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Prolog


Ein leichter Windhauch züngelte über das flache Lang hinweg. Ihm stellte sich nichts in den Weg. Kein Baum, kein Strauch. Nicht einmal gras wuchs hier in der dunklen Gegend. Die Erde war schwarz verkohlt und der Himmel von dunkelgrauen Wolken bedeckt. Die leichte Bö schwebte unaufhaltsam weiter, entschlossen, da sich ihr nichts in den Weg stellte. Dann kam sie zu einem, Amphitheater ähnlichen, Gebilde und zwängte sich durch die Lücken in der Mauer. Hier herrschte Geschäftiges Treiben. Alle Sitzplätze waren belegt von seltsamen Kreaturen, die mit starren Gesichtern hinunter zur Arena starrten.
„Man! Sag jetzt verdammt noch mal, was du eigentlich willst!“ ertönte eine schrille Stimme über dem hektischen Gemurmel der Zuschauer und zerriss den Windhauch, der sich mit einem leisen zischen zerstreute und die Stimme an die Ohren der Anwesenden trug. „Warum tust du das?“
Ein Mann mit einem Rabenschwarzen, bodenlangen Mantel suchte mit zusammengekniffenen Augen die Menge ab. Vor ihm auf dem Sandbedeckten Boden lag ein Mann keuchend auf der Seite. Seine Kleidung war mit Staub bedeckt und immer wieder wurde sein Körper von Krämpfen durchzuckt.
Ein junges Mädchen war von der Tribüne herabgestiegen und stand nun vor dem Tor, das zur Arena führte. „Warum tust du das?“ wiederholte sie und schlug mit den Händen gegen das verrostete Gitter, welches ihr den Weg versperrte.
Ein leichtes Lächeln umspielt die Lippen des schwarzen Mannes, als er das Mädchen mit seinem Blick fixierte. „Öffnet das Tor.“ Befahl er, ohne sich von dem Mädchen abzuwenden.
Zwei Kentauren, die den Mann zu beiden Seiten flankierten, blickten sich ratlos an. „Seit ihr sicher, Herr?“ wagte der eine zu fragen und trat vorsichtig einen Schritt nach vorne.
Bedrohlich langsam drehte der Mann den Kopf und sah den Kentaur mit eisigen Augen an. „Habe ich jemals etwas gesagt, und es nicht so gemeint?“ zischte er durch zusammengebissene Zähne.
Unterwürfig senkte der Kentaur den Kopf und legte die Ohren an. „Nein, Meister.“
Dann drehte er sich um, trabte zu einem kleinen, mageren Gnom und keifte ihm etwas ins Ohr. Der Gnom zuckte zusammen und verschwand in einem der Gänge. Der Kentaur nahm seinen Platz neben dem schwarzen Mann wieder ein.
Einige Herzschläge später öffnete sich mit einem lauten Quietschen das Tor zur Arena. Das Mädchen stürmte blitzartig zu dem Mann, der sich immer noch im Staub wand und streichelte mit der Hand beruhigend über seinen Kopf. „Es wird alles gut werden, das verspreche ich.“ Murmelte sie leise.
„Ach wie rührend.“ Meldete sich der Mann und erhob sich von seinem, mit Knochen bespicktem, Thron.
„Sie will ihren Wächter beschützen. Müsste das nicht eigentlich andersrum sein?“ Fügte er noch hinzu und ließ seinen spöttischen Blick über die Zuschauer fliegen.
Aufgebracht sprang das Mädchen auf und stelle sich vor ihren Wächter. „Ich würde jeden einzelnen auf dieser Welt dir Vorziehen, Gauche! Du ist ein Dämon! Ein Verräter und ein mieser Feigling!“ schrie sie.
Zuerst war die Miene des schwarzen Mannes unverändert, doch plötzlich fing er lauthals an zu lachen. Es war ein gespenstisches Lachen, hinter dem sicher keine Freude steckte.
„DU nennst mich einen Verräter?“ rief er ihr entgegen. „Ich habe meine Mutter und meinen Bruder nicht in den Tod geschickt. Und ich habe meinem Wächter das Dasein auch nicht zu Hölle gemacht. Nein, das warst alles du. Und nun kannst du schön zusehen, wie er leidet. So, wie du es die ganzen letzten Jahre getan hast!“
Verwirrt zuckte das Mädchen zurück. „A-Aber woher…“ stotterte sie.
Gauche fing wieder an zu Lachen. Diesmal jedoch lauter und grausamer als zuvor.
„Du hast meine Mutter getötet?!“ fragte das Mädchen und ließ sich auf die Knie fallen.
„Du hast sie mir gebracht.“ Verbesserte Gauche. „Du hast dich mir unterworfen, so wie alle hier. Dabei hätte ich gerade von dir etwas anderes erwartet.“
Das Mädchen funkelte ihn an. „Niemals!“ zischte sie. „Niemals werde ich mich dir unterwerfen. Eher sterbe ich!“
Ein ungewohnter Ausdruck machte sich auf Gauches Gesicht breit. War es Überraschung? Oder Verwirrung?
Doch so schnell und unvorbereitet er gekommen war, so schnell war der Ausdruck auch schon wieder verschwunden und hatte einem finsteren Lächeln Platz gemacht. „Du willst also, dass ich dich gleich mit umbringe ja?“ fragte er.
Das Mädchen hielt seinem Blick ungebrochen stand. „Ja! Töte mich, Gauche! Bestrafe mich dafür, was ich getan habe...“ die letzten Worte waren kaum mehr als ein flüstern.
Das murmeln auf der Tribüne war längst verstummt. Kein Lüftchen zog mehr seine Runden. Nichts rührte sich.
„Ich wusste ja gar nicht, dass du es so eilig mit dem sterben hast.“ Murmelte Gauche. „Unter diesen Umständen fällt mir sogar noch etwas Besseres für dich ein.“
Der entschlossene Ausdruck auf dem Gesicht des Mädchens war Unsicherheit gewichen.
Der Mann zu ihren Füßen hatte längst aufgehört, sich zu winden und lag jetzt ganz ruhig da.
Gauche hatte Gesicht und Hände zum Himmel erhoben, wo sich die Wolken bereits zu einem Tornado formten. „Bringe Leben des Vollwertigem auf diesen Körper herab. Lasse ihn Leiden und Vorteile ziehen aus dem Leid der anderen. Lass ihn unter uns wandeln.“ Sprach er mit hohler, tonloser Stimme, während seine Hände in der Luft kleine Kreise formten.
„Nein.“ Wisperte das Mädchen und machte einen Schritt zurück.
Mit einem Mal brach der Wolkentornado und ergoss sich auf das Mädchen nieder.
Ihr lauter Klageschrei verlor sich zwischen dem wirbelnden grau und war mit einem Mal völlig verstummt. Zurück blieb nur das eiserne Lachen des Dämons.

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Texte: Das Copyright liegt beim Autor.
Tag der Veröffentlichung: 10.09.2012

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