Sakura kam gerade gut gelaunt aus der Schule nach hause, warf ihre Schultasche in die Ecke und setzte sich auf einen Stuhl in der Küche. Sie Telefonierte mir Beth, die sie nach den Hausaufgaben abfragte. „Du solltest einmal lernen, dir die Hauaufgaben auf zu schreiben!“ sagte Sakura. ‚ganz bestimmt sollte ich das…aber ob ich das schaffe?’ kam die ironische Antwort von Beth. „nein, ich schätze nicht.“ Entgegnete Sakura und grinste. Von oben waren Geräusche zu hören. „warte mal kurz, ich glaube meine mum stellt grad das Haus auf den Kopf.“ Sagte Sakura. ‚ich muss jetzt auch mal auflegen, neue Schuhe kaufen. Bis morgen’ „bis morgen“ Sakura legte auf und ging die Treppe hoch. Im Schlafzimmer hockte ihre Mutter vor dem Kleiderschrank und kramte Socken aus der untersten Schublade. „mum…was machst du da?“ fragte Sakura unsicher. Ihre Mutter sah auf. ihr Gesicht war ernst. Sie stand auf und setzte sich aufs Bett. „setzt dich doch“ sagte sie und Sakura erkannte am Klang ihrer Stimme dass etwas nicht Stimmte. „Sakura…du weißt doch, dass ich seit einem Monat wieder Arbeitslos bin…“ Sakura nickte, doch dieser Anfang gefiel ihr gar nicht. „…ich habe eine neue Stelle bekommen…“ fuhr ihre Mutter fort. „aber…das ist doch gut…oder?“ Sakura verstand nicht. „in Nozomi, das ist etwa 8 Kilometer von hier…am Naturschutzgebiet Nasori…“ Sakura riss die Augen auf. „wir müssen wegziehen!?“ tränen traten ihr in die Augen und sie starrte ihre Mutter an. „Liebling...ich…“ sie streckte ein Hand aus doch Sakura sprang von Bett, wirbelte herum und lief aus dem Zimmer. Als sie in ihr Zimmer kam, knallte sie die Türe zu und ließ sich aufs Bett fallen. Dann wählte sie auf ihrem Handy die Nummer von Beth…Nur die Mailbox. Dann die von Katie…’Hallo?’ Sakura atmete auf. „Katie?!“ ‚Ja…Sakura, bist du das? Was ist denn los?’ Sakura schlurzte „Meine Mum hat ne’ neue Stelle bekommen und wir müssen umziehen!“ rief Sakura. ‚Was?! Ihr…ihr zieht weg? Wann?’ „Dass weiß ich noch nicht…aber sicher heute noch, mum packt schon.“ Eine Träne rann ihr übers Gesicht. ‚nein…das…das darf nicht sein!’ Katie war vollkommen Geschockt…Doch so war es. Am Abend saßen Sakura und Lian in Auto, unterwegs nach Nozomi.
Sie fuhren die Nacht durch und kamen am Morgen in Nozomi an. Es war ein sehr kleines Dorf, abgelegen von Städten und Autobahnen. In der Ferne waren Felder und Farmen zu sehen und auf der anderen Seite erstreckte sich das riesige Naturschutzgebiet Nasori. Genervt stieg Sakura aus dem Auto. Ihre Mutter holte die Koffer aus dem Kofferraum und stellte sie auf den staubigen Boden. „du wirst sehen, es ist gar nicht so schlimm hier“ sagte sie doch Sakura hörte ihr nicht zu. Sie starrte auf das kleine Haus, was ein paar Meter von dem ‚Parkplatz’ auf dem sie geparkt hatten weg lag. „Da wohnen wir“ verkündete Lian und trug den ersten Koffer zum Haus. Sakura folgte erst, als sie auch den letzten Koffer hineingetragen hatte. „das ist nicht dein ernst…oder?“ fragte Skura, als sie das Haus betrat. „Doch. Mein voller Ernst!“ sagte ihre Mutter. „du kannst ja schon mal dein Zimmer einrichten“ rief sie und verschwand im Nebenraum. Sakura packte ihre Tasche und schlich langsam die Treppe hinauf, wobei jede Stufe unheilvoll knarrte, als sie darauf trat. Oben zog sich ein Flur den Gang entlang und der Boden war mit Holzdielen bedeckt. Ganz Hinten, in dem Zimmer auf der rechten Seite, standen ein Einzelbett, ein Kleiderschrank und ein Schreibtisch. Sakura ließ ihre Tasche aufs Bett fallen und setzte sich an den Schreibtisch. Sie schaute aus dem Fenster, das genau vor dem Schreibtisch war. Von dort aus, konnte sie über den ganzen Wald blicken. Ein quietschendes Geräusch hinter ihr, verriet Sakura dass ihre Mutter ins Zimmer getreten war. „beeindruckend, oder?“ fragte sie und schaute hinaus. „total“ murrte Sakura und stand auf. Lian seufzte. „ich werde mich noch etwas hinlegen.“ Sagte sie und verließ das Zimmer. Als Sakura den ruhigen Atem von ihrer Mutter hörte, der ihr sagte dass sie eingeschlafen war, lief sie mit ihrem Handy nach draußen. „mist! Kein Empfang!“ zischte sie und hielt das Handy hoch.
„hier unten im Dorf kriegt man keinen normalen Empfang“ sagte eine Stimme hinter Sakura. Sie erschrak und wirbelte herum. An der Wand des Hauses stand ein Mädchen, das etwa so alt sein musste wie Sakura. Sie hatte lange, hellbraune Haare und grinste sie an. „Hei! Ich bin Yara, Yara Kremb. Du musst die neue sein, nicht wahr?“ Sakura nickte. „ich bin Sakura Va Lee“ Yara zog eine Augenbraue hoch. „ein außergewöhnlicher Name“ sagte sie. „deiner ist auch nicht gerade der normalste“ konterte Sakura und Yara grinste wieder. „woher weißt du…“ begann sie doch Yara schnitt ihr das Wort ab. „…das ihr hier seid? Mein Klassenlehrer hat uns Gestern gesagt, dass ab nächster Woche ein neues Mädchen in unsere Klasse kommt.“ Sakura nickte. „wo kommt ihr her? Aus der stadt?“ fragte Yara. Sakura nickte wieder. „ganz schön weit weg…“ bemerkte Yara und schaute Sakura misstrauisch an. „Aber du wirst schon sehen, hier ist es gar nicht so schlimm“ fügte sie hinzu. Sakura seufzte. „wie kriege ich denn hier Handyempfang?“ fragte sie. „da musst du so eine bestimmte Verbindung auf deinem Handy einstellen…das geht aber nicht be allen.“ „na toll“ Sakura verdrehte die Augen. „komm mal mit. Wir geben dein Handy bei Herr Lidaar ab.“ Yara drehte sich um und ging los. Sakura folgte ihr langsam. „wer ist ‚Herr Lidaar’?“ fragte sie. „Der Techniker im Dorf. Er schaut mal nach deinem Handy.“ Sagte Yara. Bei einem ziemlich zerfallenen Haus, das überall mit Brettern und Nägeln verstärkt wurde, hielt sie an und klopfte an die Türe, die zu Sakuras Überraschung aus Metall war. „ja?“ kam von innen die Gedämpfte Antwort. „ich bin’s, Yara!“ rief sie durch die Türe. Von Innen waren Schritte zu hören und nach einiger Zeit wurde die Türe geöffnet. Sie standen einem ziemlich klapprigen Man gegen über, der ungefähr Mitte 30 war. Er hatte zerzaustes, Ebenholz braunes Haar und trug eine Latzhose. „Herr Lidaar, das ist Sakura, die Neue“ stellte Yara sie vor. Sakura streckte die Hand aus. „sehr erfreut“ sagte Herr Lidaar und grinste schief. „was kann ich für euch tun?“ „könntest du Sakuras Handy auf diese spezielle Verbindung durchforschen?“ fragte Yara und ließ Sakura nicht mal zu Wort kommen. „klar“ sagte Herr Lidaar. Sakura gab ihm das Handy. „das könnte wohl ne’ gute Stunde dauern.“ Yara nickte. „dann zeig ich dir solange alles“ sagte sie zu Sakura und lief auch schon los. „bis gleich“ rief sie Herrn Lidaar noch über die Schulter zu. Sakura musste schon fast rennen, um mit ihr Schritt zu halten. „ihr geht hier wohl ziemlich locker mit einander um…“ bemerkte Sakura. Yara sah sie an. „ja…ich meine wir wohnen schließlich alle zusammen in diesem Dorf hier und da wäre es nicht so gut, wenn die Stimmung immer so angespannt ist.“ Sakura nickte. „dann verstehst du dich mit allen hier?“ Yara musste lachen. „nein, nicht mit allen, das wäre ja zu schön. Es gibt schon einige, die man am liebsten in die Hölle schicken würde…aber das muss jeder für sich entscheiden“
sie liefen den ganzen Vormittag durch das Dorf und Yara zeigte Sakura alles. Die Schule. Den kleinen Supermarkt und die daran grenzende Einkaufsmeile. Die ‚Siedlung’, das Haus in dem Yara und ihre Familie wohnte.
