkarte der Heiligen Quellen gestohlen hat“, denke ich und stoße einen Schrei aus.
3. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Ein bisschen mehr Nähe) (Autorin: Brina Stein)
Am nächsten Morgen komme ich erst spät am Vormittag am Archiv an. „Ich dachte schon, Sie kommen nicht mehr“, sagt die Elfe, die bei meinem Eintreten erstaunt aufblickt. „Hm, ich hatte zu tun“, schiebe ich vor. Sie lächelt, übergibt mir die Dokumente und geht hinaus, um nach Pafus zu schauen. Ich höre ihn leicht wiehern, unser Besuch ist schon fast zu einem festen Ritual geworden. Erstaunlicherweise gelingt es mir trotz der vergangenen Nacht, in der ich schlecht schlief und in dem Höhlenfrauen vorkamen, die trotz ihres Alters auf Schulbänken saßen. Unterrichtet wurden sie von einer Elfe, die mir seltsam bekannt vorkam. Ich lese, dass Eponia Constantin vom Feuer weg zieht in einige nahe Büsche und ihn bittet mit ihr zu fliehen. Sie könne diese Hochzeit nicht ertragen. Da er zweifelt, zieht sie seinen Dolch aus dem Schaft und droht an sich sofort die Kehle durchzuschneiden. Er fällt bei dem Versuch ihr den Dolch zu entwenden auf sie und sie ringen miteinander. Ihre Lippen, die sich sehr nahe kommen schließen sich fast zu einem Kuss, als sie plötzlich Stimmen hören. Sie schrecken auf, ich auch, denn mit Schwung stellt die Elfe eine dampfende Tasse Kaffee vor mich. Ich blicke auf und in ihre Augen. Auch unsere Lippen sind nur Zentimeter auseinander, doch ich murmle nur ein kurzes „Danke“ und wende mich wieder dem Text zu. Der Forscher und die Frau flüchten unentdeckt und erreichen schließlich ein kleines, gelbes Haus. Da sie sich beide nicht auskennen, beschließen sie nach dem Weg in die Stadt zu fragen. Als sie eintreten sehen sie zwei Kreaturen, die um ein Feuer sitzen. Die Frau erkennt die Waldhexe, an deren Existenz sie immer zweifelte, Constantin den bösen Zwerg Iguasu, der angeblich die Weltkarte der Heiligen Quellen gestohlen hat. Der Mann beginnt zu schreien. Ich wundere mich über den Schrei, den ich jetzt plötzlich ganz laut höre. Nach kurzer Zeit realisiere ich, dass er von der Elfe stammt. Ich lasse die Dokumentenrolle fallen und eile zum Empfangstresen. Doch es ist nichts weiter dramatisches passiert, sie hat sich lediglich an der Kaffeekanne den Arm verbrüht. Als ich diesen unter kaltem Wasser abspüle, sieht sie mir tief in die Augen. Ich beschließe meine Arbeit Morgen fortzusetzen und verlasse das Stadtarchiv mit ihren Blicken in meinem Rücken. Als ich mich auf Pafus Rücken schwinge, schnaubt er leise und wie mir scheint vorwurfsvoll.
3. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Es wird unbehaglich) (Autor: Frank Beyer)
Die Geschichte von dem Forscher beschäftigt mich in der Nacht und geht mir nicht aus dem Kopf. Unglaublich, was da passiert ist. Ich wüsste nur gerne, warum die Königin zu Auropolis an dieser alten Geschichte interessiert ist. Ein bisschen mehr Schlaf würde mir nicht schaden, aber heute bin ich schon kurz nach Sonnenaufgang losgehüpft. Da will man pflichtbewusst weiter recherchieren und was passiert? Das Archiv ist so früh noch gar nicht offen. Frühes Aufstehen lohnt sich nicht. Ungeduldig setze ich mich vor die Tür und warte auf den Text-Hexer (Leiter des Archivs). Dabei muss ich eingeschlafen sein, denn Sardonak (Text-Hexer) steht auf einmal vor mir. „Du wieder?“, sagt er und lässt mich widerwillig ein. Täusche ich mich, oder riecht er irgendwie seltsam? Süßlich nach verwestem Fleisch würde ich behaupten. Auch diese seltsame Halskette aus Knochen habe ich gestern nicht gesehen. Egal. Etwas später brüte ich wieder über den Büchern. Die Waldfrau zieht den Forscher in ein Gebüsch. Sie beschwört ihn, mit ihr zu fliehen. Das Leben im Wald sei nicht mehr zu ertragen. Nur sehr zögerlich reagiert der Forscher. Er will seinem Forschungsauftrag nachkommen, aber keinesfalls in die Geschichte eingreifen. Den Argumenten von Eponia hört er nur am Rande zu. Sie ist der Auffassung, seine Anwesenheit könne kein Zufall sein. Entsprechend wäre er ihr Retter. In ihrer Verzweiflung droht sie, sich mit einem Messer die Kehle durchzuschneiden. Diese Drohung hilft und Constantin versucht, ihr das Messer abzunehmen und ringt sie zu Boden. Er kommt auf ihr zu liegen und hätte sie beinahe geküsst. Auf so etwas kann auch nur ein Mann kommen! Bestimmt gibt sie ihm den Laufpass. Mal sehen, wie es weiter geht. Plötzlich sind Rufe zu hören. Die Flucht der beiden wurde bemerkt und man sucht nach ihnen. Eher zufällig merke ich, wie mich der Text-Hexer durch eine Lücke im einem Bücherregal beobachtet. Ich winke ihm fröhlich zu und er verschwindet. Kurz darauf höre ich ein Zischen und ein Blubbern. Ein beißender Geruch zieht durch das Archiv. Das muss eines seiner Experimente sein. Ich lese weiter. Eponia fleht Constantin an, sie zu retten. Gemeinsam flüchten die beiden so schnell sie können in den tiefen Wald. Irgendwann geben ihre Verfolger die Suche auf. Ziel von Eponia ist es, in die Stadt zu kommen. Sie denkt, der Forscher würde den Weg kennen. Das ist aber nicht der Fall. „Hast du Erfolg mit deiner Recherche?“, fragt mich Sardonak, der plötzlich vor mir steht. Ich nicke zögerlich. „Ja. Wieso?“ „Das ist gut. Je eher ich dich los bin, desto besser“, antwortet der Text-Hexer (Sardonak) unverblümt. „Wobei störe ich dich denn so sehr?“, höre ich mich fragen und bereue es schon im nächsten Moment. Sein Blick jagt mir Gänsehaut über den Rücken. „Meine Forschung geht dich nichts an. Du hast nichts gesehen und nichts gehört. Habe ich mich klar ausgedrückt?“, sagt er. So schnell habe ich noch nie genickt. Erst als er wieder außer Sichtweite ist, lese ich weiter. Sehr viel später finden sie ein gelbes Haus. Ganz offensichtlich bewohnt, da Rauch aus dem Schornstein dringt. Dort wollen sie nach dem Weg fragen und klopfen an. Die Tür öffnet sich und sie sehen eine alte Frau und einen Zwerg. Während der Forscher sofort an den bösen Zwerg Iguasu denkt, hat die Waldfrau Angst vor der Waldhexe. Als ob wir Waldhexen böse wären? Alles nur Klischees! Ich werde mein Buch verstecken, dann kann Sardonak es nicht wegräumen. Und dann raus hier. Wer weiß, was der ausheckt.
Vierter Abschnitt der Basisgeschichte: Eine helfende Hand
Vierter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Ganz der Profi
Vierter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Und doch etwas neugierig
4. Abschnitt (Basisgeschichte) (Eine helfende Hand) (Autorin: Brina Stein)
„Kommt rein und macht die Tür zu“, schnarrt die Alte. Ich schaue sie verwundert an. „Kennst mich wohl nicht mehr, Constantin“, meint sie kopfschüttelnd, „na ist auch lange her.“ Sie schlurft zum Herd und setzt Wasser auf. Iguasu schielt zu der Waldfrau herüber, die sich schüchtern an mich klammert. Ich betrachte die alte Frau und auf einmal sehe ich wie sich ihr Gesicht für einen Bruchteil von Sekunden in ein jüngeres verwandelt. Deutlich sehe ich das Gesicht meiner früheren Ausbilderin vor mir. Dann wechselt es wieder und das Gesicht ist wieder runzlig und alt. Ich hatte sie über zwanzig Jahre nicht mehr getroffen. Sie verschwand eines Tages und niemand hatte sie je wieder gesehen. Schon damals munkelte man, sie hätte magische Kräfte. „Nun weißt Du wieder wer ich bin“, meint sie, als sie in meine Augen schaut. „Lass uns abhauen, die Waldhexe ist gefährlich“, flüstert mir Eponia ins Ohr. Ich überlege wie ich es anstellen kann Iguasu zu überrumpeln und zu fesseln, um ihn mit ins Königreich zu nehmen. Dann müsste er endlich bezüglich der Karte aussagen. „Quatsch“, sage ich zu Eponia, „sie ist eine alte Freundin.“ Die Hexe kichert versöhnlich. „Kommt, trinkt einen Waldtee, ihr seht erschöpft aus.“ Wir setzen uns zu dem Zwerg an den Tisch, der nach wie vor die Waldfrau anstarrt. Plötzlich hören wir Geräusche. Wir hören Stimmen, die näher kommen. „Die Waldmenschen suchen dich“, sagt die Hexe zu Eponia. „Ich gehe nicht zurück niemals“, schreit diese los. „Kommt, ich verstecke euch in meiner Kammer“, schlägt die Hexe vor und schiebt uns in den Nebenraum. Keine Sekunde zu früh, denn schon wird die Tür aufgerissen und der Bräutigam kommt herein. „Ist hier eine Waldfrau mit einem Stadtmenschen vorbei gekommen?“, fragt er. „Nein, hier war niemand“, gibt die Hexe zur Antwort, ich bin ganz allein. Erst jetzt sehe ich durch einen schmalen Riss in der Holztür, dass sich auch Iguasu versteckt haben muss. „Danke“, ruft der Mann und tritt gleich wieder aus dem Haus. Die Hexe kommt zu uns in die Kammer. „Ihr bleibt heute Nacht besser hier, die stellen jetzt den ganzen Wald auf den Kopf.“ Ich nicke und bin gar nicht so traurig über den Vorschlag. Vielleicht ergibt sich auf diese Weise eine Gefangennahme des Zwerges. „Du bist mir einen Gefallen schuldig“, sagt die Hexe zu Eponia. „Ja“, stottert diese, „welchen denn?“ „Dazu kommen wir später, ich werde jetzt ein Abendessen für uns richten.“ Dann legt die Hexe plötzlich ihre knochige rechte Hand auf Eponias Bauch. Sie schüttelt mit dem Kopf und sagt an mich gewandt: „Da ist Leben drin, da hast du dir was Schönes eingebrockt, für die Waldmenschen bist du nun ein Geächteter.“ Ich schlucke, sehe Eponia an, die betreten auf den Boden schaut und meinen Blicken ausweicht. Als ich wieder in das Hauptzimmer trete, bemerke ich, dass der Zwerg verschwunden ist.
4. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Ganz der Profi) (Autorin: Brina Stein)
Am nächsten Morgen betrete ich wieder früh das Archiv. Bei meinem Anblick strahlt die Elfe und kaum sitze ich an dem Schreibtisch bringt sie auch schon die Dokumente und eine Tasse Kaffee. Beim Servieren streifen ihre Lippen sanft und wie zufällig mein Ohr. Dann geht sie hinaus zu Pafus. Ich beginne mich in die Schriften zu vertiefen. Constantin und Eponia betreten die Behausung der Waldhexe und der Mann erkennt plötzlich in ihr seine damalige Ausbilderin wieder. Eponia will fliehen, doch Constantin, der noch überlegt wie er den bösen Zwerg überrumpeln kann, beschießt zu bleiben. Als vor dem Haus plötzlich Stimmen ertönen versteht die Waldhexe, dass die zwei auf der Flucht sind und versteckt sie in ihrer Kammer. Keine Sekunde zu früh, denn ein Mann tritt ein und fragt, ob sie einen Stadtmensch mit einer Waldfrau gesehen hat. Die Hexe verneint glaubhaft. Der Forscher im Gewand eines Stadtmenschens sieht durch einen Spalt in der Tür, dass sich auch der Zwerg Iguasu versteckt hat. Darüber muss ich nachdenken, ich recke mich ein wenig und gehe nach draußen. Pafus blickt erstaunt auf, doch ich sage: „Wir sind noch nicht fertig alter Junge, ich muss nur gerade mal einen klaren Kopf bekommen.“ Wie zur Bestätigung wiehert er leise. Mir fällt auf, dass die Elfe nirgends zu sehen ist. So schenke ich mir selbst einen Kaffee nach und setze mich wieder an den Tisch und nehme meine Arbeit auf. Die Hexe beschließt das Paar für die Nacht zu beherbergen, denn sicher würden die Waldmenschen nun in der Nacht das komplette Gebiet beobachten und bewachen. Sie fordert von der jungen Frau einen Gefallen ein, den sie ihr später mitteilen würde. Dann legt die Hexe ihr langsam ihre Hand auf den Bauch und stellt fest, dass dort im Bauch Leben wohnt, als sie dies Constantin mitteilt, durchzuckt es ihn, denn sie spricht es zwar nicht aus, aber er begreift, dass er nun ein Geächteter ist. Der Zwerg ist wohl verschwunden. Vor meinen Augen beginnen die Buchreihen zu verschwimmen. Müde blicke ich auf und schaue genau auf den nackten Bauch der Elfe. Ihr knappes Oberteil, welches aus reiner weißer Seide besteht, war mir heute Morgen gar nicht aufgefallen. Sie kommt hinter dem Tresen hervor, setzt sich schwungvoll auf meinen Tisch und sieht mich erwartungsvoll an. Wieder sehe ich ihren nackten Bauch, den ein klitzekleines Piercing ziert. Ich bin mir sicher, dass ich kurz davor bin meinen Auftrag zu erfüllen, den die Königin mir erteilt hat. Ich stehe auf und sage: „Ich muss los.“ Enttäuscht rutscht die Elfe vom Tisch. Ich spüre ihre Blicke, die mich zu durchbohren scheinen, als ich davon reite. Ich tätschle Pafus am Hals und sage zu ihm: „Wir sind fast am Ziel.“ Als ob er mich versteht, beschleunigt er und wir fliegen fast über die grünen Felder des Landes Orman.
4. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Und doch etwas neugierig) (Autor: Frank Beyer)
Mein Erlebnis mit Sadonak (Leiter des Archivs) gestern gibt mir zu Denken. Den Kerl darf ich keinesfalls unterschätzen. Weiß die Altehrwürdige Oberhexe eigentlich, was ich hier leiste? Heute erwische ich einen guten Zeitpunkt für das Archiv. Sadonak ist mit anderen Lesern beschäftigt und nervt mich nicht. Mein Trick mit dem Buch funktioniert gut. Ich muss nicht lange suchen und kann weiterlesen. Eponia fürchtet sich vor der Waldhexe. Dem Forscher kommt sie hingegen bekannt vor und einen Moment später weiß er auch, woher. Sie gibt sich ihm für den Bruchteil einer Sekunde als seine ehemalige Ausbilderin zu erkennen. Die hat er zwar seit 20 Jahren nicht gesehen, aber auch nur, weil sie damals verschwunden war. Das Gerücht kam auf, sie würde über magische Fertigkeiten verfügen. Gerücht bestätigt, will ich meinen. Constantin redet beruhigend auf Eponia ein und überlegt, wie er den Zwerg überwältigen kann. Zu gerne würde er mehr über den Verbleib der Weltkarte wissen. Plötzlich hören sie Stimmen von draußen. Waldmenschen sind auf der Suche nach den beiden Flüchtlingen. Einen Moment später klopft es an der Tür. Die Waldhexe schiebt ihre Besucher in eine Kammer und öffnet die Tür. Der Bräutigam steht vor ihr und erkundigt sich nach den Flüchtlingen. Aber die Waldhexe hält dicht und behauptet, niemanden gesehen zu haben. So sind wir Waldhexen eben! Alles andere hätte mich sehr überrascht. Plötzlich steht der Text-Hexer (Sadonak) vor mir und starrt auf mein Buch. „Wolltest du nicht längst fertig sein?“ „Ja, aber es gibt so viel zu lesen.“ Er nickt und sieht sich um. „Willst du mir nicht verraten, wonach du suchst?“ „Glaub mir, das darf ich nicht“, antworte ich. „Ist geheim.“ Seine Augenbewegung verrät ihn. Noch während er mit mir spricht, versucht er das Buch zu erkennen. Schnell lege ich beide Arme darüber und lächle ihn an bis er sich entfernt. Nachdem die Waldmenschen verschwunden sind, geht die Waldhexe zu den beiden in die Kammer. Sie schlägt vor, bei ihr zu übernachten. Die Waldmenschen würden weiterhin suchen, bei ihr wären sie sicher. Constantin gefällt die Idee, da er hofft, etwas über den Zwerg zu erfahren.
„Hattest du Zwerg gesagt?“, fragte mich Sadonak, der wieder einmal vor mir stand. „Ich? Nein, ich habe Berg gesagt“, schwindle ich. „Bist du sicher? Ich habe ganz eindeutig Zwerg gehört“, bohrt er weiter. „Ich werde doch wissen, was ich gesagt habe. Aber danke für die Nachfrage. Wenn ich Probleme habe, komme ich gerne auf dich und dein vielfältiges Wissen zurück.“ Derartig bauchgepinselt entfernt er sich. Kann er sich niemand anderes suchen, um ihn zu nerven? Als er weg ist, lese ich weiter. Die Waldhexe legt Eponia die Hand auf den Bauch und sagt, es wäre Leben in ihr. Davon hatte sie nichts erwähnt, wagt nicht einmal, Constantin anzusehen. Außerdem sei der Forscher für die Waldmenschen ein Geächteter. Deswegen würden sie nach ihm suchen. Interessante Erklärung! Ob Constantin weiß, was er sich da aufgeladen hat? Als er die Kammer verlässt, muss er feststellen, dass der Zwerg verschwunden ist. Ich kann mir richtig vorstellen, wie er sich geärgert hat. Hihi. Wenn ich aus dem Fenster sehe, merke ich, dass es schon wieder später Nachmittag ist. Wird Zeit, wegzuhüpfen.
Fünfter Abschnitt der Basisgeschichte: Der Ruf des Schicksals
Fünfter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Auf der Kippe
Fünfter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Streng geheim
5. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der Ruf des Schicksals) (Autor: Frank Beyer)
Als ich mich in dem Hauptzimmer umsehe, finde ich keinerlei Spur von Iguasu. Die Hexe tritt an die Tür und legt einen schweren Riegel vor. „Wo ist der Zwerg“, frage ich beiläufig. „Das wirst du schon herausfinden“, gibt die Hexe vielsagend zurück und stellt sich vor ihren steinernen Herd. Dort füllt sie einen Kessel mit Wasser auf und deutet auf einige Wurzeln und Knollen. „Wie wäre es mit etwas zu Essen? Geht mir geschwind zur Hand und helft mir bei der Vorbereitung.“ Fragend sieht Eponia mich an. Da ich genauso viel wusste wie sie, zucke ich mit den Schultern und beginne, das Gemüse kleinzuschneiden. Wortlos nimmt die Hexe es entgegen und wirft es in den Kessel. Dann fügt sie eine Handvoll Kräuter hinzu und rührt mit einer großen Suppenkelle. Eponia nutzt die Gelegenheit und nimmt mich ein Stück zur Seite. „Wir sollten wirklich weg von hier“, ermahnt sie mich flüsternd. „Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Frau.“ „Ich kenne sie von früher. Wir können ihr vertrauen“, erwidere ich und deute auf ihren Bauch. „Hast du mir sonst noch etwas verschwiegen?“ Sie schüttelt den Kopf und wagt nicht, mich anzusehen. Als der Geruch von Eintopf langsam durch den Raum zieht, merke ich, wie hungrig ich bin. Auf einem Regal entdecke ich ein paar irdene Teller. „Für wie viele?“, frage ich, immer noch in der Hoffnung, etwas über den Verbleib von Iguasu zu erfahren. „Drei Teller genügen vorerst“, meint die Hexe und gluckst leise vor sich hin. Kurz darauf sitzen wir gemeinsam am Tisch. Der Eintopf schmeckt hervorragend und ich greife gutgelaunt zu. Ähnlich geht es auch Eponia, die allerdings nach den ersten Löffeln herzhaft gähnt. „Du solltest bald schlafen, mein Kind“, meint die Hexe. „Bei mir bist du sicher.“ „Aber was ist, wenn ihr Bräutigam zurück kommt?“, frage ich. „Das soll nicht deine Sorge sein. Iguasu kümmert sich um dieses Problem. Ihr werdet euch ausruhen und könnt morgen weiterziehen.“ Sie bereitet Eponia ein Bett und kommt dann wieder zurück zu mir an das Kaminfeuer. „Warum hilfst du uns?“, frage ich. „Vielleicht weil das Schicksal etwas Besonderes mit dir und deiner Begleiterin vor hat“, erklärt die Hexe und lacht. „Ihr Sohn hat eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.“ Ich nicke zögerlich. „Wenn du so viel weißt, kannst du mir auch verraten, wo ich Iguasu finde?“ „Du stellst zu viele Fragen. Für dich hat sich das Schicksal etwas anderes ausgedacht. Wenn du aufwachst, sieht alles anders aus.“ Als ich mich ebenfalls schlafen lege, höre ich den gleichmäßigen Atem von Eponia. Die Erlebnisse des Tages gehen mir nicht aus dem Kopf. Ist das wirklich die Vergangenheit? Und habe ich als Forscher die einmalige Gelegenheit, Geschichte mitzuerleben? Ich weiß, ich darf nichts verändern. Doch was, wenn die Hexe Recht hat und ich dem Ruf des Schicksals folgen soll? Mit diesen Gedanken sinke ich langsam in das Reich der Träume. Durch das Klappern von Töpfen werde ich wach. Die Sonne scheint und ich fühle mich wie gerädert. An meinen Traum kann ich mich kaum erinnern. Ich weiß nur noch, da war dieses Kind.
5. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Auf der Kippe) (Autor: Frank Beyer)
Wieder einmal bin ich froh darüber, Pafus als Freund zu haben. Einhörner sind eben die besseren Reittiere. Auf einem Pferd hätte ich sicher weitaus länger gebraucht, um zum Stadtarchiv zu gelangen. Bestimmt wartet die Elfe bereits auf mich. Aber ich weiß, ich darf mich von ihr und ihrem Äußeren nicht von meinem Auftrag ablenken lassen. Obwohl ich mir eingestehen muss, wie reizvoll ich sie finde. Vielleicht ist es auch nur der typische Charme der Elfen.
Die Elfe begrüßt mich heute etwas unterkühlt. Offensichtlich hat sie mir meinen übereilten Abschied gestern übel genommen. Das macht es mir leichter, mich wieder in die Aufzeichnungen zu vertiefen. Ich suche mir einen gemütlichen Platz im Lesesaal. Die Tische dort sind aus lebendem Holz, welches in die Breite statt in die Höhe wächst.
Constantin und Eponia halten sich weiter in der Hütte der Hexe versteckt. Nach einem gemeinsamen Essen zieht sich die Waldfrau müde zurück. Offensichtlich versucht der Forscher dann, bei der Waldhexe noch etwas über den Verbleib des Zwerges in Erfahrung zu bringen. Sie kann oder will ihm jedoch nichts sagen. Stattdessen erklärt sie ihm ziemlich nebulös etwas von Schicksal und einer besonderen Aufgabe. Die Schrift ist hier schwer leserlich, als wäre der Schreiber unsicher gewesen. Als ich weiterlesen will, steht plötzlich die Elfe vor mir. „Wie kommen Sie voran?“, fragt sie, als wäre nichts gewesen. Versöhnlich stellt sie einen Becher Kaffee vor mir auf den Tisch. „Es geht so“, sage ich und versuche, sie nicht zu beachten. Mein Blick bleibt jedoch wieder an ihr hängen. Heute trägt sie erneut ein beinahe durchsichtiges Garnichts, was mehr zeigt als es verbirgt. „Ich könnte Ihnen helfen, wenn ich nur wüsste, wonach Sie suchen“, versucht sie mich auszuhorchen. „Tut mir leid, das ist geheim“, erkläre ich ihr. „Sie wissen schon, mein Auftraggeber will es so.“ „Verstehe“, sagt die Elfe enttäuscht und lächelt im nächsten Moment schon wieder. „Wenn Sie mich brauchen, Sie wissen ja, wo sie mich finden.“ Mit einem Hüftschwung, der mein Herz kurzzeitig hüpfen lässt, entfernt sie sich. Wo habe ich aufgehört? Ach ja, der Satz mit dem Schicksal. Eine besondere Aufgabe nennt es die Hexe, ohne jedoch weiter darauf einzugehen. Das kann vielerlei Deutung haben. Ich hoffe sehr, die Schrift wird bald etwas konkreter. Mit den bisherigen Informationen kann ich noch nicht viel anfangen. Constantin scheint an sich und seiner Aufgabe zu zweifeln. Ursprünglich wollte er nur diese Höhle erforschen und findet sich mit einer Zeitreise konfrontiert. Er hat Angst, die Zeit zu verändern und fragt sich, ob es nicht genau das ist, was er unternehmen soll. Solche Selbstzweifel sind für einen Forscher nichts Ungewöhnliches. Wenn ich mir überlege, wie es mir angesichts einer Zeitreise ergehen würde, wird mir ganz anders. Und dann ist da noch diese Elfe. Meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Ich muss mich wirklich besser konzentrieren. Meine Augen Schmerzen bereits. Am besten, ich mache heute früher Schluss. Ein Ritt auf Pafus wird mir helfen, meinen Kopf wieder klar zu bekommen.
5. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Streng geheim) (Autor: Frank Beyer)
Die Eingangstür zum Archiv steht offen und ich schlüpfe ungesehen hinein. Sadonak (Leiter des Archivs) erwartet mich bereits. Mit Entsetzen stelle ich fest, vor ihm liegt mein Buch. So viel also zur Geheimhaltung. „Wusste ich doch, dass ich es herausfinde“, begrüßt er mich. „Du hast DOCH nach einem Zwerg gesucht.“ Ich schlucke. „Kann ich dann bitte weiterlesen?“, frage ich höflich. „Warum interessiert dich diese alte Geschichte? Und ich rate dir, lüge mich nicht an. Du würdest es bereuen“, sagt der Text-Hexer (Sadonak). „Die Altehrwürdige Oberhexe hat mich damit beauftragt“, erkläre ich und hoffe, er belässt es dabei. Erstaunt sieht er mich an. Sein Blick wandert zu dem Buch. „Iguasu also. Würde mich nicht wundern, wenn sie nach der Weltkarte sucht. Wer hätte sie nicht gern? Wenn du etwas herausfindest, du würdest es mir doch sagen, nicht wahr?“ Sein Blick wurde stechend. „Ja, natürlich“, versichere ich und knete nervös meine Handflächen. Er lächelt und entblößt dabei zwei Reihen gelber Zähne. Ohne jeden weiteren Kommentar reicht er mir das Buch. Schnell verziehe ich mich in eine Leseecke. Dieser Text-Hexer ist mehr als unangenehm. Ob er mit der Alten, also ich meine natürlich mit der Altehrwürdigen Oberhexe, auch so umspringen würde? Mühsam konzentriere ich mich auf die Zeilen im Buch. Constantin muss feststellen, dass der Zwerg verschwunden ist. Rausgehen hat er ihn nicht gehört, doch sehen kann er ihn auch nicht mehr. Dafür beginnt die Waldhexe mit der Zubereitung einer Mahlzeit und Constantin hilft ihr dabei. Noch immer zeigt sich Eponia misstrauisch und hat Angst vor der Rückkehr ihres Bräutigams. Die Waldhexe und Constantin können sie mühsam beruhigen. Als Eponia schläft, versucht Constantin näheres in Erfahrung zu bringen. Über den Zwerg lässt sie sich nichts aus der Nase ziehen. Ich vermute, da ist etwas Merkwürdiges am Laufen. Schlagartig steht der Text-Hexer vor mir. Wenn ich nur wüsste, wie er das macht. „Hast du schon etwas herausgefunden?“, fragt er. „Der Zwerg ist verschwunden und die Waldhexe will nicht sagen, wohin“, erkläre ich. „Die Passage geht aber noch weiter.“ „Dann lies“, antwortet er und verschwindet. Träume ich das? Ich hatte nur geblinzelt, da war er weg. Nur dieser widerliche Geruch nach Verwesung hängt noch in der Luft.
Constantin lässt nicht locker, kann die Waldhexe aber nicht überreden. Allerdings erklärt sie ihm, das Schicksal hätte etwas besonderes mit ihm und Eponia vor. Ihr Sohn hingegen hätte eine wichtige Aufgabe. Leider erklärt sie nicht genauer, worum es dabei geht. Der Forscher fragt interessanterweise auch nicht weiter nach. Entweder weiß oder zumindest ahnt er etwas, vermute ich. Für mich ist eine andere Aussage der Waldhexe rätselhaft. Wenn der Forscher aufwachen würde, wäre alles anders. Jetzt, wo es spannend wird, endet das Buch. Es ist zum Kröten melken! Ich muss laut geflucht haben, denn der Text-Hexer steht schon wieder mit seinem stechendem Blick vor mir. „Kein Erfolg?“ „Die Geschichte endet hier“, meine ich. „Es ist noch früh. Du wirst weitersuchen müssen. Es gibt hier unzählige Schriften.
Sechster Abschnitt der Basisgeschichte: Ein Weg ins Ungewisse
Sechster Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Eine Enttäuschung
Sechster Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Neues Interesse
6. Abschnitt (Basisgeschichte) (Ein Weg ins Ungewisse) (Autor: Frank Beyer)
„Bist du endlich wach“, sagt Eponia und rüttelt mich wach. Irritiert sehe ich sie an. „Ja, natürlich. Was ist los?“ Erst jetzt sehe ich, wie sie ihr Kopfkissen vor sich fest mit den Händen umklammert. „Dieser Ort hier ist seltsam. Er verändert uns und das macht mir Angst“, sagte sie und legt das Kissen zur Seite. Sofort fällt mir die deutlich gewachsene Wölbung von ihrem Bauch auf. Sie folgt meinem Blick. „Ich weiß es auch nicht, aber gestern war es noch nicht so. Es ist, als wäre die Zeit schneller vergangen.“ Verwirrt stehe ich auf und schau durch den Fensterladen nach draußen. Die Bäume tragen noch immer ihre herbstlich verfärbten Blätter. „Draußen sieht es noch immer aus wie gestern“, sage ich. „Vielleicht ist nur für dich die Zeit schneller fortgeschritten. Lass uns unsere Gastgeberin fragen.“ Die Hexe erwartet uns bereits mit einem Frühstück und sieht wohlwollend auf Eponias Bauch. „Wie fühlst du dich mein Kind? Spürst du das neue Leben jetzt nicht stärker als zuvor?“ „Doch. Was hast du getan?“, fragte die Waldfrau ängstlich. „Ich habe das Wachstum etwas beschleunigt. Noch bevor es Winter wird, wirst du einen Knaben zur Welt bringen. Aber ihr müsst jetzt gehen. Folgt einfach dem Weg.“
Wir folgen der Wegbeschreibung der Hexe für mehrere Stunden. Ich bin mir sicher, der Weg führt uns nicht in die Stadt. Allerdings versuche ich, mir nichts anmerken zu lassen. Obwohl wir keine weiteren Häuser finden, schöpft Eponia keinen Verdacht und folgt mir. Meine Suche nach Iguasu muss ich verschieben. Die Sicherheit meiner Begleiterin geht vor. Als wir an einem Bachlauf eine Rast einlegen, hören wir Stimmen. Wir verstecken uns hinter einem Gebüsch und beobachten, wie mehrere Waldmänner aus der Richtung kommen, in die wir gehen wollten. „Sie sind von meinem Volk“, erklärt Eponia. „Man sucht uns noch immer.“ Ich beschließe, ihr die Wahrheit zu sagen. „Die Hexe hat uns in eine andere Richtung geschickt. Wenn wir weiter zur Stadt gegangen wären, hätten sie uns gefunden. Unsere einzige Chance liegt in der Tiefe des Waldes.“ Sie sieht mich traurig an und nickt. „Das habe ich bereits befürchtet. Vermutlich hast du Recht. Los, suchen wir uns ein sicheres Versteck im Wald.“ Abseits des Weges gehen wir weiter. Der Wald wird immer dichter und urwüchsiger. Vereinzelte Rehe nehmen Reißaus vor uns. Andere Tiere sind nur zu hören. Als es Abend wird, sind wir tief im Wald. Andere Menschen haben wir keine mehr gesehen. Der Proviant, den uns die Hexe mitgegeben hat, wird nur wenige Tage ausreichen. Zum Glück kennt sich Eponia mit dem Leben im Wald gut aus. Die Nacht ist kalt und wir rücken eng zusammen, um uns gegenseitig zu wärmen. Ich höre ihren Atem und spüre die Bewegung des neuen Lebens in ihr. Dennoch wage ich es nicht, sie zu küssen. Irgendwann schlafen wir ein und erwachen erst wieder mit dem Sonnenaufgang. Erleichtert kann ich feststellen, dass ihr Bauch nicht noch weiter angewachsen ist. Offensichtlich wirkte der Zauber der Hexe nur für eine Nacht.
6. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Eine Enttäuschung) (Frank Beyer)
Mittlerweile kennt Pafus den Weg zum Archiv bereits auswendig. Selbst ich kann die Schönheit von Brückenau kaum genießen. Für heute habe ich mir fest vorgenommen, die Elfe nicht mehr zu ignorieren, sondern mich vielleicht mit ihr zu verabreden. Bin gespannt, wie sie darauf reagiert. Zu meiner Enttäuschung sitzt zwar eine Elfe am Empfang, aber es ist nicht meine Elfe. Die von heute ist anders, irgendwie weitaus weniger reizvoll. Schade, aber meiner Arbeit wird es zugute kommen. Meine bevorzugte Leseecke ist auch besetzt und ich nehme an einem der neumodischen Tische aus totem Holz Platz.
Bei einer der Schriftrollen geht ein Riss quer durch das Pergament. Zum Glück kann ich noch erkennen, was darauf steht. Der Forscher und die Waldfrau verbringen die Nacht in der Hütte der Hexe. Am Morgen stellt Eponia dann fest, dass ihr Bauch über Nacht massiv angewachsen ist. Das Leben in ihr hat sich schneller entwickelt, als es unter normalen Umständen möglich wäre. Dies bemerkt auch Constantin. Als Wissenschaftler stellt er schnell fest, sich noch in der selben Jahreszeit zu befinden. Die Änderung in der Zeitlinie kann also nur die Waldfrau betreffen. Dies bestätigt auch die Waldhexe. Sie gesteht ein, das Wachstum beschleunigt zu haben. Zugleich weist sie den beiden den Weg in den Wald. Die alten Handschriften sind teilweise echt schwierig zu entziffern. Ich vermag nicht zu verstehen, welchen Weg sie beschreibt. Vielleicht kann ich anhand einiger Hinweise mehr herausfinden. Mir fehlen die kurzen Gespräche mit meiner Elfe. Ihre Vertretung kam nicht einmal nach mir sehen. Also weiter im Text. Constantin wandert mit Eponia weiter in den Wald hinein. Offensichtlich werden sie noch immer von den Waldmenschen verfolgt. An einer Stelle müssen sich sie sogar vor ihnen verstecken. Sie beschließen, nicht weiter in Richtung der Stadt zu gehen, sondern tiefer in den Wald einzudringen. Dort versprechen sie sich mehr Sicherheit. Viel Proviant haben sie nicht. Der Wald wird als urwüchsig beschrieben. Das kann ein guter Hinweis sein. Soweit ich weiß, war auch in früheren Zeiten der Wald nicht überall gleichmäßig dicht. Vielleicht kann mir ein Waldhüter mehr darüber erzählen? In einer Pause sehe ich nach Pafus. Er knabbert genüsslich an frischen Gräsern und scheint den Aufenthalt hier sogar zu genießen. Von meiner Elfe ist weit und breit nichts zu sehen. Warum sollte sie an ihrem freien Tag auch hier her kommen? Bevor ich weiter lese, ziehe ich mit meinen Schriften um. Einer der wachsenden Tische ist frei geworden. Auf der nächsten Schriftrolle wird die Schrift noch kleiner. Offensichtlich hat der Schreiber gewechselt. Eponia ist erschöpft von der Wanderung. Constantin treibt sie aber nicht und gönnt ihr Ruhepausen. Er findet sich damit ab, ihr helfen zu müssen. Sie übernachten im Wald und wärmen sich gegenseitig. Gerne würde auch ich meine Elfe wärmen. Vielleicht ist sie ja morgen wieder da. Diese Schriftrolle lese ich noch fertig. Bisher sind die Hinweise mehr als dürftig. Am nächsten Morgen stellt der Forscher zu seiner Erleichterung fest, dass das Wachstum wieder eine normale Geschwindigkeit angenommen hat. In der Umgebung finden sie Waldbeeren, müssen also nicht hungern. Der Wald wird immer noch als urwüchsig beschrieben. Derlei Details werden mir später hoffentlich nützen.
6. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Neues Interesse) (Frank Beyer)
Nachts schlafe ich kaum. Die Vorstellung, mich durch das Archiv zu wühlen, gefällt mir gar nicht. Dieser Text-Hexer (Leiter des Archivs) hat daraus ein Labyrinth gemacht, in dem nur er sich zurechtfindet. Widerwillig hüpfe ich mit meiner Kröte los. Am Archiv angekommen begrüßt mich Sadonak (Text-Hexer) mit finsterer Miene. „Du kommst spät!“ „Viel Verkehr auf der Landstraße“, lüge ich und begebe mich auf die Suche nach dem Schriftenverzeichnis. Kaum habe ich es gefunden, spüre ich schon seinen stechenden Blick im Nacken. Ich drehe mich um und sehe ihn direkt vor mir. „So wirst du es nicht finden. Hier.“ Er blättert im Verzeichnis und deutet auf eine Liste von Pergamentrollen. „Wenn, dann wirst du es dort finden.“ Dankbar strahle ich ihn an, merke mir die Signatur und suche das richtige Regal. Dort liegen die Schriftrollen fein säuberlich aufgereiht. Dazwischen liegen Berge von Staub. Ich puste einmal kräftig darüber, woraufhin mich eine furchtbare Niesattacke überkommt. Endlich geht es weiter.
Eponia und Constantin erwachen früh morgens. Zu ihrem Entsetzen entwickelt sich ihr Schwangerschaftsbauch deutlich schneller als normal wäre. Offensichtlich trägt sie einen gewaltigen Kugelbauch. Constantin stellt fest, dass die Zeit nicht schneller vergangen ist. Nur Eponia ist davon betroffen. Später bekennt sich die Waldhexe dazu, das schnellere Wachstum ausgelöst zu haben. Sie muss Eponia irgendetwas ins Essen gemischt haben. Dann bekommen die beiden eine Wegbeschreibung und brechen auf.
„Du bist fündig geworden? Sehr gut!“, lobt mich Sadonak und zeigte seine Zähne beim Lachen. Sein Atem riecht nach Verwesung. Ich will nicht wissen, was der gegessen hat und konzentriere mich auf die Schriftrolle. Sie folgen der Wegbeschreibung für eine Weile. Bei einer Rast hören sie Stimmen und verstecken sich. Dann kommen Waldmenschen an ihnen vorbei, die offensichtlich noch immer auf der Suche nach ihnen sind. Der Forscher und die Waldfrau verbergen sich solange, bis ihre Verfolger verschwunden sind und gehen dann in der Gegenrichtung weiter. Dort wird der Wald bald immer dichter und urwüchsiger. Auf der nächsten Schriftrolle sehe ich unleserliche Schriftzeichen, die sich zu bewegen scheinen. Erst nach einem Moment formen sie sich vor meinen Augen zu richtigen Buchstaben. Ein merkwürdiger Anblick. Ob der Text-Hexer diese Schriftrollen auch kennt? Warum hilft er mir eigentlich? Ich dachte, ich würde ihn stören. Irgendeinen Nutzen muss er in mir sehen. Ich zwinge mich förmlich dazu, weiter auf dieser Schriftrolle zu lesen. Ihr Papier ist sehr rau und bei näherem Hinsehen wirken die Zeichen wie eingraviert. Eponia kennt sich als Waldmensch sehr gut in der Wildnis aus und weiß, welche Pflanzen essbar sind und welche nicht. Nach einer langen Wanderung schlagen sie ein kleines Lager auf und legen sich schlafen. Da es bereits sehr kalt ist, rücken sie eng aneinander um sich gegenseitig zu wärmen. Was? Sich gegenseitig wärmen? Klar, das glaube ich denen. Ein Mann und eine Frau wärmen sich gegenseitig. Diese Geschichtsschreibung ist schon naiv. Bevor ich mich an die nächste Schriftrolle wage, werde ich für heute Pause machen.
Siebter Abschnitt der Basisgeschichte: Verlorene Spuren
Siebter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Die entscheidende Frage
Siebter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Die Kontrolle
7. Abschnitt (Basisgeschichte) (Verlorene Spuren) (Autor: Frank Beyer)
Morgens sehen wir uns in der näheren Umgebung weiter um. In der Dunkelheit gestern Abend hatten wir eine nahe Quelle übersehen. Zumindest an Wasser mangelt es uns nicht. Zum Baden reicht es nicht, aber zumindest können wir uns waschen. Wir finden auch einen Strauch mit späten Waldbeeren, genug, um sogar welche davon für den kommenden Tag mitzunehmen. Eponia bereitet aus den Beeren, einigen Kräutern und Resten unserer Vorräte einen köstlichen Brei zu. Gestärkt brechen wir auf und wandern weiter in Richtung Sonnenaufgang. Wege gibt es hier weit und breit keine. Es ist, als wären niemals zuvor Menschen hier gewesen. Gut für uns, denn wo es keine Menschen gibt, kann uns auch niemand stören oder gar verraten. Wir sind uns einig, je weiter wir von ihrem Volk entfernt sind, desto sicherer müssten wir vor unseren Verfolgern sein. Langsam aber sicher muss ich mich mit dem Gedanken abfinden, die Spur des Zwerges Iguasu zu verlieren. Dabei war ich so dicht an ihm dran!
Gegen Abend überqueren wir einen kleinen Bachlauf. In dem Bach watend gehen wir eine Weile nach Norden. Falls man uns noch immer verfolgt, sind unserer Spuren jetzt schwerer zu finden. Immer wieder hält Eponia für einen Moment an und atmet schwer. Ich versuche Rücksicht auf sie zu nehmen, wo es nur geht. Tapfer versucht sie weiter zu laufen und sich nichts anmerken zu lassen. Doch ich erkenne, wie sehr es sie anstrengt. Entsprechend gehe ich langsamer und gebe vor, selber eine Rast zu brauchen. Mir wird klar, viel weiter werde ich mit ihr nicht kommen können. Auf der anderen Seite des Baches setzt sich der Wald über eine Hügelkuppe weiter fort. Dort stoßen wir auf eine Höhle. „Warte du hier“, sage ich zu Eponia, „während ich überprüfe, ob wir dort übernachten können.“ Sie nickt und lehnt sich erschöpft an einen Baum. In der Höhle ist es dunkel, so dass ich meine Ersatzlampe aus dem Rucksack holen muss. Lange dürften die Batterien nicht mehr durchhalten, aber es reicht aus, um die Höhle auszuleuchten. Ich hoffe, die Waldfrau bemerkt meine Lampe nicht. Es würde nur Fragen aufwerfen, die ich jetzt noch nicht beantworten möchte. Außer ein paar Fellresten und abgenagten Knochen finde ich nichts. Offensichtlich hat hier mal ein Bär gehaust, doch das muss lange her sein. Ich hole Eponia zu mir. Am Eingang der Höhle macht sie es sich gemütlich, während ich Brennholz suche. Wärme wird ihr gut tun. Das Glück ist mir hold und ich finde auch noch ein paar Pilze. Aus ihnen und unseren kümmerlichen Vorräten stelle ich ein karges Mahl zusammen. Eponia isst nur ein paar Bissen, bevor sie einschläft. Der Tag war zu anstrengend für sie gewesen, das weiß ich jetzt. Ich kann nicht abschätzen, wann sie ihr Kind zur Welt bringen wird, doch lange kann es nicht mehr dauern. Spätestens Morgen sollten wir uns eine sichere Unterkunft suchen. Auch ich werde langsam müde. Das Feuer lasse ich langsam niederbrennen und lege mich dann zu Eponia, um sie zusätzlich zu wärmen. Im Schlaf kuschelt sie sich an mich und seufzt leise.
7. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Die entscheidende Frage) (Autor: Frank Beyer)
Pafus hat sich heute selbst übertroffen. Ich glaube, so früh war ich noch nie zuvor am Archiv angekommen. Zu meiner Freude war meine Elfe wieder da. Sie wartet bereits mit frischen Kaffee auf mich und trägt dieses seelige Lächeln im Gesicht. Wir plaudern für einen Moment bevor ich mich wieder an die Schriftrollen wage. Zum Glück habe ich freie Auswahl bei den Tischen und probiere heute einen lebendigen Kieferntisch aus. Sein Duft belebt und erfrischt zugleich.
Der Forscher und die Waldfrau ernähren sich von all dem, was der Wald zu bieten hat. Ihre Wanderung führt sie in Richtung Sonnenaufgang. Endlich ein brauchbarer Hinweis. Es geht also weiter nach Osten. Das erklärt vielleicht auch, warum ich nur noch eine einzige Schriftrolle vor mir habe. Vielleicht kann ich hier gar nicht mehr finden? Die Waldfrau sei sehr müde und würde viele Pausen brauchen. Wen wundert es? Eine Hochschwangere sollte keine langen Wanderungen unternehmen. Constantin hingegen beschäftigt es noch immer, nicht weiter nach dem Zwerg Iguasu suchen zu können. Ich erschrecke, als ich einen dampfenden Becher Kaffee vor mir sehe. Meine Elfe steht vor mir und lächelt ihr schönstes Lachen. „Warum bist du so gut gelaunt?“, frage ich sie. „Einfach nur so vielleicht“, meint sie und lacht weiter. „Vielleicht aber auch, weil mein Liebster mich endlich gefragt hat. Wir werden schon bald heiraten.“ Für einen Moment ist mir, als würde mein Herz stehenbleiben. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Das ist schön für dich“, höre ich mich sagen und greife nach dem Kaffeebecher. Die heiße Flüssigkeit rinnt meine Kehle runter und hilft mir, zur Vernunft zu kommen. Wie konnte ich mir auch einbilden, mit einer Elfe etwas anfangen zu können.
Der letzte Teil der Schriftrolle beschreibt die Ankunft an einem Bachlauf. Dem folgen die beiden Flüchtlinge eine Weile in der Hoffnung, etwaige Verfolger endgültig abzuschütteln. Sie überqueren den Bach und die Schrift endet. Noch ist nicht einmal Mittagszeit. Pafus und mir wird ein Ausritt sicher gut tun. Ich verabschiede mich von der Elfe und kurz darauf weht mir bereits der Wind um die Nase. Pafus wiehert aufgeregt und eilt mit mir um einen See. Nach meiner Pause suche ich nach weiteren Schriften. In einem staubbedecktem Regal finde ich ein altes, handgeschriebenes Buch. Ich bewundere die kunstfertigen Zeichnungen als ich auf einmal das Bild einer Waldfrau entdecke. Sie ist eindeutig schwanger. Fieberhaft überfliege ich den Text und werde schließlich fündig. Constantin und Eponia finden nach der Überquerung des Baches sehr schnell den Weg zu den Hügeln. Dort im Grenzgebiet zum Waldland gab es damals keine Bewohner. Heute weiß ich, sieht es dort anders aus. Die Region ist dicht besiedelt und es herrscht ein reger Austausch der Völker. Da Eponia mit ihren Kräften am Ende ist, sucht Constantin nach einer Unterkunft. Er findet eine verlassene Bärenhöhle, in der die beiden es sich gemütlich machen. Die Geburt kann nicht mehr lange auf sich warten lassen. Das scheinen beide zu wissen, reden aber nicht darüber. Wie ich erst jetzt merke, muss die Elfe mir einen neuen Kaffeebecher gebracht haben. Verwirrt trinke ich aus und reite mit Pafus heimwärts.
7. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Die Kontrolle) (Autor: Frank Beyer)
Auf dem Weg zum Archiv scheute meine Reitkröte heute mehrfach. Offensichtlich gefällt es ihr dort auch nicht. Vielleicht sollte ich auf ihren tierischen Instinkt hören? Aber nur dort kann ich meinen Auftrag erfüllen. Augen zu und durch.
Sadonak (Leiter des Archivs) trägt heute schwarze Roben, die mit arkanen Symbolen verziert sind. Darunter sind auch mehrere Totenköpfe. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und grüße ihn höflich. „Deine Angst kann man riechen“, erwidert er und lacht höhnisch und widmet sich einem alten Pergament. Schnell eile ich zu dem Regal mit den Schrifttrollen und hole die nächste hervor. Auch hier ist eine dicke Staubschicht. Die Schriftzeichen glühen förmlich vor meinen Augen als ich weiterlese.
Eponia und Constantin erwachen an kommenden Morgen und sehen sich erst einmal die Umgebung näher an. Sie finden eine Quelle und essbare Waldfrüchte. Hungern müssen sie folglich nicht. Ich hingegen könnte einen Bissen vertragen. Am Text-Hexer (Sadonak) wage ich mich jetzt aber erst einmal nicht vorbei. Mit knurrendem Magen vertiefe ich mich in die Schriftrolle. Der Weg führt die beiden Flüchtlinge in Richtung des Sonnenaufgangs. Ein guter Hinweis. Sie gehen also weiter nach Osten. Der Wald erweist sich als absolut menschenleer. Von Verfolgern ist keine Spur zu finden und auch nichts zu hören. Offensichtlich hadert Constantin sehr mit sich, weil er die Spur von Iguasu nicht weiter verfolgen kann. Aber er versteht auch, dass er sich momentan um Eponia kümmern muss. Ich fahre zusammen als sich eine knöcherne Hand auf meine Schulter legt. Der Text-Hexer steht hinter mir. „Nun? Wie sieht es aus?“, fragt er. Sein Atem stinkt nach Verwesung und ich verziehe das Gesicht. „Nichts Gutes gewohnt wie mir scheint“, sagt er und lacht. „Ich habe erste Hinweise auf eine Richtung gefunden“, erkläre ich nicht ohne Stolz. Ein anderer wäre unter diesen Arbeitsbedingungen vermutlich längst abgehauen. „Spute dich“, betont er. „Da sind noch viele, sehr viele Schriftrollen und alle wollen von dir gelesen werden.“ Mit diesen Worten entfernt er sich wieder. Ich atme erleichtert auf. Solche Überraschungen mag ich gar nicht. Immerhin geht es Eponia und Constantin besser. Sie finden einen Bachlauf, der ihnen hilft, ihre Spur weiter zu verschleiern. Auch wenn sie mittlerweile schon sehr erschöpft ist, kämpft sie sich weiter voran. Ich halte es nicht mehr aus. Vorsichtig schleiche ich mich am Text-Hexer vorbei und gehe in die Taverne. Leiblich gesättigt gehe ich zum Archiv zurück. Vom Text-Hexer ist nichts zu sehen. Leise schlüpfe ich hinein zu meinen Schriftrollen. Ich will mich schon freuen, da steht er plötzlich vor mir. „Du warst weg?“, fragt er mit einem seltsamen Unterton. „Nur etwas essen“, sage ich. „Ist das schlimm?“ Er grummelt etwas in seinen Bart und verschwindet zwischen den Regalen. Zurück zum Forscher und seiner Waldfrau. Als sie den Bach endgültig überqueren, sehen sie wenig später eine Hügelkuppe und halten darauf zu. Auf der Suche nach einem Unterschlupf finden sie eine verlassene Bärenhöhle. Dort kommen sie unter und die Waldfrau kann sich endlich ausruhen. Ihre Kräfte schwinden zunehmend. Constantin wird klar, die Geburt rückt immer näher. Er scheint unsicher zu sein, wie er sich verhalten soll. Diese Nacht verbringen sie erneut dicht aneinander gedrückt. Ein guter Moment für mich, für heute aufzuhören.
Achter Abschnitt der Basisgeschichte: Das Licht der Welt
Achter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Ehrlich währt am längsten
Achter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Und noch ein Hexer
8. Abschnitt (Basisgeschichte) (Das Licht der Welt) (Autor: Frank Beyer)
Am nächsten Morgen weckt mich Eponia bereits früh. „Wir müssen weiter, du Schlafmütze“, sagt sie scherzhaft. Skeptisch sehe ich sie an und betrachte ihren Bauch. Die Wölbung hat gehörige Ausmaße erreicht. Ich bin kein Experte für Schwangerschaften, doch ich denke, in den kommenden Tagen dürfte es soweit sein. Für einen Moment überlege ich, ob es vielleicht besser wäre, hier zu bleiben. Doch darüber scheint Eponia bereits nachgedacht zu haben. „Diese Hügelkuppe dort hinten scheint mir vielversprechend“, sagt sie. Da sie sich mit dem Leben in der Wildnis besser auskennt als ich, widerspreche ich ihr nicht.
Wir gehen an den bewaldeten Hügeln entlang in Richtung Norden. Mir fällt auf, wie die Waldfrau sich immer wieder an den Bauch fasst. Schon bald finden wir eine Stelle, von der aus wir gut auf die Kuppe gelangen können. Von oben sehen wir eine kleine Talmulde mit weniger Bäumen und einem Bach. Direkt daneben steht eine Hütte. Vorsichtig gehen wir in die Talmulde hinab.
Unmittelbar um die Hütte herum liegt ein verwilderter Garten. Die Hütte selbst erweist sich als baufällig, aber nicht mehr bewohnt. In ihrem Inneren finden wir den vertrockneten Leichnam des Besitzers nebst ein paar Werkzeugen und Töpfen. Wir beschließen, hier unser Glück zu versuchen. Ein Grab ist schnell ausgehoben. Eponia hat unterdessen Brennholz gesammelt und sich ein Lager eingerichtet. Wir verbringen einige Tage hier und richten uns ein so gut es geht. Ich erfahre viel über das Leben in Wäldern und lerne, die wichtigsten Pflanzen voneinander zu unterscheiden. Die Geschichte von dem Zwerg Iguasu kennt sie natürlich auch, kann mir aber nichts weiter über ihn erzählen. Um uns die Zeit zu vertreiben, erkläre ich ihr, woher ich stamme und wie es in meiner Zeit ist. Ich vermisse meinen Hund Hiros. Was wohl aus ihm geworden ist?
Während ich mit meinen letzten Streichhölzern Feuer mache, wird Eponia auf einmal nervös. „Es wird nicht mehr lange dauern“, bekennt sie und zuckt vor Schmerzen zusammen. Ich sehe, wie ihr Kleid bereits nass ist. Die Fruchtblase ist geplatzt. Sie legt sich zurück und ich rede beruhigend auf sie ein. Für einen Moment scheint es zu wirken, dann windet sie sich vor Schmerzen und umklammert meine Hand. Wenn das Schicksal mich dafür auserkoren hat, dann soll es so sein.
Als einige Stunden später Eponia müde mit ihrem neugeborenen Sohn im Arm da liegt, bin auch ich müde. Sie flüstert mir den Namen zu, dem sie ihren Sohn geben möchte: Tafor. Ich kann und darf jetzt nicht ruhen. So viel gibt es noch zu erledigen. Den verwilderten Garten durchsuche ich nach essbaren Pflanzen und hole Trinkwasser aus dem Bach. In den nächsten Tagen beschäftige ich mich mit der Reparatur der Hütte. Bald wird der Winter kommen und bis dahin muss alles fertig sein, damit wir nicht erfrieren. Eponia kommt schnell wieder zu Kräften und hilft mir, so gut sie kann. Ihr Augenmerk liegt natürlich auf ihrem Sohn Tafor, für den sie ihr bisheriges Leben aufgegeben hat.
8. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Ehrlich währt am längsten) (Autor: Frank Beyer)
Gestern dachte ich noch, ich könnte die Elfe schnell vergessen. Doch so einfach geht es leider nicht. Als ich sie heute morgen im Archiv sehe, strahlt sie mich wieder an. „Ihre Forschungen dauern wirklich lange. Vielleicht kann ich Ihnen doch helfen?“, schlägt sie vor. Mir scheint es, als würde sie das Gespräch suchen. Widerwillig lenke ich ein und gebe vor, über den Zwerg Iguasu zu recherchieren. Sie sieht mich skeptisch an, springt dann aber auf und beginnt, in den Schriftverzeichnissen zu suchen. Unterdessen nehme ich mir wieder das Buch vom Vortage vor. Die Waldfrau drängt es weiter nach Osten. Ich vermute, sie will sich möglichst weit von ihrem Volk entfernen. Mir ist nicht klar, ob sie noch immer verfolgt werden oder ob sie aus reiner Vorsicht so handelt. Weiterhin geht mir auf, dass nirgendwo beschrieben wird, was sie weiter plant. Nicht einmal der Vater ihres Kindes wird erwähnt. Vielleicht finde ich später ein paar Hinweise darauf. Staub fliegt auf als die Elfe mir eine Blättersammlung auf den Tisch legt. Heute ist es ein Tisch bestehend aus einem Olivenbaum. „Hier“, sagt sie lächelnd. Ihr Blick fällt auf das Buch vor mir. „Ach, die alte Geschichte von der Waldfrau und dem Forscher. Interessiert Sie das auch?“ Ich fühle mich ertappt, versuche aber, die Situation zu retten. „Waldfrau? Nein“, lüge ich. „Ich habe lediglich die Zeichnungen bewundert. „Gut, wenn wir wieder ehrlich zueinander sein können, sagen Sie mir Bescheid“, meint die Elfe und verzieht den Mund, bevor sie wieder zum Empfang geht. Irritiert betrachte ich den Papierstapel vor mir. Eine Beschreibung woran man Lügner erkennen kann. Will sie mir damit irgendetwas sagen? Ich konzentriere mich wieder auf das Buch. Auf ihrer Suche nach einer Bleibe finden der Forscher und die Waldfrau eine Hügelkette. Von dort aus gehen sie weiter nach Norden. Anhand solcher Hinweise erkenne ich, sie haben längst die Gegend der Höhlenmenschen erreicht. Ich bin also auf der richtigen Fährte. Hier steht auch etwas von einer Talmulde. Dort finden Constantin und Eponia eine verlassene Hütte und richten sich dort ein. Der Besitzer, also das heißt, seine sterblichen Überreste sind auch noch in der Hütte. Ebenso einige brauchbare Gegenstände. Vor der Hütte befindet sich ein verwilderter Garten. Irgendetwas musste der Einsiedler schließlich auch essen, vermute ich. Noch immer trägt Eponia ihr Kind in sich. Sie vermittelt Constantin Kenntnisse über das Leben in der Natur. Dadurch ist er in der Lage, nach essbaren Pflanzen zu suchen. Sie selbst hingegen muss sich immer wieder ausruhen. Endlich ist es soweit. Die Geburt selbst scheint ohne größere Komplikationen zu verlaufen. Jedoch sind der Forscher und die Waldfrau enger miteinander verbunden als je zuvor. Constantin kümmert sich liebevoll um Mutter und Kind, bis die Waldfrau wieder zu Kräften kommt. Da der Winter ansteht, müssen sie sich mit Vorräten eindecken. Wie es weitergeht, werde ich morgen herausfinden. Pafus wartet bereits auf mich. Zu meiner Überraschung wartet dort die Elfe auf mich. „Haben Sie es verstanden?“ „Nicht ganz“, sage ich. „Wir haben uns beide angelogen“, erklärt die Elfe. „Sie suchen nicht nach dem Zwerg und ich werde nicht heiraten.“ Verwundert schaue ich sie an. „Dann…“, stottere ich als sie mich unterbricht. „Wir können morgen darüber reden. Bis dann!“ Sie wendet sich von mir ab und geht den Weg entlang, allerdings nicht ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen und zu winken.
8. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Und noch ein Hexer) (Autor: Frank Beyer)
Für heute habe ich mir im Archiv der Waldhexen viel vor genommen. Zum einen will ich mich nicht mehr von dem Text-Hexer (Leiter des Archivs) erschrecken lassen, zum anderen die verbleibenden zwei Schriftrollen durcharbeiten. Vor dem Archiv angekommen hole ich tief Luft und stelle mich meiner Furcht.
Sadonak (Text-Hexer) scheint weder erbost, noch erfreut, mich zu sehen. Ich behalte ihn fest im Blick während ich an seinem Schreibtisch vorbeigehe. Fast wäre ich an dem richtigen Regal angekommen, da ruft er mir noch etwas hinterher. „Hoffentlich stört er dich nicht. Ignoriere ihn einfach.“ Viel zu erstaunt um zu antworten, suche ich mir die letzten beiden Schriftrollen heraus. Wer sollte mich stören? Und wieso ignorieren? Skeptisch sehe ich mich um, doch außer mir scheint niemand da zu sein.
Die Waldfrau drängt den Forscher zum Aufbruch. Sie scheint ein Ziel vor Augen zu haben. Die Beiden gelangen zu einer Hügelkuppe, der sie nach Norden folgen. Nach einer Weile finden sie einen leicht passierbaren Weg hinauf. „Was machst du?“, höre ich eine Kinderstimme. Erschrocken blicke ich auf. Vor mir steht ein kleiner Junge mit wüsten Haaren, gehüllt in eine schmutzige Robe. „Ich lese“, sage ich. „Und wer bist du?“ „Ich heiße Harkin und soll heute hier spielen. Der Text-Hexer ist mein Onkel“, erklärt der Kleine. „Dann geh bitte woanders spielen. Ich habe zu tun“, versuche ich ihn abzuwimmeln. Der Kleine stürmt davon.
Von der Hügelkuppe aus lässt sich ein kleines Tal im Osten erkennen. Dort befindet sich ein Bach und vor allen Dingen eine halb zerfallene Hütte. Dort hin zieht es die Beiden. Unmittelbar vor der Hütte erkennen sie einen verwilderten Garten. In der Hütte selbst liegt der ehemalige Eigentümer. Eigentlich nur sein vertrockneter Leichnam. Constantin verscharrt die Leiche während sich Eponia ausruht. „Liest du noch lange?“ Wieder steht der kleine Junge vor mir. Genervt sehe ich ihn an. „Ja, ich brauche noch eine Weile. Lass mich bitte in Ruhe.“ Seine Füße trampeln über den Boden als ich bereits weiter lese. Gemeinsam richten sie die Hütte für sich her. In den nächsten Tagen lehrt sie ihn Einiges über das Leben in der Wildnis. Sie weiß, sie muss das Kind hier zur Welt bringen. Weiter würde sie nicht mehr kommen. Die Geburt selbst wird nur kurz beschrieben. Sie bringt einen gesunden Knaben zur Welt. Constantin hilft ihr, so gut er kann.
„Kannst du nicht etwas mit mir spielen?“ Ich setze die Schriftrolle ab. „Du kleine Nervensäge gibst ja vorher doch keine Ruhe, oder?“ Harkin schüttelt den Kopf und strahlt mich an. „Was willst du denn spielen? Verstecken vielleicht?“, schlage ich vor. „Nein, das ist langweilig. Lass uns Menschenopfer spielen.“ Erschrocken schlage ich die Augen auf. Schwer atmend stelle ich fest, dass ich über einer Schriftrolle eingeschlafen sein muss. Von dem kleinen Jungen ist nichts zu sehen. Ich sehe vor mich auf den Text. Das letzte, was dort steht, handelt von der Geburt. Gut. Wenigstens das habe ich nicht geträumt. Da sehe ich den Text-Hexer wie er mit dem kleinen Jungen an der Hand auf mich zukommt. „Sieh sie dir genau an“, mahnt er. „Wenn du nicht folgsam bist, dann wird es dir später so wie ihr gehen.“ Verwirrt sehe ich den Beiden hinterher. Für heute hatte ich genug Aufregung.
Neunter Abschnitt der Basisgeschichte: Unter uns
Neunter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Verlegenheit
Neunter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Etwas nervig
9. Abschnitt (Basisgeschichte) (Unter uns) (Autor: Frank Beyer)
Der Winter bringt erst spät den ersten Schnee. So haben wir genug Zeit, die Hütte winterfest zu machen und ausreichend Vorräte zu sammeln. Eponias Sohn Tafor schläft nachts sehr unruhig und hält uns oft wach. Entsprechend müde sind wir tagsüber, doch es gibt so viel zu tun. Aus einem Baum baue ich mir einen Speer, später auch Pfeil und Bogen. Die Anweisung dafür bekomme ich von Eponia. Mit den Waffen gelingt es mir, ein Reh zu erlegen und später ein unvorsichtiges Wildschwein. Auch wenn es mir schwer fällt, Lebewesen zu töten, ich weiß, mir bleibt keine Wahl. Dadurch müssen wir nicht auf Fleisch verzichten und vor allen Dingen nicht hungern. Tafor schläft viel und ist auch sonst sehr still. Mir fällt es schwer, den kleinen Jungen nicht als meinen Sohn anzusehen. Natürlich sieht er mir nicht ähnlich, aber sein Lächeln verzaubert mich jeden Tag aufs Neue. Nachts und auch tagsüber schreit er nur sehr selten, aber wenn, dann mit erstaunlich lauter Stimme.
In all den letzten Wochen und Monaten sehen wir keine Menschenseele. Eponia erzählt mir von ihren Träumen über ein aufregendes Leben in der Stadt. Ich vertröste sie auf die Zukunft und gebe ihr zu verstehen, dass wir uns um unser Kind kümmern müssen. Erst ist sie irritiert, versteht aber, wie ich es meine. In meiner Rolle als Vater habe ich viel zu lernen.
Als der Schnee schmilzt, unternehme ich längere Streifzüge in die Umgebung. Dort scheint niemand zu wohnen, ich finde aber menschliche Spuren. Um unsere Nachbarn zu finden, muss ich noch weiter laufen, möchte Eponia und Tafor aber nicht schutzlos zurücklassen. Im Frühjahr fiebert der Junge. In großer Sorge lässt Eponia mich Heilkräuter suchen, die das Fieber senken. Doch kaum ist es verschwunden, fängt er an, zu husten. Bis weit in den Sommer hinein hat er etliche Krankheiten. Dennoch entwickelt er sich prächtig. In seinem zweiten Winter überrascht er uns mit seinem ersten Wort. Eponia ist stolz, weil er „Mama“ sagen kann. Wenig später beginnt er mit ersten Versuchen, aufzustehen. Bevor es Sommer wird, kann er stehen und erste Schritte laufen. Aufmerksam hört er zu, wenn ich mit seiner Mutter spreche und versucht, die Wörter nachzuplappern. Die freie Natur gefällt ihm und wir unternehmen zu dritt kleinere Ausflüge in die Nähe. Zwischendurch muss ich die Hütte immer wieder reparieren.
Unsere Kleidung ist auch ziemlich mitgenommen. Deswegen hat Eponia uns aus Fellen erlegter Tiere neue genäht. Ich bewundere, wie viel sie über das Leben in der Natur weiß. Alleine wäre ich hier verloren gewesen. Gemeinsam schaffen wir es aber ziemlich gut bis zum vierten Winter. Im Frühjahr tobt ein Sturm über uns und bringt die Hütte zum Einsturz. Verletzt hat sich niemand, doch uns wird klar, wir werden nicht auf ewig hier bleiben können. Zumal uns die menschliche Gesellschaft fehlt. Etwas Abwechslung wäre schön. Im fünften Jahr fängt unser Sohn an, uns mit Fragen zu löchern. Er hinterfragt alles und ist sehr wissbegierig. Wir müssen zurück in die Zivilisation, denn in einer Schule ist er sicher besser aufgehoben.
9. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Verlegenheit) (Autor: Frank Beyer)
Nachts kann ich kaum schlafen. Meine Gedanken drehen sich einzig und allein um Keca. Sie will also mit mir reden. Langsam denke ich, sie spielt nur mit mir. Die Geschichte von ihrer angeblichen Hochzeit ist echt fies gewesen. Aber ist mein Verhalten besser gewesen?
Voller Zweifel breche ich am kommenden Morgen auf. Selbst Pafus scheint meine Verwirrung zu merken. Irgendwie bin ich froh, dass er nicht sprechen kann. Am Archiv angekommen empfängt Keca mich freudestrahlend. „Da sind Sie ja endlich. Ich dachte schon, Sie hätten andere Pläne.“ Ich spüre, wie ich rot werde. „Nein, äh, ich“ stottere ich und sie fängt an zu lachen. Noch immer kichernd begleitet sie mich an meinen Leseplatz. „Ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen“, sagt sie plötzlich. „Falkmar“ sage ich und setze mich. Sie schenkt mir ein Lächeln und verschwindet. Ich brauche einen Moment, bis ich mich auf den Text konzentrieren kann.
Das Kind wird Tafor getauft. Insbesondere in den ersten Monaten bringt das Kind Eponia und Constantin um den Schlaf. Von mehreren Krankheiten lese ich hier. Ich glaube, so etwas ist normal für Kinder. Dann baut Constantin auf Anweisung Pfeil und Bogen, um auf die Jagd gehen zu können. Ihm missfällt die Vorstellung, Lebewesen zu töten, ihm bleibt aber nichts anderes übrig. Er macht sich viele Gedanken um Eponia und Tafor. Gerne würde er den Knaben mit seinem ansteckendem Lachen als seinen Sohn betrachten. Ihm fällt auch auf, wie still Tafor ist, obwohl er bei Bedarf sehr laut sein kann. „Wollen Sie mich in die Pause begleiten?“, fragt Keca mich. Gerne stimme ich ihr zu und begleite sie nach draußen. „Hör doch auf, mich zu Siezen. Das ist so förmlich“, bitte ich sie, was sie gerne annimmt. Wir besorgen uns einen kleinen Imbiss und gehen spazieren. Ich versuche, unser Gesprächsthema zu lenken, doch sie weicht geschickt aus. Zurück am Archiv lese ich weiter. Eponia hingegen hegt noch immer ihren Traum von einem aufregenden Leben in der Stadt – was auch immer sie damit meint. Darüber spricht sie auch mit Constantin, der sie jedoch vertröstet. Die Sorge um das Wohlergehen von Tafor stünde derzeit an erster Stelle. Auf den folgenden Seiten wird die Schrift sehr undeutlich und ich benötige mehr Zeit zum Lesen. Mir brennen bereits die Augen.
Rastlos zieht Constantin seine Runden und sucht die nähere Umgebung ab. Andere Menschen findet er nicht, wohl aber ihre Spuren. Aus Sorge um Eponia und ihr Kind kehrt er schnell zurück.
Tafor lernt sehr früh das Sprechen. Zur Freude seiner Mutter lautet das erste Wort „Mama“. Wenig später beginnt er zu laufen. Eponia hingegen ist eifrig dabei, neue Kleidung aus Tierfellen zu nähen.
„Dein Einhorn wartet schon ungeduldig, Falkmar. Willst du nicht für heute aufhören?“, fragt Keca und zeigt mir ihr strahlendes Lächeln. Wenn sie es schon vorschlägt, wie kann ich da widersprechen.
9. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Etwas nervig) (Autor: Frank Beyer)
Mittlerweile weiß ich, zu welcher Uhrzeit ich am Archiv morgens erscheinen muss, um von Sadonak (Leiter des Archivs) möglichst wenig belästigt zu werden. Vielleicht habe ich auch Glück und sein Neffe Harkin ist heute nicht da. Irgendwie sind mir die beiden unheimlich.
Es gelingt mir, an Sadonak vorbeizukommen, ohne angesprochen zu werden. Er ist vertieft in seine Schriften. Von seinem Neffen ist nichts zu sehen. Also hocke ich mich wieder mit meinem Buch in eine Ecke und lese weiter.
Das Kind wird von Eponia Tafor genannt. Im ersten Jahr scheint das Balg eine Reihe von Kinderkrankheiten durchzumachen. Außerdem hält es Eponia und Constantin nachts wach. Super, so was braucht man unbedingt. Falls ich mal Mutter sein sollte, geht es mir hoffentlich besser. Mein Kind wäre bestimmt so wie ich ein Langschläfer, da bin ich mir sicher. Eponia erklärt Constantin, wie er sich Waffen für die Jagd bauen kann. Er baut sie zwar, hat jedoch Bedenken, ein Tier zu töten. Ja klar, Fleisch essen wollen, aber nur nichts töten müssen. Männer! Unglaublich! Und dann kommt er noch mit emotionalen Dingen. Er würde Tafor gerne als sein Kind sehen und überhaupt hätte der Kleine so ein schönes Lachen und eine kräftige Stimme. Hallo? Der Kerl weiß nicht, mit was er es zu tun hat. Kinder können eine Plage sein. Das weiß ich, weil der Neffe von Sadonak alle paar Minuten vor mir steht. Ich versuche ihn zu ignorieren, auch wenn es schwer fällt. Dieses Balg nervt kolossal. Eben hat er einfach mal so laut geschrien und mich erschrocken. Ich habe ihn böse angeguckt und er ist weggerannt. Seit dem ist Ruhe.
Eponia träumt noch immer von einem spannenden und aufregendem Leben in der Stadt. Finde ich interessant, da sie nicht mit einer Silbe erwähnt, was sie sich darunter vorstellt. Constantin vertröstet sie auf später, denn mit einem kleinen Kind will er nicht umziehen. Mittlerweile ist er auch dabei, die nähere Umgebung zu erkunden. Er findet keine anderen Menschen, wohl aber ihre Spuren. Aus Sorge um Eponia und Tafur sucht er allerdings nicht weiter, sondern kehrt zu ihnen zurück.
„Warum bist du so böse?“ Als ich hoch gucke, steht Harkin wieder vor mir und sieht mich unsicher an. „Ich und böse? Ich fresse gerne kleine Kinder, das ist alles und momentan habe ich Hunger.“ Harkins Augen werden immer größer und er rennt schreiend weg. Lachend lese ich weiter.
Tafor lernt zu laufen und auch zu reden. Sein erstes Wort ist „Mama“, worüber sich seine Mutter natürlich freut. Nebenbei ist sie viel beschäftigt und näht Kleidung aus Tierfellen. Offensichtlich hat Constantin seine Scheu überwunden und Tiere gejagt. Ich werde jedenfalls für heute aufhören und mit meiner Kröte loshüpfen. Vielleicht können wir ein paar Riesenlibellen jagen. Etwas Abwechslung wird mir gut tun.
Zehnter Abschnitt der Basisgeschichte: Gute Nachbarschaft
Zehnter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Zweifel
Zehnter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Zugeständnis
10. Abschnitt (Basisgeschichte) (Gute Nachbarschaft) (Frank Beyer)
In den letzten Wochen habe ich meine Streifzüge ausgeweitet. Ich weiß, irgendwo leben Menschen und die habe ich gefunden. Zuerst nur ein paar Bauernhöfe, dann eine richtige kleine Stadt. Sogar einen Kirchturm habe ich gesehen. Ein erster Kontakt ist gelungen und ich erfahre, wie das Städtchen heißt: Brückenau. Die Menschen sind freundlich und friedlich. Neugierig fragen sie mich aus, woher ich käme und ähnliche Dinge. Ich erzähle ihnen, ich würde mit meiner kleinen Familie seit vielen Jahren in der Wildnis leben. Ist nicht einmal gelogen. Sie können uns in ihrem Städtchen aufnehmen. Von hier aus sei es nicht weit zu einer Schule für unseren Sohn. Auch die Jahreszeit würde gut passen, denn bald wäre die halbjährliche Einschulung und ich könne bei der Ernte helfen. Mit diesen guten Neuigkeiten gehe ich zurück zur Eponia und unserem Sohn.
Meine Familie ist Feuer und Flamme. Beide drängen mich zum Aufbruch. Ich selbst bin nicht unglücklich, die Einöde verlassen zu können. Wir packen unsere wenigen Habseligkeiten und brechen auf. Mit einem kleinen Kind reist es sich langsamer als erwartet, aber wir erreichen Brückenau noch vor Anbruch der Nacht. Der Bürgermeister persönlich bringt uns erst einmal bei sich unter.
In den nächsten Tagen helfen uns die Einheimischen, eine neue Hütte zu bauen. Dabei lernen wir den örtlichen Priester kennen. Er beschäftigt sich eine Weile mit unserem Sohn und überprüft seine Schulreife. Überrascht stellt er fest, wie wissbegierig unser Kleiner ist und arrangiert die Aufnahme in die Schule. Wir gewöhnen uns schnell in unserem neuen Zuhause ein und sind froh darüber, so viel Gesellschaft zu haben. Die anderen Frauen im Ort nehmen die Waldfrau sehr freundlich auf und endlich hat sie einen anderen Gesprächspartner als mich. Ich hingegen genieße die gemeinsame Arbeit mit den Männern.
Bereits eine Woche später ist es soweit. Zu viert brechen wir auf zur Schule – der Priester begleitet uns und zeigt den Weg zum Internat. Es liegt in einer Region mit zahlreichen Höhlen namens Vallos. Die Schule selbst besteht aus einem großen, fast kreisförmigen Gebäude mit zahlreichen Klassenzimmern. In der Mitte befindet sich ein großer Hof, auf dem allerlei Sportarten betrieben werden können. Sogar ein Schwimmbecken gibt es hier, das von einer heißen Quelle gespeist wird. Selbst im Winter kann man hier schwimmen. In zwei weiteren Gebäuden befinden sich die Wohn- und Schlafräume der Schüler. Getrennt nach Knaben und Mädchen versteht sich.
Der Schulleiter begrüßt uns höflich und ist erfreut, uns kennen zu lernen. Er weist unseren Sohn einer Klasse zu. Dort sind 20 weitere Kinder, die unter der Aufsicht mehrerer Lehrer die verschiedensten Dinge lernen. Sowohl die Lehrer als auch die Schüler stammen aus verschiedenen Völkern, deutlich zu erkennen an ihren unterschiedlichen Trachten. Uns wird auch erzählt, bald müssen alle Schüler ihre Schuluniformen anlegen. Darauf legt man hier großen Wert.
Es ist schön zu erleben, wie schnell unser Sohn Freundschaft mit anderen Kindern schließt. Wir sind uns sicher, hier geht es ihm gut. Nebenbei lernen wir auch ein paar andere Eltern kennen. Die meisten sind sehr freundlich. Lediglich ein Pärchen der Waldmenschen begegnet uns mit Skepsis. Vielleicht erkennen sie uns wieder. Wir müssen vorsichtig sein, denn ich bin immer noch ein Geächteter.
10. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Zweifel) (Autor: Frank Beyer)
Irgendwie habe ich mir das gestern anders vorgestellt. Ich dachte, Keca wolle sich noch mit mir treffen. Stattdessen habe ich nur eine Blume an dem Sattel von Pafus gefunden. Sie will also offensichtlich weiter mit mir spielen. Gut, kann sie haben. An diesem Morgen lasse ich mir viel Zeit, bevor ich wieder zum Archiv reite. Keca begrüße ich nur kühl und widme mich meiner Arbeit an den Schriftrollen.
Constantin erforscht weiter die nähere Umgebung zu ihrer Behausung. Dabei findet er Hütten anderer Menschen, später eine ganze Siedlung. Er nimmt Kontakt zu den Bewohnern auf. Sie sind ihm freundlich gesonnen. Davon erzählt er später Eponia. Sie beschließen, die Einöde zu verlassen und in die Kleinstadt Brückenau zu ziehen. Dort wären die Möglichkeiten für Tafor einfach besser. „Natürlich“ sage ich zu mir selbst. „Als ob man ein Kind in der Wildnis aufziehen könnte. Ohne Zivilisation geht es nicht.“ Als ich hochschaue, sehe ich Keca, die mit traurigen Augen vor mir steht. „Also ich bin im Wald aufgewachsen und hatte eine schöne Kindheit“, sagt sie und geht. Offensichtlich hat sie mir schon länger zugehört. Ich überlege kurz, ob ich ihr nachgehen soll und entscheide mich, lieber weiterzulesen.
Freundlich nehme die Bewohner von Brückenau Constantin und seine kleine Familie auf. Man hilft ihnen sogar, sich eine Hütte zu bauen. Offensichtlich fragt niemand nach, ob Constantin der Vater ist. Aber warum sollten sie auch? Die Beiden genießen es, wieder in der Zivilisation zu sein. Der örtliche Priester verspricht sogar, sich dafür einzusetzen, Tafor einzuschulen. Generell scheint es aber von großer Bedeutung zu sein, das sowohl Constantin als auch Eponia wieder mehr Gesellschaft haben. Ich kann mir das gut vorstellen. Keine anderen Gesprächspartner zu haben, muss auf Dauer recht eintönig sein. Jedenfalls genießen sie ihre Zeit. Dann kommt der Tag der Einschulung von Tafor. Der Priester begleitet die Familie auf dem Weg zum Internat der Höhlenmenschen. Es liegt eine gute Strecke entfernt in einer hügeligen Gegend des Landes Orman. Offensichtlich ein kreisrundes Gebäude mit etlichen Klassenzimmern, aber auch Sportanlagen und Wohnräumen. Es folgt eine freundliche Begrüßung durch den Schulleiter. Eine Hand legt sich auf meine Schulter, dann eine weitere. Ich spüre zarte, aber erstaunlich kräftige Hände. Als ich mich umsehe, erkenne ich Keca. „Deine Schulter sind übel verspannt.“ Sie massiert mich für eine Weile und verschwindet dann wortlos.
Neben Tafor werden auch diverse andere Kinder eingeschult, die aus allen Teilen des Landes Orman kommen. Noch kann man sie an ihren unterschiedlichen Trachten erkennen, aber dann müssen sie die Schuluniformen anlegen. Tafor scheint sehr umgänglich zu sein und findet schnell Freunde. Dann steht hier noch etwas von einer Begegnung mit anderen Eltern. Zum ersten Mal in all der Zeit wird Constantin wieder bewusst, dass er noch immer ein Geächteter ist. Die nächste Schriftrolle nehme ich mir für Morgen vor. Wie ich feststellen muss, ist Keca leider schon gegangen. Morgen werde ich mit ihr reden. Ganz sicher. Morgen ist es soweit. Ganz bestimmt.
10. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Zugeständnis) (Autor: Frank Beyer)
Für eine Weile durch die Wälder und Sümpfe zu hüpfen war gestern echt entspannend. Ganz im Gegensatz zu der langweiligen Recherche im Archiv. Ich muss mir eingestehen, sowohl Harkin als auch sein Onkel sorgen für Abwechslung. Nicht dass ich scharf darauf wäre, aber besser als nichts. Heute habe ich mir viel vorgenommen. Je schneller ich die benötigten Informationen finde, desto eher kann ich wieder hinaus ins Freie. Sadonak (Onkel von Harkin und Leiter des Archivs) wirkt heute etwas entspannter und guckt mich nur finster an. Ich verziehe mich wieder in meine Leseecke.
Constantin setzt seine Erkundungsgänge rund um die Hütte fort. Ganz so einsam ist die Gegend dann doch nicht, denn er trifft auf andere Menschen. Anfangs etwas zögerlich und vorsichtig, dann mit wachsender Begeisterung redet er mit den Fremden. Dabei erfährt er von einer kleinen Stadt namens Brückenau. Wieder zurück bei Eponia erzählt er ihr von seinen Erlebnissen. Die Beiden beschließen das Wagnis auf sich zu nehmen und ihr Tal zu verlassen, um in die Stadt zu ziehen. Obwohl sie nur die grobe Richtung kennen, finden sie den Weg. In Brückenau werden sie offen aufgenommen. Zuerst wohnen sie beim Bürgermeister, später helfen ihnen die Bewohner sogar, sich eine eigene Hütte zu bauen. Klingt gut, finde ich. Meine Schriftrolle endet hier und ich suche nach der nächsten. Dabei fällt mir auf, Harkin scheint heute nicht da zu sein. Vielleicht ist der Text-Hexer (Sadonak) deswegen entspannter? Verstehen würde ich es.
Constantin und Eponia lernen den Priester der Stadt kennen, ein freundlicher Mann. Er verspricht ihnen dafür zu sorgen, Tafor in eine Schule zu bringen. Außerdem lernen sie noch viele andere Bewohner kennen. Sie genießen die viele Gesellschaft. Merkwürdige Vorstellung. Eine Stadt mit vielen Menschen, also für mich wäre das nichts glaube ich. Jedenfalls vergeht nur eine Woche bis Tafor tatsächlich in einer Schule aufgenommen wird. Der Priester geht mit den Dreien dort hin. Es ist ein etwas weiter weg, von einer Region mit Höhlen namens Vallos ist hier die Rede. Die Schule besteht aus einem runden Gebäude mit vielen Zimmern: Klassenzimmer, Schlafräume und was sonst noch so gebraucht wird. Zusätzlich gibt es Übungsplätze für Leibesertüchtigung. Oh Mann, das Wort ist so was von alt, ich glaube es nicht. „Warum lachst du? Nimmst du deine Recherche etwa nicht Ernst?“, fragt mit Sadonak grimmig. „Doch, doch“, vergewissere ich ihm. „Die Sprache ist nur sehr…“ „Gewöhne dich daran. Das Wissen der Alten ist nun einmal in ihrer Sprache geschrieben. Jetzt störe mich nicht länger mit deinem Gekicher.“ Er verschwindet und ich atme auf. Wie kann man so schlecht gelaunt sein?
Egal, Constantin und Eponia werden vom Schulleiter begrüßt. Tafor kommt in eine Klasse mit 20 anderen Schülern. Sie stammen aus verschiedenen Gegenden, was an ihrer unterschiedlichen Kleidung leicht zu erkennen ist. Noch, denn kurz darauf bekommen alle ihre Schuluniformen. Wie schrecklich! Ich lege großen Wert auf meine eigene Kleidung. So war das damals eben. Jedenfalls schließt Tafor schnell Freundschaft mit anderen Kindern. Constantin hingegen lernt ein Pärchen der Waldmenschen kennen, also was heißt kennen, die sind sehr verhalten und begegnen ihm mit großer Skepsis. Dadurch merkt er, er ist noch immer ein Geächteter. Damit habe ich heute eine ganze Menge herausgefunden und habe mir meine Freizeit redlich verdient.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt vom Forscher Constantin zum Sohn der Waldfrau Tafor.
Elfter Abschnitt der Basisgeschichte mit dem Kind als Ich-Erzähler: Die Schule beginnt
Elfter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Schritt für Schritt
Elfter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Erinnerungen
11. Abschnitte (Basisgeschichte) (Die Schule beginnt) (Autor: Frank Beyer)
„Tafor mach dies, Tafor mach das“ – ich kann es schon bald nicht mehr hören. Meine Eltern sind längst nicht so streng mit mir wie die Lehrer hier im Internat. Es sei ein Jahr der Eingewöhnung, heißt es immer wieder. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich für längere Zeit von meinen Eltern getrennt. Ich finde es gar nicht mal so schlimm. Zwar sind die Lehrer etwas störend und bemängeln alles, was ich mache, noch lieber aber immer dann, wenn ich etwas nicht tue. Aufräumen, Sauberkeit, Ordnung halten, als ob das alles so wichtig wäre. Manchmal wünsche ich mir echt, ich wäre wieder im Wald mit Mutter und Vater. Wirklich anstrengend finde ich die anderen Kinder. Manche von ihnen sehen seltsam aus. Einige der Anderen tragen ihre Haare zu Zöpfen oder laufen kahl durch die Gegend. Ein paar von ihnen sind aber ganz nett und ich glaube, wir werden Freunde. Mit anderen streite ich mich ständig. Die haben seltsame Ansichten und auch ihr Verhalten ist für mich nicht zu verstehen. Wir alle müssen diese Schuluniformen anziehen: Gelbe Roben mit Kapuze. Nicht einmal wir Jungs dürfen Hosen tragen.
Im Unterricht geht es manchmal nur sehr langsam voran. Ich frage die Lehrer dann immer nach anderen Sachen. Manche freut es, andere weisen mich ab. Schon bald kann ich die ersten Texte alleine lesen und übe mich im Schreiben. Ist gar nicht so schwer, wie ich gedacht habe. Am besten gefällt mir aber das Rechnen. All diese Zahlen machen mir Spaß. Und was man nicht alles damit machen kann? Sogar der Lehrer ist manchmal erstaunt über mich und behauptet, ich könne das besser als meine Mitschüler. Mehrfach lässt er mich mit Schülern der höheren Klassen um die Wette rechnen. Oft bin ich schneller als die.
Was ich überhaupt nicht mag, ist der Unterricht zur Leibesertüchtigung. Allein der Name ist schon schlimm. Mit anderen um die Wette rennen und lauter solche Dinge wie klettern oder schwimmen. Furchtbar! Viel lieber würde ich rechnen oder lesen. Anderen Schülern geht es ähnlich wie mir und wir treffen uns sogar zum Lernen. Im Laufe der Zeit verbringen wir viel Zeit zusammen, und so werden Asran, Piscaro, Smerker und ich beste Freunde. Einige der Lehrer versorgen uns mit Lernstoff der höheren Klassen, den wir begierig durcharbeiten.
