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Lino Entlebucher

Der Weihnachtsentlefant

 

Von Christine Futter

 

 

 

 

 

 

1. Auflage, 2019

© Alle Rechte vorbehalten.

 

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Das Buch

Auch kurz vor Weihnachten sorgt der Entlebucher-Sennenhund Lino für Abwechslung im Leben seiner Chefin Franziska David. 

Einen schönen Schlamassel hat er dieses Mal angerichtet. Die regionale Presse belagert nach dem Verschwinden des vor einigen Tagen befreiten Elefanten Koami bereits seit Stunden den kleinen Sauerländer Tierpark.

Lino ist weg, der niedliche Elefant ist weg und sie soll nun vor die versammelte Presse treten und Antworten geben, die sie nicht hat. 

Die Tierfreunde der Stadt wollen den Besitzer des Elefanten durch die Mangel drehen, weil er Koami, einfach mal so, für mehrere Tage an der Autobahn 'vergessen' hat. Ohne Fressen und Wasser. Die Polizei, sagen die Behörden, soll Koami seinem kaltherzigen Besitzer zurückgeben, der ihn weiterverkaufen will. Was wiederum die Tierfreunde auf keinen Fall zulassen wollen. Wenn sein Besitzer Koami als Erster findet, bringt er ihn wer weiß wohin.

Und in diesem Durcheinander verdünnisiert sich Lino mit Koami durch ein Loch im Zaun hinaus in die Weltgeschichte! Bei Schneesturm! Verdammt noch eins. Treibt sie die Ausreißer nicht zügig wieder auf, wird es dieses Jahr ein sehr trauriges Weihnachtsfest im Tierpark.

Sie muss das verrückte Duo unbedingt finden und zwar vor Koamis Besitzer, sonst wird es zappenduster.

 

***

 

Lino ist pfiffiger Tierparkhund und Rettungshund. Er plädiert für die Legalisierung von Futterdiebstahl und für ganzjährige Katzenjagden. Dank seines Kulleraugen-Charmes entgeht er meist jeder Sanktionierung. Moral oder Ethik, Fehlanzeige. Denn: Was erwartet ihr? Ich bin ein Hund!

 

Seine Chefin Franziska ist Linos Dosenöffnerin, Chauffeurin, Pressesprecherin, Putzfrau und alles, was er sonst so braucht. Lino begleitet sie zur Arbeit in einen kleinen Tierpark im Sauerland. Die Tierpflegerin ist fröhlich, praktisch und hadert trotzdem eigentlich ständig mit irgendwas. Mit der Tücke des Objektes, der Tücke des Lebens oder mit ihrem bekloppten Entlebucher, den sie trotz, oder gerade wegen, seines spektakulären Dickschädels furchtbar gernhat. Was der Grund dafür ist, dass er sie bei jeder Gelegenheit mühelos um die kleine Kralle wickelt.

 

 

 

 

 

Vor dem Pferdestall, bei Schneesturm.

Von der Mauerecke aus, durch den tobenden nächtlichen Schneesturm, startet Entlebucher-Sennenhund Lino zähnefletschend den Anlauf seines Lebens, in Richtung des LKW und des großen Mannes mit Mütze, der seine Franziska auf der Ladefläche gefangen hält.

 In diesem Moment fletscht Lino aber mal so richtig die Zähne und startet, von der Mauerecke aus, den Anlauf seines Lebens. Ein Geräusch lässt Mütze sich umdrehen. Er kann die Bewegung aber nicht beenden, denn im Augenwinkel sieht er zwei Reihen blitzend weiße, blanke Zähne auf sich zufliegen. Dann schlagen krachend fünfundzwanzig Kilo wütender Lino, wie ein tieffliegender Amboss, auf seinen Rippen ein.

Linos Schwung reist sie alle drei zu Boden, aber Mütze ist nicht außer Gefecht. Nur seinen Griff um Franziskas Oberkörper hat sich im Fallen gelockert. Krabbelnd versucht Franziska, mit hektischen Bewegungen, von ihm weg zukommen. Seine große Hand schnellt vor, bekommt ihrem Fuß zu fassen. Fest schließt sich der Griff um ihren Knöchel. Er hält zieht, reißt. Sie findet keinen Halt auf dem glatten Holzboden, wird zu ihm hingezogen. Der Wind wirbelt weiter wildes Schneegestöber in das Fahrzeug.

Lino hat sich, garstig knurrend, in das Rückenteil von Mützes schmieriger Lammfell-Lederjacke verbissen und zerrt rasend daran. Kraftvoll und ruckend, wirft er sich von der einen Seite zur anderen. Reißt wütend an dem zähen Leder, dass selbst einer Horde Hyänen, angst und bange werden möchte.