Etwa um halb eins kamen sie am Tor an, das den Anfang des Naturschutzgebietes anzeigte. „ich hab Hunger“ meldete sich Sakura. Yara warf einen langen Blick in den Wald hinein und nickt dann. „ja, lass uns was essen gehen. Heute ist Samstag, da hat am Ende der Einkaufsmeile immer eine Frittenbude geöffnet. Magst du Fritten?“ Sakura starrte sie ungläubig an. „ob ich Fritten mag?“ Yara nickte unsicher. „…ich liebe Fritten!“ rief Sakura und Yara Grinste. Bei der Frittenbude standen ein Mädchen und ein Junge und unterhielten sich. Yara winkte ihnen von weitem zu. „wer ist das?“ fragte Sakura.
Als sie bei den beiden angekommen waren, sprach das Mädchen Yara an. „Hey na, wo hast du dich wieder herumgetrieben?“ Yara boxte sie in den Arm. „ist das die neue?“ fragte der Junge und deutet auf Sakura. „Jap, das ist Sakura. Sakura, das sind Claire und Felix. Das paar der Woche“ stellte sie die beiden vor. Claire warf Yara einen feurigen Blick zu, weil das mit dem Paar wohl nicht so ganz stimmte. Sie war groß, größer Als Sakura und hatte dunkelblonde Haare mit hellen Strähnen. Irgendwie erinnerte sie Sakura an ein Model. Felix war noch größer als Claire und Sakura musste Nach oben schauen, um ihn an zu sehen. Er hatte sich die blonden Haare mit Gel Hochfrisiert und seine braunen Augen funkelten. „wo steckt denn Nico schon wieder?“ fragte Yara. „ich wollte ihm so gerne Sakura vorstellen, vielleicht wird ja was draus.“ Sie setzte wieder dieses übertriebene Grinsen auf. Claire schüttelte den Kopf und sah Sakura an. „die ist komplett verrückt! Nimm dich vor ihr in Acht.“ Sakura musste schmunzeln. Und an Yara gewand fuhr sie fort. „du bist doch nur eifersüchtig!“ Yara verzog den Mund. „gar nicht! …komm Sakura, wir gehen uns eine Fritte holen.“ Dann spielte sie übertrieben beleidigt und stolzierte davon. Felix schaute ihr mit einem amüsieren Ausdruck auf dem Gesicht nach. Sakura ließ die beiden wieder alleine und ging zu Yara. „mit Mayo oder Ketchup?“ fragte Yara. „beides“ sagte Sakura und schaute noch mal zurück. „die hat se nicht mehr alle!“ zischte Yara ihr zu, doch dabei lachte sie. Sie aßen ihre Pommes auf.
So gegen 3 Uhr waren sie wieder bei Sakura zu Hause. Auf dem Zaun, der eine Kuhwiese von dem Parkplatz trennte saß ein Junge mit schwarzen, zerzausten Haaren. „Hey Nico!“ rief Yara den Jungen zu. Er schaute auf. Sakura gefror das Blut in den Adern, als sie in seine tief blauen Augen sah. Er hatte einen irgendwie traurig wirkenden Gesichtsausdruck, als er zu den beiden herüber kam. „das ist Nico. Er ist ein wenig seltsam und auch noch nicht so lange hier im Dorf. Vielleicht versteht ihr euch ja.“ Yara zwinkerte ihr zu. Sakura rollte mit den Augen und wand sich dann Nico zu. „Nico, das ist Sakura, die neue“ sagte Yara. Nico nickte. „du bist also die neue…“ murmelte er. „Freut mich“ er streckte die Hand aus und ließ ein leichtes Lächeln über sein Gesicht huschen. Sakura nahm seine Hand und lächelte auch. Sie merkte erst später, das Yara sie von der Seite hämisch angrinste und sie ließ die Hand von Nico los. Er warf einen schnellen Seitenblick auf Yara, dann nickte er den beiden zu. „man sieht sich“ und verschwand hinter dem nächsten Haus. „ich glaube, er mag dich“ sagte Yara und stieß Sakura in die Seite. „woher willst du das wissen?“ fragte Sakura. Yara schaute sie wichtigtuerisch an. „ach, das ist so ein Gefühl…“ dann riss Sakura die Augen auf. „mein Handy! ...“ rief sie. „oh…“ Yara hielt sich die Hand vor den Mund, dann sah sie auf die Uhr. „komm schnell, gleich macht er zu!“ sie Rannte los, Sakura hinter ihr her. Gerade, als sie bei Herr Lidaar ankamen, wollte er die Türe zu schließen. „HALT!“ riefen die beiden. Herr Lidaar zuckte zusammen und sah sich um. „mein Handy!“ rief Sakura. „ach ja…“ Herr Lidaar stellte die Kiste, die er getragen hatte, ab und ging wieder ins Haus. Sakura und Yara kamen keuchend zum stehen. Dann kam Herr Lidaar wieder raus. „tut mir leid, aber auf diesem Handy geht das nicht“ sagte er und schüttelte den Kopf. „Mist!“ fluchte Sakura und nahm das Handy entgegen. Sie verabschiedeten sich von Herr Lidaar und gingen wieder zurück zu Sakuras Haus. „was soll ich denn jetzt machen?!“ fragte sie verzweifelt. Yara tätschelte ihr den Arm. „weißt du was? Morgen suchen wir dir ein neuen Handy im Internet aus!“ Sakuras Stimmung hob sich ein wenig. „wenn meine Mum das erlaubt“ sagte sie. Yara machte eine wegwerfende Handybewegung. „mach dir darum keinen Kopf, das wird sie.“ Sakura nickte, obwohl sie den Optimismus von Yara nicht teilte. Als sie bei ihrem Haus angekommen waren, verabschiedete sich Sakura von Yara. „treffen wir uns morgen wieder hier?“ fragte Yara und sah Sakura hoffnungsvoll an. „okay“ sagte Sakura und lächelte. „bis morgen!“ „Bis morgen!“ rief Yara und machte sich auf den Weg zu ihr nach Hause. Sakura warf einen Bedauernden Blick auf ihr Handy und ging rein. „mum! Ich bin wieder da!“ rief sie und legte das Handy auf den Tisch, der in der Küche stand. Diesen Teil des Hauses hatte sie sich noch gar nicht angesehen. Die Küche war relativ groß und geräumig, in der Mitte stand ein großer, Runder Holztisch, an dem 4 Stühle standen. Direkt von Der Küche führte eine Tür ins Wohnzimmer, wo ein Fernseher, eine Couch und zu Sakuras Verwunderung ein Kicker stand. „Hallo Sakura, bekomme ich dich auch mal wieder zu Gesicht“ sagte ihre Mutter, die im Türrahmen stand. Sakura sah sie an. „mum…darf ich ein neues Handy?“ fragte sie. Ihre Mutter runzelte die Stirn. „wieso dass den?“ Sakura holte ihr Handy aus der Küche. „hier braucht man einen Zugriff auf ein Bestimmtes verbindungs- Netzwerk und dass hat mein Handy nicht“ erklärte sie. Lian atmete aus. „ist ja gut“ seufzte sie. „wie es scheint, lebst du dich ja doch richtig gut hier ein“ bemerkte ihre Mutter und sah sie an. Sakura schaute zu Boden. „vielleicht…“ murmelte sie. „ich mach uns mal etwas zu Essen“ rief Lian und verschwand in der Küche. Sakura schaltete den Fernseher an und ließ sich auf die Couch fallen.