Andere Schüler sind weniger angetan vom Lernen und ziehen die Leibesertüchtigung vor. Wir können mit denen nichts anfangen und die nichts mit uns. Trotzdem gibt es immer wieder diese Wettkämpfe, wer was besser kann. Anfangs ist das noch ganz spaßig, wird mir aber schnell zu viel. Meinen Freunden geht es auch so und wir versuchen nur, unsere Ruhe zu haben. Der arme Asran wird immer wieder geärgert, weil er doch ein steifes Bein hat. Viel besser ergeht es Piscaro auch nicht, nur weil er so einen dicken Bauch hat. Ich finde so etwas unfair.
Erst bekommen wir es gar nicht mit, doch die anderen Schüler teilen sich auch in kleinere Gruppen auf, nicht nur in meiner Klasse, sondern auch aus höheren Stufen. Irgendwie merkwürdig, wie sich das hier alles entwickelt. Manchmal glaube ich, die anderen Schüler haben sich verschworen, um mir und meinen Freunden das Leben schwer zu machen. Nur weil ich meine Freunde verteidige, werde ich auch geärgert. Jeden Tag werden unsere Schulsachen versteckt oder andere fiese Sachen gemacht. Wir haben es längst aufgegeben, uns zu wehren. Es bringt ja doch nichts. Ein paar von uns sind sogar verprügelt worden. In einem meiner Briefe habe ich Mutter davon berichtet. Ihrer Antwort entnehme ich, wie sehr sie sich Sorgen um mich macht. Das möchte ich natürlich auch nicht.
11. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Schritt für Schritt) (Autor: Frank Beyer)
Pafus erkennt meine Unruhe als wir heute Morgen zum Archiv reiten. Wenn er nur reden könnte? Vielleicht hätte er eine gute Idee, wie ich mit Keca weiterkomme. Nachdem ich angekommen bin, lasse ich Pafus wieder Freilauf und betrete das Gebäude. Wie erwartet sitzt Keca am Empfang und begrüßt mich lächelnd. „Was machst du heute in der Mittagspause?“, frage ich. Sie schaut mich mit großen Augen an. „Mit dir etwas essen vielleicht?“
Kurz darauf brüte ich wieder über den Schriftrollen. In wenigen Zeilen wird über das erste Schuljahr von Tafor berichtet. Offensichtlich ist er sehr wissbegierig und lernt schnell. Allerdings zeigt er Probleme im Umgang mit den anderen Kindern, einfach weil er es nicht gewohnt ist. Bisher war er ja mit seinen Eltern alleine. Eltern? Jetzt nenne ich sie schon selbst so! Ist vielleicht einfacher, auch wenn ich weiß, dass Constantin nicht der Vater ist. Für mich klingt es ein bisschen so, als sei Tafor ein verwöhnter Bengel. Sein Verhalten bessert sich aber schnell, denn die Lehrer legen großen Wert auf Disziplin. Da Tafor nicht aufmüpfig ist, fügt er sich. Er lernt sehr schnell und wird zum Besten in der Klasse, bis auf eine Ausnahme. Sportliche Aktivitäten erweisen sich als sein Schwachpunkt. Als die Mittagszeit anfängt, gehe ich mit Keca an einer nahe gelegenen Wiese spazieren. Sie zeigt mir einen Bach, in dem große Steine liegen. Plötzlich greift sie nach meiner Hand. Sie fühlt sich gut an. Wir balancieren gemeinsam auf die andere Seite und nach einer Weile wieder zurück. Die ganze Zeit hat sie mich nicht losgelassen. Kurz bevor wir wieder am Archiv sind, küsst sie mich auf die Wange und eilt ins Gebäude. Verwirrt setze ich mich wieder an meine Texte.
Tafor findet Freunde, die ebenfalls gerne lernen. Gleich und gleich gesellt sich eben gerne. Unter den Schülern kommt es zu Gruppenbildung. Es gibt die Lerner und die Sportfreunde. Früher war es also auch schon so, interessant. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke war es ähnlich. Damals wie heute kam es zu einem Wetteifern untereinander. Tafor gefällt das nicht. Er sondert sich ab und beschränkt sich auf wenige Freunde. Anderen geht es ähnlich und es entstehen Kleingruppen.
Eine weitere Parallele zu meiner Schulzeit wird auch beschrieben. Die Großen hänseln die Kleinen. Heute wird es als Mobbing beschrieben, doch die Vorgehensweise ist die gleiche. Schüler sind nun einmal so, es wird immer Schwache und Starke geben. Die Lehrer versuchen die Situation zu entschärfen, was die Lage nur wenig ändert. Tafor setzt sich für die Schwächeren ein und wird zum Sprecher der Schlauen. Das hätte ich ihm nicht zugetraut, wo er doch körperlich eher schwach entwickelt scheint. Insbesondere der Sportlehrer hat es auf ihn abgesehen. Zumindest beschreibt Tafor es so. Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, obwohl es solche Lehrer sicherlich gibt. Bin gespannt, wie es weitergeht. Das kann ich aber erst morgen lesen. Heute Abend bin ich mit Keca verabredet. Sie möchte mir ihre Lieblingslichtung im Wald zeigen.
11. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Erinnerungen) (Autor: Frank Beyer)
Er ist wieder da! Zu meiner großen Freude sitzt heute Harkin (Neffe von Sadonak) am Eingang des Archivs und scheint bereits auf mich zu warten. Dafür ist Sadonak (Leiter des Archivs) in einem Nebenraum beschäftigt. Ich suche mir gleich zwei Schriftrollen lege los.
Tafor lernt lesen, schreiben und rechnen, eben die Anfänge für alles weitere. Es macht ihm sogar Spaß, allerdings hat er es nicht so sehr mit der Disziplin. Solche Dinge wie Aufräumen, Sauberkeit oder gar Ordnung halten sind nicht seine Welt. Irgendwie wird er mir sympathischer. Mit den anderen Kindern hat er auch Probleme, einfach weil er den Umgang mit Kindern nicht gewöhnt ist. Kein Wunder, er ist ja in einer Einöde groß geworden. Bevor ich weiterlesen kann, steht Harkin vor mir. „Mir ist langweilig.“ „Na und, mir auch“, sage ich. Um ihn abzulenken schlage ich vor, verstecken zu spielen. Er dürfe auch anfangen mit dem Verstecken. So habe ich für rund eine Stunde Ruhe, bevor er schließlich wieder ankommt. Ich verstecke mich nun draußen mit einer Schriftrolle.
Die Schuluniformen gefallen Tafor auch nicht. Aber er lernt es, mit allen klarzukommen und seine schulischen Leistungen sind besser als die der anderen. Insbesondere das Rechnen liegt ihm. Eine Ausnahme gibt es und das ist die Leibesertüchtigung. Sport ist nichts für ihn. Prompt freundet er sich mit den Kindern an, die auch wenig Begeisterung an Sport zeigen, sondern lieber lesen und lernen. Schon bald kommt es zu einer Gruppenbildung, die „Lerner“ und die „Sportfreunde“. Zwischen diesen Gruppen herrscht eine gewisse Rivalität. War bei mir früher nicht anders. Das Wetteifern mit den anderen Schülern gefällt Tafor nicht und er beginnt, sich zurückzuziehen. Anderen Kindern geht es ähnlich, so dass nach und nach Kleingruppen entstehen. Sadonak entdeckt mich vor der Tür und scheucht mich wieder rein. Dummerweise bekommt Harkin das auch mit. Erst als ich ihn verjagen kann, geht es weiter.
Einige der größeren und älteren Schüler fangen an, die Schwachen zu ärgern und machen ihnen das Leben schwer. Wenn Tafor dies mitbekommt, versucht er, sie zu verteidigen. So etwas spricht sich herum und er wird ebenfalls häufiger zum Ziel. Die Lehrer greifen ein, machen die Situation aber nicht besser. Im Gegenteil, Tafor gilt als Liebling der Lehrer und wird auch deswegen geärgert. Ein paar seiner Freunde werden sogar geschlagen. Von all dem schreibt er seiner Mutter. Sie macht sich natürlich Sorgen. Was ein Jammerlappen! Der sollte seine Probleme echt selber lösen. Ich kenne genug solcher Kerle von früher. Die halten sich für was besseres. Wenn ich das so lese, steigt Wut in mir auf. Als dann noch Harkin vor mir steht und wieder rumjammert, platzt mir der Kragen. Ich brülle ihn an und jage ihn aus dem Archiv. Draußen steige ich auf meine Kröte und jage davon. Für heute reicht es wirklich. Bin ja schließlich kein Babysitter!
Zwölfter Abschnitt der Basisgeschichte mit dem Kind als Ich-Erzähler: Probieren geht über studieren
Zwölfter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Typisch Elfe
Zwölfter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Eine Ansage
12. Abschnitt (Basisgeschichte) (Probieren geht über studieren) (Autor: Frank Beyer)
Meine Lehrer stehen der Hänselei hilflos gegenüber, da die Schuldigen nicht erwischt werden. Dennoch will ich nicht klein beigeben. Das wollen die doch nur. Lediglich der Lehrer für Leibesertüchtigung sieht die Schuld einzig bei mir und erlegt mir Zusatzrunden auf der Laufbahn und andere Strafen auf. Die verstärkte sportliche Betätigung hilft mir sogar, mich körperlich weiter zu entwickeln. Als Liebling der Lehrer ist es nicht leicht, doch ich versuche, immer freundlich zu sein, auch wenn es mir schwer fällt. Kürzlich ist mir der Kragen geplatzt und ich habe mich gewehrt. Passiert ist nichts und das finde ich interessant. Etwas Ähnliches probiere ich jetzt häufiger aus und siehe da, mir passiert nichts. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, die Schüler, die mich sonst geärgert haben, lassen mich jetzt in Ruhe. Mir macht es sogar Spaß, auch mal andere zu ärgern. Man kann ja nicht immer nur lernen.
Mit Beginn des vierten Schuljahres gibt es eine Neuerung. Die Lehrer teilen uns in Lerngruppen ein, damit wir nicht nur miteinander, sondern auch voneinander lernen. Leider kommen Piscaro und Smerker in andere Gruppen, aber ich habe ja noch Asran. Er stammt aus den westlichen Wäldern und erzählt mir spannende Geschichten aus seiner Heimat.
Später im Jahr wollen die Lehrer Prüfungen mit uns machen, um uns in unterschiedlich leistungsstarke Klassen zu verteilen. Man sagt uns, so würden auch die wenig begabten eine gute Ausbildung bekommen. Die Leistungsstärksten hingegen sollen Möglichkeiten bekommen, sich weiterhin positiv zu entwickeln. Solche Prüfungen werden alle zwei Jahre durchgeführt werden. Wenn die anderen Jungs nur aufhören würden, Asran zu hänseln. Immerhin, die anderen zwei in unsere Lerngruppe sind sehr nett. Sogar ein Mädchen ist dabei: Suleika. Sie stammt aus dem Land Dykuma. Ihre Eltern sind erst vor kurzem ins Land Orman gezogen. Der zweite ist ein Junge namens Siebert. Mit ihnen gewinne ich wieder die Lust am Lernen. Aber wir lernen nicht nur, sondern helfen auch den Lehrern beim Aufräumen. Wir sortieren die Schriftensammlung und unterstützen die Köche. Bei den Prüfungen gebe ich mein Bestes, damit meine Eltern stolz auf mich sind. Mittlerweile sind wir mit unserem Lernstoff fast drei Jahre weiter, als wir sein sollen und haben interessante Bücher gefunden. Leider gab es ziemlichen Ärger, weil wir angeblich zu jung dafür wären. Man hat sogar unsere Eltern alarmiert und sie kommen mich besuchen. Beide hatten viel zu erzählen und es war schön, sie wiederzusehen. Ich musste versprechen, fortan folgsam zu sein.
In den nächsten Prüfungen erzielen meine Freunde und ich herausragende Ergebnisse. Einer der Lehrer, mit dem ich mich gut verstehe, ist sehr stolz auf unsere Leistung. Er hilft uns, an Lernmaterial zu gelangen, welches uns nicht zugänglich sein soll. Wir können also weiterlernen, auch wenn mir manchmal die Motivation fehlt. Schon mehrfach habe ich mich dabei erwischt, wie ich einfach nur Suleika beim Lesen beobachtet habe oder wie sie sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht streicht. Gerne würde ich mich über andere Dinge mit ihr unterhalten. Doch als ich mich ihr endlich anvertraue, vertröstet sie mich immer wieder und erklärt, wie wichtig ihr das Lernen sei. Mein Herz fühlte sich an wie ein Stein.
12. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Typisch Elfe) (Autor: Frank Beyer)
Was habe ich nur erwartet? Manchmal ist eine Lieblingslichtung im Wald eben nicht mehr und nicht weniger als eine Lichtung. Sicher, die Bäume dort sind schön gewachsen und der Sonnenuntergang war durch das Blätterdach der Bäume interessant zu beobachten, doch ich hatte mir mehr erhofft. Vielleicht sind Elfen schüchterner als Menschen. Keca ist es auf jeden Fall. Im Archiv finde ich eine Reihe weiterer Schriftrollen, die es zu lesen gilt. Das lenkt mich etwas ab.
Tafor lernt nicht nur aus Büchern, sondern auch durch den Umgang mit anderen. Da der Sportlehrer ihn zusätzliche Runden aufbrummt entwickelt er sich auch körperlich weiter. Auf diese Weise merkt er eine Veränderung im Verhalten der anderen. Er selbst möchte weiterhin nett zu allen sein, doch dann passiert etwas. Es wird nicht näher beschrieben, was es war, doch Tafor hat sich körperlich gewehrt und es gefiel ihm. Dies möchte er in Zukunft häufiger machen. Im Laufe des Schuljahres erfahren die Schüler von einer weiteren Regel des Internats. Neben der hohen Anforderung durch Disziplin wird es Prüfungen geben. Die Lehrer nutzen dies, um die schlechten Schüler zu ermitteln. Offensichtlich sollen nur die strebsamen Schüler entsprechend gefördert werden. Dazu fachen die Lehrer sogar die Rivalität der Schüler untereinander an. Tafor umgibt sich nur noch mit vier Freunden, darunter ein Mädchen. Sie lernen sehr viel und erforschen die Bibliotheken der Schule aus eigenem Antrieb. Dabei lesen sie auch Schriften und Bücher für Schüler der höheren Klassen. Eine schöne Umschreibung. Ich vermute, sie haben da auch Dinge gefunden, die nicht jugendfrei sind. Zumindest hat er etwas gefunden und gelesen, was nicht für ihn und seine Freunde gedacht war. Das bereits erwähnte Mädchen namens Suleika rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt seiner Interessen. Keca steht auf einmal vor mir. Sie trägt wieder einmal ein Kleid, welches tiefe Einblicke gewährt. Mit den Augen folgt sie meinem Blick und lächelt. „Heute Abend am Bach?“, fragt sie und ich nicke wortlos. Kichernd verschwindet sie.
Constantin und Eponia werden zu einem Lehrergespräch gebeten. So etwas verheißt nichts Gutes. Die Lehrer machen sich Sorgen, weil der Wissensdrang von Tafor sehr groß scheint. Eponia redet ein ernsthaftes Wort mit Tafor und er verspricht, sich nur noch um für ihn freigegebenen Lehrstoff zu bemühen. Das bestätigt meine Theorie. Eine schöne Umschreibung dafür, dass Tafor etwas ausgefressen hat. Einer der Lehrer wird fortan zum Ansprechpartner und Förderer von Tafor. Er stellt ihm schwierige Zusatzaufgaben, für die Tafor sich sehr anstrengen muss. Doch es gefällt ihm und er kommt auf andere Gedanken. Constantin und Eponia hingegen genießen das Leben in Brückenau. Sie haben endlich wieder erwachsene Gesellschaft und müssen sich nicht ausschließlich um das Wohlergehen von Tafor kümmern. Außerdem wissen sie, im Internat wird gut für ihn gesorgt. Damit kommen die alten Pläne von Eponia wieder auf. Sie wirkt auf Constantin ein und sie tragen sich schon bald mit dem Gedanken, in die Großstadt zu ziehen. Dort erhofft sich Eponia ein Leben voller Aufregung. Für mich wird es nachher hoffentlich auch aufregend.
12. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Eine Ansage) (Autor: Frank Beyer)
Langsam aber sicher entwickelt sich dieser Auftrag der Altehrwürdigen Oberhexe zu einem Albtraum! Im Archiv herrscht ein unbeschreiblicher Gestank, das Balg von Sadonak nervt mich ständig und Sadonak (Leiter des Archivs) selbst, also von dem rede ich besser gar nicht. Wird höchste Zeit, mit meiner Recherche fertig zu werden.
Die Hänseleien in der Schule nehmen kein Ende und auch die Lehrer finden keine Lösung. Tafor gelangt zu der Überzeugung, der Sportlehrer habe es auf ihn abgesehen und würde ihn deshalb mit seinen Übungen quälen. Das nervt ihn gewaltig und eines Tages beginnt er, sich zu wehren. Dies bleibt ohne folgen, woraufhin er beginnt, die angestaute Wut an anderen auszulassen. Es gefällt ihm sogar. Wundert mich nicht. Immer nur einstecken könnte ich auch nicht. Mit dem neuen Schuljahr gibt es eine Änderung. Lerngruppen werden eingeteilt und Prüfungen angekündigt. Damit wollen die Lehrer die Leistungsfähigkeit der Schüler testen, um Klassen nach Leistungsstärke zu bilden. Asran wird zum besten Freund von Tafor. Außerdem sind ein Siebert und eine Suleika in Tafors Lerngruppe. Mit ihnen gewinnt er wieder an Motivation zum Lernen. Zusätzlich machen die vier sich nützlich und helfen den Lehrern beim Aufräumen und Sortieren der Schriftensammlung. Ich würde sie ja als typische Streber bezeichnen. Erst Recht, wenn ich hier lese, dass sie mit dem Lehrstoff 3 Jahre voraus sind. Offensichtlich haben die nichts besseres zu tun. Also wenn ich da an meine Zeit denke. Harkin (Neffe von Sadonak) steht vor mir und streckt mir die Zunge raus. Der nervt! Als ich ihm ebenfalls die Zunge rausstrecke, verzieht er sein Gesicht und rennt weg. Immerhin.
Dann schreibt Tafor etwas Interessantes. Beim Sortieren finden sie interessante Bücher. Titel nennt er nicht, aber da es ziemlichen Ärger gibt, habe ich da so eine Vermutung. Sie seien zu jung für derartige Bücher steht da auch, was meinen Verdacht bestätigt. Die haben etwas gefunden, was nicht jugendfrei ist. Sogar Eponia und Constantin werden über den Vorfall informiert. Tafor muss versprechen, sich nur noch um altersgemäße Literatur zu kümmern. Würde mich ja doch irgendwie interessieren, was die da gefunden haben. Die Stimme von Sadonak reißt mich aus dem Gedanken. „Ärgerst du Harkin eigentlich gerne?“ Erschrocken blicke ich auf und sehe den Text-Hexer (Sadonak), der mich finster anblickt. Von seinem Neffen ist nichts zu sehen. „Der Kleine trampelt auf meinen Nerven herum“, sage ich. „So kann ich nicht arbeiten.“ „Dann werde ich ihn bestrafen“, erwidert Sadonak und entfernt sich. Sollte ich jetzt endlich meine Ruhe haben? Ich kann mein Glück kaum fassen und lese weiter.
In der ersten Prüfung erreichen Tafor uns seine Lerngruppe sehr gute Ergebnisse. Streber eben, wusste ich es doch. Aber es wird interessanter. Tafor verschießt sich scheinbar in diese Suleika und beobachtet sie ständig. So etwas hätte ich jetzt nicht erwartet. Er braucht eine Weile, dann spricht er sie darauf an. Sie erteilt ihm eine Abfuhr, weil ihr das Lernen wichtiger sei. PENG! Das hat gesessen! Er schreibt, sein Herz würde sich anfühlen wie aus Stein. Ja, ja, der erste Liebeskummer kann schlimm sein. Offensichtlich ist er doch nicht so ein Streber. Herrlich, von Harkin (Neffe von Sadonak) habe ich nichts mehr gehört. Hoffentlich ist das morgen auch so.
Dreizehnter Abschnitt der Basisgeschichte mit dem Kind als Ich-Erzähler: Eine Narbe
Dreizehnter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Die Schuldfrage
Dreizehnter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Ruhe im Archiv
13. Abschnitt (Basisgeschichte) (Eine Narbe) (Autor: Frank Beyer)
Durch das viele Lernen kann ich wenigstens meine Zeit in Suleikas Nähe verbringen. Mein bester Freund Asran hält zu mir und versucht, mich auf andere Gedanken zu bringen. Er erzählt mir von einer tollen Beschäftigung und nimmt mich mit zum Schulgarten. Dort haben er und andere Schüler eine Pflanze gezüchtet. Wenn man ihre Blätter eine Weile kaut, sieht man die Welt in bunten Farben und vergisst alle Sorgen und Nöte. Arglos probiere ich eines der Blätter. Die Wirkung ist fatal und vor meinen Augen dreht sich alles. Ich muss mich erbrechen und werde von einem Lehrer aufgegriffen. Schnell sind die Schuldigen gefunden und die Pflanze wird verbrannt. Wir Schüler bekommen schwere Strafen. Diejenigen von uns, die beim Züchten der Pflanze geholfen haben, werden der Schule verwiesen. Unter ihnen ist leider auch Asran. Ich werde ihn sehr vermissen. Natürlich informieren die Lehrer auch meine Eltern über diese Ereignisse.
Ich gebe mir die Schuld dafür, dass Asran gehen musste. Wäre ich nicht aufgefallen, dann wäre er noch bei mir. Sicher war es falsch, solche Blätter zu züchten und zu kauen, doch finde ich die Strafe zu streng. Erst die Sache mit Suleika, jetzt Asran. Ich bekomme es gar nicht richtig mit und verbringe die kommenden Wochen wie im Schlaf. Die Prüfung bestehe ich mit großer Mühe. Selbst meinem Lieblingslehrer fällt das auf und er macht sich Sorgen um mich.
Auf der Suche nach neuen Freunden schaue ich mich im Internat um. Ich treffe auf andere Schüler, die versuchen, auf einfachen Weg ihren Schulabschluss zu erreichen und sich offen gegen die strengen Lehrer auflehnen. Unter diesen Schülern ist auch ein Mädchen namens Yasamin. Sie gefällt mir gut und ich ihr ebenfalls. Schnell habe ich Suleika vergessen und verbringe viel Zeit mit meiner neuen Freundin. Eines Tages überredet sie mich, mit ihr den Unterricht fernzubleiben, um die legendäre Quelle der Wahrheit aufzusuchen. Wie kann ich das schon verneinen?
Im letzten Schuljahr machen wir uns auf den Weg. Nach einer Wanderung von mehreren Stunden erreichen wir eine Stelle im Wald, wo die Bäume lichter werden. Bald gelangen wir zu einer kleinen Senke, in deren Mitte Wasser aus einem Felsblock sprudelt und in einen kleinen Bach abfließt. Um die Senke herum stehen zahlreiche Statuen von Gelehrten und weisen Menschen. Der Felsblock selbst ist an allen Seiten blank und abgegriffen von den Händen unzähliger Pilger, die hier her kommen, um Wahrheit zu finden. Als wir uns der Quelle nähern, taucht hinter uns die Hüterin der Quelle auf, gehüllt in wallende weiße Roben. Sie fordert uns auf, unsere linken Oberarme zu entblößen. Dann erklärt sie, jeder dürfe nur einen Schluck aus der Quelle nehmen. Wir nehmen einen Schluck und werden augenblicklich mit einer Wahrheit aus unserem Leben konfrontiert. Yasamin verliert kein Wort darüber und bricht in Tränen aus. Ich hingegen erkenne, dass der Mann, den ich für meinen Vater hielt, gar nicht mein Vater ist. Wütend will ich einen weiteren Schluck nehmen, um noch mehr zu erfahren. Die Hüterin der Quelle hindert mich daran und schickt uns beide fort. Vorher verpasst sie uns einen Schlag auf den linken Oberarm, woraufhin sich eine Narbe in Form eines Wassertropfens bildet. Zurück in der Schule wartet bereits ein Lehrer auf uns. Wir bekommen umfangreiche Strafarbeiten. Viel Zeit bleibt uns nicht in den kommenden Monaten, denn die finale Prüfung steht an.
13. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Die Schuldfrage) (Autor: Frank Beyer)
Im letzten Schuljahr von Tafor ist es zu einigen merkwürdigen Ereignissen gekommen. Er versucht, möglichst viel Zeit in Suleikas Nähe zu verbringen, obwohl sie ihn hat abblitzen lassen. So deutlich steht es hier zwar nicht, aber ich nenne es so, denn sie hat ihm erklärt, das Lernen sei ihr wichtiger. Muss schlimm für ihn gewesen sein. Ich kann es jedenfalls gut nachvollziehen. Mir ist gestern Abend etwas Ähnliches passiert, auch wenn ich es noch immer nicht ganz verstehe. Da war ich mit Keca am Bach verabredet und sie kam nicht. Erst dachte ich, es wäre womöglich etwas passiert und habe nach ihr gesucht, sie aber nicht gefunden. Heute Morgen treffe ich sie dann im Archiv und sie tut so, als wäre nichts gewesen. Auch wenn es mir schwer fällt, ich werde sie ignorieren.
Tafor ist frustriert und versucht sich, durch das Lernen abzulenken. Sein bester Freund Asran möchte ihm helfen und bringt ihn zu einem der Gärten. Dort haben einige der Schüler eine seltsame Pflanze gezüchtet, deren Blätter man kauen kann. Dies habe eine entspannende Wirkung. Von Farben und bunte Bildern ist die Rede – ganz offensichtlich ein Halluzinogen. Tafor muss sich übergeben und das ruft die Lehrer auf den Plan. Es gibt ziemlichen Ärger und als Strafe werden die verantwortlichen Schüler des Internats verwiesen. Tafor bekommt nur Strafarbeiten, davon aber eine große Menge. Die Schulverweise empfindet er als zu streng und sieht die Schuld auch bei sich. Dann lernt er ein anderes Mädchen namens Yasamin kennen. Er versteht sich sehr gut mit ihr und verliebt sich in sie. Für mich wird es Zeit, Pause zu machen. Die Schriftrolle ist zu Ende und ich habe Hunger. Pafus freut sich sicher über Gesellschaft. Doch was muss ich feststellen? Eine Einhornstute steht bei ihm. Sehr hilfreich, alter Freund! Genervt ziehe ich mich wieder ins Archiv zurück.
Diese Yasamin bringt Tafor dazu, mit ihr die legendäre Quelle der Wahrheit aufzusuchen und dafür die Schule zu schwänzen. Die Quelle liegt zwar in der Nähe, doch es benötigt einige Stunden, um dorthin zu gelangen. Erst im nächste Schuljahr machen sie sich auf den Weg und finden tatsächlich die Quelle inmitten zahlreicher Statuen aus Stein. Die Hüterin der Quelle empfängt die beiden Schüler und erklärt ihnen, sie dürfen nur einen Schluck trinken. Während Yasamins Erkenntnis nicht beschrieben wird, sie aber zum Weinen bringt, erfährt Tafor etwas über seine Herkunft. Er weiß nun, dass Constantin nicht sein Vater ist. Sie bekommen eine Tätowierung von der Hüterin als Nachweis, bereits von der Quelle getrunken zu haben. Danach machen sie sich wieder auf dem Rückweg zum Internat. Ihr Fehlen wurde bemerkt und es gibt erneut eine Strafarbeit. „Bist du mir böse?“, fragt eine Flüsterstimme hinter mir. Es ist natürlich Keca, die mich mit ihren Rehaugen anguckt. „Lass mich“, sage ich unwirsch und packe meine Sachen zusammen. „Meine Mutter ist gestürzt und hat meine Hilfe gebraucht“, erklärt Keca. „Du hast mich also nicht…“ sage ich und bevor ich weiterreden kann, legt sie mir ihren Zeigefinder auf die Lippen. „Nein, ich habe dich nicht versetzen wollen. Heute werde ich es gut machen“, erwidert sie und zieht mich mit sich fort.
13. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Ruhe im Archiv) (Autor: Frank Beyer)
Stille herrscht im Archiv und der Text-Hexer (Leiter des Archivs) guckt nicht einmal hoch als ich ankomme. Außer mir ist niemand hier und ich kann in aller Ruhe meiner Recherche nachgehen.
Nach der Abfuhr von Suleika leidet Tafor. Da sie zur gleichen Lerngruppe gehört, verbringt er trotzdem viel Zeit in ihrer Nähe und scheint still zu leiden. Sein Freund Arsan möchte ihm helfen und versucht, ihm Ablenkung zu verschaffen. Er erzählt ihm von einem Garten, in dem ein paar der Schüler eine seltsame Pflanze gezüchtet haben. Würde man ihre Blätter kauen, seien alle Sorgen für eine Weile verschwunden. Wer weiß, was die da angepflanzt haben. Na bitte, hier steht, Tafor probiert das Zeug aus und prompt wird ihm schlecht. Das kommt eben dabei heraus, wenn man fremde Pflanzen ausprobiert. Wobei mich interessieren würde, was das genau gewesen sein soll. Leider steht das hier nicht. Jedenfalls fällt einem der Lehrer auf, wie Tafor sich übergeben muss und die ganze Geschichte mit den Blättern fliegt auf. Es hagelt Schulverweise für die Schüler, die mit der Pflanze angefangen haben. Schlimm für Tafor, denn sein Freund Arsan wird auch der Schule verwiesen. Deswegen hat er ein schlechtes Gewissen und empfindet die Strafe als zu streng. Unter den ganzen Ereignissen leiden auch seine Noten und er besteht die nächste Prüfung nur mit knapper Not. Auf der Suche nach neuen Freunden gerät Tafor in Kontakt mit einer Gruppe von Schülern, die den Weg des geringsten Widerstandes gehen und auf einfache Weise zum Schulabschluss gelangen wollen. Dazu gehört auch ein Mädchen namens Yasamin. Ich ahne schon, er verguckt sich in sie und das Theater geht von vorne los. Irgendwie geht es doch immer darum. Na ja, nach der Mittagspause lese ich weiter. Unglaublich, wie schnell ich lesen kann, wenn hier keiner stört. Andererseits vermisse ich Harkin (Neffe vom Text-Hexer) ein wenig, wie ich mir eingestehen muss. Hoffentlich war seine Strafe nicht zu streng.
Als ich zurückkomme aus der Pause suche ich nach der nächsten Schriftrolle. Ich muss eine ganze Weile danach suchen und durchstöbere einen der hinteren Teile des Archivs. In einer Ecke finde ich Harkin. Als er mich sieht, fängt er an zu weinen und rennt weg. Darum kann ich mich jetzt nicht kümmern, ich muss weiterlesen.
Yasamin überredet Tafor, die Schule zu schwänzen. Sie will mit ihm die legendäre Quelle der Wahrheit aufsuchen. Er lässt sich darauf ein und sie brechen auf. Irgendwo tief im Wald finden sie die Quelle in einer Senke. Dort sprudelt Wasser aus einem Felsblock. Rundherum stehen mehrere Statuen von gelehrten Menschen. Die Hüterin der Quelle erklärt den Beiden, sie dürften nur einen Schluck nehmen und verpasst ihnen einen Schlag auf den Oberarm. Es bildet sich eine Narbe in Form eines Wassertropfens. Yasamin trinkt und bricht in Tränen aus. Auch Tafor genehmigt sich einen Schluck. Fortan weiß er, dass Constantin nicht sein Vater ist. Die Beiden gehen zurück zur Schule, wo ihr Fehlen natürlich aufgefallen ist und Strafarbeiten auf sie warten. Interessant, da überhaupt nicht weiter auf diese Erkenntnis eingegangen wird, denke ich, es wird später etwas beschrieben. Für heute soll erst mal genug sein. Ich schaue noch einmal nach Harkin, aber er ist verschwunden. Vielleicht erfahre ich morgen mehr. Ich wollte ihm ja nichts Böses, er sollte mich nur nicht mehr nerven.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt vom Kind, namens Tafor, zu Constantin dem Forscher.
Vierzehnter Abschnitt der Basisgeschichte: Die Gelegenheit
Vierzehnter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Klarheit
Vierzehnter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Schlechtes Gewissen
14. Abschnitt (Basisgeschichte) (Die Gelegenheit) (Autor: Frank Beyer)
In den letzten Jahren ist der Wunsch von Eponia, ihr Leben in der Stadt zu verbringen, niemals erloschen. In ihrer Sehnsucht lauscht sie allen Erzählungen der Bewohner von Brückenau und fragt jeden Besucher aus. Jedes kleine bisschen Information über Weststädten saugt sie auf wie ein Schwamm. Auch mich steckt sie damit an, denn diese Stadt ist mit Sicherheit ein gutes Forschungsobjekt. Außerdem muss sich dort auch eine Spur des Zwerges Iguasu finden lassen. Er kann sich vielleicht in Luft auflösen, aber er vermag nicht spurlos verschwinden. Ich werde ihn finden. Archive, Tempel, Märkte, irgendjemand muss ihn gesehen haben.
Zusammen mit Eponia überlege ich, wann wir in die Stadt ziehen. Wir beschließen, nicht erst den Schulabschluss unseres Sohnes abzuwarten, sondern die nächste Gelegenheit zu nutzen. Die Reise ist nicht allzu lang, aber keinesfalls sollten wir alleine gehen. Wir kennen den genauen Weg nicht und haben keine Vorstellung, was unterwegs für etwaige Gefahren auf uns lauern.
Eponia hat eine hervorragende Idee. Wir werden die jährliche Händlerkarawane abwarten und mit ihnen gehen. Sie kennen den Weg und wir wären in Begleitung. Wir besorgen uns Reisekoffer für unsere Habseligkeiten und warten ungeduldig auf das Frühjahr.
Endlich ist es soweit. Erst war am Horizont nur eine Staubwolke zu sehen, dann verbreitet sich die Neuigkeit in ganz Brückenau. Die Karawane ist da. Staunend begutachten wir die vielen Wagen und exotische Lasttiere. Neben Pferden gibt es merkwürdig anmutende Rinder mit langen Haaren. Am Eindrucksvollsten ist aber das gigantische graue Tier mit einem Greifrüssel anstelle einer Nase. Es kann sogar laut Trompeten, wie uns sein Besitzer versichert. Ein Händler hat Platz auf seinem Lastkarren. Er transportiert haufenweise Teppiche aus der Ferne und ist gerne bereit, uns aufzunehmen. Als Gegenleistung helfen wir ihm mit seinen Lasttieren. Eponia ist total aufgeregt, weil für sie alles neu ist, vor allen Dingen aber, weil ihr Traumziel in greifbare Nähe rückt. Mir ergeht es ähnlich. Was wäre es für ein Erfolg, wenn ich diesen Zwerg finden würde? Unterwegs nutze ich die Gelegenheit und unterhalte mich mit den Händlern. Tatsächlich kennt niemand die Geschichte von dem Zwerg. Nur bei einem habe ich Erfolg. Er hat Iguasu in Weststädten gesehen. Ich kann mein Glück kaum fassen.
Die Reise erweist sich als anstrengend, phasenweise eintönig. Mit den Lasttieren haben wir einiges zu tun, kommen aber klar. Nach mehreren Tagen erreichen wir einen Fluss. Ein Wachturm ragt daneben auf. Schwer bewaffnete Krieger sind dort stationiert, die uns aufmerksam beobachten. Der Karawanenführer unterhält sich mit den Wächtern und entrichtet Wegezoll für die Karawane. Nach weiteren zwei Tagen erreichen wir Weststädten. Bereits aus großer Entfernung erkennen wir Türme, die bis in den Himmel zu ragen scheinen.
14. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Klarheit) (Autor: Frank Beyer)
Müde setze ich mich wieder ins Archiv. Die letzten Schriftrollen über die Erlebnisse des Zeitreisenden liegen vor mir. Sie scheinen in großer Eile geschrieben worden zu sein, die Schrift deutet auf Hektik beim Schreiben hin. Offensichtlich hatte der Schreiber es aus irgendeinem Grund eilig. Eponia bedrängt Constantin immer weiter, weil sie endlich das Leben in der Großstadt kennenlernen will. Um mehr darüber zu erfahren, befragt sie alle Einwohner von Brückenau. Ihr Wunsch nach Veränderung scheint Constantin nicht ungelegen zu kommen. Er würde gerne seine Suche nach dem Zwerg fortsetzen, auch wenn mittlerweile Jahre vergangen sind. Ihm ist es sehr wichtig, Licht hinter diese Sache zu bringen. Zusammen mit Eponia überlegt er später, wie und wann sie ihre Pläne für den Umzug in die Stadt umsetzen können. Sie beschließen, nicht erst Tafors Schulabschluss abzuwarten, sondern bald zu handeln. Helfen können sie ihm ohnehin nicht. Eponia erfährt bei ihren Nachforschungen von einer Karawane, die über Brückenau direkt nach Weststädten ziehen soll. Diese wollen sie abwarten, denn ihnen ist klar, alleine könnte die Reise gefährlich werden, zumal sie den Weg nicht kennen.
„Na, wie weit bist du?“, fragt Keca und legt mir eine Hand von hinten auf die Schulter. Ich rieche einen Hauch von frischen Kräutern, einen Duft, den sie gerne trägt. Als ich den Kopf zur Seite drehe, küssen wir uns. „Bin bald fertig“, sage ich. „Wir können also gerne Pause machen.“
Später lese ich, wie im Frühjahr die Karawane Brückenau erreicht. Der ganze Ort ist in Aufruhr, da die Händler eine Vielfalt an Waren mit sich führen. Constantin und Eponia sind erstaunt über die fremdartigen Nutztiere der Händler. Sogar Bilder sind dabei, welche ich unschwer als Elefanten und eine Art Büffel identifiziere. Constantin nutzt die Gelegenheit und befragt die Händler, ob jemand etwas von einem Zwerg namens Iguasu gehört hätte. Tatsächlich kann sich einer von ihnen erinnern, einen Zwerg in Weststädten gesehen zu haben. Constantin schöpft wieder Hoffnung, sein Ziel doch noch zu erreichen, nachdem er es fast aufgegeben hatte. Er erkundigt sich sogleich nach einer Möglichkeit, mit der Karawane zu reisen. Da den Händlern jede Hilfe willkommen ist, ist es ein Leichtes für Constantin, sich und Eponia als Helfer anheuern zu lassen. Zwar müssen sie sich um die Lasttiere kümmern, dafür kostet sie die Reise nichts und sie sind relativ sicher. Etwaigen Gefahren können sie dadurch aus dem Weg gehen.
Nach einer anstrengenden Reise von einer Woche überqueren sie einen Fluss. Die Brücke wird streng bewacht und es muss eine Wegegebühr bezahlt werden. Schließlich erreichen sie nach weiteren drei Tagen Weststädten. Zu ihrer Verwunderung sind bereits aus Entfernung die ersten hohen Türme der Stadt zu erkennen. Keiner von ihnen hat jemals zuvor eine Stadt dieser Größe gesehen. Die Schriftrolle ist zu Ende und Keca wartet. Mein Auftrag in diesem Archiv ist beendet. Jemand anderes soll die weitere Recherche übernehmen. Ich habe jetzt erst einmal etwas Wichtigeres vor.
14. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Schlechtes Gewissen) (Autor: Frank Beyer)
Unglaublich, aber ich habe mir doch tatsächlich Sorgen um Harkin gemacht. Dieser kleine Wicht hat mich nur genervt und ich komme mir jetzt schlecht vor. An diesem Morgen schenkt mir der Text-Hexer (Onkel von Harkin) wie gewohnt ein finsteres Lächeln. Ob der früher mal in einer Geisterbahn gearbeitet hat? Ich bemühe mich ebenfalls zu lächeln. „Ist dein Neffe heute hier?“, frage ich. „Ja“, gibt Sadonak (Text-Hexer) kurz angebunden zurück. „Ich schicke ihn später zu dir, wenn er mit seiner Arbeit fertig ist.“ Mir schwant übles als ich mich wieder in den Schriftrollen vertiefe.
Eponia ist wieder eingefallen, wie sehr sie sich doch das Leben in Weststädten wünscht. Um mehr darüber zu erfahren, fragt sie die Leute in Brückenau. Auch Constantin wüsste gerne mehr, sieht er doch die Stadt als Forschungsobjekt. Zumal er immer noch den Zwerg finden will. Irgendwo muss er zu finden sein, da ist er sich sicher. Sie überlegen sich, wann der beste Zeitpunkt für einen Umzug sei. Den Schulabschluss von Tafor abzuwarten ist ihnen noch zu lang und so wollen sie die nächstbeste Gelegenheit nutzen. Eponia hat von einer Händlerkarawane erfahren. Die wollen sie nutzen. Ich höre leise Schritte und sehe mich um. Es ist Harkin, der mich schüchtern ansieht. „Wie geht es dir?“, frage ich ihn. „Gut“, sagt er und guckt mich traurig an. „Dein Onkel wollte dich bestrafen. War es schlimm?“, forsche ich nach. „Hmmm, ich weiß nicht“, antwortet er. „Wenn ich dich noch mal nerve, dann will er mich in eine Kröte verwandeln.“ „Dann weißt du ja, was du zu tun hast.“ Harkin nickt. „Ich gehe wieder Maden sammeln.“ Beunruhigt setze ich mich wieder an die Schriften.
Im Frühjahr zieht die Karawane durch Brückenau. Von fremdartigen Lasttieren ist die Rede. Langhaarige Rinder und gewaltige Tiere mit einem Rüssel als Nase. Einer der Händler erklärt sich bereit, Constantin und Eponia als Helfer mitzunehmen, wenn sie sich um die Tiere kümmern. Eponia kommt ihrem Traumziel näher. Ihr ist es egal, was sie dafür tun muss. Unterwegs unterhält sich Constantin mit den Händlern. Er hofft, etwas über den Zwerg Iguasu zu erfahren. Tatsächlich hat er Glück, denn einer von ihnen hat den Zwerg in Weststädten gesehen. Die Reise erweist sich als eintönig. Zu tun gibt es genug, aber die Landschaft gibt scheinbar nicht viel her. Dann erreichen sie einen Fluss, an dem Wächter postiert sind. Sie müssen Wegezoll zahlen und können erst dann auf die andere Seite. Mittlerweile sind mehrere Tage vergangen, doch dann sehen sie bereits auf Entfernung die Silhouette der Stadt mit ihren hohen Türmen. Damit endet der Text. Ich gehe nach hinten ins Archiv und finde eine Seitentür. Dahinter liegt ein kleiner Garten, in dem Harkin Maden von Kohlköpfen pflückt. „Was machst du hier?“, fragt der Text-Hexer, der plötzlich mit einem Kochlöffel neben mir steht. „Nichts“, lüge ich. Eine Woge von Gestank steigt mir in die Nase „Irgendwie stinkt es hier.“ „Meine Kohlsuppe! Nicht schon wieder anbrennen“, ruft der Text-Hexer erschrocken und verschwindet in einem Nebenzimmer. Froh, dass es sich alles als harmlos herausstellt, gehe ich zu meiner Reitkröte, die freudig quakt als ich aufsteige.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt ins Land Mesto (links). Die Archive befinden sich deswegen auch im Land Mesto und neue Personen für die Recherchen tauchen auf.
Fünfzehnter Abschnitt der Basisgeschichte: Die Ankunft
Erster Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Die Lehre des Glaubens
Erster Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Die versteckte Oase
15. Abschnitt (Basisgeschichte) (Die Ankunft) (Autor: Frank Beyer)
Unsere Ankunft in der Stadt ist aufregend. Nur mit Mühe kann ich Eponia davon abhalten, sogleich alles auf eigene Faust zu erkunden. Direkt hinter dem Stadttor liegt ein großer Platz an einer Kirche. Dahinter führen mehrere Straßen tief in die Stadt hinein. Aus Erfahrung weiß ich, wie schnell man sich in Städten verlaufen kann. Die Händler geben uns ein paar gute Hinweise und auch ein paar Münzen. Zumindest sind wir nicht vollkommen mittellos. „Ich will aber die Stadt sehen. Und tanzen möchte ich“, drängelt Eponia. „Zuerst brauchen wir einen Platz zum Schlafen“, erkläre ich ihr. Kleinlaut muss sie mir recht geben. Wir sind als Fremde offensichtlich einfach zu erkennen und die einheimischen Kaufleute bieten uns ihre Waren an. Dankend lehnen wir ab. Ich frage meinerseits nach einem Platz zum Bleiben oder ob jemand einen Helfer gebrauchen könne. Schnell verlieren die Leute das Interesse an uns.