Aber Mütze gibt nicht auf. Blitzschnell und unerwartet geschmeidig, schwingt sein freier Arm in den Rücken. Doch Lino reagiert prompt. Die Faust schlägt ins Leere. Nächster Versuch. Lino zuckt weg. Der Schlag geht fehl. Da lenkt ein frustrierter Ausruf von Franziska ihn kurz von Mütze ab.

„Neiin!“, schreit sie, aber Mütze hat Lino schon von seinem Rücken gerissen. Einen Wimpernschlag später wird der Hund, wie ein nasser Sack, an die Wand geschleudert. Sein kleiner Körper schlägt heftig und dumpf gegen die hölzerne Bordwand. Er bleibt auf der Ladefläche liegen. Reglos und stumm.

Wie in Zeitlupe hat Franziska das Geschehen verfolgt. Beim Geräusch des Aufpralls verliert etwas tief in ihrem Inneren seinen festen Halt. Schmerzhaft, füllen sich ihre Lungen. Sie reist dem Mund auf und schreit. „Lino! Neiiin!“

Kapitel 1

Im Tierpark, einige Wochen vorher.

Anfang November hatte sich der Winter mit beißendem Wind, eisigen Temperaturen und dreißig Zentimetern fluffigem Pulverschnee im Sauerland zurückgemeldet. Mit dem Kopf in Winterberg und den Füßen in Warstein, war es ihm pudelwohl zwischen den tausend Bergen und Tälern und kurzum, er richtete es sich gemütlich ein und blieb.

Lino, der pfiffig-renitente Entlebucher-Sennenhund und seine Chefin Franziska, starten ihren Arbeitstag in dem kleinen Tierpark, wie immer mit einer Kontrollrunde entlang der Gehege und Anlagen.

„Ok, Bärchen, erst den Hauptweg außen herum, dann durch die Mitte zur Futterküche. Du rechts, ich links, jeder schaut auf seiner Seite, ob alles in Ordnung ist, so sind wir schnell fertig.“ Sie zieht den Reißverschluss am Hals zu und und die dicke Mütze runter, sie klatscht einmal in die behandschuhten Hände, dann stapft sie voraus durch den frischen Schnee.

„Och nö, ich will spielen“, entscheidet sich Lino gegen die Arbeit. Schwupps, macht er auf den Hinterpfoten kehrt, flitzt pfeilschnell erst um die Ecke der Taubenvoliere, dann um die Wegbiegung beim Flamingohaus und weg ist er. Die Chefin steht da und guckt dumm aus der Wäsche, macht den Mund wieder zu und zuckt die Schultern. „Ok, du faule Socke“, grummelt sie gutmütig. „Wenn du glaubst, ich krieg‘ das nicht alleine hin, täuschst du dich. Zuerst: Enten zählen.“

 

Im Tierpark sind viele Tätigkeiten wie Geschwister mit ihrer Jahreszeit verbunden.

So ist der Frühling die Zeit der Schafschur, des ersten frischen Grases auf den Wiesen, der Krokusse, Osterglocken und der Tierkinder. Bei günstiger Witterung wird der erste Heuschnitt eingebracht.

Der Sommer verbreitet trotz der anfallenden Mühen und der zweiten Heumahd, eine angenehme Lethargie. Anstrengende Tätigkeiten werden in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden gelegt. Selbst die Tiere ändern ihre Routine, halten mittags ausgiebig Siesta im Schatten und fressen in der Dämmerung.

Der Herbst bringt mit fallenden Temperaturen und morgendlichen Nebelschwaden über Teichen und Wiesen, enorme Mengen Laub. Gehege und Wege versinken unter Blättern, die der Herbstwind aus den hohen Baumkronen in alle Ecken bläst, damit Tierpfleger und Gärtner sie da raus holen und zu großen braunroten Haufen fegen. Gibt man nicht ausreichend acht, verteilen die Tiere gutgelaunt alles wieder über die ganze Fläche, dann geht die Arbeit von vorne los. Im Herbst hat jeder Mitarbeiter vier Wochen lang einen Laubrechen in der Hand.

Am Ende der ‚Laubschlacht‘, bei fallenden Temperaturen, und immer kürzeren Tagen, zieht mit dem Winter jahresendliche Stille im Tierpark ein. Zwischen Mitte November und dem Beginn der Weihnachtszeit, sind die Wege meist menschenleer.