Als sie zu Abend gegessen und noch ein wenig Fern gesehen hatte, ging Sakura hoch ins Bad und putzte sich die Zähne. Dann ging sie ins Bett. „Gute Nacht!“ rief ihre Mutter von unten. „Gute Nacht!“ rief Sakura zurück und machte das Licht aus.
Bei den leisen Geräuschen des Fernsehers schlief sie ein.
Es war Montagmorgen und Sakura lag noch im Bett, als ihre Mutter sie wach rüttelte. „Sakura! Aufstehen! Du willst doch an deinem ersten Schultag hier nicht zu spät kommen“ Sakura schlug die Augen auf und musste sie aufgrund des grellen Lichts, was durch das Fenster in ihr Zimmer schien, zusammenkneifen. Sie stöhnte. „Aufstehen!“ wiederholte ihre Mutter. „ist ja gut!“ murrte Sakura und drehte sich rum. Sie blinzelte noch ein paar Mal, dann rappelte sie sich auf und stand auf.
Sie ging ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Dann sah sie sich im Spiegel an. Sie hasste Montage. Von unten rief inzwischen ihre Mutter. „Frühstück steht auf dem Tisch! Ich muss jetzt zur Arbeit. Bis nachher, Hab dich lieb!“ dann hörte Sakura nur noch, wie die Tür ins Schloss fiel. Sie seufzte. Wie konnte ihre Mutter nur so gut drauf sein. Sie waren doch gerade erst weggezogen und außerdem war es Montag.
Als sie sich Angezogen und sich die Haare gemacht hatte, ging Sakura die Treppe hinunter und setzte sich an den Küchentisch um ihr Müsli zu Essen. Ihre Mutter hatte ihr am Samstag welches im Supermarkt gekauft.
Gestern hatten Yara und Sakura ein neues Handy für sie ausgewählt, das voraussichtlich am Mittwoch ankommt. ~Na toll~ dachte Sakura. Wie sollte sie denn noch 2 Tage ohne Handy auskommen? Sie aß ihr Müsli zuende und schnappte sich ihre Schultasche. Dann klopfte es an der Tür. Es war Yara, wie zu erwarten. „Guten Morgen!“ rief sie und Grinste Sakura an. „wie kannst du an einem Montagmorgen um 7.30 Uhr nur so fröhlich sein?“ fragte Saura ungläubig und schloss die Tür ab. Yara zuckte mit den Schultern. „keine Ahnung…ist halt so“ Sakura rollte mit den Augen. Unterwegs zur Schule holten sie noch Claire ab, die Montage anscheinend genauso wenig mochte wie Sakura.
Kurz vor der Schule gesellte sich auch Nico dazu. Er ging neben Sakura, sagte jedoch den ganzen Weg lang nichts. Sie kamen gerade noch rechtzeitig zum Gong an der Schule an.
Yara führte sie in ihre Klasse. Die Schule war sehr klein, ebenso die Klassen. Das war irgendwie selbstverständlich, denn das Dorf war ja auch nicht besonders Groß. Als Sakura die Klasse betrat, deutete Yara auf den Lehrer, der vorne stand. „das ist Herr Von Bergen. Er ist unser Klassenlehrer und ganz nebenbei auch noch Schuldirektor“ erklärte sie. Sakura riss erstaunt die Augen auf. „bei uns in der Schule hatte der Schuldirektor keine eigene Klasse.“ Yara schaute sie an. „sei froh! Das ist nicht nur zum Vorteil…na gut, man hat viel Frei, weil er oft Termine hat und so weiter…aber er ist nicht grad der tollste Lehrer, glaub mir“ Sakura grinste. Dann hatte Herr Von Bergen sie bemerkt und winkte sie mit einer Handbewegung zu sich. „du bist Sakura, oder?“ fragte er freundlich. Sakura nickte. „ja, Herr Von Bergen, ich bin die neue“ Herr Von Bergen betrachtete sie und warf dann einen Blick auf Yara. „freut mich“ sagte er schließlich und reichte ihr die Hand.
Als alle Schüler eingetroffen waren, stellte Herr Von Bergen sie vor. „wir haben ab heute eine neue Schülerin in unserer Klasse, einige von euch kennen sie vielleicht schon. Sakura Va Lee.“ Alle Augen richteten sich auf Sakura, die neben Yara saß und ihr wurde ein bisschen mulmig zu mute. „nun, dann wollen wir mal mit der Anwesenheitsliste anfangen.“ Sagte Herr Von Bergen und begann, die Namen vor zu lesen. Claire war in ihrer Klasse und Nico auch. Felix konnte sie allerdings nicht entdecken. „Felix ist eine klasse über uns. Der arme“ sagte Yara. Sakura sah sie fragend an. „warum ‚der arme’?“ „er hat so eine TOZ in der Klasse, schrecklich!“ erklärte Yara. „’TOZ’?“ Sakura runzelte die Stirn. Yara grinste. „TOZ steht für ‚Tussi-Ober-Zicke’.“ Sakura musste auch grinsen.
Die ersten beiden Stunden hatten sie Geschichte mit Herr Von Bergen. Ein Fach, was Sakura verabscheute aber angeblich beherrschte.
Dann hatten sie Pause. Sakura ging mit Yara und Claire raus, wo sie auf Felix trafen. „und, hat Celin heute wiedermal ärger gemacht?“ fragte Yara ihn. Felix runzelte die Stirn. „nein…eigentlich war sie ganz…nett.“ Yara riss die Augen auf. „NETT?!“ sie prustete los. „Celin und NETT?! Das ich das noch erleben darf, ehrlich!“ Claire schüttelte den Kopf. „ja, ich konnte es auch kaum glauben“ sagte Felix. Sakura biss in ihr Brötchen.
