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Kapitel 1

Markus legte eine Vollbremsung hin. „Du verdammtes Arschloch! Du verdammtes, verdammtes, verdammtes ...“ Er hörte nur noch ein Besetztzeichen in der Leitung. Mit zitternden Fingern schnallte er sich ab, öffnete die Tür seines Mercedes, stieg aus und warf das iPhone auf den Asphalt. Anschließend trampelte er vor Wut schnaufend darauf herum „Verdammtes Arschloch, elendiger notgeiler Drecksack! Der Teufel soll dich holen!“ 

Tränen schossen ihm in die Augen. Er setzte sich auf die einsame Landstraße neben das zerstörte Telefon und barg das Gesicht in den Händen. Nicht nur sein Freund, nein, nun Ex-Freund, war ein Arschloch, sondern auch das Schicksal, denn es hatte eindeutig beschlossen, ihn mit aller Macht in den Hintern zu treten. Es hatte ihn mit einem Burn-out aus dem Job gerissen, zu einem langen Zwangsurlaub verdonnert und nun wieder zum Single werden lassen. Von Tante Agathes Tod mal ganz abgesehen, aber der schmerzte ihn weniger, denn er hatte sie seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen.

Er wischte sich die Tränen von den Wangen und blickte sich um. Weit und breit war nichts zu sehen außer Felder und Bäume - und noch mehr Felder.

»Stress vermeiden«, stöhnte er leise und dachte an die Worte seines Hausarztes. Er tastete die Taschen seines Jacketts ab, wurde fündig und kramte die Packung Tabletten hervor. Seufzend rappelte er sich auf und ließ sich auf den Sitz seines Wagens fallen. Er schmiss eine der Beruhigungstabletten ein und spülte sie anschließend mit dem stillen Wasser hinab, dass er auf dem Beifahrersitz geparkt hatte.

»Das ist doch alles Scheiße«, brummte er leidend und hoffte, dass die Wirkung des Mittels zügig einsetzte. Offiziell durfte er danach zwar kein Fahrzeug mehr führen, aber er war im Nichts, in ländlicher Einöde, wo es egal war, wie viel Valium er in der Blutbahn hatte. Außer einem Trecker würde ihm wahrscheinlich nichts auf der Straße begegnen.

Markus lehnte den Kopf an die Stütze des Sitzes und schnaufte. Anschließend zog er die Tür zu, schnallte sich wieder an und startete den Wagen. Es brachte kaum etwas, hier länger rumzustehen. Er hatte sich vorgenommen noch heute zurück nach Hamburg zu fahren, wenn auch nun nicht mehr mit dem Ziel einen schönen Abend mit seinem Freund zu verbringen. Sein Blick glitt zum Navigationsgerät. Falls er sich nicht irrte, musste er dieser schmalen Straße ungefähr dreißig Minuten folgen, dann abbiegen und dort würde er Tante Agathes Haus finden. Er wollte zumindest eine kleine Bestandsaufnahme machen, ehe er alles verscherbelte. Den Schlüssel und alle Unterlagen hatte er bereits beim Notartermin erhalten. Er war der einzige Erbe, seine Eltern waren vor knapp zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und die wesentlich ältere Schwester seiner Mutter war kinderlos geblieben.

 