Nur wenige Besucher mit Dauerkarten schlendern, an den Gehegen entlang und um die vielen Pfützen, gönnen sich im Restaurant einen heißen Tee oder verstecken sich vor plötzlichen Schnee-Regenschauern im kleinen Naturkundemuseum.

Langsam macht sich maronenduftende Gemütlichkeit breit. Die Tierpfleger bereiten die Winterquartiere für die Tiere vor und legen zusätzliche Teepausen gegen die Kälte ein. Die Gärtner haben Geranien, Gerbera und Oleander in die Gewächshäuser verfrachtet und schmücken den Tierpark mit Lichterketten, Tannengrün und Weihnachtssternen für die Feiertage. An den Adventswochenenden, zu Nikolaus und am Morgen des 24. Dezember, erfüllen Familien mit ihren Kindern den Tierpark erneut mit Leben. Die Atmosphäre schwingt erwartungsvoll. Der Maronengrill vor dem Reptilienhaus, lockt Besucher, wie Mitarbeiter für kleine Gespräche bei einer Tasse Glühwein an. Auf der Wiese am Ententeich werden Schneeballschlachten geschlagen, vor dem Streichelzoo erblicken die verschiedensten Schneemänner das Licht der Welt, und werden alle auf den Namen Olaf getauft.

Die Arbeit der Tierpfleger beginnt und endet zu dieser Zeit im Jahr bei Dunkelheit. Im ganzen Tierpark müssen sie Schlösser und Wasserleitungen mit Feuerzeugen und Gasbrennern mehrfach über den Tag auftauen, wenn sie Wasser nicht im Tankwagen und mit großen Kanistern, Liter für Liter, umherschleppen möchten. Dächer von Ställen und Gehegen, die unter ihrer Schneelast knarren, müssen alle paar Tage von dem Gewicht befreit, eisglatte Wege mit Asche ausgestreut werden, bevor sich die ersten Besucher von der morgendlichen Wintersonne in den Park locken lassen und auf ihre Nasen, oder ihre Hinterteile, fallen. 

Franziska zählt auf ihrer Kontrollrunde Tiere, begrüßt Kollegen und Dauerbesucher, und füllt in Gedanken eine Liste mit anfallenden Arbeiten.

Zum Großhandel fahren, Gemüse und Obst einkaufen, Absperrung an der Bärenanlage reparieren, Füllstand des Hafersilos nachhalten, Mails checken, Rechnungen abzeichnen, Fleisch und Fisch bestellen. Die Arbeit nimmt kein Ende und zum Jahresende droht auch in einem Tierpark schon die Inventur. 

Linos Liste ist weitaus spaßiger: Futterküchenkontrolle und überzähliges Futter entsorgen, Frühstücksnickerchen, Affen ärgern, bei Rita im Kassenhäuschen Leckerchen abholen, Mittagsschlaf, Enten scheuchen, Besuchern Wildfutter abschwatzen, seiner Franzi beim Futtermachen ‚helfen‘ und der ‚Vor-Feierabendschlummer‘ darf auf keinen Fall vernachlässigt werden. Später auf dem Hundeplatz wird seine Chefin einige Übungen für die Prüfung der Rettungshundestaffel mit ihm wiederholen. Darauf würde er gerne verzichten, aber ohne die Unterordnungsübungen, lässt ihn Sam der Staffeltrainer nicht mit Kenndecke und Glocke auf dem Rücken durch den Wald rennen und das ist doch sein Größtes. Da muss er also durch.

„Ja“, seufzt er innerlich, „‘n Tierpark-Rettungshund hat’s nich‘ leicht aber mit so viel Schnee, macht alles viel mehr Laune.“

Lino wird, wie jeder echte Schweizer Gebirgshund, erst bei minus fünf Grad so richtig aktiv. Leider, stellt Franzi oft fest. Ihre Töle ist so schon kaum zu bremsen, darum hatte sie damals bei einer großen Rettungshundestaffel die Ausbildung mit ihm begonnen. Nach dem Motto: ‚Ich will mit meinem Hund was Sinnvolles anfangen‘ und ‚Der hat eine so tolle Nase‘. Was neunzig Prozent aller Interessenten, die sich an Rettungshundestaffeln wenden, halt so von sich geben. Die Hälfte von denen erhofft gleichzeitig, dass die Trainer der Hundestaffeln dem pubertierenden Rüpel am anderen Ende der Leine einige Manieren beibringen.

Letztendlich erwischte Franziska mit Sanitätsausbildung und ’zig Fortbildungen den arbeitsreichen Teil, während ihr Hund, mit den Suchen nach den im Wald versteckten Menschen, den spaßigen Part abgegriffen hat.