Die restliche Pause verbrachten sie damit, über alles Mögliche zu plaudern. Sakura fand es seltsam, dass sich Nico nicht zu ihnen gesellte, sondern allein am anderen Ende des Schulhofs herumsaß.
Yara war ihrem Blick gefolgt. „er ist nie bei uns weißt du“ sagte sie tragisch. Claire schaute auch in die Richtung. „doch, wenn wir in den Wald gehen, ist er immer dabei.“ Sakura sah sie erstaunt an. „ihr geht…in den Wald?“ fragte sie. Claire nickte. „ja, da ist es wirklich schön, wenn man sich auskennt. Nasori ist riesig, desshalb bleiben wir in dem vorderen Teil. Manchmal bekommen wir sogar ein paar Tiere zu Gesicht. Sakuras Augen weiteten sich. „cool…darf ich da auch mal mit“ „Klar, du kannst heute nach der Schule mitkommen, wenn du magst“ entgegnete Claire und lächelte ihr kurz zu. Dann klingelte es.
Nach der Pause hatten sie noch 2 Stunden Kunst und dann hatten sie Schule aus.
„ihr habt nur 4 Stunden!“ staunte Sakura, als sie zusammen mit Yara nach draußen gng. Yara nickte. „Montags schon und Freitags.“ „man habt ihr es gut“ Sakura hatte in ihrer alten Schule immer mindestens 6 Stunden gehabt. Yara schaute sie amüsiert an. „ich geh nur noch kurz nach hause, meine Tasche wegbringen, okay?“ fragte Sakura. Yara nickte. „dann treffen wir uns in einer halben Stunde vor dem Tor zu Nasori.“ Sakura winkte ihr kurz zu und ging dann nach Hause.
Sie stellte ihre Schultasche auf einen Stuhl in der Küche. Dann sah sie auf die Uhr. ~noch 25 Minuten~ dachte sie und nahm sich einen Jogurt aus dem Kühlschrank.
Um viertel vor ging sie los zum Tor.
Als sie am Tor ankam, waren die anderen schon da, außer Yara. Sakura gesellte sich zu Claire. „wo bleibt die denn?“ fragte Claire genervt. Sakura zuckte mit den Schultern. „keine Ahnung.“ „da kommt sie!“ rief Felix und deutete auf eine kleine Gasse. Yara lief aus der Gasse und kam schließlich keuchend bei ihnen an. „wo warst du?“ fragte Claire. Yara sah zu ihr hoch und atmete schwer. „Sorry, meine mum hat mir noch so eine Farbtabelle wegen der Renovierung meines Zimmers unter die Nase gehalten“ Claire rollte mit den Augen. Sakura fiel auf, das Nico, der am Tor lehnte, die ganze Zeit über nichts gesagt hatte. Sie ließ Claire und Yara mit ihrem Gespräch alleine und gesellte sich zu Nico. „Hey“ sagte sie. Nico sah sie an. „Hey“ erwiderte er.
„Yara sagt, du bist auch noch nicht lange in der Stadt.“ Begann Sakura. Nico nickte. „ja, ich bin der neuste hier…ähm…war, der neuste hier“ er lächelte leicht. Bevor Sakura noch etwas sagen konnte, kamen die anderen zu ihnen hinüber. „lasst uns gehen!“ rief Felix und machte das Tor auf. „psst! Sei doch nicht so laut“ zischte Claire. „dürfen wir hier nicht rein?“ fragte Sakura. Nico antwortete ihr. „nein. Eigentlich nicht. Sie haben Angst, wir könnten die Tiere stören oder so was.“ Sakura nickte. „aber, was soll’s, das ist das Beste an dem Dorf, warum sollten wir nicht da rein gehen und bisher hat sich noch keiner beschwert“ sagte Yara dazwischen. „es weiß ja auch keiner dass wir hier sind“ entgegnete Nico.
Am Anfang des Waldes, liefen sie auf einem kleinen Weg entlang, auf dem die Erde festgetreten war. „das ist der Weg, den die Tierschützer immer benutzen, wenn sie zu ihrem Stützpunkt wollen“ erklärte Yara. „ihrem…Stützpunkt?“ fragte Sakura. Yara nickte. „hier irgendwo gibt es eine Station, mit ganz viel technischen Kram, wo die Forscher immer die Bestände zählen und all so ein Zeugs.“ Sakura sah sie lange an. „haben die da auch Internet?“ fragte sie. „ich glaub schon…wieso?“ Yara sah sie prüfend an. „nur so“ sagte Sakura und wedelte mit der Hand.
Sie gingen immer weiter den Weg entlang, bis er schließlich eine Biegung nach rechts machte. „wenn man dem weg folgt, kommt man zu dieser Forscherstation“ sagte Felix zu Sakura.
Sie gingen vom Weg ab in den Wald hinein. Eine ganze Zeit lang, liefen sie durchs Dickicht. „wir sind gleich da“ flüsterte Yara Sakura zu. „wo?“ fragte Sakura. „wart’s ab“ zischte Yara und beschleunigte ihren Schritt. Auch die anderen liefen etwas schneller. Sakura hatte bei dem normalen Tempo von ihnen ja schon Mühe mit zu halten und nun fiel sie zurück. Sie konnte den anderen nur folgen, indem sie schaute, wo sich die Äste der niedrigen Bäume bewegten. Sie bog um einen Baum ab und sah hinter Büschen versteckt ein kleines Häuschen. „wow…habt ihr das selber gebaut?“ Yara grinste. „ja, das haben wir“ Claire sah sie an. „du hast doch gar nichts getan! Felix hat die ganze Arbeit gemacht!“ „war klar, dass du deinen Freund verteidigst!“ neckte sie Yara. Claire schubste sie gegen einen Baum. Felix sah sich das ganze amüsiert an.
Dann spürte Sakura eine Hand auf ihrer Schulter und drehte sich um. Nico stand hinter ihr. „komm mal mit, ich zeige dir was“ flüsterte er und verschwand. Sakura eilte hinter ihm her, wobei sie vermutlich sehr viel Lärm veranstaltete. Als sie zu ihm aufgeholt hatte, sah sie, dass ein paar Meter von ihnen weg, der Boden rapide abfallen musste, denn man konnte durch die Zweige den Himmel klar sehen. Nico führte sie aus dem Gestrüpp heraus an den Rand der Klippe. „Boa!“ staunte Sakura als sie sich umsah. Von hier aus, konnte man über einen großen Teil des Waldes blicken. An einer Seite der Klippe, fiel ein Wasserfall tosend in die tiefe hinab und endete in einem See, von dem aus sich ein Fluss in Richtung der dichten Bäume zog und schließlich unter ihrem Blätterdach verschwand. Hier und da sah man Vögel zu zweit oder alleine durch die Lüfte schweben und Sakura konnte in der Ferne sogar einen Wolf ausmachen. „wie wunderschön“ sagte sie. Dann drehte sie sich zu Nico um. „wie habt ihr das gefunden?“ Nico musste kurz auflachen. Sakura hatte ihn noch nie zuvor lachen gesehen. „Yara wäre beinahe runtergefallen“ sagte er. Sakura grinste. Das passte zu Yara. „lass uns zurück zu den anderen gehen“ sagte Nico schließlich. Sakura nickte und ließ Nico den Vortritt, da sie sich hier nicht auskannte. Inzwischen waren Claire und Yara in dem Häuschen verschwunden, nur Felix saß noch draußen. Er deutete Sakura hinein zu gehen und winkte Nico zu sich. Sakura schlich um das Häuschen herum, bis sie an einer Seite eine Tür fand. Sie stieß sie auf. Im Häuschen konnte man sich nur auf allen vieren bewegen, es war jedoch sehr gemütlich ausgestattet. An einer Wand saß Yara, mit dem Rücken an der Wand, auf einem Kissen während Claire in der Schublade des kleinen Schränkchens herumkramte. „Hey Sakura!“ rief Yara, als sie Sakura sah. Claire blickte auch auf. „hat dir Nico den Wasserfall gezeigt?“ fragte sie. Sakura nickte. Claire lächelte kurz. „Sag mal, hast du das Taschenmesser gesehen?“ fragte sie Yara. Yara schüttelte mit dem Kopf. „ich dachte Felix hätte es eingepackt“ sagte sie. Claire zischte verärgert und krabbelte aus der Tür. Sakura setzte sich neben Yara. „was ist da eigentlich zwischen Claire und Felix?“ wollte sie wissen. Yara sah sie lange an. „die beiden waren mal ein paar…doch das hat sich irgendwie auseinander gelebt.“ Sakura nickte.