Da stehen wir nun, inmitten einer uns fremden Stadt. Eponia kann sich gar nicht satt sehen an den großen Gebäuden mit ihren Türmen. Erst als wir müde sind, machen wir Rast an einer kleinen Herberge. Dort können wir uns zwei Schlafplätze mieten und bekommen auch eine dünne Suppe für unser Geld. Die Enttäuschung ist Eponia anzusehen. Sie hatte sich das Leben in der Stadt anders vorgestellt. Der Herbergsvater rät uns, es am Kloster zu versuchen. Dort würde man gerne den Armen helfen.
Ein freundlicher Mönch lässt uns am nächsten Morgen ein. Wir erzählen ihm unsere Geschichte, lassen dabei allerdings die Flucht aus. Er stellt uns einige Fragen und versucht, uns eine Anstellung im Kloster zu beschaffen. Eponia ist wenig angetan, denn sie befürchtet, sich dort nur zu langweilen. Tatsächlich gelingt es dem Mönch und wir dürfen uns um die Tiere kümmern. Wohnen können wir ebenfalls im Kloster. So vergehen die ersten Wochen. Eponia macht mir schwere Vorwürfe, weil ich sie nicht gewarnt habe, wie schwer es sein würde. So leid sie mir tut, auch ich habe es mir anders vorgestellt. Nur selten haben wir Zeit, an Musik und Spiel teilzuhaben. Und unsere Arbeit lässt und wenig Zeit dafür.
Eines Tages besucht der Abt die Ställe und kommt mit mir ins Gespräch. Als ich ihm erzähle, auch der Schriftkunde mächtig zu sein, ist er hocherfreut. Mit seiner Hilfe bekomme ich eine Anstellung als Kopist alter Schriften. Der Verdienst ist gut und wir können uns ein besseres Leben leisten. Durch meine Arbeit in den Schreibstuben habe ich Kontakt zu anderen Schreibern und auch Mönchen. Sie alle frage ich, ob sie jemals von dem Zwerg Iguasu gehört haben. Bei den Mönchen habe ich kein Glück, sie kommen nur selten in die Stadt. Doch einer der anderen Kopisten, ein älterer Mann, erklärt mir, er habe den Zwerg des Öfteren gesehen. Später erzähle ich Eponia davon. „Schlag dir doch endlich dieses Märchen aus dem Kopf“, schimpft sie mich. „Du wirst ihn niemals finden“. Manchmal glaube ich, sie hat Recht. Doch was, wenn der alte Mann die Wahrheit erzählt hat? Ich muss unbedingt mehr herausfinden.
15. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Die Lehre des Glaubens) (Autor: Frank Beyer)
Seit frühster Kindheit bin ich als Waise im Konvent aufgewachsen und als Mönch aufgezogen worden. Die Lehre des Glaubens erscheint mir als das einzig Wahrhaftige in dieser Welt. Mittlerweile zähle ich über 20 Sommer und finde meine Erfüllung im Studium alter Handschriften. Ich spreche mehrere Sprachen fließend und die Magister haben mich unlängst höheren Aufgaben empfohlen. Vermutlich rührt daher die Einladung unseres Abts, ihn nach der Vesper in der Bibliothek zu treffen.
Der Abt erklärt mir, es würde sich um eine Aufgabe handeln, bei der Diskretion wie Fingerspitzengefühl gleichermaßen gefragt sind. Nachdem ich ihm mein Stillschweigen versichere, lässt er mich auf unsere heilige Schrift schwören, mit niemanden außer ihm ein Sterbenswörtchen über meinen Auftrag zu wechseln. Sogleich begehe ich die Sünde der Neugier, indem ich ihn frage, worum es denn eigentlich geht. Buße werde ich nachher dafür tun. Der Abt erklärt mir, ich müsse etwas recherchieren, worauf die Königin bereits zuvor einen Mann angesetzt hat. Doch er hat den Fokus auf seine Aufgabe verloren und sich nicht näher genannten Sünden hingegeben. „Dieser Fehler wird dir sicher nicht unterlaufen, geschätzter Ethwald.“ Ich weiß seine Aufrichtigkeit zu schätzen und höre mir an, wonach ich recherchieren soll. Kurz darauf weiß ich, worauf ich mich einlasse. Mein Glaube wird mir helfen, diese Prüfung zu bestehen. Meine Recherche führt mich aus dem Konvent heraus in den Sündenpfuhl der Stadt und zu dem dortigen Archiv. Der Abt ist sich sicher, ich würde dort die notwendigen Schriften finden.
Das Grauen auf den Gassen der Stadt wird mich noch eine Weile beschäftigen. Bevor ich Ruhe im Gebet finde, muss ich mich auf meine Aufgabe konzentrieren. Der Archivar zeigt sich freundlich und fragt, wie er mir behilflich sein kann. Ich frage nach dem Verzeichnis aller Schriften und erlebe schon die erste Enttäuschung. So etwas gibt es hier nicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mit der Suche zu beginnen. Helfen lassen kann ich mir nicht, ohne etwas zu verraten.
Es gilt, etwas über den Verbleib eines Forschers und ein Weib herauszufinden. Dieses Ereignis liegt in der Vergangenheit zurück. Constantin und Eponia, so heißen die beiden, über deren Geschichte ich mehr zu finden hoffe. Sie sind mit einer Karawane in die Stadt gelangt und in einer kleinen Herberge untergekommen. Ihr Glück sollen sie in einem Kloster versuchen, rät ihnen der Herbergsvater. Einem freundlichen Mönch erzählen sie ihre Geschichte, allerdings ohne die Flucht. Der Mönch verschafft ihnen eine Anstellung bei den Stallungen. Weil ihr diese Arbeit nicht zusagt, erhebt Eponia schwere Vorwürfe gegen Constantin. Er selbst zeigt sich ebenfalls unzufrieden. Lieber wären ihm solch weltliche Vergnügen wie Musik und Spiel. Ich hoffe sehr, solche Laster werden hier nicht in aller Ausführlichkeit beschrieben.
Alles, aber auch wirklich alles werde ich selber suchen müssen. Mir wird klar, warum der Abt mich ausgewählt hat. Er hat niemanden sonst diese schwere Aufgabe zugetraut. Dieses Durcheinander in den Schriften ist mir bereits jetzt zuwider.
Constantin kommt mit einem Abt ins Gespräch. Durch ihn bekommt er eine Anstellung als Kopist alter Schriften, da er die Kunst des Schreibens beherrscht. So kann Constantin sich auch mit anderen Kopisten und Mönchen unterhalten. Für ihn ist die Suche nach dem Zwerg Iguasu das Wichtigste. Voller Begeisterung erzählt er später Eponia davon. Sie zeigt sich erbost und fordert ihn auf, diese Hirngespinste zu vergessen. Gerne würde ich noch weiterlesen, doch zuvor sollte ich mir ein Quartier für die Nacht suchen. Der Abt hat mir eine Herberge in der Nähe empfohlen. Hoffentlich kann ich dort einkehren. Eine Kirche habe ich vorhin bereits gesehen. Da werde ich sicher in Frieden beten können.
15. Abschnitt (Oasenarchiv) (Die versteckte Oase) (Autor: Frank Beyer)
Mir, Farokh, wird die große Ehre zuteil, mich auf eine Reise in den mir unbekannten Gefilden zu begeben. Der Großwesir verlangt es und wer bin ich, seinen Worten nicht Folge zu leisten. Insbesondere, wenn er seinen Auftrag von der Königin höchstpersönlich hat. Als Wüstenschamane mag ich noch jung an Jahren sein, doch ich bin mir meiner Verantwortung bewusst. Gilt es doch, über den Verbleib eines Forschers zu recherchieren. Ein Ereignis, welches weit in der Vergangenheit zurückliegt und von dem Geschichtenerzähler nur dürftig berichten können.
Das Chitin meines Skorpions Dart glitzert in der aufgehenden Sonne als wir durch die Wüste reiten. Ich folge dem Lauf der Sonne und erreiche die verborgene Oase. Die Landschaft wird von Kakteen und Dünen geprägt. Hätte ich nicht gewusst, wo ich suchen muss, also zufällig wäre ich nicht hier gelandet. Das Archiv der Oase ist schnell gefunden. Die Menschen hier wirken besorgt, wohl aus Furcht vor Dart. „Beißt der?“, fragt mich einer der Wächter. „Nein, er sticht“, antworte ich ihm und lächele grimmig. In einem großen steinernen Haus werden Schriftrollen und Bücher aufbewahrt. Dort binde ich meinen Skorpion an. Die Leute machen einen Bogen um ihn, aber man weiß ja nie. Meine Recherche kann beginnen.
Constantin und Eponia, so heißen die Beiden, über deren Geschichte ich mehr herausfinden muss. Ähnlich wie ich, erleben sie die Stadt als etwas Fremdes. Sie sind mit einer Händlerkarawane angekommen und sind bis auf ein paar Münzen mittellos. Sie kommen in einer kleinen Herberge unter. Der Herbergsvater rät ihnen, es am kommenden Tag im Kloster zu versuchen. Dort erzählen sie einem freundlichen Mönch ihre Geschichte, allerdings ohne die Flucht. Der Mönch versucht, ihnen eine Anstellung im Kloster zu verschaffen. Sie dürfen sich dann um die Tiere in den Stallungen kümmern. Diese Art der Arbeit sagt ihnen nicht zu und Eponia erhebt schwere Vorwürfe gegen Constantin. Auch er hat es sich anders vorgestellt. Für Musik und Spiel ist dank der schweren Arbeit nur wenig Zeit. Ich denke, die Beiden sollten dankbar sein, noch am Leben zu sein. In der Wüste wären sie längst verdurstet mit dieser Einstellung. An diese Art der Beschreibung muss ich mich jedenfalls erst gewöhnen. In meiner Heimat sprechen die Leute anders. Nur wenig wird in Schriftform festgehalten.
Ein Abt besucht die Stallungen und kommt ins Gespräch mit Constantin. Da er die Kunst des Schreibens beherrscht, bekommt er eine Anstellung als Kopist alter Schriften. Der Verdienst ist nicht nur besser, Constantin kann sich auch mit anderen Mönchen und Schreibern unterhalten. Noch immer wird er angetrieben von der Suche nach dem Zwerg Iguasu. Einer der älteren Mönche will ihn sogar einmal gesehen haben. In seiner Begeisterung erzählt Constantin dann später Eponia davon. Sie staucht ihn zusammen, weil er endlich diese Hirngespinste vergessen soll. Für heute belasse ich es dabei und ziehe mit Dart durch die Wege der Oase. Nahe einer auffallend großen Palme lassen wir uns nieder. Die Oase erscheint mir fremd und unfreundlich. Ich kann mir gut vorstellen, wie sich Constantin und Eponia anfangs gefühlt haben.
Sechzehnter Abschnitt der Basisgeschichte: Zwei Wege
Zweiter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Weltliches Gebaren
Zweiter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Das Warnschild
16. Abschnitt (Basisgeschichte) (Zwei Wege) (Autor: Frank Beyer)
Wieder sind einige Wochen vergangen. Eponia und ich, wir haben uns gut in der Stadt eingelebt. Wir haben ein kleines Haus bezogen und schön eingerichtet. Sie genießt die Möglichkeiten, die sich ihr hier in der Stadt bieten. Nicht nur die Darbietungen von Sängern und Barden, insbesondere die Schauspieler haben es ihr angetan. Auf den drei Bühnen der Stadt gibt es eine Reihe von Aufführungen unterschiedlicher Künstler. Sie überredet mich zum Glück nur selten, als ihr Begleiter zu agieren. Im Dorf haben wir allen erzählen müssen, wir seien verheiratet, damit nicht über uns geredet wurde. Hier in der Stadt brauchen wir die Geheimniskrämerei nicht so sehr. Genau genommen interessiert sich kaum jemand für unsere Herkunft. Zwar gelte ich im Wald noch immer als Geächteter, doch wer soll mich schon erkennen, nach all den Jahren? Von unserem Sohn haben wir länger nichts gehört. Wir haben mehrere Briefe geschrieben, doch sie bleiben leider alle unbeantwortet. Sicher ist er mit dem vielen Lernen zu beschäftigt.
Eponia überrascht mich mit der Ankündigung, selber Schauspielerin werden zu wollen. Dafür hat sie sich mit einer Gruppe junger Darsteller zusammengetan. Gemeinsam üben sie auf einer der Bühnen. Dadurch bleibt mir mehr Zeit, neben meiner Arbeit meine Suche fortzusetzen. Iguasu hat Spuren in der Stadt hinterlassen, ich muss sie nur finden. Bisher haben mir nur alte Stadtbewohner berichtet, ihn gesehen zu haben. Es war auch schon immer bereits viele Jahre vergangen, vielleicht zu viele Jahre. Wer kann das schon wissen? Ich verfluche meine Leichtgläubigkeit! War ich doch wirklich der Auffassung, er wäre noch immer hier. In all der Zeit kann er längst über alle Berge sein. Vielleicht versteckt er sich auch nur irgendwo, sei es in der Stadt oder außerhalb. Zwerge haben den Vorteil, deutlich älter als Menschen zu werden. Womöglich weiß er, dass ich ihn verfolge.
Die Fortschritte von Eponias Schauspielgruppe sind bescheiden. Natürlich habe ich versucht, ihr das höflich beizubringen, aber sie nennt mich einen „Banausen und Tölpel“. Wenn sie wüsste? In meiner Zeit bin ich gerne ins Theater gegangen. Ich muss eine Entscheidung treffen. Entweder ich suche nach einer Möglichkeit, zurück in meine Zeit zu gelangen oder aber ich kläre den Fall der gestohlenen Weltkarte. Mit dieser wissenschaftlichen Sensation wäre mein Ruf legendär. Ich muss mir aber immer wieder bewusst machen, hier nur zu Besuch zu sein. Gerne wäre ich wieder zuhause, doch auch dafür habe ich noch keine Möglichkeit gefunden. Bisher habe ich mich deswegen auch niemand anvertrauen können, aus Angst, für verrückt gehalten zu werden. Ich muss zugeben, ich würde die Geschichte auch nicht glauben wollen. In den Büchern des Klosters habe ich bisher auch keinen Hinweis gefunden, ob so etwas wie mir, schon einmal passiert ist. Wie ich erfahren habe, gibt es ein großes Stadtarchiv mit unzähligen Schriften. Dort werde ich mein Glück versuchen. Eine Entscheidung kann und will ich derzeit noch nicht treffen.
16. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Weltliches Gebaren) (Autor: Frank Beyer)
Meine Finger zittern während ich diese Zeilen schreibe. Unvorstellbar, was man sich als braver Mönch hier gefallen lassen muss. Die Kammer in der Herberge ist von dekadenter Größe und in der Schankstube vertreiben sich Männer die Zeit mit Bier und dem Kartenspiel! Und sie spielen um Geld. Unfassbar! Aber noch viel schlimmer, kaum sitze ich da mit Quellwasser und Hafergrütze, da machen diese Kerle anzügliche Bemerkungen gegenüber der Schankmaid. Sie stört sich scheinbar nicht einmal daran. Erst als ihr einer der Trunkenbolde an den, ich traue mich es kaum zu umschreiben, an die Kehrseite fasst, verpasst sie ihm eine Ohrfeige. Alle lachen nur darüber. Darauf war ich nicht vorbereitet. Wieder im Archiv hoffe ich sehr, Ruhe vor den weltlichen Gebaren der Menschen zu finden. Bis ich die nächste Schriftrolle finde, vergehen mehrere Stunden.
Eponia und Constantin haben sich innerhalb weniger Wochen in einem Häuschen in der Stadt eingelebt. Insbesondere Gesang und Schauspiel erwecken das Interesse von Eponia. Die beiden führen ein sündiges Leben, wohnen sie doch ohne den Segen der Götter im gleichen Haus. Hier in der Stadt ist scheinbar alles möglich und niemand stört sich daran. Allein die Menge an Menschen erlaubt es ihnen, unerkannt zu bleiben und offensichtlich interessieren sich ihre Mitmenschen auch nicht für sie. Was dies über die Bewohner der Stadt aussagt, will ich mir lieber nicht ausmalen. Auf die Briefe an ihren Sohn erhalten sie keine Antwort, was sie traurig macht. Sie verübeln es ihm aber nicht und vermuten, er sei mit Lernen beschäftigt.
Während ich nach der nächsten Schrift suche, vergeht viel Zeit. Leider komme ich dabei zum Nachdenken. Diese Eponia scheint mir ähnlich lasterhaft zu sein wie die anderen Menschen dort draußen. Warum nur verfallen sie dem so schnell? Dafür muss es doch einen Grund geben. Welch sündige Gedanken. Ich suche Frieden im Gebet und lese bzw. suche später weiter.
Beten hat geholfen. Ich bin wieder frisch im Kopf und finde prompt ein altes Pergament mit der weiteren Geschichte. Eponia wird zu einer Schauspielerin. Welch schändliches Treiben! Dafür muss sie viel üben, was es Constantin ermöglicht, nach dem Zwerg zu suchen. Er zweifelt daran, ob er Iguasu wirklich in der Stadt finden kann, da er immer nur alte Berichte hört. Für Eponias Schauspielerei interessiert er sich nur wenig. Für ihn ergeben sich zwei Optionen: Entweder er klärt den Fall der gestohlenen Weltkarte und erringt damit legendären Ruhm als Wissenschaftler. Welche Sünde! Oder aber er findet einen Weg, zurück in seine Zeit zu gelangen. Er ist sich bewusst, in der Zeit nur zu Besuch zu sein. Erzählt hat er dies bisher niemand. In seinen Recherchen hofft er auf ähnliche Ereignisse zu stoßen. Folglich hat er die Wahl zwischen Selbstsucht und Hochmut. Zum Glück bin ich im Glauben gefestigt und mir kann so etwas nicht passieren. Dennoch darf ich nicht nachlassen, auch wenn mich die niedergeschriebenen Ereignisse sehr aufwühlen. Doch ich will nicht verzagen in dieser Stunde der Not. Meine Glaube gibt mir Kraft für diese schwere Prüfung. Der wahrhaft Gläubige kann nicht fehlen, solange er sich und seinem Gott treu bleibt.
16. Abschnitt (Oasenarchiv) (Das Warnschild) (Autor: Frank Beyer)
Am nächsten Morgen werde ich früh von ungewohnten Geräuschen geweckt. Händler ziehen mit ihren Kamelen vorbei und unterhalten sich laut. Noch müde erwerbe ich ein seltsames Gebäck. Sie nennen es „Bretzel“ und es schmeckt nach Salz. Unglaublich, so etwas Wertvolles wie Salz hier für so wenig Geld zu bekommen.
Im Oasenarchiv angekommen mustert mich der Bibliothekar aufmerksam. Es ist ein älterer Mann in einer Kutte. Unwirsch erklärt er mir, wie ich weitere Schriften finden kann. Von meinem exakten Auftrag darf ich ihm nichts verraten. Das musste ich schwören. Also muss ich mich alleine zurechtfinden. Bis ich die erste Schriftrolle finde, vergehen Stunden.
Innerhalb weniger Wochen haben Eponia und Constantin sich in der Stadt eingelebt. Sie wohnen in einem Häuschen. Eponia zeigt besonderes Interesse an Gesang und Schauspiel. Die Beiden leben ein Doppelleben, da sie niemanden gesagt haben, nicht verheiratet zu sein. Sie wissen auch, in der Stadt müssen sie ihr Geheimnis nur zum Schein wahren. Dort leben genug Menschen, um mehr oder wenig unerkannt zu bleiben. Ein wenig traurig scheinen sie zu sein, auf ihre Briefe an ihren Sohn keine Antwort zu erhalten. Entweder ist er schlecht erzogen oder weiß nicht, was sich gehört. Seine Eltern nehmen ihn in Schutz und vermuten, er sei mit Lernen beschäftigt. Diese Schriftrolle endet hier abrupt. Ich nutze die Gelegenheit für eine kurze Pause und sehe nach Dart. Zufrieden hängt er über einer alten Kamelstute, die ich ihm gekauft habe und saugt sie langsam aus. Ist nicht immer leicht, ihn zu ernähren, aber er ist ein phantastisches Reittier.
Eponia engagiert sich in einer Gruppe von Schauspielern und wird selber zur Darstellerin. Deshalb muss sie viel üben, was Constantin Zeit für seine Suche nach dem Zwerg lässt. Ihm fällt auf, immer nur alte Berichte zu hören. Langsam zweifelt er daran, ob er Iguasu wirklich in der Stadt zu finden vermag. Er scheint sich auch nicht wirklich für ihre Schauspielerei zu interessieren. Obwohl ich dem Text entnehme, was er zu sehen bekommt, ist von geringer Güte. Er sieht sich gezwungen, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Entweder er sucht nach einer Möglichkeit, zurück in seine Zeit zu gelangen oder aber er klärt den Fall der gestohlenen Weltkarte. Dadurch erhofft er sich einen herausragenden wissenschaftlichen Ruf. Er ist sich aber auch bewusst, in der Zeit nur zu Besuch zu sein. Bisher konnte er es nicht wagen, sich deswegen zu offenbaren. Wohl aber recherchiert er über ähnliche Ereignisse und hofft, etwas herauszufinden. Da höre ich laute Stimmen von draußen. Es ist nur ein Gefühl, doch ich mache mir Sorgen um Dart. Tatsächlich haben ihn mehrere Wachen umringt und bedrohen ihn mit langen Lanzen. „Haltet ein! Er gehört mir“ rufe ich. Ich versichere dem Hauptmann der Wache, Dart sei ungefährlich, solange ihn niemand reizt. Der tote Wächter ist selber Schuld. Da mir die Gesetze hier fremd sind, sperrt man mich nicht ein. Allerdings muss ich ein Warnschild bei Dart aufhängen und seinen Stachel mit einer Haube absichern. Fremdes Land, fremde Sitten. Ein bisschen werde ich noch lesen, bevor ich mir ein neues Lager für die Nacht suche.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt zurück ins Land Orman (oben) und ist wieder der Sohn Tafor. Die alten Personen zur Recherche erscheinen ein letztes mal.
Siebzehnter Abschnitt der Basisgeschichte: Die Abschlussprüfung
Fünfzehnter und letzter Arbeitstag des Forschers im Stadtarchiv von Brückenau: Und zum Schluss noch Vertrauen
Fünfzehnter und letzter Arbeitstag der Hexe im Archiv der Waldhexen: Ein Versprechen
17. Abschnitt (Basisgeschichte) (Die Abschlussprüfung) (Autor: Frank Beyer)
All die Zeit des Lernens ist vorbei. Jetzt zählt es, denn der Tag der Abschlussprüfung ist endlich gekommen. Der Lehrer verteilt die Aufgaben, dann läuft die Zeit. Unerbittlich rieselt der Sand durch die Uhr. Schneller als erwartet löse ich alles und kann als Erster abgeben. Vor der Tür warte ich auf meine Mitschüler, die nach und nach ebenfalls herauskommen. Als die Zeit abgelaufen ist, werden wir alle wieder herein gerufen. Yasamin brütet noch immer über den Aufgaben und der Lehrer muss ihr den Block abnehmen. „Für den Rest des Tages bekommt ihr alle frei“, erklärt er. „Morgen ist wieder Unterricht. Die Ergebnisse der Prüfung bekommt ihr dann übermorgen.“ Die Zeit des bangen Wartens hat begonnen.
Bestanden! Unter meinem Aufgabenblock prangt ein großes „Sehr gut“ mit fünf Sternen. Ich kann es kaum fassen. Mein Blick fällt auf Yasamin. Sie strahlt auch. Ihre Lippen formen das Wort „gut“. Später gehen wir zusammen mit unseren Mitschülern feiern. Die Anspannung fällt von uns ab und alle sind vergnügt. Spät am Abend tanze ich mit Yasamin. Als die Musik aufhört zu spielen, nehme ich allen Mut zusammen und küsse sie. Leider erwidert sie den Kuss nicht, sondern weicht zurück und sieht mich fragend an. „Warum, Tafor? Warum hast du das getan?“, sagte sie und lässt mich verwirrt alleine stehen.
Am nächsten Morgen treffe ich mich mit Asran. Wir sind Freunde geblieben, auch wenn er der Schule verwiesen worden ist. Gemeinsam reden wir über unsere Zukunft. Er wird zu seinem Oheim in die Stadt gehen und dort als Händler in die Lehre gehen. Ich selbst möchte in die Politik, denn mir liegen die Armen und Schwachen am Herzen. Asran fragt mich nach Yasamin und ich berichte, was mir passiert ist. Er versucht mich zu beruhigen und ist sich sicher, sie wird bald zurückkehren.
Zwei weitere Tage vergehen bis sie tatsächlich wieder vor mir steht und reden möchte. Artig entschuldige ich mich bei ihr. Ich habe Glück und sie verzeiht mir. „Ich habe dich sehr gerne“, erklärt sie mir, „Doch bitte lass es uns langsam angehen.“ Darauf kann ich mich einlassen. Sie erzählt mir, sie möchte eine Heilerin werden. Dazu muss sie in die Stadt gehen. Dort wären die besten Heilkundigen zu finden. Freudig berichte ich ihr von Asrans und meinen Plänen. Zu dritt treffen wir uns und beschließen, gemeinsam auf Wanderschaft zu gehen.
Wehmütig lassen wir das Internat hinter uns, in dem wir so viele Jahre verbracht haben. Unsere Reise dauert mehrere Tage, bevor wir Weststädten erreichen. Eine derartig große Stadt hat keiner von uns je zuvor gesehen. Wir haben uns eingebildet, aus Erzählungen schon viel über die Stadt zu wissen. Doch selbst dort zu sein, ist etwas ganz anderes. Innerhalb von kurzer Zeit sehen wir mehr Menschen als in unserem ganzen Leben zuvor. Wir lassen uns von der Menge treiben und finden den Weg zu Asrans Oheim. Er nimmt uns alle bei sich auf. Unser Abenteuer kann beginnen.
17. Abschnitt (Stadtarchiv von Brückenau) (Und zum Schluss noch Vertrauen) (Autor: Frank Beyer)
Ich dachte wirklich, mein Auftrag sei beendet. Deswegen erzähle ich Keca, wonach ich eigentlich gesucht habe. Was ich als Vertrauensbeweis sehen wollte, verwundert sie. Ihr ist es wichtig, mit mir noch einmal im Archiv zu suchen. „Glaub mir Falkmar, da ist etwas, was du nicht gefunden hast.” Gemeinsam durchstöbern wir die Regale und finden prompt noch eine Schriftrolle, die mir entgangen war. Keca lässt es sich nicht nehmen und sitzt auf meinem Schoß während ich zu lesen beginne.
Tafor bereitet sich auf die finale Prüfung vor. Als der Tag gekommen ist und der Lehrer die Aufgaben verteilt, ist die Anspannung groß. Die Zeit vergeht schnell, doch Tafor gelingt es, alle Aufgaben zu bearbeiten und als Erster abzugeben. Vor der Tür wartet er auf seine Mitschüler. Der Lehrer muss Yasamin die Aufgaben aus der Hand nehmen. Sie gibt als Letzte ab. Für den Rest des Tages bekommen alle frei. Nur zwei Tage später stehen die Ergebnisse fest. Tafor hat ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Yasamin ist nicht ganz so gut, aber dennoch zufrieden mit ihrer Leistung. Die Schüler feiern ausgelassen und Tafor traut sich, Yasamin zu küssen. Zu seiner Enttäuschung erwidert sie den Kuss nicht. Im Gegenteil sie ist irritiert und fragt ihn, warum er sie geküsst hat. Dann lässt sie ihn stehen und verschwindet . „Werden deine Augen nicht müde?”, fragt Keca besorgt und küsst mich auf die Stirn. Unbeirrt lese ich weiter, auch wenn es mir schwer fällt, mich zu konzentrieren. Das merkt Keca auch und lässt mich für eine Weile alleine.
Tafor trifft sich mit seinem Freund Asran. Obwohl er die Schule verlassen musste, sind sie noch immer im Kontakt und schmieden Pläne für die Zukunft. Asran weiß bereits, er wird zu seinem Oheim in die Stadt gehen und dort das Handwerk eines Händlers erlernen. Tafor hingegen möchte Politiker werden, da ihm die Schwachen und Armen am Herzen liegen. Er erzählt Asran auch von der Sache mit Yasamin. Sein Freund beruhigt ihn und meint Yasamin würde sicherlich zu ihm zurückkommen. Tatsächlich lässt sie sich zwei Tage Zeit, sucht dann aber das Gespräch. Tafor entschuldigt sich bei ihr und sie verzeiht ihm. Auch wenn sie ihn gerne mag, möchte sie es langsam angehen lassen, worauf er sich einlässt. Da sie die Heilkunst erlernen möchte, will sie die beiden Jungen in die Stadt begleiten. „Deine Augen leuchten. Hast du etwas Schönes gefunden?”, fragt Keca, die wieder einmal lautlos neben mir auftaucht. Sie hat sich umgezogen und trägt dieses fast durchsichtige Kleid. Offensichtlich legt sie es darauf an, mich abzulenken. Doch ich will diesen Auftrag jetzt beenden. Kichernd bemerkt sie, wie ich mit der Fassung ringe.
Die drei Freunde verlassen nach all den Jahren des Lernens das Internat voller Wehmut und reisen nach Weststädten. Sie haben viel darüber gelesen, doch eine Stadt dieser Größe haben sie nicht erwartet. Dort zu sein ist anders als sie sich erträumt haben und sie sehen mehr Menschen als in ihrem bisherigen Leben. In der Stadt finden sie schnell das Haus von Asrans Oheim und können ihr Abenteuer in der Stadt beginnen. Für mich hingegen ist die Recherche vorbei. Keca gesteht mir ein, mir die letzte Schriftrolle absichtlich vorenthalten zu haben, nur um mich zu ärgern. „Ich wusste ja nicht, ob ich dir trauen kann”, sagt sie und zeigt mir wieder ihr zauberhaftes Lachen. Wie kann ich ihr da böse sein? „Aber jetzt traust du mir?”, frage ich sie und sie grinst. „Würde ich dir sonst zeigen, wo ich wohne? Und eine Überraschung habe ich auch noch für dich.” Neugierig folge ich ihr und beende meinen Bericht nun endgültig.
17. Abschnitt (Archiv der Waldhexen) (Ein Versprechen) (Autor: Frank Beyer)
Meine Reitkröte quakt genervt als ich auf ihren Rücken klettere. Sie spürt, wie es mir geht. Was kann ich dafür, wenn noch ein Teil der Geschichte fehlt? Ich denke, ich habe alles gefunden. Ist auch kein Wunder, wenn man in so einem staubigen Archiv etwas übersieht. Die Altehrwürdige Oberhexe kann echt überzeugend sein, wenn sie ihren Willen durchsetzen will. Also mache ich mich heute wieder auf den Weg zum Archiv. Na ja, wenn ich ehrlich bin, so schlimm ist der Text-Hexer (Leiter des Archivs) dann ja doch nicht. Und sein Neffe will mir ja auch nichts Böses.
Am Archiv angekommen sieht der Text-Hexer mich an, als würde er mich nicht kennen. Zu meiner großen Freude begrüßt mich Harkin (Neffe von Text-Hexer) im Lesesaal. „Ich wusste, dass du wiederkommst.“ Der kleine Kerl greift nach meinen Händen und beginnt mit einem Freudentanz. Den Spaß gönne ich ihm. Außer Atem erkläre ich ihm, ich müsse noch arbeiten. Für eine ganze Weile durchstöbere ich die Regale, lege mir bekannte Schriftrollen zur Seite und finde schließlich ein Büchlein. Wer kommt denn auf die Idee, etwas in ein Buch zu schreiben? Ich bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht.
Tafor ist mit seiner letzten Prüfung in der Schule beschäftigt. Die Anspannung ist groß und er löst die Aufgaben in Windeseile. Dann wird er sogar als Erster fertig. Ich habe ja von Anfang an gesagt, er ist ein Streber. Er muss warten, bis die Anderen fertig sind. Yasamin ist die Letzte und der Lehrer muss ihr den Schreibblock sogar abnehmen. Armes Ding! Danach geht es mit dem Unterricht weiter. Die Ergebnisse sollen sie am Folgetag bekommen. In den Zeilen vor mir ist die Nervosität förmlich zu spüren, sie klebt sozusagen in den Seiten. Nur mit einem kleinen Messer kann ich die nächste Seite vorsichtig lösen. Er hat mit einem „Sehr Gut“ bestanden. Was eine Überraschung! Selbst Yasamin bekommt ein „Gut“. Die Schüler feiern und tanzen. Endlich macht Tafor den nächsten Schritt und küsst Yasamin. Und was macht sie? Unglaublich! Sie pampt ihn an und rennt weg. Die weiß doch nicht, was sie will.
Gemeinsam mit seinem Freund Asran schmiedet Tafor Zukunftspläne. Sie sind Freunde geblieben, obwohl Asran die Schule verlassen musste. Seine Zukunft liegt in Weststädten bei seinem Oheim. Tafor hingegen will in die Politik gehen, weil ihm das Wohl der Schwachen und Armen am Herzen liegt. Natürlich erzählt er ihm auch von seinem Erlebnis mit Yasamin. Asran beruhigt ihn und erklärt, die würde wiederkommen. So kommt es dann auch. Sie will mit Tafor reden. Er entschuldigt sich bei ihr, weil er so forsch war. „Ich habe dich sehr gerne“, erklärt sie ihm, „Doch bitte lass es uns langsam angehen.“ Solche Sätze hören Kerle normalerweise nicht gerne, aber Tafor lässt sich darauf ein. Sie erzählt ihm, sie möchte Heilkunde studieren. Die besten Möglichkeiten dafür seien in der Großstadt zu finden. Zu dritt wollen sie nach Weststädten wandern.
Einerseits traurig, andererseits gespannt darauf, was vor ihnen liegt, verlassen sie das Internat. Nach mehreren Tagen erreichen sie Weststädten. Auch wenn sie meinten, viel über die Stadt zu wissen, erleben sie dort eine völlig fremde Welt. Damit endet das Büchlein. Toll. Jetzt, wo es spannend wird, hört es auf? Offensichtlich ist in diesem Archiv nichts mehr zu finden. Auftrag erfüllt, Frau Oberhexe. Diesmal verabschiede ich mich von Harkin, der prompt zu Weinen beginnt. Ich verspreche ihm, irgendwann mal wieder vorbei zu kommen. Der Text-Hexer sieht eher besorgt aus, als er das hört. Vor der Tür finde ich meine Kröte in seinem Garten wieder. Sie hat nicht alles platt getrampelt, ein paar Kräuter stehen noch. Und sie hat den Boden gedüngt. Ich bin dann mal weg.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte (Tafor / Sohn) wechselt wieder ins Land Mesto (links). Die begonnenen Recherchearbeiten im Land Mesto werden fortgesetzt.
Achtzehnter Abschnitt der Basisgeschichte: Ein Wiedersehen
Dritter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Ein Becher kaltes Wasser
Dritter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Ein Gesprächspartner
18. Abschnitt (Basisgeschichte) (Ein Wiedersehen) (Autor: Frank Beyer)
Niemals hätte ich gedacht, wie groß Weststädten ist. Ich weiß, irgendwo hier wohnen auch meine Eltern. Wie ich sie finden soll, weiß ich noch nicht, aber ich werde es versuchen. Yasamin und Asran haben versprochen, mir zu helfen. Gemeinsam erforschen wir die Stadt und suchen nach Hinweisen. Eine erste Spur führt mich zu einem Kloster. Dort befrage ich die Mönche. Einer von ihnen kann sich tatsächlich an meine Eltern erinnern. Constantin hat sich eine Zeitlang als Schreiber und Kopist verdingt. Der Mönch bringt mich zu den ehemaligen Kollegen meines Vaters. Von ihnen erfahre ich, wo mein Vater wohnt.
Am nächsten Tag klopfe ich aufgeregt an einer für mich fremden Tür. Dann steht Constantin vor mir und erkennt mich sofort wieder. Er umarmt mich herzlich. „Eponia, schau wer uns besuchen kommt! Kennst du den noch?“ Mutter ist vollkommen außer sich vor Freude. Wir trinken Tee und reden für Stunden. Sie wollen alles über mich wissen. Außerdem schlagen sie mir vor, ich könne bei ihnen wohnen. Dies möchte ich jedoch vermeiden, ebenso erzähle ich ihnen nichts von Yasamin. Wer weiß, wie sie reagieren würden? Constantin verspricht mir, sich umzuhören und mir zu helfen. Er ist sich sicher, mir eine Anstellung beschaffen zu können. Ich müsse klein anfangen, denn er weiß, für eine Tätigkeit in der Politik benötige ich umfassende Kenntnisse von Gesetzen, aber auch über die Geschichte der Stadt. Ohne sie hätte ich keine Chance. Außerdem empfiehlt er mir, so viele Kontakte wie möglich zu knüpfen. „Andere Menschen zu kennen, kann nicht schaden“, sagt er. Am späten Abend mache ich mich mit den neuen Eindrücken auf den Heimweg. Ich kann es kaum erwarten, Yasamin und Asran von meinen Eltern zu berichten. Sie freuen sich für mich und ich merke wieder einmal, wie wichtig mir meine Freunde sind.
In den kommenden Tagen ist Yasamin viel unterwegs. Sie tut alles dafür, um bei einem Heilkundigen lernen zu können. Dadurch lernt sie die Hospitäler der Stadt kennen, ebenso die Siechhäuser. Einer der Heiler ist bereit, sie alles zu lehren, was er weiß. Abends erzählt sie uns freudestrahlend von ihrer Anstellung, aber auch von ihren schlimmen Erlebnissen. Ich bin fassungslos, wie viel Elend es in Weststädten gibt. Mein Entschluss steht, ich will etwas dagegen unternehmen. Anders als Yasamin vielleicht, aber ich bin mir sicher, ich werde einen Weg finden. Es mag Zeit brauchen, doch das Elend der Armen muss gelindert werden, koste es, was es wolle.
18. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Ein Becher kaltes Wasser) (Autor: Frank Beyer)
Ich wache kurz vor Sonnenaufgang auf, pünktlich zum Morgengebet. Zu meinem Entsetzen ist die Kirche verschlossen, ich muss also in meiner Kammer beten. Nach den morgendlichen Leibesübungen gehe ich zum Archiv. Unterwegs sehe ich einen Mann auf der Gasse liegen. Als ich mich über ihn beuge, um ihn zu helfen, kommt mir der Gestank von Bier entgegen. Dieser Mann riecht wie ein Abort und hat offensichtlich mehr getrunken, als gut für ihn wäre. Da ich ihn schlecht hier liegen lassen kann, schleife und zerre ich ihn zu einem Brunnen. Das frische Wasser hilft ihm nicht nur auf die Beine, es macht ihn auch wütend. Hätte nicht gedacht, wie sehr ein Eimer Wasser jemand in Wut versetzen kann. Zum Glück bin ich flink und kann ihm entkommen, doch sein Wutgebrüll haben sicher noch andere gehört. Vorsichtig schleiche ich mich zum Archiv.
Der Bibliothekar nickt mir zu und vertieft sich wieder in seine Arbeit. Das kommt mir zugute und ich kann in der Stille des Archivs meine Recherche vorantreiben. Schon bald finde ich einen Hinweis in einem alten Buch mit Ledereinband.
Der Name des Jungen ist Tafor. Mit seinen Freunden Yasamin und Asran sucht er nach seinen Eltern. Mit ihrer Hilfe von Mönchen finden sie heraus, wo Tafors Vater wohnt. Es handelt sich um Constantin und ihn will Tafor aufsuchen. Seine Mutter lebt ebenfalls dort. Beide zeigen sich froh, Tafor zu sehen. Tafor berichtet, was er erlebt hat, verschweigt jedoch Yasamin dabei. Sicher will er sich nicht versündigen oder seine Eltern auf falsche Gedanken bringen und begeht damit die nächste Sünde. Bei seinen Eltern will er nicht wohnen, sein Vater will ihm aber auf der Suche nach einer Anstellung helfen. In einer fremden Stadt kann das nur helfen. Er erklärt ihm die Bedeutung einer soliden Ausbildung. Deswegen müsse er klein anfangen. Kenntnisse über Gesetze und Geschichte der Stadt seien für Politiker unabdingbar. Constantin ist frohen Mutes, etwas für Tafor zu finden. Voller Zuversicht erzählt Tafor später Yasamin und Asran von seinem Treffen und bemerkt, wie wichtig ihm seine Freunde geworden sind. Wie mir scheint, sind seine Freunde so etwas wie seine Familie. Schön, wenn junge Menschen solchen Zusammenhalt pflegen.
Diese Yasamin möchte die Kunst des Heilens erlernen. Sie zieht durch die Hospitäler und Siechhäuser der Stadt und hofft, einen Lehrmeister zu finden. Ein alter Heiler erklärt sich dazu bereit. Durch Yasamin und ihre Erzählungen lernt Tafor das Elend der Stadt kennen. Sein erklärtes Ziel ist es, gegen die Armut und das Elend vorzugehen. Zwar wird dies seine Zeit brauchen, so viel ist ihm klar, doch er will es angehen. Es zeigt sich, wieviel guter Wille in diesem jungen Mann steckt. Mir bereitet es Freude, derartigen Großmut bei den Menschen außerhalb der Klöster zu erleben. Wenn nur alle in diesem Sündenpfuhl so wären wie er, dann müsste ein einfacher Mönch wie ich sich keine Gedanken machen. Abends sitze ich wieder in der Schankstube. Ich versuche, meinen Blick von den Trunkenbolden mit ihren vollen Bierkrügen fernzuhalten. Sie spielen mit Würfeln, machen derbe Scherze und wieder ist diese Schankmaid dabei. Gehüllt in ihr enges Kleid hat die Ärmste kaum genug Luft zum Atmen. Noch dazu überschüttet sie jemand versehentlich mit Bier. Wieder lacht sie nur, vermutlich aus Scham. Die Männer geben ihr gutes Trinkgeld. Als sie kurz darauf lächelnd an meinem Tisch auftaucht, sehe ich, wie schwer sie atmet. „Darf es noch etwas sein, mein Hübscher?“, fragt sie mich. Ich merke, wie ich rot werde und sie lacht mich an. Später begebe ich mich in meine Kammer. Ein Becher kaltes Wasser bringt mich wieder zur Vernunft. Habe ich ihr wirklich bei der Arbeit zugeschaut? Ich habe Angst, mich zu versündigen.
18. Abschnitt (Oasenarchiv) (Ein Gesprächspartner) (Autor: Frank Beyer)
Wieder wache ich früh auf. Zu früh. Offensichtlich sind hier in der Oase, die sich hinter einer Düne versteckt, alle Frühaufsteher. Ich genehmige mir ein paar Datteln mit Brot und spüle alles mit etwas Quellwasser hinunter. Dart sollte für heute satt sein. Mal sehen, ob ich morgen noch ein altes Kamel für ihn auftreiben kann.
Hier tragen alle Leute diese weiten Roben, da falle ich mit meiner schwarzen Haut und den Knochenamuletten natürlich auf. Der Bibliothekar scheint sich langsam an meinen Anblick zu gewöhnen. Eigentlich ein ganz netter Kerl. Und sehr hilfreich. Ohne ihn würde ich hier schnell den Überblick verlieren. Dank ihm kann ich weiterlesen.
Tafor heißt der Jüngling. Zusammen mit seinen Freunden Yasamin und Asran suchen sie nach seinen Eltern. Sie befragen die Mönche eines Klosters. Mit ihrer Hilfe finden sie heraus, wo Tafors Vater wohnt. Constantin heißt er und bekommt schon am nächsten Tag Besuch von Tafor. Auch seine Mutter lebt dort und sie reden für viele Stunden. Beide sind hocherfreut, ihren Sohn wiederzusehen. Tafor berichtet, wie es ihm ergangen ist, verschweigt aber Yasamin dabei. Sicher schämt er sich für sie. Und er will auch nicht, bei seinen Eltern wohnen und damit seine Eigenständigkeit verlieren. Sein Vater will ihm auf der Suche nach einer Anstellung behilflich sein. So etwas kann nur helfen, erst Recht in einer fremden Umgebung. Er erklärt ihm auch, wie wichtig eine solide Wissensbasis sei, weswegen er klein anfangen müsse. Für Politiker seien sowohl Kenntnisse über Gesetze als auch über die Geschichte der Stadt notwendig. Er zeigt sich zuversichtlich, Tafor dabei weiterhelfen zu können. Beglückt erzählt Tafor später Yasamin und Asran von der Begegnung. Dabei erkennt er, wie wichtig ihm seine Freunde sind.