 

Eine Stunde später, findet sich Lino wieder bei seiner Chefin ein. Die schiebt vor dem Affenfelsen den Schnee zur Seite. „Lass den Schnee liegen, dann fallen die Besucher weich und wir haben was zu lachen,“ meint er und stürmt mit Anlauf und wehenden Schlappohren in die nächstgelegene Schneewehe, bis nur die weiße Spitze seiner Rute zu sehen ist.

Seit er die ersten weißen Flocken des Jahres unter die Pfoten bekam, benimmt sich Lino abschnittsweise wie ein Eichhörnchen auf Speed. Gegenwärtig jagt er mit durchdrehenden Krallen von einem Busch zum anderen, dass der Schnee von den Ästen fällt und taucht prustend wie ein auftauchender Buckelwal aus der kalten Pracht an die Oberfläche. Eine Mütze aus Schnee auf dem Kopf.

Er schnappt nach Gegenständen, an denen er vorbeifegt, schüttelt sich diese um die Ohren, dass es nur so scheppert, und redet, bellt und jault, redet, redet und bellt und redet und kriegt sich nicht mehr ein.

Er rennt wuuusch mit „Juchhuuu, Schneeeee“, auf dem Besucherweg vor dem Affenfelsen auf und ab und die Berberaffentruppe jagt, mit den drei halbwüchsigen Männchen vorneweg, auf ihrer Seite des Grabens mit. Alle fünfzehn Affen, versuchen lauter zu johlen als der bekloppte Hund. Nur der alte Clanchef der Affenfamilie behält die Ruhe und vom höchsten Felsen aus, seine Truppe im Auge.

Nebenan malocht Antje, die Gärtnerin des Tierparkes. Gegen die schroffe Kälte dick eingepackt in Daunenjacke, mit bunter Bommel-Wollmütze auf dem feuerroten Haarschopf und Arbeitshandschuhen an den Händen, spannt sie Weihnachtsdekoration zwischen den Laternen am Weg und beobachtet das affige Schauspiel aus sicherer Höhe. Genau betrachtet arbeitet sie im Moment eher nicht, sondern hält sich krampfhaft fest, damit sie vor Lachen nicht, mit dem Arm voll Glühbirnen, von ihrer Klappleiter fällt.

Franziska drückt, gequält von der Lautstärke, ihre kuscheligen Ohrwärmer mit lustigen Gesichtern drauf, über ihrer abgewetzten grünen Arbeitspudelmütze fester an den Kopf, was aber nur die schrillsten Tonhöhen wegfiltert.

Bei seiner nächsten Runde rast Lino direkt auf ihre Beine zu. „Los! Komm! Mach mit! Der Schnee ist genial!“, krakeelt er und schlittert ihr huuuiii, ungebremst in die Kniekehlen. Rrrrums, macht es und die Franziska sitzt im kalten Schnee, auf ihrem ausreichend gepolsterten Hintern. „Na warte!“, zischt sie und wirft ihm im Aufstehen, eine Salve dicke Schneebälle hinterher. Buff! Buff! Buff! Buff! Schlagen die Kugeln bei Lino ein und zerstieben auf seinem dichten Rückenfell. Auf die paar Meter ist seine Prinzessin erstaunlich zielgenau. Lino findet’s phantastisch und kräht glücklich. „Juchhuu!“ Franziska lacht übers ganze Gesicht. „Mein Gott, Hund, jetzt krieg dich wieder ein. Mach dich mal nützlich und hol mir die Tüte mit den kleinen Lichterketten für die Deko.“

„Warum!“ Linos ‚Warum‘s‘ sind zu neunzig Prozent rein rhetorisch gemeint. Er dreht weitere Kreise im Schnee und Franzi grinst fröhlich wie der Schneemann vor dem Flamingohaus. „Daaarum!“, ruft sie.

Lino holt tief Luft, dann steckt er die Schnute in einen lockeren Schneehaufen und macht ‚Pffrrrrrt‘.

„Ist das ein Nein, Schnuppel?“

Er zieht seinen Kopf wieder an die Luft und schüttelt sich, dass die Flocken nur so fliegen. „Jawoll!“

„Ok, du bleibst hier, ich gehe selber zu Rita.“ Sie dreht ihm den Rücken zu und läuft los.

Linos Kopf ruckt in die Höhe. „Rita?“

„Rita“, sie zupft eine schwarze Feder von ihrer Jacke und versucht, aus dem

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Christine Futter
Bildmaterialien: Christine Futter
Cover: Christine Futter
Tag der Veröffentlichung: 30.10.2020
ISBN: 978-3-7487-6280-5

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