Sie blieben noch bis zur Dämmerung in dem kleinen Haus, zwischendurch hatten ihnen die Jungs was zu Essen geholt. Dann machten sie sich auf den Weg zurück ins Dorf.
Als sie durch den Wald gingen, war es schon Dunkel und Sakura hielt sich dicht bei den anderen. Felix führte die kleine Gruppe an. Nach einiger Zeit blieb er stehen und sah sich um. „wir haben uns doch nicht etwa verlaufen?“ fragte Claire unheilvoll. Felix warf ihr einen nervösen Blick zu. Yaras Augen glitzerten amüsiert als Claire Felix anfunkelte. „Alles muss man selber machen“ beschwerte sich Claire, schubste Felix bei Seite und ging selber vor.
Als sie durchs Gestrüpp wanderten, sah Sakura zwischen den Bäumen Licht durchschimmern. „ist da vorne nicht der Stützpunkt?“ fragte sie. Yara folgte ihrem Blick. „stimmt, gut erkannt. Leute, da vorne ist der Stützpunkt, das Dorf kann nicht mehr weit sein.“ Rief sie. Claire nickte und führte sie wieder auf den Weg zurück.
Schließlich erreichten sie das Dorf. Mittlerweile leuchtete ein weißer Halbmond am schwarzen Himmel und einige Sterne funkelten Tapfer gegen die Dunkelheit an.
Claire schloss das Tor, das zu Nasori führte, wieder zu. „es darf keiner wissen, dass wir hier waren“ zischte sie. Sakura nickte. „gut. Yara, begleitest du Sakura zu ihr nach Hause?“ Yaras Augen funkelten. „damit du mit Felix allein sein kannst?“ neckte sie. Claire verdrehte die Augen. Dann nahm Sakura Yara am Arm. „komm jetzt“ flüsterte sie. Yara warf Felix und Claire noch einen Blick zu. Dann folgte sie Sakura. „sag mal…wart ihr schon mal bei diesem…Forschungsdings?“ fragte Sakura nach einer Weile. Yara blieb stehen und wand sich ihr zu. „nein. Warum fragst du? ...“
Sakura schwieg. Yara kniff die Augen zusammen. „du heckst doch irgendwas aus.“ „warum sollte ich?“ fragte Sakura. Yara sah sie noch einen Augenblick lang an. Dann ging sie weiter. Sakura hinter ihr her.
Schließlich erreichten die das Haus. „ich komme dich dann morgen vor der Schule wieder abholen“ sagte Yara, bevor sie in der Finsternis verschwand. Sakura blieb noch eine Weile draußen und sah zum Himmel empor. Sie betrachtete den Mond und die Sterne nachdenklich. ~etwas ist hier seltsam~ dachte sie. „wunderbar klar diese Nacht oder?“ Sakura zuckte zusammen. Ihre Mutter war aus dem Haus zu ihr getreten und schaute ebenfalls in den Himmel. „viel klarer als bei uns in der Stadt“ fügte sie noch hinzu. Sakura nickte. „sag mal, wo wart ihr eigentlich den ganzen Tag?“ fragte ihre Mutter dann. Sakura zögerte kurz, dann gähnte sie gespielt. „ich bin müde“ sagte sie ausweichend. „lass uns Morgen darüber reden“ dann schlich sie hoch in ihr Zimmer.
Es waren mittlerweile zwei Wochen vergangen, seit Sakura und ihre Mutter nach Nozomi gezogen waren.
Sakura, Claire, Felix und Yara waren ungefähr jeden dritten Tag nach Nsori gegangen und Sakura kannte sich mittlerweile dort sehr gut aus. Nun saß sie in der Schule. Wiedermal Geschichte. Jedoch war es diesmal, was Sakura sehr wunderte, recht interessant. Herr von Bergen hatten ihnen als Hausaufgabe in der letzten Stunde aufgegeben, sich in der Bücherei oder von Wo auch immer das Buch ‚Mythologie-Seelenzauber’ zu besorgen. Sakura hatte es sich aus der Bücherei ausgeliehen und zu Hause schon einmal einen Blick darauf geworfen. Es handelte von verschiedenen Forschungsergebnissen oder Theorien bekannter Wissenschaftler des 19.Jahrhunderts im Bezug auf die Spaltung einer Seele. Herr von Bergen besprach mit ihnen gerade ein Kapitel, das von Nozomi handelte. Es soll angeblich vor langer Zeit einmal eine ‚Seelenspaltung’ in dem Dorf gegeben haben. Yara glaubte von dem Quatsch kein Wort doch Sakura machte das neugierig.
Sie sagte Yara, dass sie heute nicht mit ins Nasori kommen kann, weil sie Kopfschmerzen hatte. Yara hatte sie zuerst seltsam angeschaut, aber nach einer guten Schauspielerischen Einlage von Sakura, hatte sie ihren Worten Glauben geschenkt und dies auch Felix und Claire erklärt.
Nun saß Sakura in ihrem Zimmer auf dem Bett und las in dem Buch. Dort waren die verschiedensten Theorien aufgelistet. Dort war eine, in der Besagt wurde, dass angeblich ein besonderes Schwert die Seele trennen könne, was Sakura sich allerdings als ziemlich schmerzhaft vorstellte. Sie blätterte weiter.
Auf einer Seite stand als Kapitelüberschrift in Großbuchstaben das Wort ‚Mondleere’ geschrieben. Sakura fing an zu lesen. Auch in diesem Kapitel gab es verschiedene ansichten über den Zusammenhang zwischen Seelenspaltung und dem Mond. Eine davon hatte es Sakura ganz besonders angetan.