Diese Yasamin will die Kunst des Heilens lernen. Dafür zieht sie durch die Hospitäler und Siechhäuser der Stadt. Das sind Häuser der Heilung, wie ich herausfinden konnte. Sie findet einen alten Heiler, der sie in die Lehre nimmt. Bei uns wird das von Schamanen unternommen. Unsereins vermag mit den Geistern zu sprechen, um Heilung zu bewirken. Bin gespannt, wie das hier gehandhabt wird. Tafor lernt durch Yasamin und ihre Erzählungen auch das Elend der Stadt kennen. Er sieht sein Ziel darin, etwas gegen die Armut zu unternehmen. Ein guter Mann. Ihm ist auch klar, es wird Zeit in Anspruch nehmen, doch er will alles dafür tun, die Situation zu verbessern. Ich finde, es sollte mehr Menschen geben wie ihn. Vielleicht gibt es sie auch und ich kenne sie nur nicht. Jedenfalls will er sein Leben dieser wichtigen Sache widmen. Während ich noch so darüber nachdenke, steht plötzlich der Bibliothekar vor mir. „Wir schließen“, sagt er leise. Da erst merke ich, wie spät es schon ist. Ich verabschiede mich und gehe müde nach draußen. Draußen spricht mich ein Bettler an. „Hast du keine Bleibe“, fragt er. Ich schüttle den Kopf. „Ist kein Problem. Bleib bei mir. Zu zweit ist man weniger allein.“ Recht hat er. Zwar hat er weder Zelt noch Hütte und fürchtet sich vor Dart, aber ich habe einen Menschen zum Reden, der mich über die Gepflogenheiten hier in der Oase aufklären kann.
Neunzehnter Abschnitt der Basisgeschichte: Der Stadtrat
Vierter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Ein Missverständnis
Vierter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Hüter der Oase
19. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der Stadtrat) (Autor: Frank Beyer)
Die Tage vergehen wie im Flug. Yasamin ist viel in der Stadt unterwegs. Da ich noch nichts Besseres zu tun habe, begleite ich sie eine Weile und mache mir ein eigenes Bild vom Elend. Auf diese Weise lerne ich eine Reihe von Leuten kennen, die sich für die Armen einsetzen. Ich erzähle von meinem Vorhaben, auch wenn ich noch am Anfang bin und keinen genauen Plan habe. Man belächelt mich, bewundert aber auch meine Begeisterung für die gute Sache. Zugleich warnen mich die Leute, denn die Politiker von Weststädten seien teilweise recht hinterhältig. Wer versucht, ihre Macht zu beschneiden, wird schnell zum Schweigen gebracht.
Endlich habe ich Nachricht von Constantin bekommen. Als ich bei ihm eintreffe, grinst er nur vielsagend. „Du wirst dich freuen. Stadtrat Zepam hat sich bereit erklärt, dich als Lehrling aufzunehmen.“ Ich kann mein Glück kaum fassen. Lernen bei einem Stadtrat, besser kann es kaum kommen. Eponia fällt mir um den Hals und beglückwünscht mich. Constantin verspricht, mich am nächsten Morgen zu Zepam zu bringen.
Das Parlamentsgebäude ist ein bogenförmiges Haus mit zahlreichen Fenstern und einer großen Treppe am Eingang. Stadtrat Zepam empfängt uns in seinem Büro. Er ist schon etwas älter und hat fast schneeweißes Haar. „Einen Assistenten kann ich gut gebrauchen“, erklärt er. „Am besten lernst du unser Handwerk durch Beobachten.“ In den kommenden Tagen begleite ich Zepam zu etlichen Ratsversammlungen, Abstimmungen und anderen Veranstaltungen. Dabei lerne ich eine Vielzahl von anderen Politikern, ihren Sekretären, Gehilfen und anderen Helfern kennen. Zepam lobt meine Gelehrsamkeit, was mich sehr freut. Er stellt mir Rechercheaufgaben und ich lerne die verschiedenen Bibliotheken kennen. Unglaublich, wie viele Schriften hier aufbewahrt werden. Die Bücherei im Internat war mir immer groß vorgekommen. Jetzt weiß ich, wie klein sie ist. Ich arbeite mich in die Geschichte der Stadt, das Kloster, die Kirche, und in die Zeit ein, als Weststädten noch klein waren. Abends tausche ich mich dann fast immer mit meinen Freunden aus. Yasamin hat viel zu tun mit den Kranken und Asran lernt Preislisten auswendig.
Mittlerweile sind mehrere Wochen vergangen. Noch immer recherchiere ich und lerne viel über Weststädten. Andere Assistenten sind ebenfalls unterwegs und mit den meisten verstehe ich mich ganz gut. Ein paar sind sehr ehrgeizig und verfolgen ihre eigenen Ziele. Solche wird es immer geben, das war im Internat nicht anders. Die Bewohner des Umlandes haben offensichtlich vor langer Zeit erkannt, wie attraktiv Weststädten ist. Viele wanderten über die Jahre in die Stadt ein. Die Stadt schluckt sie alle. Ich vermute, mittlerweile sind es mehr Einwanderer geworden, als die Stadt aufnehmen kann. Daher kommt vielleicht das Elend. Die herrschenden Familien können jedenfalls nicht viel ändern.
Obwohl ich viel Zeit mit meinen neuen Bekannten verbringe, versuche ich, nicht den Kontakt zu Yasamin und Asran zu verlieren. Die beiden haben ebenfalls viel zu tun, aber wir finden genug Gelegenheiten, uns zu sehen. Yasamin wird von Tag zu Tag hübscher. Als ich ihr das sage, errötete sie. Ich träume noch immer davon, mit ihr zusammen zu sein, sie eines Tages sogar zu heiraten.
19. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Ein Missverständnis) (Autor: Frank Beyer)
Wüste Träume begleiten mich durch die Nacht. Am Morgen kann ich mich jedoch an nichts davon erinnern. Welch ein Segen! Nach dem Morgengebet und den Leibesübungen wandere ich über die Gassen der Stadt bis das Archiv endlich öffnet. Was ich unterwegs sehe, missfällt mir, doch ich kann den Blick nicht davon abwenden. Allerlei Unrat häuft sich in der Nähe des Marktplatzes. Eine ältere Frau winkt mich zu sich. „Wie hast du es denn am Liebsten?“ Ich verstehe nicht und frage nach. Das ist ein Fehler, wie ich schnell merke. Sie zählt mir Dinge auf, die sie mit mir oder ich mit ihr anstellen soll. Schnell suche ich das Weite.
Später im Archiv finde ich eine Reihe von Schriftrollen, die alle den gleichen Sachverhalt beschreiben. Den exakt gleichen. Die Zeit vergeht für Tafor und Yasamin rasend schnell. Auf ihrem Weg durch die Stadt ist er ihr treuer Begleiter und bekommt viel Elend zu Gesicht. Offensichtlich geht es ihm nicht besser als mir. Zu meinem Glück wird hier nicht näher beschrieben, was er zu sehen bekommt und es gibt auch keine Bilder. Ich danke den Göttern dafür! Viel wichtiger sind für Tafor die Kontakte, die er zu finden vermag. Manch einer belächelt ihn, ob seiner Vision, andere bewundern ihn. So ist es eben, wenn man die Welt verbessern will. Man hat mich auch davor gewarnt und ich glaube zu verstehen, was die anderen meinen.
Constantin gelingt es, einen Stadtrat namens Zepam davon zu überzeugen, Tafor in die Lehre zu nehmen. Tafor ist begeistert und Eponia freut sich mit ihm. Gleich am nächsten Morgen bringt Constantin seinen Sohn zu diesem Zepam. Der Stadtrat ist ein altgedienter Politiker, der gerne einen Helfer hätte. Tafor wird sein Begleiter auf unterschiedlichen Veranstaltungen und lernt viel. Auch hier kann er viele Kontakte knüpfen und übernimmt Rechercheaufgaben in Bibliotheken und Archiven. Schon bald ist er mit der Geschichte der Stadt vertraut. Abends tauscht er sich mit Yasamin und Asran über das Tagesgeschehen aus. Die Recherchen dauern für Wochen an. Mit den Gehilfen der anderen Stadträte kommt Tafor meist gut klar. Nur einige wenige verfolgen ausschließlich eigene Ziele. Tafor erfährt, dass die Bewohner des Umlandes hoffen, in Weststädten gutes Geld zu verdienen. Er vermutet, es seien bereits mehr Einwanderer in der Stadt als gut sei und dass so das Elend entstanden sei. Solche Gedanken waren einst weit verbreitet, doch ich habe von meinem Magister gelernt, dass dem nicht so war. Das Gegenteil ist der Fall und vermutlich wird Tafor auch dahinterkommen. Zeit für Asran und Yasamin findet er trotz aller Mühen. Ihre Freundschaft ist stärker den je. Sein Interesse an Yasamin scheint fleischlicher Natur zu sein. Ich wage es kaum, den Text mit beiden Augen zu lesen, doch ich muss, denn mir darf nichts entgehen. Alles kann wichtig sein. Er macht ihr Komplimente und sie errötet. Offensichtlich ein normales Verhalten. Wenn ich es richtig deute, zeigt sie auch an ihm Gefallen. Vielleicht ist es ein Glück, hier nicht mehr darüber lesen zu können. Aber meine, ich nenne es mal wissenschaftliche Neugier an diesem Thema scheint geweckt. Oder spricht jetzt die Sünde aus mir? Nein, sicher nicht. Es ist die Pflichterfüllung, die mich weiter forschen lässt. Aus den Zeilen kann ich lernen und werde versuchen, das Erlernte selber auszuprobieren. Ich kann ja schlecht derartige Dinge ungeprüft weitergeben. Vielleicht kann ich meine Kenntnisse nachher in der Herberge vertiefen.
19. Abschnitt (Oasenarchiv) (Hüter der Oase) (Autor: Frank Beyer)
Ich bin heilfroh, als die Nacht endlich vorbei ist. Mein neuer Freund der Bettler schnarcht furchtbar laut. Irgendwie muss es mir gelingen, eine bessere Bleibe zu finden. Kurz vor dem Archiv fängt mich ein junger Mann ab, der sich als Gehilfe des Hüters der Oase vorstellt. Er fragt nach, was mich in die Oase bringt und vor allen Dingen sieht er skeptisch auf Dart. Ich erkläre ihm, ich würde Recherche betreiben und der Skorpion sei mein treues Reittier. Der junge Mann faselt irgendetwas von „interessant“ und lässt mich stehen. Merkwürdiger Kerl. Endlich im Archiv angekommen, finde ich eine Reihe aufeinanderfolgender Schriftrollen. Es wird Tage dauern, dies alles zu sichten. Vermutlich werde ich länger in dieser Oase bleiben müssen als mir lieb ist.
Für Tafor und Yasamin vergeht die Zeit sehr schnell. Er begleitet sie auf ihrem Weg durch die Stadt und sieht das Elend mit eigenen Augen. Was er genau zu sehen bekommt, wird nicht erwähnt, nur dass es schlimm sein muss. Wichtig scheinen die Kontakte zu sein, die er knüpfen kann. Leute, die sich um die Armen und Kranken kümmern und von seinem Vorhaben erfahren. Einerseits bewundern sie ihn, aber sie belächeln ihn auch und warnen vor Politikern. Offensichtlich war es früher nicht besser als heute. Warum sollte es auch?
Tafor bekommt von seinem Ziehvater eine gute Nachricht. Es ist ihm gelungen, einen Stadtrat namens Zepam zu überreden, Tafor als Lehrling aufzunehmen. Natürlich ist er davon begeistert und auch Eponia freut sich für ihn. Schon am nächsten Morgen bringt Constantin seinen Sohn zu diesem Zepam. Der erweist sich als ein altgedienter Politiker, der auf der Suche nach einem Helfer ist. Fortan darf Tafor mit zu diversen Veranstaltungen und lernt alleine durch Beobachten sehr viel. Er lernt zahlreiche Leute kennen, die alle in der Politik tätig sind. Außerdem stellt Zepam ihm Rechercheaufgaben, für die Tafor die Bibliotheken und Archive durchforsten muss. Dadurch lernt er in kurzer Zeit die Geschichte der Stadt und alles, was darin passiert. An den Abenden trifft er sich mit Yasamin und Asran, die ihrerseits von ihrem Tagewerk berichten. Zwischendurch sehe ich nach Dart. Mein Riesenskorpion liebt es, einfach nur in der Sonne zu liegen und sich zu wärmen. Zumindest bekommt er seinen Schlaf. Ich hingegen könnte über den Schriften einschlafen, doch ich weiß, der Großwesir zählt auf mich.
Wochen später ist Tafor noch immer mit seinen Recherchen beschäftigt. Mit den Assistenten der anderen Stadträte kommt er gut klar, auch wenn einige von ihnen ehrgeizig ihre eigenen Ziele verfolgen. Tafor erfährt, warum es die Bewohner des Umlandes alle nach Weststädten zieht. Es ist die Aussicht, in der Stadt gutes Geld zu verdienen. Für ihn liegt die Vermutung nahe, die Stadt habe bereits mehr Einwanderer aufgenommen als gut für sie sei. Er unterstellt, dies sei die Ursache des Elends. Interessanter Gedanke, doch heutzutage weiß man da mehr. Ich vermute, er wird das auch noch herausfinden. Trotz seiner aufwendigen Recherchen findet Tafor genug Zeit, sich mit Asran und Yasamin zu treffen. Diese beiden Freunde sind ihm sehr wichtig. Insbesondere an Yasamin zeigt er großes Interesse und macht ihr Komplimente. Das schüchterne Kind errötet. Ich unterstelle, sie hat auch Gefallen an ihm gefunden. Könnte noch spannend werden. Für mich gilt es jetzt erst einmal, eine sichere Bleibe für die Nacht zu finden. Wenn ich nicht bald ausreichend Schlaf bekomme, reite ich raus in die Wüste. Dort stört mich keiner.
Zwanzigster Abschnitt der Basisgeschichte: Der Jugendvertreter
Fünfter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Neues Interesse
Fünfter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Bürokratie
20. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der Jugendvertreter) (Autor: Frank Beyer)
„Tafor“, sagt Zepam eines Tages, „Niemals hätte ich das erwartet.“ Er erklärt mir, er wollte einen Assistenten, einen Helfer, doch ich würde alle seine Erwartungen übertreffen. Ich habe ein natürliches Talent, um mit Menschen zu sprechen. Mir ist es nie als etwas Besonderes vorgekommen, aber wenn ich zurückdenke, hat er gar nicht so unrecht. Im Internat ist es vielleicht nicht sehr aufgefallen, doch es fällt mir leicht, das Vertrauen der Leute zu gewinnen. Man hört mir gerne zu, auch wenn ich nicht weiß, wie ich das mache. Manchmal glaube ich, ich träume das alles nur. So auch der Vorschlag, mich zur Wahl für den Jugendvertreter aufstellen zu lassen. Yasamin und Asran sind auch begeistert und meinen, ich müsse diese Chance unbedingt nutzen. Zepam unterweist mich in öffentlichen Reden und bringt mir ein paar Kniffe in der schwierigen Kunst der Rhetorik näher. Ich fühle mich gut gewappnet für die Wahl.
Kurz darauf ist es dann soweit. Die Wahl steht an. Meine Mitbewerber trumpfen mit Wahlversprechen auf und reden mich schlecht. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Dann bin ich an der Reihe und erzähle von mir und was mich antreibt. Niemals habe ich geglaubt, das würde reichen. Als die Stimmen ausgezählt werden, kommt es zu einem Eklat. Einer meiner Mitbewerber bezichtigt die Wahlhelfer der Lüge, die ausgezählten Stimmen seien alle falsch. Wieder und wieder werden die Stimmzettel gezählt, doch das Ergebnis ändert sich nicht. Vier von sieben Wählern haben mir ihre Stimme gegeben – ein beachtlicher Erfolg für einen Neuling wie mich.
Schon am darauffolgendem Tag bekomme ich ein eigenes Büro zugewiesen und kann mich einarbeiten. Jedenfalls könnte ich das, wenn nicht bereits die ersten Jugendlichen bei mir einfallen würden. Ich höre mir ihre Probleme und Sorgen an. Nicht nur Armut und Krankheit plagen sie, damit einhergehen auch Obdachlosigkeit oder die Trennung von ihren Familien. Alles in allem sind es fast nur Schauergeschichten. Mir war nicht klar, wie das Elend im Einzelnen aussieht. Ich verspreche zu helfen, wo ich nur kann, allerdings weise ich auch darauf hin, keine Wunder vollbringen zu können.
Später stellt sich heraus, ich habe nur sehr wenige Helfer und kaum Geld, um irgendetwas zu ändern. Sorgen darf ich mir anhören, dagegen machen kann ich nichts. Ein Trauerspiel! Also frage ich Zepam, was man machen kann, um die Situation zu verbessern. Er freut sich zwar mit mir, dass ich so einen Posten bekommen habe, zugleich ist er traurig, weil er mich als Assistenten verloren hat. Außerdem erklärt er mir, es sei schwer, nahezu aussichtslos das System ändern zu wollen. Eben weil es nie anders gewesen sei, würde das Umdenken den Leuten nahezu unmöglich sein. Jede Hilfe für die Jugend müsse finanziert werden und Geld sei nur begrenzt vorhanden. „Außerdem, was nützt es dir, wenn die Jugendlichen mehr lernen? Gar nichts, oder?“ Ich bin entsetzt und verwundert zugleich. So habe ich Zepam nie zuvor erlebt. Vielleicht darf man nicht die Wahrheit aufzeigen und muss als Politiker den Leuten das erzählen, was sie hören wollen.
20. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Neues Interesse) (Autor: Frank Beyer)
Worauf ich mich da eingelassen habe, kann ich noch nicht absehen. Jedenfalls verläuft der Abend in der Schankstube merkwürdig. Als die Schankmaid in ihrem engen Kleid zu mir kommt und mir unaufgefordert einen Krug Quellwasser bringt, lobe ich ihre Aufmerksamkeit und lächle sie an. Sie sieht mich verwirrt an. Etwas später stellt sie die Hafergrütze auf den Tisch und beugt sich zu mir vor. „Darf es sonst noch etwas sein?“ Zunächst sehe ich ihr ins Gesicht, dann beginnt mein Blick etwas weiter nach unten zu wandern. Sie folgt meinem Blick und lacht schelmisch, bevor sie sich den anderen Gästen widmet. Nach dem Essen wandere ich noch ein wenig über die Gassen bevor ich mich zur Ruhe lege. Fast hätte ich mein Abendgebet vergessen. Am nächsten Morgen wache ich ungewohnt spät auf. Die Sonne ist bereits aufgegangen. Meine Leibesübungen müssen ausfallen, nur für das Gebet und ein schnelles Frühstück bleib mir Zeit. Im Archiv suche ich nach einer Weiterführung der Geschichte und werde schnell fündig.
Tafors Ausbildung schreitet gut voran und Zepam ist voll des Lobes über ihn. Insbesondere der Umgang mit anderen Menschen scheint ihm zu liegen. Zepam schlägt ihm vor, als Jugendvertreter zu kandidieren. Dafür bringt er ihm noch einiges über Rhetorik und das Reden in der Öffentlichkeit bei. Einer der Mitbewerber behauptet, Tafor würde lügen und versucht ihn schlecht zu machen. Dennoch kann Tafor die Wahl für sich entscheiden und bekommt ein eigenes Büro. Er muss sich einarbeiten und wird mit den Problemen der Jugend konfrontiert. Diese Arbeit fordert ihn sehr und er weiß, seinem Tun sind Grenzen gesetzt. Ergeht es nicht allen so? Eben erwische ich mich bei dem Gedanken, was heute im Schankraum passieren wird. Gerne möchte ich meine Konversation mit der Schankmaid vertiefen. Das arme Ding in ihrem engen Kleid. Natürlich ist es die Besorgnis, die mich an sie denken lässt.
Für seine Vorhaben verfügt Tafor nur über sehr begrenzte finanzielle Mittel und auch nur wenig Helfer. Ihm bleibt kaum mehr übrig als Zuhören, was die Jugend für Probleme hat. In seiner Not sucht er Rat bei Zepam, der ihm gerne hilft. Änderungen am System seien schwer möglich, erklärt ihm der Stadtrat. Das Denken der Leute sei schon immer so gewesen. „Was nützt es dir, wenn es den Jugendlichen besser geht?“ Über diese Frage ist Tafor sehr erschrocken und schockiert zugleich. Für ihn wird klar, wie verbittert Zepam ist. Politiker zu sein bedeutet offensichtlich, den Leuten das zu erzählen, was sie hören wollen. Er ringt mit der Fassung, sagt aber kein böses Wort über Zepam. Wie es in ihm aussieht, kann ich mir denken. Er will Gutes tun, doch das ist nicht gewollt. Für mich wird es Zeit, den Abend einzuläuten. Zu meiner Überraschung ist meine Schankmaid heute nicht da. Eine deutlich ältere Frau kümmert sich um die Gäste. Schwungvoll bewegt sie sich an den Tischen vorbei und spricht mit krächzender Stimme. Ich frage sie, wo denn ihre Kollegin sei. „Jorina? Die hat heute frei. Morgen ist sie wieder da“, erhalte ich als Antwort. Das Essen schmeckt heute fad und ich habe keinen rechten Appetit. Traurig ziehe ich mich später in meine Kammer zurück.
20. Abschnitt (Oasenarchiv) (Bürokratie) (Autor: Frank Beyer)
Endlich fühle ich mich ausgeschlafen und erfrischt. Warum ich nicht gleich auf die Idee gekommen bin, mich in der Karawanserei einzuquartieren, ist mir schleierhaft. Dort ist man auf Besucher eingestellt und sogar Dart hatte seine Ruhe. Der Betreiber heißt mich herzlich willkommen und ich kann endlich meinen Schlaf finden. Derart gestärkt ist es mir ein Vergnügen, weiter im Archiv zu recherchieren. Zumal der Bibliothekar mit jedem Tag freundlicher zu werden scheint. Zwar weiß ich seinen Namen noch immer nicht, aber wer weiß, vielleicht verrät er ihn mir.
Zepam ist voll des Lobes über Tafor und bescheinigt ihm ein gutes Händchen im Umgang mit anderen Menschen. Tafor wird sich dessen jetzt erst bewusst. Durch diese Fertigkeit schlägt ihm Zepam vor, sich für die Wahl zum Jugendvertreter aufstellen zu lassen. Um das noch zu unterstützen, lehrt Zepam ihm alles über Rhetorik und das Reden vor Menschenmengen. Frohen Mutes stellt Tafor sich zur Wahl. Dabei kommt es zum Eklat, denn ein Mitbewerber bezichtigt Tafor der Lüge. Die Stimmzettel werden erneut ausgezählt, doch Tafor bleibt Sieger. Als neuer Jugendvertreter bekommt er ein eigenes Büro und darf sich einarbeiten. Allerdings muss er sich auch den Sorgen und Nöten der Jugendlichen stellen und darf sich Herausforderungen wie Krankheit und Armut, aber auch Obdachlosigkeit oder getrennter Familien stellen. Diese Arbeit fordert ihn sehr und er weiß, seinem Tun sind Grenzen gesetzt.
„Kommst du voran?“, fragt mich der Bibliothekar, der auf einmal an meinem Tisch steht. Ich nicke zaghaft. Er will mich offensichtlich nicht länger stören. „Wenn du Hilfe benötigst, dann rufe einfach nach mir. Man nennt mich Jusuf.“ Damit wäre also geklärt, wie der Kerl heißt und ich kann weiterlesen.
Tafor stellt fest, ihm stehen nur wenige Helfer und noch weniger Geld zu Verfügung, um irgendetwas in der Stadt zu ändern. Viel mehr als Zuhören gibt die Kasse nicht her. Aus der Not heraus sucht er Rat bei Zepam, der ihm gerne hilft, zumal er ihn als seinen Helfer doch sehr vermisst. Zepam erklärt, das System sei kaum zu verändern, weil es schon immer so gewesen sei. Das Denken der Leute zu verändern sei nahezu unmöglich. Außerdem wirft er die Frage auf, was es Tafor nützen würde, wenn es den Jugendlichen besser gehen würde. Tafor ist erschrocken und schockiert zugleich, da er erkennen muss, wie verbittert Zepam bereits ist. Ihm wird auch klar, Politiker zu sein bedeutet auch, den Leuten das zu erzählen, was sie hören wollen. Der Gedanke gefällt ihm nicht, das lese ich hier zwischen den Zeilen. Tja, da hat er eine wichtige Erfahrung gemacht. Er will die Welt verbessern, doch darin ist niemand interessiert. Schade für ihn und schade für die Welt. Doch vielleicht irrt er sich oder findet eine Möglichkeit. Tafor scheint mir ein cleverer Bursche zu sein. Würde mich wundern, wenn ihm nicht etwas einfallen würde. Ich ziehe mich wieder in die Karawanserei zurück. Dort angekommen erklärt mir der Betreiber, ich müsste dringend zu Kurosch, dem Hüter der Oase. Ohne Genehmigung dürfe er mich nicht beherbergen. Also mache ich mich auf den Weg zu diesem Kurosch. Er empfängt mich in seinem Büro und fragt mich, wonach ich im Archiv recherchieren würde. Erst jetzt fällt mir der junge Mann ein, der sich als sein Gehilfe ausgibt. Ausweichend erkläre ich, meine Recherche gilt einer Privatsache. Er nickt und überreicht mir ein Stück Pergament. „Da hast du deine Genehmigung. Aber für dein Reittier braucht es eine Sondergenehmigung. Und für die musst du mir ein wenig mehr erzählen. Ich gebe dir Zeit bis Morgen.“
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt vom Sohn Tafor zu Constantin, dem Forscher, der in der Zeit gereist ist.
21. Abschnitt der Basisgeschichte: Der versprerrte Weg
Sechster Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Das ungastliche Haus
Sechster Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Ungehorsam
21. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der versperrte Weg) (Autor: Frank Beyer)
Unser Sohn ist in Weststädten und wird seinen Weg gehen. Davon sind Eponia und ich fest überzeugt. Wir sind stolz auf ihn, nicht nur, weil er seinen Schulabschluss erreicht hat, sondern auch weil aus ihm ein guter Mensch geworden ist, der sich für die Schwächeren einsetzt.
Für mich wird es Zeit, wieder über meine eigenen Ziele nachzudenken. So gerne ich die Spur des vermaldedeiten Zwerges auch weiter verfolgen würde, mich plagt noch immer die Erinnerung an Zuhause. Manchmal wünsche ich, ich wäre damals nicht zu dieser Höhlenstadt namens Vallos aufgebrochen. Dann wäre ich noch immer zuhause und hätte meinen Hund Hiros bei mir. Ob er mich auch vermisst? Sicher wartet er auf mich. Dennoch, ich darf nicht verzagen und muss nach vorne blicken. Vielleicht ergibt sich doch noch eine Möglichkeit, in meine Zeit zurückzukehren. Ich sollte es wenigstens versuchen.
Die verschiedenen Bibliotheken von Weststädten beherbergen nahezu ein unendliches Wissen. Tausende von Büchern und Schriftrollen warten nur darauf, ihre Schätze an Wissen preiszugeben. Wenn ich nur wüsste, wo ich mit meiner Recherche anfangen soll. Ein Leben kann gar nicht ausreichen, all das zu lesen. Ich beschränke mich zunächst einmal auf Ereignisse die mit Zeitreisen zu tun haben. Dabei lande ich schnell bei Märchen und Sagen. Offensichtlich ist diese Thematik schon immer ein Mysterium. Als ich über die Vallos recherchiere, finde ich nur verstreute Hinweise. Seit mehreren Tagen lese ich nun und folge Querverweisen. Auf einer Schriftrolle finde ich eine Randnotiz. Ein Mann war verschwunden und wurde von seinen Gefährten als vermisst gemeldet. Eine großangelegte Suchaktion brachte ihn nicht zurück. Vielleicht habe ich endlich eine Spur.
Mittlerweile bin ich mir sicher, es ist ein Hinweis. Der verschwundene Mann war ein Altertumsforscher und hatte sich mit Legenden beschäftigt. In einer anderen Schriftrolle wird beschrieben, der Zeitpunkt seines Verschwindens sei in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Nicht nur, dass es sein Geburtstag war, an diesem Tag gab es einen Schauer von Sternschnuppen. Eine spezielle astronomische Konstellation von Gestirnen wird beschrieben. Leider kenne ich mich mit so etwas nicht aus und muss weiter recherchieren. Nach ein paar Stunden dreht sich alles nur noch um mich und ich verstehe nichts mehr. In meiner Not suche ich einen Astronomen auf, der mir alles erklären kann. Die benötigte Konstellation tritt leider nur alle 142 Jahre ein. Damit ist ein Zurück für mich unmöglich. Immerhin weiß ich jetzt, woran ich bin, auch wenn es mir nicht gefällt. Fortan kann ich mein Leben ganz Eponia und unserem Sohn widmen. Und natürlich kann ich versuchen, das Geheimnis um Iguasu zu lösen. Viel wird es mir nicht nützen, aber dennoch möchte ich meinen wissenschaftlichen Ehrgeiz befriedigen.
21. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Das ungastliche Haus) (Frank Beyer)
In meinen Träumen habe ich sie gesehen. Jorina. Noch nie zuvor habe ich eine Frau in einem meiner Träume gesehen. Vermutlich, weil ich mir Sorgen um sie mache. Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Es kommt mir falsch vor, so viele Gedanken an sie zu richten. Meine Gebete lassen mich wieder klarer denken. Voller Elan mache ich meine morgendliche Leibesertüchtigung bevor ich meine Recherche fortsetze.
„Kommt du voran?“, fragt mich der Bibliothekar. Ich nicke nur und lasse mich auf kein weiteres Gespräch ein. Meine Recherche hat Vorrang vor kurzweiligen Plaudereien. Eher zufällig stoße ich inmitten einer Sammlung von Kochrezepten auf eine interessante Passage.
In dem Text wird mehr als deutlich, wie stolz Constantin auf seinen Sohn ist. Er selbst hat Zeit, wieder seine eigenen Pläne voranzutreiben und sich um sein Leben zu kümmern. Die Ereignisse um die Zeitreise würde er gerne ungeschehen machen. Seine Sorge ist groß, er könnte etwas verändert haben. Er vermisst nicht nur seine eigene Zeit, auch sein Hund fehlt ihm. In Trauer zu versinken ist für ihn jedoch keine Option, auch wenn er offenkundig darüber nachdenkt. Niemals möchte er die Hoffnung aufgeben, in seine Zeit zurückzukehren. Hier vermisse ich ein wenig den Glauben. Wie kann er positiv denken ohne die Bekräftigung durch das Gebet? Wenn man etwas erreichen will, so braucht es den Glauben. Jorina. Nein, wie komme ich jetzt auf sie? Sie schleicht sich in meine Gedanken. Ich gehe etwas an die frische Luft und lese dann später weiter.
Die Frauen auf den Gassen sind mir aufgefallen. Überall meine ich Jorina zu sehen, doch sie war es nicht. Keine von ihnen. Im Archiv habe ich wieder Ruhe und niemand stört meine Gedanken. So geht es auch Constantin. Er findet eine Unmenge an Schriften in den Bibliotheken und Archiven von Weststädten. So hofft er, Informationen über Zeitreisen zu finden und dass dies schon anderen vor ihm passiert ist. Schnell gerät er dabei an Märchen und Sagen als Quelle und folgt einer Vielzahl von Querverweisen. Er liest von einem Mann, der urplötzlich verschwunden ist und auch nach längerer Suche nicht gefunden wurde. Dieser verschwundene Mann ist ein Altertumsforscher und es gibt einen konkreten Hinweis. Am Tag des Verschwindens stehen die Sterne in einer besonderen Konstellation. Constantin versucht, sich Wissen über Astronomie anzulesen, doch dies erweist sich als ein weites und vor allen Dingen kompliziertes Feld. Ein Astronom hilft ihm und er erfährt, diese bestimmte Sternenkonstellation würde sich nur alle 142 Jahre wiederholen. Damit ist eine Rückkehr in seine Zeit zu Lebzeiten ausgeschlossen. Daraufhin beschließt Constantin, sein Leben ganz Eponia und Tafor zu widmen. Das Geheimnis um den Zwerg möchte er zusätzlich ergründen. Damit endet die Beschreibung abrupt. Auf der nächsten Seite werden wieder Kochrezepte beschrieben. Ob Jorina kochen kann? Warum nur landen meine Gedanken schon wieder bei ihr. Verdammt! Oh nein, ich fluche! Diese Sünde kann ich mir nicht verzeihen. Obwohl, es hat niemand gehört. Für heute sollte ich es dabei belassen. In der Herberge angekommen, werfe ich einen kurzen Blick in den Schankraum. Sie ist wieder da. Voller Sorge trete ich auf sie zu und frage, wie es ihr geht. Bevor sie antworten kann, ruft einer der Trunkenbolde dazwischen. „Da hat dich jemand vermisst!“ Jorina möchte etwas erwidern, doch ihr Satz geht im Gelächter der Männer unter. Sie schiebt mich etwas abseits. „So wie du mich anstarrst, widert mich an. Du musst aufhören, mich anzuhimmeln. Die Kerle machen sich schon lustig über mich. Du suchst dir besser eine andere Herberge.“ Irritiert sehe ich sie an, doch sie deutet nur nach draußen. Ich packe meine Tasche und verlasse dieses ungastliche Haus. Sicher bin ich in einer anderen Herberge besser aufgehoben.
21. Abschnitt (Oasenarchiv) (Ungehorsam) (Autor: Frank Beyer)
Unglaublich, dieser Kurosch (Hüter der Oase)! Wüsste nicht, was es ihn angeht, wonach ich hier suche. Eine Sondergenehmigung für Skorpione ist ja lächerlich! Wie wohltuend ist da doch ein Ritt in der Wüste! Zumal Dart eine Riesenschlange finden kann. Ein willkommenes Festmahl für ihn. Wenigstens darüber muss ich mir heute keine Gedanken machen. Was ich diesem neugierigen Kerl erzähle, muss ich mir gut überlegen. Im Archiv beginnt für mich wieder das eintönige Lesen. Jusuf (Bibliothekar) hilft mir ein wenig bei der Suche, aber da ich auch ihm nichts Genaues sagen darf, hält er sich zurück.
Constantin ist stolz auf seinen Sohn. Das wird in den Texten mehr als deutlich. Constantin selbst hat wieder Zeit, seine eigenen Pläne voranzutreiben. Er zeigt sich hin und hergerissen. Manchmal würde er gerne all die Ereignisse seit Beginn seiner Zeitreise ungeschehen machen. Selbst seinen Hund vermisst er. Solch eine Bindung kann stark sein. Mir geht es nicht anders mit Dart und deshalb kann ich mitfühlen. Aber Constantin weiß, er darf nicht in Trauer verfallen, sondern will positiv in die Zukunft blicken. Die Hoffnung, in seine Zeit zurückzukehren wohnt noch immer in ihm. Recht hat er. Man soll nie aufgeben.
Bei seiner Recherche findet Constantin mit mehreren Bibliotheken und Archiven in Weststädten, Unmengen an Schriften, die er erforschen will auf der Suche nach Hinweisen. Er hofft, Informationen über seine Zeitreise zu finden und dass dies schon anderen vor ihm widerfahren ist. Dabei gerät er schnell an Märchen und Sagen als Quelle und folgt einer Vielzahl von Querverweisen. Eine etwaige Spur könnte ein Mann sein, der urplötzlich verschwunden ist und trotz längerer Suche nicht gefunden wurde. Er klammert sich an Strohhalme wie diesen. Wie er angesichts Tausender Schriftrollen etwas zu finden hofft, ist mir ein Rätsel. Nach einer Pause werde ich weiterlesen. Vor der Tür werden frische Datteln angeboten und nach all dem Staub hier habe ich mir eine Auszeit verdient.
Wie mir scheint, ist Constantin auf dem richtigen Weg. Der verschwundene Mann war ein Altertumsforscher und es existieren mehrere merkwürdige Hinweise. Der Tag des Verschwindens fällt auf seinen Geburtstag und viel wichtiger, die Sterne standen in einer besonderen Konstellation. Astronomie ist nicht das Spezialgebiet von Constantin und so muss er offensichtlich vielen Dingen nachgehen und sich erst einmal das notwendige Wissen anlesen, um zu verstehen. Letztlich sucht er einen Astronomen auf, der im auf die Sprünge hilft. Die Sternenkonstellation wiederholt sich alle 142 Jahre. Ein Zurück in seine Zeit ist also zu Lebzeiten ausgeschlossen. Constantin beschließt, sein Leben ganz Eponia und Tafor zu widmen. Außerdem will er, wenn möglich, das Geheimnis um den Zwerg lösen. Sein wissenschaftlicher Ehrgeiz würde es nicht anders zulassen. Ich denke, ich an seiner Stelle würde anders handeln. Er zeigt Zurückhaltung, wo ich ein Vorpreschen bevorzuge. Warum er überhaupt so viel Zeit auf Dinge verschwendet, die er nicht ändern kann, verstehe ich nicht. Es ist, als wären ihm Fesseln angelegt. Kein Wunder, wenn er nicht vorankommt. Ich frage mich auch, was der Großwesir überhaupt an dieser alten Geschichte interessiert. Und jetzt will dieser Korusch (Hüter der Oase) mehr wissen? Ich gehe heute einfach nicht zu ihm. Womöglich steckt da mehr dahinter als ich denke. Vielleicht ist es an der Zeit, über die damaligen Ereignisse nachzudenken.
22. Abschnitt der Basisgeschichte: Der Erfolg ist da!
Siebter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Eine neue Herberge
Siebter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Einsamkeit
22. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der Erfolg ist da!) (Autor: Frank Beyer)
Eponias Schauspielgruppe wird langsam immer besser. Bei jedem Auftritt lernen sie dazu und die Zuschauer erfreuen sich an den Darbietungen. Aufgeregt erzählt sie mir eines Tages von einer Neuigkeit. „Das ist unsere Chance! Im großen Theater, kannst du dir das vorstellen?“, fragt sie mich. Verwundert sehe ich sie an und muss lächeln. Sie strahlt eine derartige Begeisterung aus, da kann ich mich nur für sie freuen. Noch am selben Abend näht sie fieberhaft an ihrem Kostüm. Der Auftritt ist erst in einer Woche, aber bis dahin soll alles perfekt sein. Alle kleineren Auftritte sind abgesagt, dafür planen sie umfangreiche Proben. Ich soll natürlich dabei sein und ehrliche Kritik äußern. Zwar sehe ich mich nicht als Experte, doch wenn sie es sich so sehr wünscht, werde ich ihr natürlich den Gefallen erweisen.
Ich bin von den Proben begeistert. Das neue Stück ist voller Emotionen, zugleich aber auch spannend und lustig. Wenn das kein Erfolg wird, weiß ich es auch nicht. Endlich ist der Abend des Auftritts gekommen. Das große Theater ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Glücklicherweise habe ich einen Platz reserviert bekommen. Die Aufführung wird ein voller Erfolg. Am Ende stehen alle Zuschauer begeistert auf und spenden Beifall. Auf der Bühne treten die Schauspieler noch einmal auf und verbeugen sich artig. Später erzählt Eponia mir, sie hat auch unseren Sohn in Begleitung einer jungen Frau gesehen. Schade, mir ist er nicht begegnet. Vielleicht ist sie der Grund, warum er so wenig Zeit für uns hat?
In den nächsten Tagen und Wochen ist Eponia Dauergast bei Veranstaltung und Parties. Sie wird als Hauptdarstellerin gefeiert und umjubelt. So hat sie sich das immer gewünscht glaube ich. Dann erzählt sie mir von einem Kunstmäzen, der ihr und ihrer Gruppe viel Geld für ein neues Stück geboten hat. Kaum zu glauben, was für Summen da im Gespräch sind. Sie arbeiten jedenfalls geradezu besessen an einem neuen Stück. Da keiner von ihnen ein gutes Händchen für Geld hat, übernehme ich diese Aufgabe. So lerne ich auch den Mäzen kennen. Zusammen entwickeln wir ein Konzept, um weitere Sponsoren zu gewinnen. Dabei lässt sich viel Geld machen. Wir werden es brauchen, denn neue Kostüme und Proberäume verschlingen immer größere Summen. Sicherheitshalber höre ich mich weiter um, wie man noch zu Geld kommen kann. Es muss doch Möglichkeiten geben, aus wenig viel zu machen. Ich kenne sehr viele Leute, irgendjemand wird sicherlich einen schlauen Hinweis für mich haben.
22. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Eine neue Herberge) (Autor: Frank Beyer)
Ich kann mich kaum auf die Suche in den Bücherregalen konzentrieren. Die Sache mit Jorina (Schankmaid) geht mir nicht aus dem Kopf. Warum diese Reaktion, wo ich doch nur um ihr Wohlergehen besorgt bin? Dazu kommt, dass ich sehr müde bin, weil ich die ganze Nacht im Gebet in der Kirche verbracht habe. Meine Knie schmerzen ebenso wie meine Schultern. Selbst der Archivar merkt, wie meine Gedanken schweifen und verhindert, dass ich ein Regal umstoße. Dann fällt mir ein Büchlein auf, welches sich mit genau der Geschichte beschäftigt, die ich suche. Der vor mir liegende Text ist mit zittriger Hand geschrieben.
Constantin sieht eine positive Entwicklung bei Eponias Schauspielerei. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da. Eponia erzählt von einem Auftritt im großen Theater. Dafür müssen sie eine Reihe neuer Kostüme nähen. Zahlreiche Proben folgen und der sonst skeptische Constantin ist begeistert. Eine Zeit später ist dann der große Auftritt vor ausverkauftem Haus. Verwunderlich, wofür das Volk Geld ausgibt. Und über Eponia verliere ich besser kein Wort. Ich kann mir gut vorstellen, wie sie es genießt, wenn die Zuschauer ihren Körper begaffen, ihr mit den Augen die Kleider vom Leib . . . nein, welche sündige Gedanken! Ich darf nicht schwach werden.
Eponia sieht Tafor inmitten der Zuschauer in Begleitung einer jungen Frau. Constantin unterstellt, diese Frau sei der Grund, warum ihr Sohn so wenig Zeit hat. Der Auftritt wird jedenfalls ein Erfolg und Eponia kann das Leben leben, welches sie sich so sehr gewünscht hat und lässt sich feiern. Ein reicher Mann bietet ihr eine große Menge Geld für ein weiteres Stück. Als sie Constantin davon berichtet, ist er erstaunt, um was für Summen es dabei geht. Fieberhaft arbeiten Eponia und ihre Schauspieler an dem neuen Stück. Da Constantin mit Finanzen am meisten Erfahrung hat, erklärt er sich bereit, sich darum zu kümmern. Vermutlich ahnt er, wie viel Geld sich mit der Schauspielerei verdienen lässt. Ihm schwebt ein Konzept vor, um weitere Förderer zu gewinnen. Mit dem zusätzlichen Geld können Proberäume und weitere Kostüme bezahlt werden. Da er viele Leute kennt, findet er schnell die geeigneten Ansprechpartner. Das Buch ist zu Ende und ich muss noch nach einer neuen Herberge suchen. Ziellos irre ich durch die Gassen, bis mein Blick auf ein Gasthaus fällt. Die Herbergsmutter sieht mich mit großen Augen an als ich nach einer Kammer frage. „Einzelzimmer oder Gemeinschaftsschlafraum?“, fragt sie und betont das Wort „Gemeinschaft“ sehr auffällig. Da ich dringend Schlaf benötige, lasse ich mir ein Einzelzimmer geben. Breit grinsend weist mir die Herbergsmutter den Weg. Unterwegs begegnen mir mehrere Männer in Begleitung ihrer jungen Frauen. Sie kommen augenscheinlich gerade vom Baden, denn die Damen tragen nur Bademäntel. Offensichtlich legt man in diesem Gasthaus großen Wert auf Sauberkeit. Ein Zeichen für gute Qualität, denn so viele Gäste können sich nicht irren. Ich vollführe noch mein abendliches Gebet und fühle mich gestört durch lautes Lachen aus dem Nachbarzimmern. Gegen fröhliche Menschen habe ich nichts und ich bin auch zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Mir fallen die Augen zu. Endlich Ruhe.
22. Abschnitt (Oasenarchiv) (Einsamkeit) (Autor: Frank Beyer)
Mein Nachdenken bringt mich nur wenig weiter. Immerhin nervt mich Korusch (Hüter der Oase) erst einmal nicht. Davonlaufen kann ich ihm nicht, aber eine Aussage verzögern. Mir bleibt nichts anderes übrig, als weiterzulesen. Solange ich noch genug Schriftrollen finde, ist das kein Problem. Ich bin gespannt, wohin diese Reise geht. Jusuf (Bibliothekar) überrascht mich heute mit heißem Tee. Überraschend wohlschmeckend und erfrischend zugleich. Während ich genüsslich schlürfe, fliegen die Zeilen vor mir nur so dahin. Ich muss nur aufpassen, keine Teeflecken zu hinterlassen.