Markus brauste die Straße entlang und scherte sich nicht um Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Tablette zeigte ihre Wirkung. Es schmerzte nur noch dumpf, dass Stefan ihn für einen anderen abserviert hatte. Die Erkenntnis blitzte in ihm auf, dass es vielleicht nicht verwunderlich war. Als sie sich kennengelernt hatten, war er ein Arbeitstier gewesen. Als Börsenmakler Fuß zu fassen und aufzusteigen war kein Kinderspiel, doch Markus hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt und seinem Partner erklärt, dass die Arbeit Priorität besaß. Man arrangierte sich immer irgendwie. Zwei Jahre und vier Monate später stand er mit Herzrhythmusstörungen, Tinnitus und Schwindelattacken vor seinem Hausarzt. Physisch ließ sich nichts feststellen, somit wurde als Ursache Stress diagnostiziert. Der Doktor wollte ihn gleich aus dem Verkehr ziehen, doch Markus weigerte sich. Dann kamen auf einmal Momente, in denen er nicht einmal mehr die Pin zu seinen Konten wusste und gähnende Leere im Kopf hatte. Im Job unterliefen ihm Fehler und sein Arbeitgeber, dem sein Zustand nicht entgangen war, verdonnerte ihn in den Zwangsurlaub. Da sich über die Zeit reichlich Tage angesammelt hatten, die er nicht in Anspruch genommen hatte, standen ihm nun Wochen bevor, die er sich nicht blicken lassen brauchte. Da die Arbeit sein Lebensinhalt war, folgte Wut auf diese Maßnahme und jene hatte er ohne Frage zum Teil auch an Stefan ausgelassen. Sie stritten über Kleinigkeiten und Markus wusste, dass er auf der Suche nach Disputen war. Nun konnte er sich nur noch mit sich selbst streiten.

 

Er ging in die Eisen, als sein Navi ihm erklärte, dass er nun rechts abbiegen musste. Er sah den Weg, den er hineinfahren sollte, und stöhnte ungehalten. Der unbefestigte Waldweg war nicht gerade für den Wagen ausgelegt, den er fuhr, und ausgesprochen schmal. Ein Jeep wäre hier wohl vorteilhafter gewesen, statt seines Autos, das eindeutig nur für die Stadt und gut asphaltierte Straßen gedacht war.

Obwohl die Uhr ihn wissen ließ, dass es erst kurz nach elf am Vormittag war, musste er die Scheinwerfer anmachen. Der Himmel hatte sich bedrohlich zugezogen und hüllte alles in trübes Licht. Markus linste durch die Frontscheibe nach oben. »Na das fehlt mir gerade noch«, schimpfte er leise. »Scheint, du willst den Tag perfekt machen, lieber Gott.«

Sein Mercedes holperte den Weg entlang und der Wald zur linken und rechten Seite gab durch den stärker werdenden Wind Geräusche von sich, die ihn an das Fauchen einer Katze erinnerten. »Auch wenn du mich heute nicht magst, bitte lass keinen Baum umfallen«, stöhnte er und konnte die aufkommende Angst nicht unterdrücken. Diese hatte er eindeutig weniger um sich, sondern um das teure Auto.

Er ließ den Wald hinter sich, erblickte links und rechts erneut nur Wiese, dann, hinter einem Hügel, war am Ende der unbefestigten Straße ein kleines Haus zu erkennen. Markus spürte ein unbehagliches Ziehen im Magen. Das letzte Mal war er mit seinen Eltern vor mehr als zwanzig Jahren bei Tante Agathe gewesen. Er wusste nur noch, dass es einen phänomenalen Streit gegeben hatte, seither wurde über die Schwester seiner Mutter kein einziges Wort verloren. Es war, als hätte man die Frau einfach aus der Familie gestrichen. Er hatte nur einmal probiert nachzuhaken, was denn passiert war, aber seine Eltern hatten dieses Thema sofort unterbunden.

Als sie gestorben waren, hatte er seine Tante darüber informiert. Sie erschien nicht zur Beisetzung, doch er bekam eine Karte, in der merkwürdige Dinge standen. Er solle nie engstirnig werden, für alles offen sein und derartige Sachen. Dass seine Eltern es nicht waren, wusste er, denn zu seiner ersten schwulen Partnerschaft hatte er sich erst nach ihrem Tod bekannt.

Markus hielt vor dem alten Haus und stellte den Motor ab. Er lächelte schief, denn er hatte es deutlich größer in Erinnerung, doch

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Cat T. Mad
Cover: Cat T. Mad
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2021
ISBN: 978-3-7487-9109-6

Alle Rechte vorbehalten

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