*[…] eine weitere These, die auch wissenschaftlich belegt wurde, ist, dass es alle 118 Jahre, eine Mondleere auf der Erde gibt. In der besagten Nacht, ist der Mond nirgendwo auf der Erde zu sehen. Es heißt, dass in dieser Zeit enorme Kräfte freigesetzt werden. Ein bericht aus dem Jahre 1892, von einem Man, der behauptet, eine Seelenspaltung erlebt zu haben sagt folgendes aus: „Es war schon eine ganze Weile so, dass mich der Mond beschäftigte und mir schlaflose Nächte bereitete. Dann eines Tages, hielt ich es nicht mehr aus und schlich mich in der Nacht nach draußen. Als ich zum Himmel aufsah, war kein Mond zu sehen. Nur die Sterne schienen dafür umso heller. Ich machte mich auf den Weg in den Wald. Mir war so, als würde ich etwas suchen, wüsste aber nicht genau was. Und dann, auf einer großen Lichtung im Wald geschah das unfassbare…“*
Sakura blätterte die Seite um, doch auf der nächsten Seite fing schon wieder ein neues Kapitel an. „das kann doch nicht sein!“ fluchte Sakura leise vor sich hin und blätterte die Seite immer wieder vor und zurück. Doch das Kapitel schien dort wirklich zu enden, ~seltsam~ dachte Sakura und legte das Buch auf ihren Schreibtisch. Da fiel ihr ein kleiner Zettel auf, der halb aus dem Buch gerutscht war. Sie nahm ihn ganz raus. Es war ein zusammengefaltetes, vergilbtes stück Pergament. Sie faltete es auseinander. Es war eine Tabelle, in der die verschiedenen Orte notiert waren, wo sich angeblich eine Seelenspaltung zugetragen hatte. Eigentlich konnte Sakura damit nicht viel Anfangen, wenn da nicht etwas gewesen wäre, was sie verunsichert hätte. Ganz unten in der Tabelle stand: ‚zukünftiger Zutrage Ort: Nozomi’ Sakura konnte es erst nicht glauben und las es sich bestimmt fünf mal durch, ehe sie sich sicher sein konnte, das das auch wirklich stimmte. Ein Kälteschauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie steckte den Zettel zurrück in das Buch und stopfte es in ihre Schultasche. Dann verkroch sie sich unter der Bettdecke. Konnte das wirklich sein? Stand da auf dem Zettel etwa, dass sich die nächste Seelenspaltung, was auch immer das war, in Nozomi, dem Dorf in dem sie sich gerade befand, stattfinden würde?
Sakura hatte sich fest vorgenommen, an diesem Tag mit Herrn von Bergen über diesen seltsamen Zettel zu sprechen. In der ersten großen Pause machte sie sich auf den Weg zum Lehrerzimmer. Yara holte sie auf halbem Wege ein. „Hey, Sakura warte mal!“ rief sie. Sakura blieb stehen. „wo willst du hin, es ist Pause.“ Sagte Yara und sah sie fragend an. Sakura erwiderte ihren Blick nachdenklich und wählte ihre Worte gut. „ich muss zum Lehrerzimmer, gestern habe ich eine sehr seltsame Entdeckung gemacht.“ Yara runzelte die Stirn, doch anscheinend erkannte sie an Sakuras Blick, das sie dass wirklich ernst meinte und nickte nur. „okay, ich warte vorne auf dich.“ Sakura nickte und ging wieder Richtung Lehrerzimmer. Bor der Türe blieb sie stehen um sich zu Sammeln. Sie war noch nie beim Lehrerzimmer gewesen, seit sie hier war.
Dann klopfte sie und öffnete die Tür. Von innen strömte ihr der kräftige Geruch von Kaffee entgegen und überall liefen Lehrer herum. Die meisten kannte Sakura nicht. Dann entdeckte sie Frau Seib, ihre Mathelehrerin und rief nach ihr. Frau Seib kam zur Türe. „Sakura, was gibt’s?“ „ist…ist Herr von Bergen da?“ fragte Sakura kleinlaut. Frau Seib lächelte schief. „warte einen Moment, ich schaue mal nach.“ Damit verschwand sie und Sakura ließ die Türe mit einem leisen Quietschen ins Schloss fallen.
Wenig später kam Herr von Bergen aus der Türe und sah sich um. Als er Sakura erblickte, ging er zu ihr. „Sakura, was führt dich zu mir?“ fragte er mit tiefer Stimme.
„ich habe gestern noch in dem Buch gelesen, was wir in Geschichte brauchen und einen seltsamen Zettel darin gefunden.“ Sakura sah zu ihm auf. Herr von Bergen sah nachdenklich aus. „einen Zettel sagst du…was stand denn da drauf?“
„dort war eine Tabelle aufgezeichnet, in der die Orte notiert waren, wo bereits eine Seelenspaltung vorgefallen wäre. Und dann stand da noch ein Ort, wo so etwas bald stattfinden würde…und zwar hier…in Nozomi“ erklärte Sakura.
„hier?!“ fragte Herr von Bergen ungläubig. Sakura nickte. „nun…das ist sonderbar. Die meisten Leute halten diese Seelenspaltung ja nur für ein Gerücht aber wer weis…“
Sakura verstand was er meinte. Sie glaubte ja selbst nicht so wirklich daran.
„meinst du, an der Sache ist was dran?“ fragte Herr von Bergen. Sakura zuckte mit den Schultern. „ich bin mir nicht sicher. Ich meine, von so was habe ich noch nie zuvor gehört…es könnte ja auch alles nur frei erfunden sein.“ Herr von Bergen nickte. „vermutlich hast du recht…aber vielleicht wäre es besser, wenn du es erst einmal für dich behältst…nur für alle Fälle“ Sakura überlegte kurz. „ja, das wäre wohl am besten.“
Sie verabschiedete sich von Herrn von Bergen und ging nach draußen wo schon Yara auf sie wartete. „na? Wie war dein ‚date’?“ fragte sie spöttisch. „eifersüchtig?“ konterte Sakura und grinste. Dann wurde Yara ernst. „nein, sag mal ehrlich, was war denn so wichtig, dass du dafür ein viertel deiner Pause geopfert hast?“ Sakura sah sie an. „ist nicht der rede wert“ sagte sie und wedelte wegwerfend mit der Hand. Damit Yara nicht mehr weiter fragte, ging sie auf den Kiosk zu. „ich hab Hunger, kommst du mit?“ Yara zögerte erst, doch dann folgte sie ihr.
Nach der Schule gingen Claire, Felix, Yara und Sakura wieder ins Nasori. Diesmal sahen sie einen Luchs. Der erste Luchs, den Sakura in der ‚Wildnis’ gesehen hatte. Sie blieben jedoch nur bis zum Nachmittag, da Felix Fußballtraining hatte, Claire mit ihrer Mutter ins Nachbardorf fuhr und ihnen nicht erlaubte, allein in den Wald zu gehen. Sakura wunderte sich, dass Yara den Rat auch wirklich befolgte, was sie ja sonst nie tat.
Yara führte Sakura zu ihr nach Hause, Sakura war noch nie bei Yara gewesen. Ihr Haus ähnelte dem von den Va Lee’s dehr, dennoch war es ein wenig anders. Die Fassade war in einem leichten blauen Ton gestrichen und die Türe war an der Rechten Seite, nicht Frontal in der Mitte.
In Yaras Zimmer lag alles kreuz und Quer herum, was Sakura nicht wunderte. Sie ließ sich auf dem Drehstuhl nieder, während Yara sich aufs Bett setzte.
„Yara?“ begann Sakura nach einer Weile. Yara sah von den Deutschhausaufgaben auf. „ja?“ „Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“ fragte Sakura. Yara lächelte. „klar, was brauchst du diesmal?“ Sakura schüttelte den Kopf. „ich möchte zur Forscherstation gehen.“ Yara riss die Augen auf. „zur…Forscherstation?!...sonst noch was?“ Sakura schaute verlegen nach unten. „was willst du denn da?“ fragte sie.
Sakura überlegte, wie sie es erklären sollte. „ich…ich muss was nachschauen.“ Brachte sie schließlich heraus. Yara musste lachen. „und ich dachte mir würden verrückte Dinge durch den Kopf gehen. Ich wusste doch, du heckst irgendwas aus!“
Sakura wurde leicht rot. „kommst du denn mit, oder soll ich alleine gehen.?“ Fragte sie.