Die Schauspielerei von Eponia scheint sich zu entwickeln. Constantin äußert sich positiv darüber und sieht eine Entwicklung hin zum Positiven. So sehen es auch Andere. Sie berichtet von einem Auftritt im großen Theater der Stadt. Dafür näht sie neue Kostüme und es folgen viele Proben, um das Stück einzuüben. Ich vermute, das ist eine wirkliche Chance, in die Öffentlichkeit zu treten und berühmt zu werden. Im Gegensatz zu den Anfängen können die Darsteller also nicht schlecht sein. Ganz im Gegenteil. Selbst der zu Beginn skeptische Constantin ist von den Proben angetan und prophezeit einen großen Erfolg. Schwer vorstellbar, wie so etwas vor sich geht. Ohne großartige Erfahrung ein großen Auftritt zu haben, birgt Chancen wie Risiken. Am Abend des Auftritts ist das Haus prall gefüllt und die Aufführung wird wirklich zu einem großen Erfolg. Eine Randbemerkung lässt mich aufhorchen. Eponia hat Tafor in Begleitung einer jungen Frau gesehen. Vermutlich Yasamin, von der seine Eltern noch immer nichts wissen. Constantin unterstellt, diese Frau sei der Grund, warum er wenig Zeit hat. Hah, wenn der wüsste! Ich verstehe allerdings nicht, warum dieser Teil der Geschichte überhaupt von Interesse sein kann. Was plant der Großwesir nur? Das Ganze wird immer mysteriöser.
Die nächste Schriftrolle beschreibt die Erlebnisse von Eponia. Sie lebt das Leben, welches sie sich solange gewünscht hat und lässt sich als Schauspielerin feiern. Irgendein reicher Mann will sie fördern und bietet ihr viel Geld für ein neues Stück. Sehr viel Geld! Davon erzählt sie auch Constantin, der sich erstaunt zeigt, um was für Summen es dabei geht. Wie viel es wirklich ist, wird nicht genannt, doch es muss wahrhaft eine Menge sein. Eponia und ihre Schauspielerkollegen arbeiten jedenfalls fieberhaft an dem neuen Stück. Constantin erklärt sich bereit, sich um das Finanzielle zu kümmern, da er damit am meisten Erfahrung hat. Er ahnt, wie viel Geld sich mit der Schauspielerei verdienen lässt, sonst würde er sich nicht so engagieren. Zusätzlich schwebt ihm ein Konzept vor, um weitere Förderer zu gewinnen. Daran arbeitet er mit den Schaustellern. Das zusätzliche Geld sei notwendig, um weitere Kostüme zu kaufen und Proberäume anzumieten. Sein Netzwerk von Leuten innerhalb der Stadt ist dabei sehr hilfreich. Da bewahrheitet sich wieder, wie sinnvoll es ist, viele Leute zu kennen. Das ist es, was mir hier in der Oase fehlt. Heute Abend werde ich mich umsehen, wer hier noch wohnt. Sicher gibt es ein paar interessante Leute mit spannenden Lebensgeschichten, womöglich sogar einen Geschichtenerzähler. Das wird mich von Korush (Hüter der Oase) ablenken.
23. Abschnitt der Basisgeschichte: Der fünffache Gewinn
Achter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Etwas weltfremd
Achter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Eine kleine Lüge
23. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der fünffache Gewinn) (Autor: Frank Beyer)
Ich kann es kaum fassen. Nach wenigen Wochen habe ich meinen finanziellen Einsatz bereits verfünffacht! Zuerst dachte ich, das kann nicht rechtens sein, doch meine neuen Freunde erklären mir, alles sei in Ordnung. Der Fernhandel sei gefährlich, weswegen er auch solche Gewinne ermöglicht. Außerdem zeigen sie mir ein Warenhaus mit all den Dingen, die Weststädten so dringend benötigt. Die Preise dafür sind in letzter Zeit rapide angestiegen und so ist es kein Wunder, wenn sich meine Investition so gut entwickelt. Noch während ich das Lagerhaus besichtige, kommt eine weitere Karawane mit neuen Gütern an. Man sagt mir, ich kann schon bald die nächste Zahlung entgegennehmen. Offensichtlich braucht man nur die richtigen Hinweise und ein gewisses Grundkapital, dann kann jeder reich werden. Es ist gut, solche Freunde zu haben. Freudig unterschreibe ich weitere Verträge.
Vorerst beschließe ich, Eponia nichts von dem vielen Geld zu verraten. Sie würde es doch nur ausgeben. Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, was ich mit all dem Geld werde machen können. Die Jahre der Entbehrung sind jedenfalls vorbei. Und ich kann Eponia und Tafor ein wenig unterstützen. Natürlich nicht zu viel, damit es nicht auffällt. Reichtum weckt nur Begehrlichkeiten. Das haben mir zumindest meine Geschäftspartner gesagt.
Nach ein paar Tagen spricht Eponia mich auf meine neue Kleidung an. „Steh dir gut, die neuen Roben. Alles aus Seide. Kannst du dir das denn leisten?“ Ich erzähle ihr von Geschäften, die ich tätige, ohne weitere Details zu nennen. Als ich sie dann später mit einer neuen Halskette überrasche, fragt sie nicht weiter nach. An ihrem skeptischen Blick sehe ich aber, ich muss vorsichtig sein. Ich will es nicht übertreiben, dafür kenne ich sie zu gut, doch Vorsicht ist besser als Nachsicht. Wir leben in einer gefährlichen Welt. Zumal ich mitbekommen habe, dass mehrere Karawanen ausgeraubt worden sind. Was sind das nur für Menschen, die friedliche Händler überfallen?
Als meine nächste Gewinnbeteiligung fällig wird, staune ich wirklich. Wieder hat sich meine Investition verfünffacht! Dieses Mal spende ich einen Teil der Summe den Armenhospitälern und Siechhäusern der Stadt. Die Kranken und Armen können sicher etwas Hilfe gebrauchen und warum soll ich sie nicht an meinem Vermögen teilhaben lassen? Schließlich erwarte ich weitere hohe Gewinne. Und so kommt es dann auch. Ich investiere viel Geld und bekomme noch mehr zurück. Der Handel floriert, auch wenn es immer mehr Überfälle zu geben scheint. Aber die Händler meiner Karawanen sind gut bewaffnet, davon konnte ich mich selber überzeugen. Selbst die Eseltreiber tragen Schwerter. An die traut sich bestimmt kein Bandit heran.
Mittlerweile bin ich in ein größeres, schöneres Haus umgezogen und genieße das Leben als Geschäftsmann. Pferderennen und andere Veranstaltungen nutze ich zum Müßiggang. Eponia sehe ich nur noch selten. Aber das ist nicht schlimm, es gibt noch andere Frauen, die mehr Zeit für mich haben. Aus Rücksicht auf Eponia treffe ich mich mit ihnen aber nicht öffentlich. Ich weiß schließlich, was sich gehört.
23. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Etwas weltfremd) (Frank Beyer)
Jemand hat in der letzten Nacht an meiner Tür gepoltert. Sicher ein Irrtum. Dennoch fühle ich mich ausgeruht und gestärkt für mein Tagewerk. Zu dieser frühen Stunde ist es in der Herberge noch sehr ruhig, ich kann also ungestört beten und meiner Leibesertüchtigung nachgehen. Essen gibt es hier leider keines, doch ich finde einen nahe gelegenen Bäcker. Ich denke, ich werde weiterhin in dieser Herberge bleiben.
Meine Suche im Archiv geht heute wieder deutlich schneller voran und ich finde gleich mehrere Schriftrollen. Die finanziellen Beteiligungen von Constantin erwirtschaften großen Gewinne. Weil er skeptisch ist, bekommt er erklärt, der Fernhandel sei so einträglich weil er äußerst gefährlich sei. Das beruhigt ihn, denn er kann es nachvollziehen. Zusätzlich bekommt er Lagerhallen gezeigt, in denen die Güter aus den Handlungsreisen aufbewahrt werden. Eine weitere Karawane erreicht die Stadt und bringt viele neue Waren. Ermutigt unterschreibt Constantin weitere Verträge.
Da er fürchtet, Eponia würde das Geld nur verschwenden, sagt er ihr vorerst nichts davon. Was er mit seinem Reichtum anfangen soll, darüber hat er noch keine Vorstellung. Seine Geschäftspartner klären ihn darüber auf, viel Geld würde nur Neid und Missgunst auf den Plan rufen. Dennoch fällt es Eponia auf, wie sich Constantin verändert. Neue Kleidung und weitere Kleinigkeiten machen sie stutzig und sie fragt nach. Er erklärt, woher das Geld stammt. Sie lässt ihn gewähren, auch wenn sie skeptisch bleibt. Ich ahne, worauf das hinaus läuft. Im Kloster verfügen wir nur über wenig Geld und versorgen uns eigenständig. Für eitle Dinge wie neue Kleidung haben wir keine Verwendung. Ich selbst trage meine Kutte nun bereits seit mehreren Jahren und es hat mir nicht geschadet. Auch wenn sie an manchen Stellen etwas dünn geworden sein mag.
Etwas später erfährt Constantin von Überfällen auf Karawanen. Zum Glück sind seine Geschäfte nicht davon betroffen und er erzielt den fünffachen Einsatz. Er macht sich wenig Gedanken, da er weiß, seine Händler und ihre Helfer sind gut bewaffnet. Um etwas Gutes zu tun, spendet er Geld für Kranke. Um seinen neuen Reichtum genießen zu können, sucht er sich ein größeres Haus. Bei Pferderennen und anderen Gelegenheiten verprasst er höhere Summen. Eponia bekommt er nur noch selten zu Gesicht und vertreibt sich die Zeit mit anderen Frauen. Daran erkennt man deutlich, Geld verdirbt den Charakter. Jetzt am Abend entsteht in mir das Bedürfnis, mehr über die Menschen und ihre Sünden zu erfahren. Ich begebe mich in eine Taverne und beobachte Männer beim Würfelspiel. Auch hier ist eine Schankmaid unterwegs. Das arme Kind kann sich offensichtlich nicht viel Kleidung leisten, jedenfalls trägt sie nur ein kurzes Kleid. Eine Schande, wie schlecht sie bezahlt wird, obwohl sie doch so fleißig ist. Den Zechern ist dies offensichtlich auch aufgefallen und sie geben ihr gutes Trinkgeld. Auch wenn sie sich mit dem Spielen versündigen, beweisen sie doch ihr gutes Herz. Dieser Gedanke versöhnt mich und nach einem Nachtmahl gehe ich wieder in meine neue Herberge. Auch heute sind dort viele Gäste im Haus unterwegs. Die Damen tragen wieder ihre Bademäntel. Sauberkeit ist eben wichtig. Durch die Zimmerwände höre ich die anderen gut gelaunten und kichernden Gäste. Frohsinn kann keine Sünde sein. Eine Sache wundert mich jedoch: Bisher konnte ich keine Badewanne in der Herberge finden.
23. Abschnitt (Oasenarchiv) (Eine kleine Lüge) (Autor: Frank Beyer)
Der Abend gestern ist sehr lang gewesen. Ich habe einen Geschichtenerzähler gelauscht, der seine Kunst gut beherrscht und alle seine Zuhörer in den Bann ziehen kann. Leider ist er nur auf der Durchreise, es war also ein einmaliges Vergnügen. Als ich ihn auf die Geschichte von dem Zwerg Iguasu anspreche, reagiert er unwirsch, so als wäre es eine böse Sache. Ich frage mich, ob der Großwesir auch solche Erfahrung macht. Als ich zu Dart zurückkehre, finde ich einen Strafzettel und eine Verwarnung. Darum kümmere ich mich später. Im Archiv geht es mit Tee und Schriftrollen weiter. Jusuf (Bibliothekar) ist ein guter Mann, da bin ich mir sicher.
Constantin berichtet von großen Gewinnen bei seinen finanziellen Beteiligungen. Innerhalb von kurzer Zeit erwirtschaftet er damit den fünffachen Gewinn. Er zeigt sich ähnlich skeptisch, wie ich es jetzt auch bin, bekommt aber eine Erklärung. Der Fernhandel sei äußert gefährlich und damit einträglich. Das beruhigt ihn und auch mich stellt es zufrieden, denn ich kann es nachvollziehen. Weiterhin bekommt er Lagerhallen vorgeführt, in denen die Güter aus den Handlungsreisen aufbewahrt werden. Während er sich alles anschaut, erreicht eine weitere Karawane die Stadt. Der Handel scheint prächtig zu laufen und er unterschreibt weitere Verträge. Mir erscheint es wagemutig, was er da treibt. Doch der Erfolg gibt ihm Recht. Interessant, wie viel mir an diesem Constantin liegt, obwohl ich bisher doch kaum etwas über ihn in Erfahrung gebracht habe.
Von seinen Gewinnen verrät er Eponia erst einmal nichts. Er befürchtet, sie würde das Geld nur ausgeben. Da erkennt man, was er für sein seltsames Frauenbild hat. Als ob alle Frauen immer nur Geld ausgeben würden. Er selbst hingegen hat noch keine Vorstellung, was er mit seinem Reichtum anfangen soll. Ein wenig unauffällige Unterstützung für Eponia und Tafor, doch das war es dann auch. Seine Geschäftspartner raten ihm auch dazu, denn viel Geld würde nur Neid und Missgunst auf den Plan rufen. Da steckt viel Wahres in dieser Aussage.
Letztlich fällt Eponia auf, wie sich Constantin verändert. Neue Kleidung und weitere Kleinigkeiten machen sie stutzig und sie fragt nach. Constantin erklärt ihr, woher das Geld stammt. Sie zeigt sich skeptisch, lässt ihn aber gewähren. Kurz darauf erfährt er von dem Überfall auf Karawanen. Seine Geschäfte sind davon nicht betroffen und wieder erzielt er den fünffachen Einsatz. Von dem Geld spendet er einiges für Kranke, weil er Gutes tun will. Das beweist, Constantin ist ein guter und rechtschaffener Mann, der nicht nur an sich selbst denkt. Die Werte hat er auch seinem Sohn vermittelt. Ihm ist die Gefahr, der die Karawanen ausgesetzt sind, bewusst. Seine Händler und ihre Helfer sind gut bewaffnet, so dass sie sich wenig Sorgen machen müssen.
Constantin beginnt, seinen neuen Reichtum zu nutzen und sucht sich ein größeres Haus. Er berichtet ebenfalls von Pferderennen und anderen Gelegenheiten. Eponia bekommt er nur noch selten zu Gesicht und vertreibt sich die Zeit mit anderen Frauen. Sollte ich mich in meiner Einschätzung getäuscht haben? Oder kann Geld einen Mann so schnell verderben? Ich werde über diese Frage eine Weile meditieren müssen. Am Abend gehe ich zu Korush (Hüter der Oase). Erneut fragt er, wonach ich suche. „Ich suche nach Familiengeschichte“, erkläre ich ihm. Ungläubig sieht er mich an. „Wirklich? Wonach genau?“ „Eine entfernte Verwandte.“ „So so“, sagt er und lässt mich gehen.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt von Constantin zu Tafor, dem Sohn.
24. Abschnitt der Basisgeschichte: Neue Verantwortung
Neunter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Ein besonderer Gast
Neunter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Ein Gesprächsangebot
24. Abschnitt (Basisgeschichte) (Neue Verantwortung) (Autor: Frank Beyer)
Die öffentlichen Plätze von Weststädten sind gesäumt von Plakaten für die anstehenden Wahlen. „Tafor – für ein starkes Wir“ lautet mein Slogan. Wir Kandidaten müssen uns der Öffentlichkeit vorstellen und auf diese Weise die Wähler für uns gewinnen. Zusätzlich halten wir Reden und erklären, wie wir unser Amt ausfüllen wollen. Das Volk zeigt mehr Interesse an dem Wahlkampf als ich dachte. Ich bin fast pausenlos unterwegs auf Veranstaltungen. Zum Glück helfen mir Yasamin und Asran, wo sie nur können. Ohne sie wäre ich wirklich aufgeschmissen. Yasamin schreibt Reden für mich und Asran hört sich um, was das Volk wirklich will. Beides sind wichtige Bestandteile meiner Wahlversprechungen. Ich weiß, Geld ist immer knapp, doch ich habe die Hoffnung, einiges zum Besseren ändern zu können. Vorausgesetzt, ich gewinne einen der begehrten Posten als Stadtrat. „Mach dir nicht zu viel Hoffnung. Du bist noch jung, vielleicht zu jung“, meint mein Mentor. Aber wenn ich es nicht versuche, kann es auch nicht klappen.
Zusätzlich zu Yasamin und Asran beschäftige ich noch andere Helfer. Die kosten natürlich Geld, denn, wie sollte es anders sein, umsonst arbeitet kaum einer. Sowohl Eponia als auch Constantin unterstützen meine Aktivitäten mit kleineren Summen. Außerdem kam eine anonyme Spende, die mir sehr hilft. Ich wüsste nur zu gerne, von wem sie stammt, damit ich mich bedanken kann. Mittlerweile steht mein Wahlprogramm. Ich will mich für eine bessere Bildung für alle einsetzen. Insbesondere bei den Armen muss sich meiner Meinung nach dringend etwas ändern. Und gegen die steigende Kriminalität muss etwas getan werden. Nicht genug, dass Karawanen überfallen werden, auch in der Stadt gibt es immer mehr Diebstähle. Sicherheit ist ein wichtiger Bestandteil des friedlichen Zusammenlebens. Wie ich das alles angehen kann, weiß ich noch nicht, doch mir wird sicher etwas einfallen.
Einer meiner Gegenkandidaten bekommt großen Zulauf von den Wählern. Ich bitte Asran, sich dort einzuschleichen und anzuhören, woraus sein Programm besteht. Ich muss schließlich wissen, was meine Gegner machen und kann nicht selbst dort auftauchen. Vermutlich werde ich noch früh genug mit ihm diskutieren müssen. Als Asran zurückkehrt, berichtet er mir Unglaubliches. Wir kennen den anderen Kandidaten bereits. Er war mit uns im Internat, wurde allerdings damals auch rausgeworfen wegen der Sache mit den Pflanzen. Offensichtlich nimmt er mir das immer noch übel. Wie kann man nur so nachtragend sein? Er versucht jedenfalls, mich bei seinen Auftritten schlecht zu machen und erzählt Lügengeschichten über mich. Angeblich würde ich meinen Wahlkampf durch räuberische Tätigkeiten finanzieren. Beweise hat er natürlich keine, woher auch. Trotzdem werde ich in meinen nächsten Reden darauf reagieren müssen. Hoffentlich kann ich genug Wähler überzeugen, die Wahrheit zu sagen.
Es ist vollbracht! Noch am Abend werden die Stimmen vollständig ausgezählt und ich bekomme einen der begehrten Plätze. Zusammen mit vier anderen Kandidaten bilden wir den neuen Senat der Stadt. Damit bin ich der jüngste Stadtrat aller Zeiten. Sicher werden Vater und Mutter stolz auf mich sein.
24. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Ein besonderer Gast) (Autor: Frank Beyer)
Eines der Rätsel dieser Stadt habe ich gelöst. In unmittelbarer Nachbarschaft zu meiner Herberge befindet sich ein Badehaus. Dort sind offensichtlich die anderen Gäste gewesen und auch ich habe vor, am heutigen Abend dort hinzugehen. Ein Bad pro Woche ist sicher kein sündiger Luxus, den mir der Abt vorwerfen kann. Nach meinen morgendlichen Gebetseinheiten durchsuche ich wieder die staubigen Regale des Archivs. „Guter Mann, wenn du mir erklärst, wonach du suchst, kann ich dir sicher helfen“ sagt der Archivar, doch ich lehne es dankend ab. Ich verweise ihn auf mein Gelübde der Verschwiegenheit und er versteht. Warum er mich nach mehreren Tagen jetzt bedrängt, ist mir unverständlich. Aber auch heute finde ich genug Material.
Beim Wahlkampf in Weststädten stellen sich die Kandidaten vor und werben mit Plakaten und durch öffentliche Reden. Tafor erhält Unterstützung durch Asran und Yasamin. Er macht sich Hoffnung, Stadtrat zu werden. Durch die aufmerksamen Augen und Ohren seiner Freunde weiß er, wo das Volk Probleme hat und kann darauf eingehen. Einzig Zepam mahnt Tafor zur Geduld und rät ihm, sich nicht allzu große Hoffnung zu machen, weil er noch zu jung dafür sei. Neben seinen Freunden beschäftigt Tafor auch noch weitere Helfer, die er sich aufgrund der finanziellen Unterstützung seiner Eltern leisten kann. Hinzu kommt eine hohe anonyme Spende. Nur zu gerne wüsste er, woher sie stammt, kann sich daraus allerdings keinen Reim machen. Wenn er wüsste, was ich weiß! Ich ahne, woher das Geld kommt.
In seinem Wahlprogramm spricht sich Tafor für bessere Bildung aus und will gegen die steigende Kriminalität vorgehen. Doch es sind nicht nur Diebstähle in der Stadt, auch gegen die Überfälle auf Karawanen möchte er etwas unternehmen. Wie er für mehr Sicherheit sorgen kann, weiß er noch nicht, will sich aber im Falle eines Wahlsieges etwas überlegen. Er scheint mir ein gewiefter Politiker zu sein, der weiß, was er zu sagen hat. Seinen Gegenkandidaten lässt er von Asran ausspionieren, um zu erfahren, was er bewirken will. Es handelt sich um einen ehemaligen Mitschüler, der der Schule verwiesen wurde. Offensichtlich kann er Tafor nicht verzeihen und redet schlecht über ihn. Unter anderem bringt er Vorwürfe in Umlauf, Tafor würde durch räuberische Tätigkeiten seinen Wahlkampf finanzieren. Dennoch kann Tafor den Sieg erringen und wird der jüngste Stadtrat, den es jemals gab. Mit seinen Freunden feiert er den Sieg. Die Schrift endet hier abrupt. Ein Zeichen für mich, den Abend einzuläuten. Ich freue mich auf ein erquickendes Bad. Ein sauberes Handtuch und Seife bekomme ich im Badehaus. Kaum habe ich mich entkleidet und in einen großen Waschzuber gesetzt, erscheinen weitere Badegäste. Zu meinem Entsetzen sind auch Frauen darunter, die sich schamlos entkleiden und ebenfalls ins Wasser gehen. Für einen Moment sehe ich mir das unzüchtige Treiben an. Noch bevor ich mich beschweren kann, steht der Bader neben mir. „Ich bitte um Entschuldigung. Für Gäste wie dich haben wir einen separaten Zuber gleich dort hinter dem Vorhang.“ Er geleitet mich hinüber. Alleine sitze ich in dem kleinen Becken während in nur ein paar Schritten Entfernung die anderen Badegäste vergnügt planschen.
24. Abschnitt (Oasenarchiv) (Ein Gesprächsangebot) (Autor: Frank Beyer)
Meine Ausrede scheint zu helfen. Zumindest bedrängt Korush (Hüter der Oase) mich nicht weiter. Vielleicht muss ich anders denken als bisher und mich nicht auf das Warum konzentrieren, sondern eher das Wer und Wo betrachten. Der Großwesir hat mich nicht ohne Grund auserwählt. Ich wünsche nur, ich könne mich jemanden offenbaren. Niemanden etwas sagen zu dürfen, ist eine schwere Bürde. Jusuf ist mir sehr vertraut geworden und dennoch darf ich ihn nicht einweihen. Aber er ahnt, wonach ich suche und ich denke, ich kann ihm vertrauen. Das habe ich im Gefühl.
Der Wahlkampf in Weststädten läuft auf eine für mich befremdliche Weise. Die Kandidaten stellen sich vor und werben für sich mit Plakaten und durch öffentliche Reden. Bei uns in der Wüste würde niemand auf die Idee kommen, auf Plakaten zu werben. Asran und Yasamin helfen Tafor wo sie nur können. Solche Freunde sind Goldwert. Tafor macht sich Hoffnung, Stadtrat zu werden. Durch die Hilfe seiner Freunde weiß er, wo das Volk Probleme sieht und kann entsprechend reagieren. Sein Mentor meint, er soll es versuchen, doch er soll sich keine allzu große Hoffnung machen, weil er noch zu jung dafür sei. Eben sehe ich, wie Jusuf mit einem Korb vor der Tür verschwindet. Irgendetwas sagt mir, ich solle ihm nachgehen. Draußen finde ich, wie er meinem Skorpion einzelne Schlangen zuwirft. Dart ist kein Kostverächter und macht sich gierig über die Leckerbissen her. Beruhigt begebe ich mich wieder nach drinnen und lese weiter.
Tafor beschäftigt neben seinen Freunden noch weitere Helfer, die er sich dank der finanziellen Unterstützung seiner Eltern leisten kann. Außerdem schreibt er von einer hohen anonymen Spende und wisse zu gerne, woher sie stammt. Ich vermute, da steckt ebenfalls Constantin hinter. Langsam bekommt diese ganze Geschichte einen merkwürdigen Beigeschmack. Zumal heute der Gehilfe von Korush (Hüter der Oase) durch das Archiv schleicht. Ich glaube, er beobachtet mich.
Mit seinem Wahlprogramm will sich Tafor für bessere Bildung einsetzen und etwas gegen die steigende Kriminalität unternehmen. Die Überfälle auf Karawanen sind häufiger geworden, aber auch in der Stadt selbst gibt es mehr und mehr Diebstähle. Entsprechend möchte Tafor für mehr Sicherheit sorgen. Wie er das bewerkstelligen will, weiß er noch nicht, will sich aber im Falle eines Wahlsieges etwas überlegen. Klingt für mich nach leeren Versprechungen. Wenn er noch keinen Plan hat, warum solle es ihm gelingen, später etwas auszurichten? Er scheint mir ein gewiefter Politiker zu sein. Selbst einen Gegenkandidaten lässt er von Asran ausspionieren, um zu erfahren, was er bewirken will. Der andere Kandidat ist ein ehemaliger Mitschüler, der damals der Schule verwiesen wurde. Bei seinen Auftritten redet er schlecht über Tafor und verbreitet Lügen. Einer der Vorwürfe ist, Tafor würde seinen Wahlkampf durch räuberische Tätigkeiten finanzieren. Als die Stimmen dann ausgezählt werden, bekommt Tafor einen der Senatsplätze zugewiesen. Er ist der jüngste Stadtrat aller Zeiten. Kaum habe ich die aktuelle Schriftrolle beendet, sehe ich, wie Jusuf (Bibliothekar) auf mich zukommt. „Ich hoffe, es ist dir Recht, wenn ich nach deinem Reittier sehe?“, fragt er mich mit einem seltsamen Unterton. Er muss mich gesehen haben. Ich reiche ihm die Hand, um ihn zu danken. „Sicher, mein Freund. Vielleicht wird es an der Zeit, dass wir uns unterhalten.“
25. Abschnitt der Basisgeschichte: Die Räuber
Zehnter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Etwas zu naiv
Zehnter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Eine Warnung
25. Abschnitt (Basisgeschichte) (Die Räuber) (Autor: Frank Beyer)
Mein neues Amt als Stadtrat ist eine große Herausforderung für mich. Die anderen Stadträte sind bereits lange Zeit dabei, ich hingegen muss noch viel lernen. In langen Besprechungen erfahre ich viel über die aktuellen Problemfelder von Weststädten. Zunächst nur in Andeutungen oder Hinweisen, einiges kann ich mir nur denken. Dazu gehört weit mehr als ich bisher auch nur erahnen konnte. Die Kriminalität ist eine altbekannte Sache, allerdings im größeren Umfang als ich auch nur erahnen konnte. Offensichtlich gibt es kriminelle Strukturen in der Stadt, die weit verzweigt sind. Leider gehört auch eine der reichen Adelsfamilien in dieses Netzwerk. Sie sind es gewohnt, sich in die Politik einzukaufen. So offen hat es zwar niemand gesagt, aber die Finanzzahlen sprechen für sich. Ohne Aufwendungen besagter Adelsfamilie wäre die Stadt längst pleite. Natürlich sind die Gegenleistungen nicht ganz ohne und so ist es kein Wunder, wenn Korruption und Kriminalität blühen. Über all diesem liegt ein Deckmantel des Schweigens. Man weiß davon, redet aber nur hinter verschlossenen Türe im Stadtrat darüber. Die Adelsfamilie als Nutznießer will natürlich weiterhin alles kontrollieren und ist an einer Änderung nicht interessiert. All dieses Wissen habe ich über Wochen herausgefunden, aufgeschrieben ist es natürlich nicht, denn dann gäbe es zu viele Mitwisser. Damit gibt es sozusagen eine Zensur, was überhaupt an die Öffentlichkeit gerät und verkündet wird. Die Einwohner seien sicherlich aufgebracht, wenn sie wissen, wie es um die Stadt wirklich steht.
Viel Zeit habe ich momentan nicht für meine Freunde. Um so schlimmer ist es, als mir eines Tages Asran berichtet, die Karawane seines Oheims sei ausgeraubt und geplündert worden. Die Banditen werden immer brutaler und es habe sogar Tote gegeben. Seinem Oheim ist glücklicherweise nichts passiert. „Noch nicht“, wie Asran betont. „In Zukunft werde ich ihn begleiten“, kündigte er an. Mir gefällt der Gedanke nicht. Zusammen mit Yasamin überzeuge ich ihn von einem anderen Plan. Er soll Berichte und Fakten zusammentragen. Vielleicht gelingt es uns, den Banditen auf die Spur zu kommen. Mit Stadtwächtern oder notfalls Söldnern sollte es doch möglich sein, sie zu vertreiben oder zumindest einzuschüchtern.
Wie sich später herausstellt, sind die Räuber meist noch relativ jung, aber sehr gut ausgerüstet. Außerdem hat es den Anschein, als wissen sie sehr genau, wann und wo sie den Karawanen auflauern müssen. Das passt nicht zusammen. „Vielleicht haben sie einen Informanten oder Tippgeber bei den Händlern“, mutmaßt Yasamin. „Wohin verschwinden eigentlich die Waren? Irgendwo müssen sie die doch verkaufen.“ Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Einmal mehr bewundere ich ihren Scharfsinn. Offensichtlich gibt es da einige Geheimnisse zu ergründen. Zum Glück bin ich in der richtigen Position, um offiziell etwas unternehmen zu können. Irgendetwas muss passieren und ich bin fest entschlossen, diese vermaldedeite Situation zu verbessern. Warum sonst ist mir wohl der Aufstieg zum Stadtrat gelungen? Vielleicht können mir meine Eltern mit ihrer Lebenserfahrung weiterhelfen. Momentan ist es wichtig, verlässliche Freunde und Helfer zu haben. Wie schnell kann man scheitern ohne ausreichend Rückhalt.
25. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Etwas zu naiv) (Autor: Frank Beyer)
Mittlerweile habe ich mich an die Lautstärke in der Herberge gewöhnt und finde erholsamen Schlaf. Die Herbergsmutter ist freundlich und sieht mich jeden Tag fröhlich an. Irgendetwas an mir scheint sie zu amüsieren. Nach meinem morgendlichen Gebet begegne ich einer Nachbarin, die mit einem Mann in ihr Zimmer will. Mir fällt auf, es war am Vortag ein anderer Mann. Offensichtlich ein Verwandter, denn die beiden sind sehr vertraut miteinander. Schön, wenn man Verwandte hat und sich mit ihnen gut versteht. Für mich heißt es heute wieder Staub einatmen und Schriften wälzen. Außer dem Archivar ist heute noch eine junge Frau anwesend. Sie ist ähnlich wie ich auf der Suche in all den Regalen. Irgendwoher kommt sie mir bekannt vor.
Die Rolle als Stadtrat ist für Tafor eine große Herausforderung. Er weiß, er muss noch viel lernen, um seiner Verantwortung gerecht zu werden. In mehreren Sitzungen werden die aktuellen Probleme der Stadt erörtert. Sie haben einen größeren Umfang als Tafor erwartet. Er erfährt, in Weststädten gibt es weitverzweigte kriminelle Machenschaften, die bis in den Adel reichen. Sie sind es gewohnt, sich mit ihrem Reichtum Vorteile zu verschaffen. Bestechung nennt es niemand, aber jeder weiß, was gemeint ist. Allerdings ist es Tatsache, dass ohne die Gelder des Adels die Stadt nicht genügend Geld haben würde. Entsprechend betrachtet man es im Stadtrat als notwendiges Übel, welches hingenommen werden muss. Das Volk weiß davon nichts und wird auch nur über harmlose Dinge informiert, da man einen Aufstand befürchtet. „Kann ich dir helfen bei deiner Suche?“, fragt mich die junge Frau. „Ich habe viel Erfahrung musst du wissen.“ Dankend lehne ich ab. Lächelnd verlässt sie mich. Für einen Moment sehe ich ihr hinterher. Wenn ich nur wisse, wo ich sie schon einmal gesehen habe.
Tafor erkennt, wie viel Zeit die Arbeit als Stadtrat in Anspruch nimmt und dass er seine Freunde zeitweilig vernachlässigt. Mit Entsetzen erfährt er dann bei einem Treffen von dem Überfall auf die Karawane von Asrans Oheim. Er selbst ist zum Glück nicht unter den Toten. In Zukunft will Asran selbst die Karawane begleiten. Yasamin und Tafor reden ihm dieses Vorhaben aus und schlagen ihm stattdessen vor, Erkundigungen einzuholen, damit sie den Räubern auf die Spur kommen können. Diese junge Frau hält sich heute ständig in meiner Nähe auf. Zumindest kommt es mir so vor. Sicher, es gibt hier auch andere Leser, aber in ihrem raschelnden kurzen Kleid fällt sie mir auf. Ich will mich nicht ablenken lassen und lese weiter. Bei einer passenden Gelegenheit will Tafor dann mit Hilfe der Stadtwache und Söldnern die Banditen verjagen. Schnell findet Asran die ersten Hinweise. Meist sind die Banditen sehr jung, dafür aber gut bewaffnet und wissen, wo sie zuschlagen können. Entsprechend lautet die Vermutung, es gibt einen Hinweisgeber oder gar einen Verräter unter den Händlern. Yasamin wirft auch die Frage auf, wohin die gestohlenen Waren gelangen, da in der Stadt großer Mangel herrscht. Das will Tafor herausfinden. Er befragt dazu auch seinen Vater, von dessen Lebenserfahrung er sich Aufschlüsse erhofft. Langsam wird es Abend und ich suche wieder die Taverne auf, in der ich die gutherzigen Männer beim Würfelspiel beobachte. Der Wirt erkennt mich wieder und grüßt mich freundlich. Die arme Schankmaid ist auch wieder da. Sie trägt heute ein anderes, noch kürzeres Kleid wie mir scheint. Schlimm, wenn man sich keine bessere Kleidung leisten kann. Das erkennen auch die Zecher, die heute mit dem Trinkgeld noch spendabler sind als zuvor.
25. Abschnitt (Oasenarchiv) (Eine Warnung) (Autor: Frank Beyer)
Wer hätte es gedacht, Jusuf (Bibliothekar) ist ein überaus unterhaltsamer Mann. Wir reden für lange Zeit und er stellt mir seine Frau und die sieben Kinder vor. Er selbst ist auf einer Zuchtfarm aufgewachsen, daher das Interesse an Dart. Noch zögere ich, ihm alles über meinen Auftrag zu verraten. Erst muss ich wissen, ob ich ihm wirklich vertrauen kann. Auch sein Angebot, bei ihm und seiner Familie zu wohnen, lehne ich höflich ab und verabschiede mich in die Karawanserei. Am nächsten Morgen ist Jusuf freundlich wie zuvor und empfängt mich mit Tee. Bevor ich ins Grübeln gerate, widme ich mich meinen heutigen Schriftrollen.
Tafor sieht die Rolle als Stadtrat als eine große Herausforderung und weiß, er hat noch viel zu lernen, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Die aktuellen Probleme der Stadt werden in Besprechungen diskutiert und haben einen größeren Umfang als Tafor erwartet hat. Wie er erfährt, gibt es in Weststädten weitverzweigte kriminelle Machenschaften, die bis in den Adel reichen. Mit ihrem Reichtum sind sie es gewohnt, sich Vorteile zu erkaufen. Niemand nimmt das böse Wort Korruption in den Mund, aber Tafor erschließt es aus den Finanzen der Stadt. Ohne die Gelder der Adligen wäre die Stadt in Zahlungsnot und so sind die Gefallen als Gegenleistung das kleinere Übel. Infolge dessen schweigt man sich darüber aus und Tafor gelangt erst nach und nach an die Wahrheit. Um die Geheimhaltung zu wahren ist nichts davon aufgeschrieben, das Wissen darum ist nur in den Köpfen der Stadträte zu finden. Nichts davon gelangt an die Öffentlichkeit, ohne dass vorher darüber abgestimmt wird. Man ist sich im Klaren darüber, wisse das Volk Bescheid, komme es zum Aufstand. Da zeigt sich, wie ähnlich doch die Stadtbewohner im Vergleich zu uns Wüstenmenschen sind. Angesichts solcher Geschehen sei auch bei uns das Volk erzürnt. Korushs (Hüter der Oase) Gehilfe ist wieder da. Zur Tarnung lege ich mir Schriftrollen über die Zucht von Kamelen zurecht. Soll der doch denken, was er will.
Die Arbeit als Stadtrat nimmt viel Zeit in Anspruch und Tafor bemängelt, sich nicht um seine Freunde kümmern zu können. Mit Entsetzen erfährt er, dass die Karawane von Asrans Oheim überfallen wird. Er selbst ist zum Glück nicht unter den Toten. Um ihn zu schützen, will Asran in Zukunft die Karawane selbst begleiten. Diesen Plan können ihn Yasamin und Tafor ausreden. Stattdessen soll er Hinweise und Informationen sammeln, um den Überfällen auf die Spur zu kommen. Mit der Hilfe von Wachen oder Söldnern will Tafor dann die Banditen vertreiben oder abschrecken. Ergebnisse der Untersuchung von Asran folgen schnell. Die Banditen sind meist sehr jung, aber gut ausgerüstet und scheinen zu wissen, wann sie wo zuschlagen können. Folgerichtig vermutet Yasamin, sie haben einen Verräter unter den Händlern. Außerdem wirft sie die Frage auf, wohin die Waren verschwinden, wenn zeitgleich in der Stadt kaum etwas zu haben ist. All diesen Dingen will Tafor auf den Grund gehen und will seine Position dazu nutzen, mehr herauszufinden. Er hofft auch darauf, sein Vater könne ihm mit seiner Lebenserfahrung und seinen vielen Bekannten helfen. Interessant, wie geschickt Tafor die verschiedenen Parteien zusammenbringt und als Informationsquelle nutzt. Ich bin sehr neugierig, wie sich das weiterentwickelt. Jusuf (Bibliothekar) warnt mich vor Korush (Hüter der Oase). Er sei sehr mächtig hier in der Oase und würde für gewöhnlich alles bekommen, wonach es ihm gelüstet.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt von Tafor, dem Sohn, zu Constantin.
26. Abschnitt der Basisgeschichte: Eine furchtbare Entdeckung
Elfter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Unter Beobachtung
Elfter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Wieder eingeladen
26. Abschnitt (Basisgeschichte) (Eine furchtbare Entdeckung) (Autor: Frank Beyer)
Langsam kommen mir Zweifel auf. Ob wirklich alles Rechtens ist? Aber es geht nicht nur mir so, auch Eponia macht sich Gedanken. „Constantin“, sagt sie eines Tages, „wir müssen reden.“ Sätze, die so anfangen, enden meist in einer Diskussion. Sie redet mir selten rein, aber wenn sie es in der Vergangenheit gemacht hat, dann eigentlich immer aus einem guten Grund. „Du hast dich verändert. Und damit meine ich keine gute Veränderung“, erklärt sie mir bei einem gemütlichen Glas Wein. „Glaubst du ernsthaft, ich hätte deinen Frauengeschichten nicht mitbekommen? Außerdem erscheint mir dein neu gewonnener Reichtum mehr als suspekt. Nur deswegen hast du dich so verändert.“ Ihrem Blick entnehme ich, dass sie es Ernst meint. „Wieso?“, frage ich und was dann folgt, ist eine lange, wirklich sehr lange Erklärung. Obwohl ich schon einige Becher Wein getrunken habe, ist mein Verstand klar. Offensichtlich hat sie sich schon länger Gedanken über mich gemacht und Nachforschungen betrieben. Ob ich mich nicht wundern würde, wenn rundherum das Elend gedeiht, aber meine Geschäfte glänzend laufen. Darüber habe ich auch schon gebrütet, konnte es mir aber nicht erklären. Meine Geschäftspartner haben mir alles zeigen können und die Verträge schienen mir sauber zu sein. „Was ich mit meinem Geld mache, geht niemanden etwas an. Du mischst dich in etwas ein, was dich nichts angeht“, werfe ich ihr vor. „Du bist doch betrunken“, fährt sie mich an und geht. „Dann komm am besten nie wieder“ rufe ich ihr hinterher. Im nächsten Moment stelle ich fest, das die Weinkaraffe bereits leer ist. Eponias Becher ist unbenutzt.
Als ich am nächsten Tag meinen Rauch ausgeschlafen habe, entschuldige ich mich bei Eponia. Sie ist bereit, mir zu verzeihen, wenn ich verspreche, mich zu ändern. Notgedrungen sage ich ihr das zu, denn vielleicht war ich wirklich etwas zu naiv.
Unangekündigt begebe ich mich zu einer der Lagerhallen und was ich dort vorfinde, versetzt mich in Aufruhr. Dort türmen sich unzählige Waren, an denen angeblich großer Mangel herrscht. Deswegen sind die Preise immens gestiegen. Hier liegen sie einfach herum. Nur durch den künstlich herbeigeführten Mangel konnten Höchstpreise erzielt werden. Ich überlege, meine Geschäftspartner mit meiner Entdeckung zu konfrontieren. Bin gespannt, was sie davon halten. Dann wird mir klar, sie müssen es wissen. Wie soll es anders sein? Mich beschleicht ein fruchtbarer Verdacht und ich verschaffe mir Zugang zu den Geschäftsräumen der Lagerhalle. Ein Schreiber lässt mich ein und ich kann Abschriften der Verträge sichten. Mir fällt auf, namentlich bin immer nur ich genannt. Mein Geld wird in Geschäfte investiert und dann entsteht wie aus dem Nichts mehr Geld. Gleichzeitig gibt es Rechnungen für Waffen und Pferde, zeitgleich große Eingänge an Waren. Mir kommt das alles seltsam vor. Sollte das alles zusammenhängen? Dann würden meine Geschäftspartner mit meinem Geld Überfälle finanzieren und schmutziges Blutgeld auszahlen? Entsetzt gehe ich nach Hause und überlege mir weitere Schritte.
26. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Unter Beobachtung) (Autor: Frank Beyer)
Auch wenn der Abt mich vor dem Sündenpfuhl der Stadt gewarnt hat, so groß scheint die Versuchung hier nicht zu sein. Ich sehe jedenfalls nur wenige Sünder. Sicher, manch einer frönt hier dem Trinken und dem Spiel, doch ich sehe auch viel Gutes. Die spendablen Zecher sind nur ein Beispiel. Aber auch die Sauberkeit der Leute tut es mir an. Bei all dem Schmutz in den Gassen ist es nur verständlich, häufig Baden zu gehen. Ich will es ihnen gleich tun. Im Archiv ist es heute eine Schriftrolle, die meine Aufmerksamkeit weckt. Und die junge Frau von gestern ist auch wieder da. Um den Hals trägt sie eine Kette mit einem Medaillonaus bunten Steinen.
Langsam bezweifelt Constantin, ob seine Finanzgeschäfte legal sind. Ähnliche Zweifel hegt auch Eponia, die mit ihm reden will. Seit er Geld besitzt, habe er sich zum Schlechten verändert. Seine Frauengeschichten stören sie ebenso wie ein paar andere Dinge, die sie über ihn hört. Constantin hört ihr eine Weile zu, will aber nicht verstehen, dass sie es gut mit ihm meint. Im Gegenteil. Für ihn sind seine Geschäftspartner vertrauenswürdig und er wirft ihr vor, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angehen. Sie wird wütend und verlässt ihn. Später stellt er fest, die ganze Weinkaraffe alleine geleert zu haben. Nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hat, entschuldigt er sich bei ihr für sein unangebrachtes Verhalten. Sie verzeiht ihm, wenn er sich bessert. Um der Sache auf den Grund zu gehen, sieht er sich bei den Lagerhallen um. Dort findet er eine Unmenge an Waren, an denen in der Stadt großer Mangel herrscht. Der Mangel an diesen Waren ist Betrug und daraus resultiert der hohe Preis. Solches Verhalten ist die Sünde der Gier! Seine Geschäftspartner sind also nichts als Gauner.