Yara schaute sie verblüfft an. „ich komme natürlich mit, was glaubst du denn?“
Sakura nickte. „Okay. Übermorgen nach der Schule.“
Der Tag, an dem Sakura und Yara zur Forschungsstation gehen wollten war gekommen. Die Schule zog sich unendlich lange hin und als sie endlich aus war, eilte Sakura auf den Schulhof. Yara war noch auf die Toilette gegangen und so gesellte sich Sakura zu Felix, Claire und Nico, die am Rand des Schulhofs standen.
„Hey Sakura!“ rief Claire ihr schon von weitem zu. „hast du von Vergnügungspark gehört, der Seit letzter Woche im Nachbarort ist?“ Sakura nickte. „Meine Mum fährt uns Heute dahin, Lust mit zu kommen?“ fragte sie. Sakura wählte ihre Worte bedacht. „ich würde wirklich wahnsinnig gern mitkommen, doch Yara und ich haben Heute etwas wichtiges vor.“ Sagte sie und war wieder einmal froh, dass sie Schauspielerisches Talent besitzte. Claire beäugte sie misstrauisch, sagte aber nichts dazu und nickte nur. „gut. Dann brauche ich Yara ja auch nicht mehr zu fragen.“ Felix und Nico waren schon zum Straßenrand vorgegangen, wo ein Schwarzer VW stand, der och sehr neu aussah. „kommst du jetzt oder was ist?“ rief Felix von Wagen aus. „ich komm ja schon!“ rief Claire zurück und verabschiedete sich schnell von Sakura. Nico warf Sakura einen langen, unergründlichen Blick zu, bevor er ins Auto stieg.
Sakura seufzte. Da packte sie jemand von hinten an den Schultern. Sakura erschrack und wirbelte herum. Yara stand hinter ihr und grinste sie an. „Yara! mach das gefälligst NIE wieder, hast du verstanden?!“ zischte sie. Yara grinste nur noch breiter. „ist ja gut, ist ja gut“ dann sah sie zum Auto, das gerade wegfuhr. „wo fahren die denn hin?“ wollte sie wissen. Sakura sah Yara an. „…im Nachbarsorf soll so ein neuer Vergnügungspark sein…“ fing sie an und schaute zu Boden, da sie wusste wie sehr Yara Vergnügungsparks liebte. Auch wenn sie das überhaupt nicht verstehen konnte. Yara riss die Augen auf. „WAS?! Die …die fahren zu einem neuen Vergnügungspark und wir dürfen im Wald herumlaufen?“ Sakura blicke wieder auf. „ja, so siehst aus…“ Yara verzog den Mund. Dann lächelte sie. „du hast Glück, dass du es bist“ Sakura atmete aus, erleichtert dass Yara nicht allzu sauer war.
„also, wie sieht dein Plan aus?“ fragte Yara, als sie auf dem Weg zum Tor von Nasori machten. Sakura drehte mit ihren Fingern eine Haaresträne auf. „na ja…“ Yara zog eine Augenbraue hoch. „du hast noch gar keine, stimmt’s?“ „ich setzte lieber auf Gut Glück“ konterte Sakura und beschleunigte ihr Tempo um zu zeigen, dass sie nicht länger darüber reden wollte.
Schließlich kamen sie am Tor an. „Mist! Verschlossen!“ zischte Sakura und drehte sich zu Yara um. „du hast nicht zufällig einen Schlüssel oder so was?“ Yara schüttelte den Kopf. „das nicht. Aber ich kenne einen anderen Weg hinein.“
Sie führte die Beiden den Zaun entlang bis zu einer Stelle, wo der Boden leicht abfiel. Yara kniete sich nieder und begann, mit den Händen die Erde aus dem Loch zu Heben. Nach einer Weile gesellte sich Sakura zu ihr.
Nach ungefehr 10 Minuten, wurde eine Metallplatte sichtbar, die einen Hohlraum vom Zaun abgrenzte. „na? Was sagst du jetzt?“ fragte Yara und schaute Sakura triumphierend an. Sakura lächelte leicht. „ich würde sagen, wir machen und ganz schön dreckig, wenn wir da durch kriechen“
Yara kniff die Augen zusammen. „hast du eine bessere Idee, wie wir hier rein kommen sollen?“ fragte sie. Sakura schüttelte den Kopf und ließ Yara den Vortritt, die sich bereits unter dem Zaun durchquetschte.
Als sie sicher auf der anderen Seite war, folgte Sakura ihr.
„Schau dir nur meine Hose an!“ sagte Sakura, als sie auch unter dem Zaun durchgekrochen war und klopfte Erde von ihrer hellblauen Röhrenjeans.
Yara musterte sie amüsiert. „ach, reg dich ab, das ist noch gar nichts…stell dir vor, wenn wir ausrutschen und in eine Schlammpfütze fallen…“ Sakura gab ihr einen Klaps auf den Hinterkopf. Yara grinste.
Sie gingen weiter durch den Wald. Hier gab es nicht so ausgeprägte Trampelpfade wie auf dem anderen Weg, aber das Gebüsch war hier auch weniger Dicht.
Nach einiger Zeit kam Die Forschungsstation in Sicht.
„warst du schon mal da?“ fragte Sakura. „nein“ sagte Yara und strich sich eine Haarsträhne auf dem Gesicht.
Die Anlage war glücklicherweise nicht mit einem Zaun umgeben und sie schlichen weiter bis ans Gebäude.
Unter einem Fenster machten sie halt. „und? Wie kommen wir jetzt rein?“ flüsterte Yara. „abwarten“ entgegnete Sakura und spähte vorsichtig hinein.
Die Station war sehr klein und man konnte durch vier Fenster in alle Räume sehen.
„es scheint niemand da zu sein“ sagte Sakura und richtete sich auf.
„schau mal da!“ rief Yara und eilte auf eines der Fenster zu, dass einen Spalt offen stand. Sakura angelte mit ihrem dünnen Arm hinein und öffnete es von innen ganz. „prima! Ich sag doch, man bracht keinen Plan. Es kommt alles von ganz alleine“ sagte Sakura und grinste. Yara schüttelte den Kopf.
Sie kletterten ins innere der Station. Der Boden war mit Parkett belegt und sie waren vermutlich im Computerzimmer gelandet. „na wenn das mal kein Glück ist.“ Sagte Sakura und ging zu einem Der Rechner.
Yara folgte ihr langsam. „sag mal…Sakura. Warum wolltest du jetzt hier her?“
Sakura setzte sich auf einen Drehstuhl und lehnte sich zurück.
„am Anfang war es der Internetzugang weswegen ich hier her wollte. Felix meinte hier könne man ins Internet und dar mein Laptop noch bei Herr Lidaar ist, dachte ich…“ Yara schaute sie unglaubig an. „wir sind hier weil du ins INTERNET willst?!“ Sakura wurde leicht Rot. „am Anfang schon…doch dann habe ich mir dieses Buch für die Schule ausgeliehen in der Bücherei. Und darin stand etwas Seltsames über Seelenspaltung. Deswegen war ich auch bei Herr von Bergen.“ Yara nickte. „achso, jetzt verstehe ich…aber was hat das mit der Forschungsstation zu tun?“ Sakura holte tief Luft. „in dem Buch war so ein Zettel, wo die ganzen Orte aufgelistet waren, wo sich eine Seelenspaltung bereits zugetragen hatte, und wo es so was demnächst geben wird…da stand, das die nächste hier, in Nozomi, statt finden wird!“
Yara schien Nachdenklich. „du meinst…so was gibt es?“ fraget sie dann.