Constantin überlegt sich, wie er sich am sinnvollsten verhält. Er untersucht die Geschäftsräume und stößt auf eine Menge an Unterlagen. Ihm entgeht nicht, dass die meisten Verträge auf seinen Namen laufen und ihn damit belasten. Sein Geld wird in Waffen und Ausrüstung investiert und ihm kommt der Verdacht, er würde die Überfälle auf Karawanen finanzieren. Seine Gewinne seien nichts anderes als eine Beteiligung an der Beute. Ich fühle mich in meinem Verdacht bestätigt und erschrecke, als ich die junge Frau entdecke, die unmittelbar neben meinem Tisch steht. „Etwas gefunden?“, fragt sie mich und lächelt. Ob sie womöglich erkannt hat, wonach ich suche? Und warum wandert mein Blick von ihrem Gesicht zu dem Medaillon an ihrer Kette. Ich schüttle mich und konzentriere mich wieder. „Ja, sicher“, antworte ich ihr. „Ich finde jeden Tag etwas.“ Mit der Antwort gibt sie sich notgedrungen zufrieden. Offensichtlich will sie mir ein Gespräch aufdrängen aber ich lasse sie einfach stehen und gebe vor, in einem Regal zu suchen. Dabei beobachte ich sie, wie sie mich beobachtet. Ich muss aufpassen. Mein Auftrag ist in Gefahr. Durch den ganzen Staub komme ich mir schmutzig vor, weswegen ich wieder in das Badehaus gehe. Versehentlich lasse ich mich in dem großen Wasserzuber nieder. Eine Waschmagd, die nicht mehr als einen Lendenschurz trägt, beginnt, mir den Rücken zu schrubben. Erst spät bemerke ich meinen Irrtum. Der Bader zeigt sich verwundert, bereitet mir aber dann den kleinen Zuber hinter dem Vorhang vor. Fast hätte ich eine Sünde begangen, doch es war ja lediglich ein Irrtum. Und sicher war der Waschmagd mit ihren breiten Hüften nicht bewusst, mit wem sie es zu tun hat.
26. Abschnitt (Oasenarchiv) (Wieder eingeladen) (Autor: Frank Beyer)
Bei meiner Wanderung durch die Oase entdecke ich einige interessante Felsmalereien. Sie stammen aus der alten Zeit, als die Wüste noch grün war. Kaum vorstellbar, wie lange das her sein muss. Gerne wisse ich mehr darüber, doch ich will den Großwesir nicht lange warten lassen. Aber um Korushs (Hüter der Oase) Gehilfen zu täuschen ist es praktisch. Soll er doch seinem Herrn alles über mich berichten. Es wird ihm nichts nützen. Vielleicht habe ich bald alle Informationen beisammen. Jedenfalls hoffe ich es. Nach meinem obligatorischen Tee mit Jusuf (Bibliothekar) sitze ich wieder vor den Schriftrollen.
Constantin kommen Zweifel auf, ob seine Finanzgeschäfte mit rechten Dingen zugehen. So ergeht es auch Eponia, die mit ihm reden will. Sie bemängelt, wie sehr er sich zum Schlechten hin verändert, seit er Geld besitzt. Insbesondere seine Frauengeschichten stören sie. Weitere Dinge, die sie über ihn herausgefunden hat, spricht sie ebenfalls an und daraus wird eine lange Erklärung. Constantin hört ihr zu und erkennt, sie macht sich Sorgen um ihn. Allerdings will er es nicht wahrhaben. Für ihn sind seine Geschäftspartner vertrauenswürdig und er wirft ihr vor, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angehen. Erbost geht sie und er stellt fest, eine ganze Weinkaraffe alleine geleert zu haben. Constantin entschuldigt sich am nächsten Tag bei ihr und sie verzeiht ihm. Ob er weiß, wie viel Glück er mit ihr hat? Er macht vieles falsch und behandelt sie unangemessen. Sie hingegen zeigt sich gelassen. Eine derart verständnisvolle Frau solle er sich warm halten. Ich an seiner Stelle würde es jedenfalls tun. Wenn mir das Glück hold ist, werde ich eines Tages auch so eine Frau haben.
Da es ihm keine Ruhe lässt, sieht sich Constantin bei den Lagerhallen um. Er findet fort eine Unmenge an Waren, an denen in der Stadt großer Mangel herrscht. Die hohen Preise für derartige Waren beruhen folglich auf dem künstlich hergestelltem Mangel. Ein starkes Stück! Welch menschenverachtendes Verhalten! Wenn ich nur lese, werde ich schon zornig. Diese Gauner und Betrüger gehören bestraft! Man solle sie auspeitschen, bis ihnen die Haut in Fetzen vom Leib hängt! Constantin ist kein Stück besser. Schließlich hat er sich auf so etwas eingelassen, ohne zu prüfen, worum es geht.
Constantin überlegt, wie er am Besten vorgeht. Seine Geschäftspartner mit der Wahrheit zu konfrontieren kommt ihm in den Sinn, er erkennt aber, dass sie darüber längst Bescheid wissen müssen. Also untersucht er die Geschäftsräume nach belastenden Unterlagen. Ihm fällt auf, auf allen Verträgen steht stets nur sein Name. Sein Geld wird investiert und es entstehen riesige Gewinne. Rechnungen belaufen sich auf Pferde und Waffen. Mir kommt ein Verdacht, der sich sicher gleich bestätigen lässt. So ist es dann auch. Constantin fragt sich, ob das zusammenhängen kann und seine Geschäftspartner vielleicht Überfälle mit seinem Geld finanzieren. Da ist er wahrlich in ein schönes Schlamassel geraten. Wie er da wieder herauskommen will? Ich kann mich zurück lehnen und in Ruhe weiterlesen. Obwohl, das kann ich nicht. Die Schriftrolle endet und ich muss nach der nächsten suchen. Warum nehmen die keine längeren Rollen? Und etwas bessere Ordnung in diesem Archiv wäre auch nicht falsch. Na ja, ich will nicht schlecht über Jusuf (Bibliothekar) reden. Heute Abend bin ich wieder bei ihm und seiner Familie eingeladen.
27. Abschnitt der Basisgeschichte: Ein bitteres Geständnis
Zwölfter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Ein sauberer Rücken
Zwölfter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Das wird teuer!
27. Abschnitt (Basisgeschichte) (Ein bitteres Geständnis) (Autor: Frank Beyer)
Ich, Constantin von Jupiner, komme mir benutzt und dreckig vor! Schande wurde über meinen Namen und den meiner Familie gebracht. Sie benutzen wirklich mich und meinen Namen für ihre Machenschaften auf Kosten Dritter? Sicher, ich verdiene gut daran, doch dafür werde ich mich nicht weiter hergeben. Alles woran ich glaube, habe sie verraten und missbraucht. Wie konnte ich nur so ein Narr sein! Eponia hatte von Anfang an Recht. Ich selbst habe meine Prinzipien verraten und Schaden angerichtet, der sich kaum wieder gut machen lässt. Noch dazu habe ich mit meinem Handeln unwissentlich die Karriere von Tafor gefährdet. Wenn das herauskommen sollte, ist er geliefert! Wie gut, dass meine große Spende anonym war. Ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden, würde es ihm schaden.
Mir muss schnell etwas einfallen, wie ich heil aus der Sache herauskomme. Solle ich auffliegen, droht mir Gefängnis oder Schlimmeres. Die Verträge laufen schließlich alle auf meinen Namen. Meine Geschäftspartner sind offensichtlich ausgefuchste Betrüger. Sie haben einen Dummbold gesucht und in mir gefunden. Nur zu gerne würde ich denen das Handwerk legen, aber wie? Wenn ich die Behörden informiere und mich selber denunziere, bekomme ich vielleicht eine Strafmilderung. Sicher besser als gar nichts, doch es würde sich nicht gut anfühlen. Zumal die wahren Verbrecher vermutlich davon kämen. Es muss also etwas anderes sein. In meiner Not vertraue ich mich Eponia an. Sie hört sich alles an, was ich herausgefunden habe und ist mindestens genauso entsetzt, wie ich es bin. Ich gestehe ihr auch ein, was ich mit dem Reichtum alles gemacht habe, doch sie legt mir den Zeigefinger auf die Lippen, „ist gut, ich muss nicht alles wissen und werde dir helfen“ erklärt sie mir. Unsere Verbindung ist doch noch besser als ich dachte. Wir diskutieren für eine Weile die einzelnen Möglichkeiten. Dabei gibt sie mir Recht, es sei unbefriedigend, würden diese betrügerischen Halunken straffrei davon kommen. „Wir sollten Tafor einweihen“ lautet ihre Empfehlung. „Als Stadtrat kann er vielleicht etwas machen“. Mir gefällt der Gedanke.
Auch wenn ich mir elendig dabei vorkomme, mit so einem Problem vor meinen Sohn zu treten, mir bleibt keine Wahl. An meinem ernsten Gesicht erkennt er sofort, das etwas nicht stimmt. „Bist du etwa krank?“ fragt er besorgt und hört sich meine Geschichte an. Als ich zu dem Teil mit den Räubern komme, holt er tief Luft, sagt aber nichts. Überhaupt verurteilt er mich nicht, sondern wartet ab, bis ich alles erzählt habe. Ich lasse nicht einmal den Teil mit der anonymen Spende und den Frauengeschichten aus. Nachdem ich geendet habe, läuft er für eine Weile auf und ab und redet erst dann. „Du hast sicher eine Strafe verdient. Dennoch werde ich versuchen, dir zu helfen, Vater!“ Dieser Satz ist viel wert für mich und wir umarmen uns. Auch wenn er vielleicht nicht stolz auf mich ist, ich bin froh, so einen Sohn zu haben, auch wenn ich nicht sein eigentlicher Vater bin.
27. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Ein sauberer Rücken) (Autor: Frank Beyer)
Meine Zimmernachbarin hat noch einen anderen Verwandten zu Besuch. Sie haben sich offensichtlich länger nicht gesehen und erzählen sich gute Neuigkeiten. Jedenfalls höre ich sie lange kichern. Fast habe ich mein Morgengebet vergessen. Meine Tonsur habe ich auch schon seit ein paar Tagen nicht nachgeschnitten. So etwas stört hier niemanden, wie ich mit Erstaunen feststelle. Mittlerweile wirkt mein Schädel, als habe ich einfach sehr spärlichen Haarwuchs. Na ja, man kann nicht an alles denken. Wichtiger ist der Rechercheauftrag und das Stillschweigen darüber.
Es wundert mich nicht, im Archiv wieder auf diese junge Frau mit dem Medaillon um den Hals zu treffen. Auch heute sucht sie in den gleichen Regalen wie ich. Erst als ich etwas nehme, greift auch sie sich eine Schriftrolle und lässt sich in Sichtweite nieder. Ich darf mich nicht verrückt machen lassen.
Constantin konnte mittlerweile vieles überdenken und ein wenig nachforschen. Er kommt sich ausgenutzt und dreckig vor. Seine Geschäftspartner wissen seine Gutmütigkeit und Naivität auszunutzen, das wird ihm klar. Damit haben sie Schande über ihn und seine Familie gebracht. Sein Gewinn mag riesig sein, aber mit den moralischen Bedenken muss er dennoch klar kommen. Ihm wird auch klar, seine Naivität beeinträchtigt womöglich die Karriere von Tafor, solle sich herausstellen, woher das Geld stammt. Constantin macht sich schwere Vorwürfe und kann nicht verstehen, wie er so dumm sein konnte. Voller Verzweiflung sinnt er nach einer Möglichkeit, um alles wieder ins Lot zu bringen. Der Gedanke, Schaden für Eponia oder Tafor angerichtet zu haben, lässt ihm keine Ruhe. Er selbst will seine Strafe hinnehmen, doch seine Familie darf nicht für seine Missetat büßen müssen.
„Du kommst weiterhin klar bei deiner Suche? Ich habe hier aufschlussreiche Kochrezepte“, sagt der Archivar und zeigt mir einen Stapel Dokumente. Er lässt nicht locker. Um ihn zu täuschen bedanke ich mich und tue so, als würden mich die Rezepte interessieren. Offensichtlich hat er keine Ahnung, wonach ich suche. Aber war nicht ein Teil der Geschichte in einem Kochbuch verborgen? Doch woher weiß er das?
Wenn Constantin sich selbst anzeigt, kann er vielleicht mit einer Strafmilderung rechnen. Die betrügerischen Geschäftspartner seien dann fein heraus und das missfällt ihm sehr. Er berät sich mit Eponia und geht mit ihr weitere Möglichkeiten durch. Sie kommt auf die Idee, Tafor mit einzuweihen, weil er als Stadtrat vielleicht andere Möglichkeiten hat. Mit so einer Nachricht zu seinem Sohn gehen zu müssen, ist für Constantin nicht leicht. Tafor lässt sich in Ruhe alles erzählen und stellt nur wenige Fragen zu weiteren Details. Nachdem Constantin alles berichtet hat, überlegt Tafor für einen Moment. Er verurteilt ihn nicht und sagt ihm seine Hilfe zu. Constantin bedankt sich überschwänglich bei ihm und entschuldigt sich dafür, ihn in so eine Lage gebracht zu haben. Auf dem Weg zur Herberge verlaufe ich mich und lande zufällig wieder vor dem Badehaus. Wo ich schon mal da bin, kann ich mir auch gleich den Staub aus dem Archiv abwaschen. Die Bademagd hat nicht nur breite Hüften, sondern auch kräftige Hände. Es kann keine Sünde sein, wenn ich wert auf seinen sauberen Rücken lege und sie kommt da auch viel besser dran als ich. Warum sie mir auf einmal einen kalten Eimer Wasser übergießt, weiß ich nicht, doch ich nehme an, es gehört zur Körperpflege. Später gehe ich noch zur Schenke und nehme ein Nachtmahl zu mir. Einige Stunden später weiß ich mehr über das Würfelspiel und habe sogar Geld gewonnen. Viel Geld, wie mir scheint, denn meine Mitspieler sind nicht gerade glücklich.
27. Abschnitt (Oasenarchiv) (Das wird teuer) (Autor: Frank Beyer)
Wieder bekomme ich eine Ermahnung und soll mich bei Korush (Hüter der Oase) melden. Offensichtlich wird er nicht schlau aus dem, was er über mich erzählt bekommt. Ich habe jedenfalls Zeit, mir tagsüber etwas auszudenken. Langsam bekomme ich mehr Übung in dem Suchen der richtigen Schriftrollen. Der Staub hier stört mich zwar, doch ich komme ohne die Hilfe von Jusuf (Bibliothekar) aus. Nur verstehen kann ich seine Ordnung noch immer nicht. Solange ich finde, was ich benötige, ist es mir gleich. Voller Neugier setze ich mich mit einer Schriftrolle nieder und beginne mein Tagewerk.
Mittlerweile konnte Constantin alles überdenken und ein wenig nachforschen. Jetzt kommt er sich ausgenutzt und dreckig vor. Die Geschäftspartner haben seine Gutmütigkeit und Naivität ausgenutzt und Schande über ihn und seine Familie gebracht. Zwar ist sein Gewinn riesig, doch ebenso groß sind seine moralischen Bedenken. Nicht nur, was seine Stellung betrifft, ihm ist auch klar, er hat unter Umständen auch Tafors Karriere gefährdet, wenn herauskommt, woher das Geld stammt.
Noch bevor ich mit Jusuf (Bibliothekar) beim Pausentee sitze, kommt einer der Oasenwächter ins Archiv. „Bist du der Besitzer von dem Untier?“ Ich ahne, es gibt Probleme mit Dart. Der Wächter begleitet mich zur Karawanserei. Viele Worte macht er nicht und mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Am Ort des Geschehens angekommen herrscht großer Aufruhr. Eine große Karawane ist angekommen und hat Dart nervös gemacht. Aus Furcht vor den Eindringlingen hat er sich losgerissen und mehrere Kamele gestochen. Das wird teuer. Hoffentlich kann ich dem Großwesir die Kosten aufs Auge drücken.
Constantin geht mit sich selbst schwer ins Gericht und beschuldigt sich selber. Er überlegt sich, wie er aus der ganzen Angelegenheit ohne Schaden für ihn und seine Familie herauskommt. Solle er sich selbst bei den Behörden anzeigen, kann er mit einer Strafmilderung rechnen. Die wahren Übeltäter kommen dann vermutlich ohne Strafe davon. Er berät sich mit Eponia und sie diskutieren, welche Optionen sie haben. Eponia empfiehlt, auch Tafor einzuweihen, damit er weiß, was womöglich auf ihn zukommt. Ihre Hoffnung ist auch, das er dank seiner Position etwas unternehmen kann. Was ich da rauslese, verstehe ich nicht. Die Gesetze unterliegen offensichtlich noch anderen Einflüssen. Wie sonst sei zu erklären, was da vor sich geht. Eine Strafmilderung, wenn man sich stellt? Als ob dies ein Vergehen bessern würde. Tagsüber gebe ich vor, schlimm zu husten. Bin gespannt, ob die darauf reinfallen.
Constantin schämt sich, mit so einer Nachricht zu seinem Sohn gehen zu müssen. Wem ginge das nicht so? Er hat seine Ehre verloren und er muss um Hilfe betteln. Was für eine Schande! Tafor hört ihm ruhig zu und verurteilt ihn nicht. Im Gegenteil, er möchte ihm helfen. Voller Stolz bedankt sich Constantin bei seinem Sohn, auch oder vielleicht gerade weil ihm bewusst ist, nicht sein Vater zu sein. Dank ist ja nun das Mindeste! Wenn Tafor ihm vor der Hinrichtung rettet, und nur das kann die angemessene Strafe sein, dann hat er ein verdammtes Glück. Eigentlich solle ich neutral sein, doch das fällt mir schwer angesichts solcher Vergehen. Für die Nacht muss ich mir eine andere Bleibe suchen. In der Karawanserei bin ich nicht mehr willkommen. Wenn sie Dart verachten, lehnen sie auch mich ab. Vielleicht hat Jusuf (Bibliothekar) eine Idee. Bei Korush (Hüter der Oase) gehe ich nur kurz vorbei und deute auf meinen Hals. Mehr als ein Krächzen kann ich nicht von mir geben. „Dann eben morgen“, sagt er und schickt mich weg.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt von Constantin zu Tafor, dem Sohn.
28. Abschnitt der Basisgeschichte: Frischer Wind
Dreizehnter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Alles halb so wild
Dreizehnter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Schlechte Erfahrungen
28. Abschnitt (Basisgeschichte) (Frischer Wind) (Autor: Frank Beyer)
In eine dämliche Situation hat Constantin mich da gebracht. Hätte nicht gedacht, dass er so naiv ist. Aber ich kann ihn nicht einfach alleine lassen mit seinem Problem. Nicht nach all dem, was er für Mutter und mich getan hat. Wäre er nicht gewesen, wer weiß, ob ich überhaupt leben würde? Alleine hätte Mutter es sicher sehr schwer gehabt. Zumal er, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sein bisheriges Leben für uns aufgegeben hat.
Auch wenn ich ihm helfen will, ich muss an meine Position im Stadtrat denken. Keinesfalls darf es negativ auf mich zurückfallen. Wenn ich es mir so überlege, im Wahlkampf kamen diese Gerüchte über mich auf. Dagegen habe ich mich gewehrt, doch es war etwas Wahres dran. Wie auch immer, es ist nicht zu ändern. Ich muss versuchen, etwas über die Hintermänner in Erfahrung zu bringen. Nur so können wir gezielt etwas unternehmen, ohne Constantin in den Mittelpunkt zu rücken. Wäre doch gelacht, wenn nicht irgendjemand etwas darüber wisse.
Asran hat sich bereit erklärt, sich bei den Geschäftspartner von Constantin einzuschleichen. Schnell gewinnt er ihr Vertrauen und erfährt, wie die Geschäfte funktionieren. Dank seiner Hilfe kann ein geplanter Raubzug auf eine Karawane vereitelt werden. Die Räuber kommen alle ums Leben, so dass Waren unbehelligt Weststädten erreichen. Asran gelingt es, nicht erwischt zu werden. Dadurch wird ein zweiter Raubzug ebenfalls zum Fiasko. Gleichzeitig geht Constantin keine weiteren Geschäfte mehr ein, den Betrügern fehlt also der Sündenbock. Laut Asran sind sie stinksauer, reden sogar von Mord. Wir hingegen haben genug Beweise gegen die Bande. Zwar fehlen uns noch immer die Hintermänner, aber vorerst können wir weitere Überfälle verhindern. In einer gut geplanten Razzia werden die Betrüger festgesetzt und wandern ins Gefängnis. Zu meinem Erstaunen erhalten sie anonyme Zuwendung, um ihr Leben im Gefängnis zu erleichtern. Nicht nur zusätzliche Nahrungsrationen, auch Federbetten und andere Dinge sind dabei. Unglaublich, was mit Geld alles machbar ist. Jedenfalls lasse ich die bestechlichen Wärter bestrafen. Nach der Gerichtsverhandlung werden die Betrüger erleben, was die volle Härte des Gesetzes für sie bedeutet. Bald finde ich heraus, wer dahintersteckt und kann die Spur bis zu einer Adelsfamilie verfolgen. Über diese Familie werde ich nähere Erkundungen einziehen. Offensichtlich haben die Dreck am Stecken und das bereits seit vielen Jahren. Unglaublich, wie die sich das über Jahre erlauben können, ohne aufzufallen. Kein Wunder, wenn es in der Stadt nicht gut läuft.
Die Versorgungslage in Weststädten ändert sich schnell, jetzt wo die Karawanen unbehelligt ankommen. Das Elend der Armen bessert sich, die Preise fallen. Sogar mehr Arbeit gibt es, ehrliche Arbeit wohlgemerkt. Die Stadt blüht auf und die Bewohner sind glücklich. Selbst bei Yasamin im Hospital macht sich all dies bemerkbar, da weniger Arme versorgt werden müssen. Sie kann sich auf das Heilen der Schwerkranken konzentrieren und ich kann dadurch sogar meine Wahlversprechen einhalten. Die Steuereinnahmen steigen, wir können also in die Bildung investieren. Die anderen Stadträte sind hocherfreut, was wir alles erreichen konnten. „Ein derartiger Umschwung war längst überfällig. Du bringst frischen Wind in die Stadt“, lobt mich der dienstälteste Stadtrat.
28. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Alles halb so wild) (Autor: Frank Beyer)
Ich habe über mein Leben im Kloster und jetzt hier in der Stadt nachgedacht. Langsam kommt mir der Gedanke, dass im Kloster alles etwas zu Ernst genommen wird. Sicher ist die Gemeinschaft und die Disziplin wichtig, doch so ein schlimmes Sündenpfuhl ist die Stadt gar nicht. Was ich bisher sehen konnte, lässt mich jedenfalls an den Worten des Abtes zweifeln. Ob er jemals selbst hier war? Und womöglich ist dieser Auftrag dann auch gar nicht so geheim? Ich meine, mit etwas Hilfe bin ich doch viel schneller fertig. Oder könne häufiger baden gehen. Wie auch immer, ich will mich mit meiner Recherche beeilen. Meine Leibesübungen können warten und beten geht auch mal ein wenig schneller. Im Archiv ist alles beim alten. Diese junge Frau umschleicht mich und ich weiß immer noch nicht, woher ich sie zu kennen glaube. Also lese ich weiter und passe auf, ihr keinen Hinweis zu geben.
Natürlich ist Tafor wenig angetan, von Constantin in so eine Sache hineingezogen zu werden. Er fürchtet um seine Position als Stadtrat, weiß aber auch, er kann ihn nicht im Stich lassen. Ohne seine Hilfe wäre Eponia alleine mit einem Kind verloren gewesen. Noch weiß er nicht, wie er Constantin helfen kann, da er sein Amt natürlich nicht missbrauchen will. Doch ihm ist klar, die Gerüchte, die über ihn im Umlauf sind, sind nicht völlig falsch und müssen aufgeklärt werden. Er beschließt, etwas über die Geschäftspartner von Constantin herauszufinden, damit er gezielt vorgehen kann.
Asran ist genau der richtige für derartige Erkundigungen. Er findet nicht nur heraus, wie die Geschäfte geplant werden, sondern dank seiner Information kann auch ein Überfall wirksam verhindert werden. Die Räuber finden dabei den Tod. Nur ein paar Tage später kann ein weiterer Angriff abgewehrt werden. Weil Constantin keine weiteren Verträge mehr zeichnen will, schäumen die Geschäftspartner vor Wut. Schaum gibt es im Badehaus eine Menge. Es ist einfach ein schönes Gefühl, den Rücken gründlich abgeschrubbt zu bekommen. Doch ich muss diese Gedanken aufschreiben, ähm ich meine verdrängen. Dank der neuen Informationen lässt Tafor eine Untersuchung von der Stadtwache durchführen. Alle Geschäftspartner werden gefangengenommen und verhört. Dank zahlreicher gefundener Verträge kommen sie als Betrüger und Drahtzieher ins Gefängnis. Wie sich später herausstellt, bekommen sie dort eine Sonderbehandlung, weil ein anonymer Geldgeber für sie sorgt. Zusätzliche Verpflegung, Federbetten und andere Annehmlichkeiten lassen sie geradezu im Luxus schwelgen. Davon bekommt auch Tafor zu hören und er lässt die bestechlichen Wächter streng bestrafen. Die Spur des Geldgebers verfolgt er bis zu einer der Adelsfamilien. Sie scheint bereits seit vielen Jahren gegen Gesetze zu verstoßen. Für Tafor sind sie ein Grund dafür, dass es der Stadt schlecht geht. Da aber keine Überfälle mehr stattfinden, verbessert sich die Versorgungslage der Stadt schnell. Die Stadt und ihre Bewohner beginnen sich zu erholen, was sich auch für Yasamin bemerkbar macht. Weniger kranke Menschen und die Leute finden Arbeit. Dadurch kann sie sich um die Schwerkranken kümmern und ermöglicht es Tafor, sein Wahlversprechen einzuhalten. Mit den steigenden Steuereinnahmen finanziert er Schulen und andere Einrichtungen. Das merken auch die anderen Stadträte, die überaus angetan von Tafors Leistungen sind.
Derart diszipliniert, wie ich heute gearbeitet habe, kann ich mir auch eine Belohnung gönnen. Schließlich muss ich das gewonnene Geld ja loswerden, bevor ich ins Kloster zurückkehre. Die Bademagd freut sich sicher auch, mich wiederzusehen und langsam gewöhne ich mich an die anderen Gäste.
28. Abschnitt (Oasenarchiv) (Schlechte Erfahrungen) (Autor: Frank Beyer)
Die Familie von Jusuf (Bibliothekar) ist wirklich allerliebst. Sie kennen mich kaum, dennoch nehmen sie mich herzlich bei sich auf. Manchmal zweifel ich daran, ob ich es verdient habe. Sie müssen doch auch wissen, was man uns Skorpionreitern nachsagt. Oder ob man so etwas hier in der verborgenen Oase etwa nicht kennt? Vorsichtshalber werde ich Jusuf darauf ansprechen. Aber vielleicht etwas später. Erst muss ich weiterlesen.
Tafor ist natürlich nicht erfreut darüber, in was Constantin ihn da hineinzieht. Er weiß aber auch, er darf ihn nicht im Stich lassen mit seinen Problemen. Ohne ihn wäre seine Mutter nicht in der Lage gewesen zu fliehen und ein Kind großzuziehen. Wie Tafors Hilfe aussehen kann, weiß er selbst noch nicht, da er seine Position als Stadtrat nicht missbrauchen oder gefährden will. Aber ihm ist auch bewusst, die Gerüchte, die während es Wahlkampfes aufkamen, sind nicht von Grund auf falsch. Für Tafor ein Grund mehr, für Aufklärung zu sorgen. Er beschließt, etwas über diese Geschäftspartner von Constantin herauszufinden, denn erst dann kann er gezielt vorgehen.
Wieder ist es Asran, der Erkundigungen einholt und sich bei den Geschäftspartnern einschleicht. Einen Freund mit solchen Fertigkeiten zu haben, ist viel wert. Asran erfährt, wie die Geschäfte funktionieren und dank seiner Information kann der Überfall auf eine Karawane verhindert werden. Leider kommen dabei alle Räuber ums Leben, können also nicht verhört werden. Ein paar Tage später wird ein weiterer Überfall auf die gleiche Weise verhindert. Die Geschäftspartner kochen vor Wut, zumal Constantin keine weiteren Verträge mehr unterzeichnet. Jetzt fehlt er also als Sündenbock. Tafor lässt von der Stadtwache eine Razzia durchführen, bei der die Geschäftspartner alle festgesetzt werden können. Dank zahlreicher gefundener Verträge kommen sie als Betrüger und Drahtzieher in Gefängnis. Dort bekommen sie eine Sonderbehandlung, weil ein anonymer Geldgeber für sie sorgt. Sie erhalten zusätzliche Verpflegung, Federbetten und andere Annehmlichkeiten. Als Tafor dies mitbekommt, lässt er die bestechlichen Wärter bestrafen. Er verfolgt die Spur des Geldgebers bis zu einer der Adelsfamilien. Bereits seit vielen Jahren scheint diese Familie gegen Gesetzte zu verstoßen. Für Tafor sind sie ein Grund dafür, dass es der Stadt schlecht geht.
Der Abend rückt näher und ich weiß noch immer nicht, wie ehrlich ich gegenüber Jusuf (Bibliothekar) sein kann und muss. Vielleicht ergibt sich ja später eine Möglichkeit.
Weil keine Überfälle auf Karawanen mehr stattfinden, verbessert sich die Versorgungslage schnell. Die Preise fallen und allgemein bessert sich das Elend der Leute. Mehr und mehr Arbeitsplätze entstehen, die Stadt erholt sich von der schweren Zeit. Das merkt auch Yasamin, die im Hospital deutlich weniger Arme zu versorgen hat. Fortan kann sie sich um die Schwerkranken kümmern und Tafor kann sein Wahlversprechen einhalten, das Elend zu lindern. Durch die steigenden Steuereinnahmen finanziert er Schulen, was die Leute freut. Die anderen Stadträte sind begeistert von den vielen Dingen, die Tafor so überaus erfolgreich angeht. Jetzt am Abend bei Jusufs Familie nagen Zweifel an mir. Darf ich es weiterhin verschweigen? Ich muss ehrlich sein. Diese braven Leute haben es verdient. Aber noch kann ich nicht darüber reden. Zu schlecht ist die Erfahrung, die ich in der Vergangenheit gemacht habe. An Korush (Hüter der Oase) komme ich heute nicht vorbei. „Kamele und Felsmalereien? Wie erklärst du das?“, fragt er. „Komplizierte Familiengeschichte“, erkläre ich ihm und gebe vor, es würde um eine Erbschaft gehen. Für den Moment gibt er sich zufrieden.
29. Abschnitt der Basisgeschichte: Ein gutes Ende
Vierzehnter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Die Sache mit dem Schwamm
Vierzehnter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Ein Geheimnis
29. Abschnitt (Basisgeschichte) (Ein gutes Ende) (Autor: Frank Beyer)
Die Gerichtsverhandlung hat für großen Aufruhr gesorgt. Zum einen, weil die Übeltäter zum Tode verurteilt worden sind, zum anderen weil Vater freigesprochen wurde. Schließlich hat er maßgeblich dazu beigetragen, die Verbrechen aufzudecken. So kommt er lediglich mit einer hohen Geldstrafe davon. Überglücklich bedankt er sich bei mir.
Mir und meiner politischen Karriere hilft der Fall ebenfalls, denn die damit einhergehende Verbesserung der Stadt wird einzig und allein mir zugeschrieben. Ohne mich wäre all das nicht möglich gewesen. Auf eine gewisse Weise hat mein Vater mir mit seiner Naivität mehr geholfen als er es mit all seinem Geld vermocht hätte. Von den Wählern bekomme ich überragend gute Rückmeldung, alle scheinen begeistert von mir und meiner Arbeit. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Blumen oder gar Präsentkörbe für mich abgegeben werden. Ein weiteres Zeichen dafür, wie gut es mittlerweile in der Stadt läuft.
Jetzt, wo ich einer positiven Zukunft entgegen sehe, kann ich weitere Pläne machen. Endlich stelle ich Yasamin die entscheidende Frage. Sie sagt „Ja“ und fällt mir um den Hals. Unsere Hochzeit wird noch in diesem Sommer sein. Auch Arsan freut sich für uns und fühlt sich geehrt, mein Trauzeuge sein zu dürfen. Mutter hilft uns bei den Vorbereitungen für ein großes Fest. Da gibt es viel zu beachten und wir wollen einfach, das die Feier perfekt wird. Nach all den Mühen haben wir uns das verdient. Schon bald sind wir Stadtgespräch Nummer Eins. Blumenarrangements werden vorbereitet und Köche wie Bäcker sind mehrere Tage beschäftigt. Als dann endlich der Tag der kirchlichen Trauung ist, erleben wir einen wunderschönen Tag. Die halbe Stadt feiert mit uns, jedenfalls kommt es uns so vor. Sogar ihre Eltern sind zu Besuch gekommen und freuen sich über ihren neuen Schwiegersohn. Yasamin ist glücklich und wenn sie es ist, bin ich es auch.
Wir haben große Pläne. Yasamin spricht von Kindern, die in einem hübschen großen Haus aufwachsen sollen. Und sie will Hunde und Katzen haben, so wie sie es als Kind erlebt hat. Zuvor möchte sie jedoch eine große Reise machen und überrascht mich jeden Tag mit neuen Zielen. Wir können uns auf eine Reise einigen, doch bevor wir sie antreten, will ich noch mit Constantin reden. Da ich viel über die Adelsfamilie in Erfahrung gebracht hatte, möchte ich ihm eine Kleinigkeit nicht vorenthalten. Wie ich herausgefunden hatte, lebt in dem Palast besagter Familie nämlich jemand, nach dem mein Vater seit geraumer Zeit sucht. Viel ist es nicht, doch ich denke, er wird sich darüber freuen. „Mein Sohn, damit wird ein Traum für mich wahr! Endlich habe ich eine Spur von diesem verfluchten Zwerg“, sagt Constantin und drückt sich fest an mich. Wie viel ihm dieser Iguasu bedeutet, merke ich erst jetzt. Weshalb ist mir nicht klar, doch momentan habe ich Wichtigeres zu tun. Meine Braut wartet sozusagen auf gepackten Koffern und ich will sie nicht enttäuschen.
29. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Die Sache mit dem Schwamm) (Autor: Frank Beyer)
Wer hart arbeitet, verdient sich einen gemütlichen Abend. So etwas sollten wir auch im Kloster einführen. Heute Morgen ist es schon spät, als ich aufwache. Genau genommen werde ich von Händlern geweckt, die laut polternd draußen vorbeikommen. In aller Eile breche ich auf. Das Beten kann ich später nachholen. Die Herbergsmutter scheint heute nicht da zu sein. Seltsam, sonst war sie doch immer so früh auf. Egal, ich muss pünktlich im Archiv sein, damit ich vor dieser jungen Frau da bin.
Außer mir ist nur der Archivar da und bietet wieder einmal seine Hilfe an. Natürlich lehne ich es dankend ab und begebe mich selber auf die Suche. Etwas später ist sie wieder da, aber ich ignoriere sie und konzentriere mich einzig allein auf meine Schriftrolle.
Die Gerichtsverhandlung steht an und sorgt für Aufruhr in der Stadt. Das Todesurteil für die Betrüger wird verlesen. Was ein Paukenschlag! Constantin kommt mit einer hohen Geldstrafe davon. Sein Dank gilt Tafor, ohne den er verloren gewesen wäre. Der Fall hilft letztlich sogar der Karriere von Tafor, da alle Verbesserungen ihm zugeschrieben werden. Er bekommt viel Zuspruch vom Volk und man macht ihm Geschenke, die er natürlich unter den Armen verteilt. Mit der jüngsten Entwicklung ist Tafor sehr zufrieden. Er macht Yasamin einen Heiratsantrag, den sie überglücklich annimmt. Die Hochzeit soll im Sommer stattfinden und Eponia hilft bei den Vorbereitungen. Arsan wird natürlich Trauzeuge. Die ganze Stadt weiß schnell Bescheid über die anstehenden Feierlichkeiten.
Diese junge Frau meint, ich merke nicht, wie sie am Tisch immer näher aufrückt und versucht, einen Blick auf das vor mir liegende Buch zu werfen. Für wie naiv hält dich mich eigentlich? Sicherheitshalber suche ich mir einige belanglose Schriften und gebe vor, davon viele Notizen zu machen. Anschließend stelle ich die Schriften wieder weg. Und tatsächlich, sie sucht kurze Zeit später danach. Ich hingegen bin sie los.
Yasamins Eltern reisen an und sind sehr zufrieden mit ihrem neuen Schwiegersohn. Die Hochzeit wird ein rauschendes Fest, das Brautpaar ist überglücklich. Sie machen Pläne für ihr weiteres Leben. Reisen, ein großes Haus, Kinder und viele Haustiere; die Wunschliste ist riesig. Tafor will ihr jeden Wunsch erfüllen und sie beginnen mit der Planung für eine große Reise. Bevor sie aufbrechen, will Tafor mit Constantin sprechen. Er hat eine Information, die ihm sicher gefallen wird. Tatsächlich erzählt er ihm von dem Zwerg Iguasu, der sich bei einer der Adelsfamilien versteckt hält. Überglücklich umarmt Constantin Tafor. „Eine Spur von diesem Giftzwerg!“ Oder heißt das „Mistzwerg“? Die Schrift ist schwer zu entziffern. Jedenfalls erkennt Tafor erst jetzt, wie wichtig diese Angelegenheit für Constantin noch immer ist. Doch für ihn steht die große Reise mit Yasamin an.
Später im Badezuber gönne ich mir das kräftige Schrubben der Bademagd. Andere Gäste sind auch da und ich bin wieder einmal erstaunt, wie schamlos sich hier all die Frauen zwischen den Männern im Wasser winden. Plötzlich spüre ich etwas Kaltes auf meinem Rücken. Als ich mich umdrehe, sehe ich das mir bekannte Medaillon der jungen Frau aus dem Archiv. Und die besagte Frau hängt natürlich auch daran. In der Hand hält sie den Schwamm. „Was willst du von mir?“, frage ich sie. Aber sie lächelt bloß und oh mein Gott, sie erhebt sich. Den Schwamm lässt sie ins Wasser fallen und ich bedecke meine Augen. Erst als ich es Plätschern höre, traue ich mich, wieder hinzusehen. Es ist die Bademagd mit einem Eimer kalten Wasser.
29. Abschnitt (Oasenarchiv) (Ein Geheimnis) (Autor: Frank Beyer)
Bei Jusuf (Bibliothekar) zu nächtigen hat für mich nur Vorteile. Ich bin sicher, man lässt mir meine Ruhe und selbst Dart wird umsorgt. Was will ich denn mehr? Nur mein Gewissen plagt mich. Ich muss es ihnen sagen. Heute Abend werde ich mich offenbaren. Ganz bestimmt. Wenn sie mich dann verstoßen, habe ich es nicht anders verdient. Vorher suche ich aber noch nach weiteren Schriftrollen im Archiv. Jusuf scheint zu ahnen, wonach ich suche und geht mir zur Hand. Eine beschädigte Rolle liegt nun vor mir und ich mache mich ans Werk.
Hier geht es um die Gerichtsverhandlung, die offensichtlich für gehörige Aufregung in der Stadt sorgt. Die Betrüger werden zum Tode verurteilt. Constantin kommt mit einer hohen Geldstrafe davon und bedankt sich bei Tafor. Ohne ihn wäre er verloren gewesen. Wie sich herausstellt, hilft der gesamte Fall sogar der Karriere von Tafor, da die Verbesserungen in der Stadt ihm zugeschrieben werden. Verständlich, wenn Tafor davon angetan ist. Er weiß aber auch, ohne Constantins Naivität wäre all das nicht passiert. Die Wähler sind jedenfalls begeistert von Tafor und machen ihm viele Geschenke.
Tafor ist hochzufrieden, wie sich sein Leben entwickelt und wirbt um Yasamin als seine Braut. Überglücklich stimmt sie ihm zu und die Hochzeit soll noch im Sommer stattfinden. Arsan wird Trauzeuge und Eponia hilft bei den Vorbereitungen, wo sie nur kann. Die Nachricht über die Hochzeit verbreitet sich schnell in der ganzen Stadt. Yasamins Eltern reisen an und sind hocherfreut über ihren neuen Schwiegersohn. Die Hochzeit wird zu einem rauschenden Fest, das Brautpaar ist überglücklich.
Beim Pausentee sieht Jusuf (Bibliothekar) mich besorgt an. „Was bedrückt dich, mein Freund?“ Ist es mir so sehr anzusehen? Für einen Moment überlege ich, ihm alles zu erzählen. Doch dann besinne ich mich eines Besseren. Etwas später lese ich weiter.
Yasamins und Tafors Pläne bestehen aus einem großen Haus, Kindern, Haustieren und einer großen Reise. Nahezu jeden Tag äußert Yasamin andere Wünsche und Tafor will ihr alle erfüllen. Beginnen wollen sie mit einer großen Reise durch die Welt. Zuvor sucht Tafor das Gespräch mit Constantin. Während seiner Recherchen hat er eine Entdeckung gemacht, die er ihm nicht vorenthalten möchte, jetzt wo alles vorbei ist. Offensichtlich lebt der Zwerg Iguasu im Verborgenen bei einer der Adelsfamilien. Constantin kann sein Glück kaum fassen. „Endlich habe ich eine Spur von diesem verfluchten Zwerg!“ sagt er und umarmt seinen Sohn. Erst jetzt erkennt Tafor, wie wichtig diese Suche für Constantin ist. Gerne wüsste er mehr darüber, muss jedoch weiter, denn seine Braut ist bereit für die große Reise. Welch ein glücklicher Ausgang für den jungen Tafor. Ich bin fast ein bisschen neidisch. Hoffentlich hat das Schicksal etwas Vergleichbares für mich parat. Jetzt am Abend erscheint es mir falsch, die Wahrheit zu sagen. Ich werde in die Wüste gehen, um im auskühlenden Sand zu meditieren. Sicher wird mir das helfen. Und womöglich fällt mir etwas ein, wie ich Korush weiter hinhalten kann.
Hinweis:
Der Ich-Erzähler der Basisgeschichte wechselt von Tafor zu Constantin.
30. Abschnitt der Basisgeschichte: Ein Fels
Fünfzehnter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Neuer Mut
Fünfzehnter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Die Offenbarung
30. Abschnitt (Basisgeschichte) (Ein Fels) (Autor: Frank Beyer)
So viele Jahre sind vergangen und jetzt ist es Eponias Sohn, durch dessen Hilfe ich die Spur wieder aufnehmen kann. All die Zeit und ich hatte Iguasu quasi direkt vor der Nase. Welche seltsame Windungen das Schicksal doch manchmal bereit hält. Dabei war ich kurz davor, die Hoffnung aufzugeben. Jetzt bin ich wieder in der Offensive, habe es selber in der Hand, diesen Schuft zu finden. Tafors Erzählung zufolge ist der Zwerg bei einer Adelsfamilie untergekommen. Ausgerechnet bei der korrupten und verdorbenen Sippe, die mich fast ins Gefängnis gebracht hätte. Ich hätte es mir denken können, ja müssen!
Wo sich der Stammsitz der Adelsfamilie befindet, ist einfach herauszufinden. Ungleich schwieriger ist es, das Gelände zu beobachten. In einem großen Park befindet sich ein kleiner Palast. Rund um den Park ist eine hohe Mauer. Zahlreiche Wächter sind dort unterwegs. Offensichtlich haben die Adligen etwas zu verbergen und wissen sich zu schützen. In der näheren Umgebung ergibt sich kaum eine Möglichkeit für Beobachtungen. Da entdecke ich einen alten Kirchturm. Der Priester ist schnell überredet. Vom Kirchturm aus habe ich Einblick auf das Gelände. Mehrere Tage lang verbringe ich dort oben Stunde um Stunde. Die einzelnen Familienmitglieder sind schnell identifiziert. Einzig eine kleine Gestalt in einem grauen Umhang kann ich nicht zuordnen. Entweder handelt es sich dabei um Iguasu oder ein unbekanntes Familienmitglied. Es hilft alles nichts, auf Entfernung werde ich nicht schlauer, ich muss auf das Gelände. Wenn ich nur wüsste, wie sich diese kleine graue Gestalt immer so schnell verbergen kann. Ich habe ihn kein einziges Mal das Tor passieren sehen.
Ich beschließe, meine Observation in der Nähe des Tores fortzuführen. Nur dort kann ich Näheres erfahren. Wie ich aus Erfahrung weiß, machen die Wächter einen Rundgang, sind also nicht durchgehend am Tor. Den kurzen Zeitraum will ich nutzen und einen näheren Blick erhaschen. Wäre doch gelacht, wenn mir das nicht gelingt. Als die Zeit gekommen ist, finde ich mich am Tor ein. Tatsächlich sind die Wächter unterwegs. Wie sich herausstellt, lässt sich das Gitter am Eingang nur von Innen öffnen. Allerdings sind die Gitterstäbe weit genug voneinander entfernt, so dass ich mit einer Hand durchfassen kann. Vorsichtig öffne ich das Tor. „Wer bist du?“, ertönt eine Stimme neben mir. Erschrocken sehe ich einen Wächter vor mir. Ich murmel etwas Unverständliches und zeige dann in den Park und rufe laut „Da! Was ist das?“ Der Wächter fällt auf meinen Trick herein und ich renne weg. Leider werde ich verfolgt und muss mich in einem Gebüsch verstecken. Mein Herz klopft laut als der Wächter an dem Gebüsch vorbeigeht und mich offensichtlich nicht bemerkt. Nach einer Weile stellt er die Suche ein und begibt sich wieder auf seinen Posten. Ich warte noch einen Moment, weil mir ein großer Felsblock aufgefallen ist. Verwundert fasse ich den Stein an. Es ist nur eine Attrappe! Der Felsblock lässt sich anheben. Darunter befindet sich der Zugang zu einem Tunnel. Vermutlich ist dieser Tunnel der Grund, warum der Zwerg so schnell verschwinden kann. Morgen werde ich mit einer Laterne hier her zurückkehren und der Sache auf den Grund gehen.
30. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Neuer Mut) (Autor: Frank Beyer)
Mein Erlebnis gestern im Badehaus beschäftigt mich noch immer. Offensichtlich stellt diese Frau mir nach und scheut sich nicht, oh, ich will gar nicht daran denken. Wer weiß, was sie vorhat. Ich bin sehr unsicher, was ich machen soll. Zum Beten fehlt mir die rechte Konzentration. Vielleicht solle ich zum Kloster zurückkehren und mein Scheitern eingestehen? Obwohl, dieses Weibsbild tut mir ja nichts. Sie zeigt mir lediglich eine unzüchtige Weise. Es ist ein Test des Glaubens und ich werde ihn bestehen. Ich kann daraus nur lernen. Der Abt glaubt an mich und meine Fertigkeiten und ich will, ja ich darf ihn nicht enttäuschen.
Im Archiv finde ich nur den Archivar, der sich wie immer nichts anmerken lässt. Sonst ist niemand da. Ich suche mir die passende Schriftrolle und setze meine Recherche fort. Sicherheitshalber lege ich noch diverse andere Bücher auf den Tisch. Tarnung muss sein.
Constantin nimmt wieder die Spur von Iguasu auf. Er ärgert sich, weil er ihn doch fast vor der Nase hatte. Hätte er davon gewusst, wäre er viel früher aktiv geworden. Jetzt weiß er wo er nach ihm suchen kann. Der Zwerg ist ausgerechnet bei der Adelsfamilie untergetaucht, deren Machenschaften ihn fast in Gefängnis gebracht hätten. Wo diese Familie wohnt, ist schnell herausgefunden. Es handelt sich um ein ummauertes Grundstück mit einem Palast. Dort sind etliche Wächter unterwegs. Constantin findet einen Kirchturm in der Nähe, von dem aus er alles gut beobachten kann. Der Priester der Kirche lässt sich überreden und lässt ihn mehrere Tage lang diesen Beobachtungsposten nutzen. Die einzelnen Mitglieder der Familie kann er leicht zuordnen. Bei einer kleinen Gestalt in einem grauen Umhang vermutet er, es würde sich um den Zwerg handeln. Damit hat der Kirchturm seine Schuldigkeit getan und Constantin kann nur an dem Grundstück selbst etwas herausfinden. Er beschließt, sich Zutritt zu verschaffen. Er weiß, es ist gefährlich, doch anders sieht er keine Möglichkeit. Mir ist, als habe ich Stimmen gehört. Sehen kann ich niemand. Doch, ich bin mir sicher, der Archivar spricht mit jemand. Es geht mich vermutlich nichts an, also bleibe ich sitzen.
Meist gehen die Wächter im gleichen Takt am Tor und am Gelände auf und ab. Die Zeit dazwischen will Constantin nutzen, um sich einzuschleichen. Ein Wächter überrascht ihn und nur durch einen Trick kann er entkommen. Sein Versteck ist ein Gebüsch und dort fällt sein Blick auf einen merkwürdigen Felsbrocken. Dieser entpuppt sich als eine Fälschung. Als er ihn untersucht, findet er darunter einen Tunnel, der nach unten führt. Constantin vermutet, dieser Tunnel dient als heimlicher Weg nach draußen. Auf diese Weise kann Iguasu rein und raus, ohne gesehen zu werden. Am nächsten Tag will Constantin mit einer Laterne zurückkommen und den Tunnel näher untersuchen. Jetzt, wo es spannend wird, endet die Schrift. Heute werde ich nicht weiterlesen. Ich traue dem Frieden hier nicht. Wer weiß, was diese Frau ausheckt. In der Schenke bin ich gerne gesehener Gast. Wieder gewinne ich Geld beim Würfeln. Dabei wollte ich doch nur etwas essen.
30. Abschnitt (Oasenarchiv) (Die Offenbarung) (Autor: Frank Beyer)
Endlich habe ich mich Jusuf (Bibliothekar) und seiner Frau erklärt. Ihre Reaktion war überraschend. Sie wissen alles über uns Skorpionreiter. Ich hätte es mir denken können, wo Jusuf sich doch so gut mit Skorpionen auskennt. Er beruhigt mich und erklärt mir, niemand in seinem Haus würde mich verachten. Nicht einmal, wenn ich weiterhin fremde Götter anbete. Unsagbare Erleichterung macht sich in mir breit. Jetzt kann ich mit ruhigem Gewissen mit meiner Recherche fortfahren.
Dank der Informationen von Tafor kann Constantin wieder die Spur von dem Zwerg Iguasu aufnehmen. Er ärgert sich, weil er ihn mehr oder weniger vor der Nase hatte, jedoch nichts davon wusste. Jetzt, nachdem er weiß, wo er ihn suchen muss, kann er wieder die Initiative ergreifen. Der Zwerg ist bei der Adelsfamilie untergetaucht, deren Machenschaften ihn fast ins Gefängnis gebracht hätten. Er hat absolut Recht. Wenn er wieder handeln kann, befindet er sich im Vorteil. Nun muss er diesen auch nutzen.
Die Adelsfamilie bewohnt einen kleinen Palast auf einem ummauerten Grundstück. Zahlreiche Wächter passen darauf auf. Constantin findet einen Kirchturm in der Nähe, von dem aus er alles gut ihm Blick hat. Den Priester der Kirche kann er schnell überreden und an mehreren Tagen diesen Beobachtungsposten nutzen. Die Mitglieder der Familie kann er zuordnen, doch vom dem Zwerg ist auch nach mehreren Tagen nichts zu sehen. Lediglich eine kleine Gestalt in einem grauen Umhang weiß er nicht zu deuten, vermutet jedoch, es handelt sich um den Zwerg. Da er von dem Kirchturm aus nicht weiterkommt, beschließt Constantin sich Zutritt zu dem Gelände zu verschaffen. Eine logische Schlussfolgerung. Wenn er weiterhin nur beobachtet, verliert er den zuvor gewonnenen Vorteil. Sollte es der Zwerg sein, ahnt er nicht beobachtet zu werden. Und ist er es nicht, kann Constantin vielleicht etwas Sinnvolles erfahren. Er kann also nur gewinnen.
Die Wächter gehen ihre Runden meist im gleichen Takt. Das will Constantin ausnutzen, um sich durch das Tor zu schleichen. Auf dem Grundstück wird er von einem Wächter überrascht. Durch einen Trick entkommt er und kann sich außerhalb verstecken. Durch Zufall findet er dabei einen Felsblock in einem Gebüsch, der sich seltsam anfühlt. Es handelt sich um eine Attrappe, die sich anheben lässt. Darunter findet er einen Tunnel, der nach unten führt. Er vermutet, dieser Tunnel dient dem Zwerg, um ungesehen das Haus verlassen zu können. Am kommenden Tag will er den Gang mit einer Laterne erforschen. Wer hätte das gedacht? So erklärt sich einiges. Dieser Zwerg hat sich ganz offensichtlich sein Leben gut eingerichtet und bleibt im Verborgenen. Es kann nur der Zwerg sein, da bin ich mir sicher. Bestimmt werde ich in der nächsten Schrift eine Bestätigung meiner Vermutung finden. Doch jetzt muss ich nach Dart sehen. Ich habe ihm einen Ausritt versprochen und einen Skorpion lässt man nicht warten.
31. Abschnitt der Basisgeschichte: Der Spruch
Sechzehnter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Ein kleiner Irrtum
Sechzehnter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Zittrige Finger
31. Abschnitt (Basisgeschichte) (Der Spruch) (Autor: Frank Beyer)
Ausgerüstet mit einer Laterne sowie Kerzen und diesen neuartigen Zündhölzern finde ich mich wieder bei dem Zugang zum Tunnel. Diesmal habe ich aufgepasst und keiner der Wächter am Tor hat mich gesehen. Wenn ich hier jetzt einen Zugang zum Gelände finde, bin ich einen großen Schritt weiter.
Der Tunnel ist fein säuberlich ausgehoben und mit Balken abgestützt worden. Wie ich es mir gedacht habe, führt er schnurgerade auf die Mauern und das Gelände zu. Nach rund 50 Schritt sehe ich eine Leiter vor mir. Sie führt zu einem Deckel, der sich leicht anheben lässt. Ich klettere hoch und befinde mich in einem Stall. Es riecht nach Heu und vor allem nach Pferd. Eines der Tiere schnaubt unruhig. Vorsichtig schleiche ich mich nach draußen. Ich sehe eine Seitentür, die direkt ins Gebäude führt. Langsam bewege ich mich vorwärts, bis unmittelbar vor mir eine Gestalt auftaucht. „Wer bist du?“, fragt der Wächter. Reaktionsschnell verpasse ich ihm einen Kinnhaken. Er klappt zusammen. Ich fessel ihm mit seinem Gürtel und stopfe ihn ein Halstuch in den Mund. So weit bin ich also gekommen, schleiche hier herum wie ein gemeiner Dieb. Sicherheitshalber schleife ich ihn in den Stall und gehe dann endlich ins Gebäude.
Im Gebäude ist es still, alles scheint zu schlafen. Mehrere fein dekorierte Saloons liegen vor mir, dann finde ich einen Zugang zum Keller. Dort unten werden Vorräte aufbewahrt und es gibt auch einen Weinkeller, aber nichts Auffälliges. Weiter hinten finde ich eine schwere Holztür mit einem vergitterten Fenster. Dahinter ist eine enge Kammer, in der ein Skelett an die Wand gekettet ist. Angewidert verlasse ich diesen Ort und begebe mich wieder nach oben. Über eine Treppe gelange ich in die oberen Stockwerke. Dem leisen Schnarchen nach zu urteilen liegen hier die Schlafräume. Außerdem finde ich ein Lesezimmer sowie eine Bibliothek. Nichts, was mich weiter bringen würde. In einem abgelegenen Flügel des Hauses finde ich eine weitere Treppe nach oben. Neugierig gehe ich weiter.
In diesem Stockwerk sieht alles weniger prunkvoll aus. Hinter einer schweren Eisentür finde ich eine Werkstatt. Erst auf den zweiten Blick fällt mir auf, hier ist alles seltsam niedrig. Die Werkbänke und Tische, alles wirkt, wie für Kinder gemacht. Oder eben für einen Zwerg. Mir scheint, hier bin ich richtig. Im nächsten Raum finde ich eine kleine Bibliothek sowie einen Balkon mit einem Teleskop, auf einem Lesepult sehe ich einen Folianten. Auf den Seiten befinden sich mehrere Einträge. Vorsichtig blättere ich ein paar Seiten um. Mein Instinkt gibt mir Recht, denn schnell finde ich einige Zeilen über die Weltkarte. Meine Hände zittern vor Aufregung, als ich weiter blättere. Offensichtlich hat Iguasu wirklich die Weltkarte gestohlen. Allerdings hat er sie verborgen, wie ich lesen muss. Wo, das schreibt er leider nicht genau. Er scheint niemanden zu trauen, weswegen er es umschreibt:
Verborgen dort, wo sie niemand vermutet, versteckt vor denen, die sie nicht zu würdigen wissen.
Diesen Spruch muss ich mir unbedingt merken. Momentan sagt er mir nichts, aber ich werde es herausfinden. Bald geht die Sonne auf und ich muss zurück, bevor mich jemand sieht. Draußen stolpert ein Wächter über mich. So schnell ich kann, laufe ich weg. Ob man mich erkannt hat, weiß ich nicht.
31. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Ein kleiner Irrtum) (Autor: Frank Beyer)
Noch am gestrigen Abend ist mir seltsames widerfahren. Als ich bereits in meiner Kammer saß, wurde die Tür aufgestoßen. Es war meine Nachbarin, die sichtlich angetrunken mit einem Mann hereinkam. Sie ließ ihren Bademantel fallen und küsste auf hemmungslose Weise ihren Begleiter, der sich ebenfalls entkleidete. Erst als ich mich räusperte, erkannten sie ihren Irrtum und verschwanden schneller als sie hereingekommen waren.
Für mich lässt es nur einen Schluss zu: Ihre Verwandten sind bereits abgereist. Dennoch empfand ich es als verstörend, sie so unbekleidet zu sehen. Ich meine, ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hingucken, ich meine natürlich, wo ich weggucken sollte. Ausgeschlafen mache ich mich auf den Weg zum Archiv. Die letzten Schriftrollen liegen vor mir.
Constantin ist bereit, den versteckten Tunnel zu erkunden. Er hat eine Laterne und ein Seil bei sich, um sich abzusichern. Sollte dies wirklich ein getarnter Weg auf das Gelände sein? Als er den Deckel anhebt, tritt ihm abgestandenen Luft entgegen. Vorsichtig klettert er hinab und leuchtet den Weg aus. Die Decke des Tunnels ist mit Balken abgestützt. Der Gang führt direkt auf das Gelände zu und endet an einer Leiter. Von dort aus gelangt Constantin zu einem Deckel, den er vorsichtig anhebt. Geruch von Heu und Pferden kommt ihm entgegen. Er verlässt den Stall und geht vorsichtig auf das Haupthaus zu. Dort begegnet er einem Wächter, den er bewusstlos schlägt. Gefesselt und geknebelt bringt er den Wächter in den Stall und betritt dann das Haus. Er findet mehrere Saloons und andere Räume. Alles ist prächtig dekoriert und zeugt von Vermögen. Zu hören ist nichts, die Bewohner scheinen alle zu schlafen. Constantin beginnt seine Suche im Keller. Dort findet er Vorräte, vor allen Dingen aber eine Zelle mit einem angeketteten Skelett. Angewidert sucht er oben weiter und findet mehrere Schlafzimmer, aus denen leises Schnarchen dringt. Außerdem gelangt er zu einer Bibliothek. Eine Treppe führt ihn unter das Dach. „Na, hast du alles gesehen, was du sehen wolltest“, fragt die junge Frau doppeldeutig. Erschrocken blicke ich auf. „Ja, äh nein.“ Sie lacht und lässt mich sitzen. Ich habe mich also nicht geirrt und sie stellt mir tatsächlich nach. Zum Glück hat sie nicht gemerkt, was ich hier lese.
Das oberste Stockwerk ist weitaus prunkvoller als der untere Bereich. Alles hier ist ungewöhnlich klein, seien es Stühle, Werkbänke oder Tische. Constantin unterstellt, alles habe Zwergengröße. In einer Bibliothek findet er ein aufgeschlagenes Buch auf einem Lesepult. Schnell überfliegt er einige Seiten und erkennt es als das Tagebuch von Iguasu. Er blättert nach vorne und findet den Hinweis auf die Weltkarte. Iguasu hat sie tatsächlich gestohlen und versteckt. Wo, schreibt er leider nicht, aber es gibt dazu ein Rätsel:
Verborgen dort, wo sie niemand vermutet, versteckt vor denen, die sie nicht zu würdigen wissen.
Welch verzwicktes Rätsel das doch ist. Ich werde später darüber nachdenken. Jedenfalls ist das der entscheidende Hinweis. Constantin weiß auch keine Lösung und er prägt sich diesen Spruch ein. Vorsichtig schleicht er sich wieder aus dem Haus und läuft vor einem weiteren Wächter davon. Er hofft, nicht erkannt worden zu sein. Die letzte Rolle hebe ich mir für morgen auf. Mein Rücken schmerzt und die Augen brennen. Etwas Erholung wird mir gut tun. Und vielleicht fällt mir etwas zu dem Rätselspruch ein, während ich im Wasser liege.
31. Abschnitt (Oasenarchiv) (Zittrige Finger) (Autor: Frank Beyer)
In der letzten Nacht habe ich vor Aufregung schlecht geschlafen. Zu groß ist meine Neugier darauf, wie es weitergeht. Findet Constantin womöglich die verlorene Weltkarte? Und wenn ja, was macht er damit? Sollte ich sie für den Großwesir auftreiben können, wird er mich fürstlich belohnen. Zumindest hat er es versprochen. Jusuf bemerkt meine Aufregung, sagt aber nichts. Vor lauter Aufregung zittern meine Finger, als ich den Verschluss der Schriftrolle löse und sie langsam vor mir ausbreite.
Angespannt macht Constantin sich am nächsten Tag auf den Weg, den Tunnel zu erkunden. Er hofft sehr, Recht zu behalten und ungesehen auf das Grundstück zu gelangen. Tatsächlich ist der Tunnel gut ausgebaut und führt direkt auf das Gelände zu. Er endet an einer Leiter und einem Deckel, der sich leicht anheben lässt. Constantin findet sich in einem Stall wieder und schleicht nach draußen. Eine Seitentür führt in den Palast, doch zuvor taucht einer der Wächter auf. Diesmal geht Constantin kein Risiko ein und schlägt den Mann bewusstlos. Gefesselt und geknebelt versteckt er ihn im Stall, bevor er das Gebäude erkundet. Die Bewohner scheinen alle zu schlafen. Constantin findet mehrere Saloons und setzt seine Suche im Keller fort. Er findet Vorräte, vor allen Dingen aber eine Zelle, in der ein Skelett angekettet ist. Angewidert sucht Constantin oben weiter und findet mehrere Schlafzimmer, aus denen leises Schnarchen dringt. Später findet er eine Bibliothek und schließlich eine Treppe, die unter das Dach führt. Was für ein mutiger Mann! Wenn man ihn hier erwischen würde, ihm würde das gleiche blühen, was auch dem armen Narren im Keller geschehen ist.
Das oberste Stockwerk ist weniger prunkvoll als der Rest. Tische, Stühle, Werkbänke, alles ist dort niedriger, eben wie für einen Zwerg gemacht. Constantin findet eine Bibliothek mit einem Lesepult. Dort liegt ein aufgeschlagenes Buch mit zahlreichen Einträgen. Er blättert ein paar Seiten zurück und liest. Es handelt sich um das Tagebuch von Iguasu. Je mehr er liest, desto mehr staunt er. Iguasu hat wirklich die Weltkarte gestohlen und sie an einem geheimen Ort versteckt. Wo, wird nicht genau beschrieben, aber es gibt ein Rätsel, welches den Ort umschreibt.
Verborgen dort, wo sie niemand vermutet, versteckt vor denen, die sie nicht zu würdigen wissen.
Verdammt! Was soll das denn sein? Dieser Spruch sagt mir gar nichts. Jetzt kann ich nur hoffen, Constantin kann es entschlüsseln. Sonst wird das nichts mit meiner Belohnung. All die Mühe und jetzt so etwas. Streng dich an Farokh, überlege dir, was das bedeutet. „Das ist es also“, höre ich jemand sagen. Zu meinem Entsetzen steht der Gehilfe von Korush (Hüter der Oase) neben mir und rennt nach draußen. Für einen Moment zögere ich. Wenn ich ihm nacheile, kann ich nicht weiterlesen. Es sind nur noch wenige Zeilen.
Constantin prägt sich diesen Spruch ein. Auch wenn er ihn nicht versteht, er will dieses Rätsel lösen. Meine schlimmste Befürchtung nimmt Gestalt an. Er weiß es auch nicht. Irgendetwas Schlaues muss ihm einfallen. Muss einfach! Hier steht, er schleicht sich vorsichtig wieder aus dem Haus und läuft vor einem weiteren Wächter davon. Er hofft, nicht erkannt worden zu sein. Gut, er ist entkommen. Dann muss er jetzt nur noch das Rätsel lösen. Ich muss hier raus. Meine Augen brennen bereits vom vielen Lesen. Morgen weiß ich mehr.
32. und letzter Abschnitt der Basisgeschichte: Furcht um die Zukunft
Siebzehnter und letzter Arbeitstag des Mönches im Stadtarchiv von Weststädten: Eine saubere Lösung
Siebzehnter und letzter Arbeitstag des Schamanen im Oasenarchiv: Die Hand des Großwesirs
32. Abschnitt (Basisgeschichte) (Furcht um die Zukunft) (Autor: Frank Beyer)
Voller Anspannung und doch todmüde komme ich zuhause an. Über das, was ich in Erfahrung gebracht habe, muss ich nachdenken. Irgendwie tut es gut, nach all dieser Zeit endlich diesem Zwerg auf den Fersen zu sein. Ungleich wichtiger, ich weiß nicht nur, wo er sich versteckt hat, sondern habe einen Hinweis darauf, wo die Weltkarte ist. Er hat sie also tatsächlich gestohlen. Die Legende ist also wahr. In meiner Zeit würde ich jetzt vermutlich berühmt werden. Solch eine Entdeckung gelingt nur wenigen. Aber vielleicht kann ich aus meinen Erkenntnissen Gewinn schlagen. Ich habe keine Vorstellung, wie die Leute reagieren, wenn ich die Weltkarte wieder zum Vorschein bringe. Wobei ich mir eingestehen muss, noch weiß ich nicht, wie ich das machen werde. Der Rätselspruch ist nicht leicht zu verstehen. Ein paar Stunden Schlaf werden mir sicher gut tun.
Am Nachmittag wache ich auf. Habe irgendetwas Wirres geträumt. Der Zwerg war da und auch die Karte. Dann habe ich Sonnenlicht gesehen und da war etwas mit einem Spiegel. Sicher alles nur wegen der Ereignisse gestern. Der Wächter fällt mir wieder ein. Hoffentlich hat man den armen Kerl im Stall gefunden. Ich könne es mir nicht verzeihen, wenn er zu Schaden gekommen wäre. Später spreche ich mit Eponia und berichte ihr, was ich herausgefunden habe. „Du leichtsinniger Trottel!“, schimpft sie mich. „Du hättest umkommen können. Und was wäre dann mit mir?“ Erst jetzt geht mir auf, wie Recht sie hat. Es war wirklich gefährlich, zumal niemand wusste, wo ich war. Sie sieht mich fragend an und wartet auf eine Reaktion. Erst jetzt verstehe ich. „Was aus dir wird? Meinst du es so, wie ich es meine?“, frage ich sie. Zögerlich nickt Eponia. „Natürlich. Ich könnte nicht mehr ohne dich. Weißt du das denn nicht? Für mich gab es nie einen anderen.“ Ich umarme und küsse sie. Als wir uns voneinander lösen, streift sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hat man dich erkannt?“ Ich zucke mit den Schultern. „Wenn ja, dann bist du hier nicht mehr sicher“, erklärt sie und schlägt mir vor, Weststädten zu verlassen, um irgendwo in der Ferne neu anzufangen. Schweren Herzens stimme ich ihr zu. Da unser Sohn in den Flitterwochen ist, schreiben wir ihm einen Abschiedsbrief. Unsere Zeit hier in der Stadt scheint vorüber. Mir geht der Rätselspruch nicht aus dem Kopf. Wie kann etwas verborgen sein, wo es niemand vermutet? Ist das nicht immer so bei Verstecken? Ganz offensichtlich ist es mir nicht vergönnt, auch dieses Rätsel zu lösen. Dann sollen eben andere versuchen, dieses Rätsel zu lösen. Vielleicht haben sie mehr Glück. Leib und Leben sind mir wichtiger, erst Recht mit einer Frau an meiner Seite, die mich liebt. Ich werde aus der Öffentlichkeit verschwinden. Am besten aus der ganzen Geschichte. Hoffentlich habe ich nicht zu viel verändert, denn ich fürchte um die Zukunft.
32. Abschnitt (Stadtarchiv von Weststädten) (Eine saubere Lösung) (Autor: Frank Beyer)
Der Rätselspruch ist wirklich gut verschlüsselt. All das Nachdenken bringt mich bisher nicht weiter. Die Bademagd meinte auch, ich sei nachdenklich und sehr verspannt. Sie ist kaum zu bremsen mit dem Schwamm. Immerhin fühle ich mich sauberer als jemals im Leben zuvor.
Ich gehe heute etwas später ins Archiv und betrete das Gebäude sehr leise. Der Archivar spricht mit jemanden. Es ist wieder diese Frau. Ich höre nur ein paar Wortfetzen. Sie fragt nach ihrer Bezahlung. Um auf mich aufmerksam zu machen, huste ich. Die Beiden erschrecken und starren mich mit großen Augen an. „Es ist nicht so wie du denkst“, sagt der Archivar und lächelt angestrengt, während er verzweifelt nach einer Ausrede sucht. „Du bist also nicht an meiner Recherche interessiert und hast auch nicht diese Frau dafür bezahlt, mir nachzuspionieren und bis ins Badehaus zu verfolgen?“, frage ich ihn. „Nein“, sagte die junge Frau. „Im Badehaus war ich freiwillig.“ Ich werfe ihr einen verächtlichen Blick zu. „Bitte entschuldige meine Neugier“, sagt der Archivar. „Ich dachte, du wärst auf Schatzsuche, aber offensichtlich suchst du nur nach alten Kochrezepten.“ Ich nicke und begebe mich zu den Regalen. Dort winke ich mit einer Abhandlung über Gewürze. Die junge Frau bekommt einen klimpernden Beutel überreicht und verlässt das Gebäude. Endlich lese ich die letzte Schriftrolle und niemand stört mich mehr. Constantin gelingt die Flucht von dem Gelände. Zuhause denkt er dann über das nach, was er erlebt und vor allen Dingen erfahren hat. Wie es in der Legende heißt, ist Iguasu also wirklich der Dieb der Weltkarte. Solle es ihm gelingen, diese Karte wieder aufzutreiben, sei sein Ruf als Forscher gesichert. Allerdings ist ihm klar, er muss zuvor den Rätselspruch deuten. Er ruht sich aus und weiht später Eponia in alles ein. So sehr sie sich auch für ihn freut, so entsetzt ist sie auch, über das Risiko, welches er eingegangen ist. Das wird ihm auch erst jetzt klar und er entschuldigt sich, so leichtsinnig gewesen zu sein. Zugleich versichert er ihr, wie sehr er sie lieben würde. Später wirft sie die wie ich finde berechtigte Frage auf, ob man ihn erkannt habe. Constantin ist sich nicht sicher, ahnt jedoch, der Wächter weiß, mit wem er es zu tun hatte. Um nicht in Gefahr zu sein, beschließen Eponia und Constantin schweren Herzens, Weststädten zu verlassen. Er hofft sehr, keinen Schaden im Ablauf der Zeit angerichtet zu haben. Damit endet die Geschichte. Kaum zu glauben, doch das ist alles. Ich hatte gehofft, mehr zu finden. Na ja, jetzt muss sich der Abt mit dem zufrieden geben, was ich ihm bringe. Es ist eine ganze Menge und er wird sicher zufrieden sein. Der Gedanke, wieder ins Kloster zurückzukehren, gefällt mir irgendwie nicht. Die Stadt ist alles andere als der Sündenpfuhl, den mir der Abt beschrieben hat. Vielleicht kann ich ihn davon überzeugen, mich auf Dauer hier her zu versetzen. Jemand muss sich schließlich um das geistliche Wohl der Leute kümmern. Das sei eine saubere Lösung für uns beide.
32. Abschnitt (Oasenarchiv) (Die Hand des Großwesirs) (Autor: Frank Beyer)
Eine letzte Schriftrolle liegt vor mir. So sehr ich auch gesucht habe, hier sind endlich die letzten Informationen und meine Rechercheaufgabe ist gelöst. Jetzt entscheidet sich, ob ich eine Belohnung bekomme oder Schande ernte. Ich wollte mir einen Namen machen. Farokh, der Große, so etwas hätte mir gefallen. Und jetzt liegt es an einer Schriftrolle und alles nur, weil ich mit dem Rätsel nichts anfangen kann. Dieser verdammte Korush (Hüter der Oase) wird auch nichts damit anfangen können.
Die Flucht von dem Gelände gelingt Constantin. Wieder zuhause denkt er über die Erlebnisse nach. Ihm tut es gut, nach all den Jahren endlich so viel herausgefunden zu haben. Vor allen Dingen der Beweis, das Iguasu wirklich der Dieb der Weltkarte ist, macht ihn glücklich. Wenn er jetzt noch die Weltkarte finden solle, würde er berühmt werden. Der Rätselspruch ist seine einzige Fährte. Meine auch. In meiner Verzweiflung habe ich Jusuf (Bibliothekar) danach gefragt. Er, der so viel gelesen hat in seinem Leben, auch er weiß keine Lösung dafür.
Nach ein paar Stunden Schlaf und wirren Träumen über den Zwerg offenbart er sich Eponia. Sie schimpft mit ihm, weil er so leichtsinnig ist und sein Leben aufs Spiel setzt. Erst jetzt wird Constantin bewusst, wie übel sein Abenteuer hätte ausgehen können. „Du hättest umkommen können. Und was wäre dann mit mir?“, so lautet ihre Frage. Constantin versteht und sie gesteht ihm ihre Liebe. Zugleich fragt sie, ob man ihn erkannt hat. Er ist sich nicht sicher, vermutet aber, der Wächter wisse Bescheid. Da sie sich nicht mehr sicher fühlen, beschließen sie, Weststädten zu verlassen und ihr Glück in der Ferne zu suchen. Constantin bereut es, doch er versteht, dass es ihm nicht gegeben ist, den Rätselspruch zu lösen. Er hofft, andere haben dabei mehr Glück als er. In Zukunft will er sich ganz Eponia widmen und aus der Öffentlichkeit verschwinden. Am Liebsten sei es ihm, er könne ganz aus der Geschichte verschwinden und nirgends eine Spur hinterlassen. Es sorgt ihn auch, er könnte etwas am Ablauf der Ereignisse für die Zukunft verändert haben.
Das war alles? Ich habe mehr erwartet. Nun kann ich mich von meinem Freund Jusuf (Bibliothekar) verabschieden. Dart kann es sicher auch kaum erwarten, diese Oase zu verlassen. Ich kann kaum glauben, dass jetzt alles vorbei sein soll. Allerdings ist Dart nicht dort, wo ich ihn zurückgelassen habe. Jusuf grinst und erklärt mir, Korush (Hüter der Oase) hat nach mir gesucht und wollte Dart beschlagnahmen. Deswegen hat er den Skorpion heimlich in der Wüste versteckt. Damit hat er sich als echter Freund erwiesen. Mit Wehmut folge ich ihm in die Wüste hinaus und er zeigt mir die Stelle, wo Dart bereits wartet. Wir verabschieden uns herzlich und ich schwinge mich auf Darts Rücken. Bevor ich hinter einer Düne verschwinde, drehe ich mich noch einmal um. Jusuf winkt noch immer. Eigentlich war die ganze Recherche eine spannende Erfahrung. Der Großwesir wird sicher nicht begeistert sein und mich wie versprochen belohnen. Wenn ich doch nur wisse, was dieses Rätsel bedeutet! Wer weiß, vielleicht schickt er mich erneut auf eine Suche? Oder er ernennt mich zum Meister der Recherche oder so etwas? Allerdings kann mir auch ein schlimmes Schicksal blühen. Solle er unzufrieden mit meiner Arbeit sein, dann, nein, ich will es mir lieber nicht ausmalen. Ich weiß, wie grausam er sein kann. Sei es nicht besser, ich würde erst zurückkehren, wenn ich die Lösung parat habe? Nein, derartige Schwäche ist verachtenswert. Ich stelle mich meinem Schicksal und lege mein Wohl in die Hand des Großwesirs.
In dem Salon (Im königlichen Palast zu Auropolis) sitzen bereits die Weisen Omeger und Sofis. Sie warten ungeduldig auf das Erscheinen von Archon. Endlich gesellt sich der Älteste der Weisen zu Ihnen. „Verzeiht, meine Herren, ich wurde aufgehalten.“
„Hauptsache ist, du bist da. Die Königin ist schon sehr neugierig“, meint Sofis.
„Und sie sei heute gut gelaunt“, fügt Omeger hinzu. „Zumindest ließ mich das einer der Diener so verstehen. Wir haben also Glück, wenn wir ihr unsere Ergebnisse präsentieren.“
Skeptisch sah Archon die anderen beiden an. „Glück? Habt ihr das Rätsel etwa lösen können?“
„Nein, noch nicht, aber wir sind kurz davor“, gab Sofis zu.
„Wir bringen der Königin einfach den Rätselspruch“, schlug Omeger vor. „Wenn sie ihn deuten kann, sind wir sicher.“
„Ihr Narren! Habt ihr eine Vorstellung, was uns blüht, wenn wir das Rätsel nicht lösen können? Ich weiß, was mit den unwilligen Forschern passiert ist. Glaubt mir, ihr möchtet es nicht wissen“, erklärte Archon vielsagend.
Bevor die anderen etwas fragen können, betritt ein Diener den Salon. „Die Königin lässt nun bitten!“
Bedächtig folgen ihm die drei Weisen in den prachtvollen Thronsaal. Vor dem Thron sind drei kleine Schemel platziert. Die Königin sitzt in einem Seidenkleid auf dem Thron. „Na endlich“, begrüßt sie die Weisen. „Setzt euch und erstattet Bericht. Oder noch besser, zeigt sie mir.“
Langsam setzen die drei Weisen sich auf die Schemel. Archon ergreift das Wort.
„Oh großherzige und erhabene Königin, wir haben in allen Ländern nach Hinweisen gesucht und eine Menge darüber erfahren, was passiert ist.“
„Unglaubliche Dinge“, pflichtet Sofis ihm bei. „Der beauftragte Forscher hat eine Zeitreise gemacht und ...“
„Langweilt mich nicht mit den Details. Wo ist die Karte?“, fragt die Königin mit stechendem Blick.
Omeger steht auf. „Wir wissen es nicht genau, doch wir haben folgenden Rätselspruch: Verborgen dort, wo sie niemand vermutet, versteckt vor denen, die sie nicht zu würdigen wissen.“
„Verborgen dort“, murmelt die Königin. „Was bedeutet das? Wo ist sie? Oder wollt ihr mir sagen, ihr wisst es nicht?“
„Nicht genau“, gestand Archon ein. „Jedoch haben wir natürlich zahlreiche Vermutungen und überprüfen die möglichen Fundorte nach dem Verbleib der ...“
„Ihr wisst es also nicht und wagt es, vor mich zu treten?“, fragt die Königin mit bebender Stimme. Nur mühsam behält sie die Beherrschung. „Es wäre schade, wenn ich mir neue weise Männer suchen müsse, aber was nützt es denn, wo ihr doch offensichtlich inkompetente Narren seid!“
„Lasst uns doch gemeinsam darüber nachdenken“, schlug Omeger vor. „Vielleicht sind wir die Sache falsch angegangen. Wo würde denn niemand die Karte vermuten?“
Die weisen Männer grübeln eine Weile. Immer wenn einer eine Idee zu haben scheint, blickt die Königin ihn freudig an, nur um ihn dann wieder den Kopf schütteln zu sehen. Für eine Weile schaut sie den Weisen zu, bevor sie selber spricht. „Ich vermute, ich werde die Karte niemals vor mir sehen. Ihr seid unfähig und dem Henker wird es eine Freude sein...“
„Ich weiß es!“, platzt es aus Archon heraus.
„Was?“ Wie?“ „Wo?“, fragen alle durcheinander.
„Es ist nur eine Vermutung, doch es kann nur so sein“, meint Archon geheimnisvoll. „Folgt mir.“
Er führt die anderen aus dem Palast heraus. Aufgeregt folgt eine Schar Diener der Königin, die vor Aufregung fast vergisst, sich in einer Sänfte tragen zu lassen. Erst als eine Zofe sich ihr mutig in den Weg stellt und auf die eilig herbeigeschaffte Sänfte zeigt, willigt die Königin ein. Archon geht direkt in das nahegelegene Ratsgebäude des Königreichs, ein vor langer Zeit erbautes Haus mit einem großen Versammlungsraum. Verwirrt lassen die Wächter alle hinein. „Ist denn heute eine Ratssitzung?“, fragen sie verwirrt, bekommen jedoch keine Antwort. Zielstrebig eilt Archon in den Versammlungsraum. Die Wände dort sind mit großen Wandgemälden geschmückt, die über die glorreiche Geschichte der Länder der Heiligen Quellen erzählen. Mittlerweile sind auch zahlreiche Diener angekommen und sogar einige der Räte finden sich ein. Überall wird gemurmelt. „Die Weltkarte“ oder „Man hat sie gefunden“. Immer mehr Menschen drängen in den Saal.
Für einen Moment betrachtet Archon die Gemälde, betrachtet die üppigen Wälder, die Bilder der Städte und das Land Dykuma. Erst dann tritt er auf das Bildnis der Höhlen zu. „Dort muss sie sein. Hier und nur hier.“ Vorsichtig hebt er das Bild von der Wand an. Sofis und Omeger gehen ihm zur Hand und drehen das Gemälde um. Auf der Rückseite befindet sich die verschollene Weltkarte. Ungläubig erstaunt betrachtet die versammelte Menschenmenge, was darauf zu sehen ist. Die einzelnen Länder mit all ihren Siedlungen und Städten, mit heiligen Orten und im Sonnenlicht funkeln ihnen mehrere Diamantenminen entgegen. Zugleich ist in jedem Land eine kleine Figur zu erkennen. „Das müssen die Oberhäupter der Länder sein“, erklärt Omeger. „Und dies sind die Fundorte von Diamanten. Bekannte und auch unbekannte Lagerstätten“, stellt Sofis fest. „Unglaublich, was da nicht noch alles zu finden ist.“ „Habe ich zu viel versprochen, werte Königin?“, fragt Archon und sieht zu seinem Entsetzen, wie die Königin angesichts der Menschenmenge das Gesicht verzieht. Sie tritt auf ihn zu und flüstert. „Sieh zu, wie du deinen und meinen Kopf rettest.“ Archon schluckt und überlegt für einen Moment. Dann stellt er sich an das Redepult und räuspert sich laut, woraufhin alle zu ihm schauen.
„Dies ist nun also die verschollene Weltkarte, die unsere hochverehrte Königin wiederentdeckt hat. Sie hat weder Kosten noch Mühe gescheut, diese magische Karte zum Wohle aller hier herbringen zu lassen. Ein dreifaches Hoch auf die Königin!“
„Sie lebe HOCH . . . HOCH . . . HOCH“, ruft die Menge.
Noch bevor die Leute sich wieder beruhigen, sieht Archon, wie die Königin sich in ihre Loge setzt und ihm zufrieden lächelnd zunickt.
Ich hoffe Ihnen hat unser kleines eBook gefallen.
Der Post „Von der Brettspielidee zum Spiel im Buch“ erklärt, wie es zum ursprünglichen Konzept kam, welches der Startschuss für meine Arbeit war:
„Von der Brettspielidee zum Spiel im Buch:
Am Anfang war der Wunsch ein Buch als Spiel zu entwickeln. Eines Tages saß ich wieder am Schreibtisch vor einer handschriftlichen Skizze. Das Spielfeld bestand aus mehreren Ländern und in jedem Land gab es mehrere Kästchen. Ich schnitt Plättchen aus, mit einer weißen Rückseite und den Buchstaben A, B, C und D auf der Vorderseite. Es gab also vier politische Fraktionen. Diese Plättchen wurden verdeckt gemischt und auf die Kästchen verteilt. In jedem Land lagen also mehrere verdeckte Plättchen. Im Spiel ging es darum, die Plättchen aufzudecken. Es sollten immer nur zwei Fraktionen gleichzeitig aufgedeckt sein. Wurde eine dritte Fraktion aufgedeckt, mussten die Plättchen einer der anderen beiden Fraktion wieder verdeckt werden. Es ging also auch darum sich zu merken, welcher Buchstabe wo lag. Für das Spiel sollten nun die Mehrheitsverhältnisse in den Ländern relevant sein.
Schließlich kam mir die Idee, dass diese Brettspielidee geeignet sein könnte, um es als Spiel im Buch umzusetzen. Alle Konstellationen der Fraktionen würden im Buch abgedruckt werden. So entstand die Idee, dass immer zwei der vier Fraktionen politisch aktiv waren. Daraus ergaben sich sechs Konstellationen. Für die vier Fraktionen gab es nun vier Farben, die nicht mehr verdeckt waren, sondern immer angezeigt wurden und fest auf das Spielfeld gedruckt wurden. Wenn eine Fraktion aktiv war, wurden alle entprechenden Kästchen dieser Farbe mit einem "X" markiert. Ein Spielzug bestand immer darin, dass eine aktive Fraktion passiv wurde und eine passive Fraktion aktiv wurde (Eine Konstellation bestand aus zwei Völkern, die aktiv waren. Mit einem Spielzug konnte nicht dieselbe Konstellation und nicht die Konstellation mit den beiden passiven Fraktionen ausgewählt werden. Es standen also vier der sechs Konstellationen zur Auswahl.). Wenn in einem Land die Mehrheit der aktiven Kästchen von einer Fraktion auf eine andere übergegangen war, sollte ein Punktekonto angesprochen werden. Ich überlegte, wie die Fantasiewelt gestaltet werden musste, damit es bei jeder Auswahl einer Konstellation zu mindestens einer Machtübergabe (Veränderung der Mehrheit) kommen sollte (Machtübergabe: Es durfte nicht dasselbe Volk an der Macht bleiben und es durfte vor und nach einem Spielzug keine Pattsituation zwischen zwei Völkern bestehen.). Ich entwickelte die Fantasiewelt mit drei Ländern und der entsprechenden Aufteilung von farbigen Kästchen. Nun hatte ich die Idee, die Fraktionen durch Völker zu ersetzen. Damit habe ich den Lebensort und die politische Zugehörigkeit zusammengelegt.
Der nächste Punkt war, dass alle Konstellationen, Spielzüge und Machtübergaben in einem separaten Heft zusammengefasst wurden. Die Fantasiewelt wurde im Buch nicht abegedruckt, sondern nur auf die Konstellationen im separaten Heft (Spielführer) verwiesen.
Das Buch bestand aus 20 Kapiteln, die jeweils aus den gleichen sechs Konstellationen bestanden. Die Spieler durchliefen das Buch Kapitel für Kapitel in aufsteigender Reihenfolge. Mit jeder Auswahl einer neuen Konstellation gingen die Spieler ein Kapitel weiter.
Jeder Konstellation wurde ein Text (Kurzgeschichte oder Abschnitt eines Handlungsstrangs) zugewiesen. Bei einem Handlungsstrang würde es in jedem Kapitel verschiedene Versionen des selben Abschnitts der Geschichte geben (Diese Idee eines Handlungsstrangs kam erst später). Die Machtverhältnisse (Mehrheiten) bei einer Konstellation in den drei Ländern entschieden, welches Volk einen Text zensierte bzw. nach den eigenen Vorstellungen veröffentlichte. Es wurden die Machtverhältnisse des Landes herangezogen, welches Schauplatz der Geschichte war. Den Völkern wurden heilige Quellen mit geweihtem Wasser zugewiesen. Die Quelle der Liebe gab z.B. den Stadtmenschen ihre Weltanschauung. Die Zensur basierte auf dieser Weltanschauung. Die Heiligen Quellen gaben dem Spiel seinen Namen.
Die Machtpunkte für die Machtübergaben (Punktekonten) wurden unter die Geschichtstexte an die Konstellationen gehängt. Ich entwickelte zuerst eine Punktesystem für ein Solospiel und später für ein Mehrpersonenspiel.
Spieleautor: Tobias Thorsten Thulke"
Texte: Brina Stein, Frank Beyer, Tobias Thulke
Bildmaterialien: Weltkarte: Kirsten Piepenbring, Hintergrund Cover: www.mediamilitia.com
Lektorat: Tobias Thulke
Tag der Veröffentlichung: 10.06.2017
Alle Rechte vorbehalten