Sakura seufzte. „möglich wäre es doch oder“
Yara zuckte mit den Schultern.
„wie auch immer, was willst du dann hier?“ fragte sie dann erneut.
Sakura drehte sich zum Computer. „ich möchte nach Informationen suchen, die darauf hindeuten könnten, dass das was auf diesem Zettel stand stimmt.“
Yara sagte nichts mehr, eine Situation, die nicht oft vorkam, wie Sakura vermutete.
Stattdessen kniete sie sich hin und öffnete die unterste Schublade des Schreibtischs.
Sakura lächelte. Dann wand sie sich dem PC zu und starrte auf den Bildschirm. „so ein Mist!“
Yara sah auf. „was ist denn?“
„das Ding ist Passwortgeschützt!“ sagte Sakura verärgert.
Yara grinste sie an. „was gibt’s denn da zu grinsen?“ fragte Sakura verwirrt. Yara stand auf. „dann schauen wir doch mal, ob wir hier was finden“ und hob das Mauspet hoch, darunter klebte ein weißer Zettel mit dem Passwort drauf.
„na bitte, sag ich’s doch!“ meinte Yara triumphierend. Sakura grinste. „du bist die beste“
dann nahm sie den Zettel und gab das Passwort ein.
Yara durchsuchte weiter den Schreibtisch.
Sakura klickte sich durch sämtliche Dateien, bis sie schließlich fündig wurde.
„hier, schau mal“ sagte sie und tippte Yara an die Schulter.
Yara sah von einem Ordner auf. „ja? Hast du was gefunden?“
Sakura sah auf den Bildschirm. „na ja…ich würde sagen irgendwie schon“
Dort war eine Datei mit der Überschrift ‚Mond S.’ geöffnet.
„hier steht etwas über den Mond, dass die Ab- und Zunehmzeiten des Mondes hier sehr merkwürdig sind.“ Erklärte Sakura.
Yara starrte sie an. „und was hilft uns das jetzt bitte?“
Sakura fiel ein, dass Yara das ja gar nicht wissen konnte. „in dem Buch war auch eine Aussage eines Augenzeugen dokumentiert. Er sagte, dass an einem Tag, wo eigentlich Vollmond sein sollte, der Mond ausblieb. Die Sterne jedoch waren zu sehen. Außerdem hatte der Himmel eine sonderbare Färbung. Kurz danach hat sich laut dem Zettel eine Seelenspaltung zugetragen“
Yara riss die Augen auf als hätte sie kein Wort verstanden davon was Sakura gesagt hatte. „also hilft es uns doch weiter…?“ fragte sie unsicher.
Sakura lächelte um die Spannung zu lösen. „ja, das tut es.“
„dann ist ja gut“ sagte Yara und grinste.
Sakura druckte die Seiten aus und faltete sie.
Plötzlich zuckte Yara zusammen und sah auf. „beeil dich! Ich glaube, da kommt jemand!“ zischte sie. Sakura fuhr schnell den Computer herunter und lief zum Fenster wo Yara bereits wartete.
Sie kletterten hinaus, schlossen das Fenster so gut es ging und drückten sich unter dem Sims an die Wand.
Von innen warten Schritte zu hören und bald auch eine Stimme, jedoch zu leise um zu verstehen was sie sagte. Das Fenster wurde ganz geschlossen und nach einigen Minuten war es Still.
Vorsichtig lugte Yara durch das Fenster. „sie sind weg. Komm jetzt, schnell!“ rief sie und lief in den Wald. Sakura folgte ihr.
Am nächsten Tag in der Schule schwärmte Claire davon, wie toll es im Vergnügungspark gewesen war und wie schade es war, dass Yara und Sakura nicht dabei waren. Sakura hatte sie noch zugeflüsterte, dass sie glaubte, Nico habe sie sehr gern.
Sakura verdrehte die Augen und Yara kicherte.
In der großen Pause erzählten Sakura und Yara den anderen leise, wo sie gewesen waren.
„was?! Ihr…ihr wart in der Forschungsstation?“ rief Felix aufgebracht.
„psst!“ zischte Yara und warf ihm einen verärgerten Blick zu. „willst du vielleicht, dass das gleich ganz Nozomi mitbekommt? Da hättest du auch deine Stimme schonen und einfach etwas zur Zeitung schicken können!“
Felix grummelte etwas und wand sich ab.
„ihr könnt da doch nicht einfach so reingehen! Und dass wegen ein paar kindischen Spekulationen!“ sagte Claire empört. Yara verdrehte die Augen und Sakura sah zu Boden. „doch nicht ohne uns“ sagte eine Stimme hinter Sakura. Sie sah nach hinten.
Hinter ihr stand Nico. Yara und Claire starrten ihn fassungslos an. Sakura lächelte und er zwinkerte ihr zu.
„habt ihr den wenigstens etwas rausbekommen?“ fragte Claire schließlich.
Sakura nickte, holte die Zettel, die sie ausgedruckt hatte aus ihrer Hosentausche und faltete sie auf.
Claire nahm sie entgegen und fing an, sie konzentriert zu lesen.
Nach einer Weile nickte sie bedächtig. „das ist wirklich nicht uninteressant…“ murmelte sie.
Sakura sah sie an. „wirklich?“
Claire nickte wieder. „ja, die haben den Mond anscheinend einige Monate lang beobachtet und immer an Vollmond das gleiche festgestellt. Jedes mal ist der Mond schlechter zu sehen obwohl es nicht bewölkt ist und auch keine Mondfinsternis sein kann. Das ist ungewöhnlich“
Yara grinste Sakura zu.
Die grinste zurück.
„meint ihr…wir sollten das Herr von Bergen zeigen?“ fragte Sakura nach einer Weile.
Felix sah sie entrüstet an. „bist du verrückt? Dem kann man nicht trauen!“
Claire warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „und außerdem“ fuhr sie an Sakura fort. „was willst du ihm sagen. ‚Hallo Herr von Bergen, wir sind mal eben in die Forschungsstation eingebrochen und haben wichtige Dokumente geklaut, wollen sie vielleicht mal lesen?’“
Sakura sah betreten zu Boden.
Nico betrachtete sie. „ja, das sollten wir besser lassen. Herr von Bergen ist ein seltsamer Mensch“
Sakura wurde unsicher. „ich hab ihm von dem Zettel erzählt…und er hat gesagt, ich soll es erst mal niemandem sagen.“ Sagte sie leise.
„du hast ihm von dem Zettel erzählt? … warum?“ fragte Claire.
„ich…ich dachte weil er das mit und im Unterricht durchnimmt…“ meinet Sakura.
Yara verteidigte sie. „Sakura konnte das doch gar nicht wissen…“
Nico nickte. „dafür ist sie noch nicht lange genug hier“
Sakura verstand nicht. „was kann ich nicht wissen?“ fragte sie und sah verwirrt in die Runde.
Claire seufzte und warf Nico einen Blick zu. „kommst du mit zum Kiosk?“ fragte sie Felix. Der nickte.
„wartet, ich komme auch mit!“ rief Yara und lief den beiden hinterher.
Sakura wollte schon etwas rufen, tat es aber doch nicht. Es war ein seltsames, aber gutes Gefühl mit Nico alleine zu sein.
Nico sah sie ernst an, was Sakura unglaublich süß fand.
„es ist so…“ fing er an. „Einmal, ist eine Schülerin zu Herrn von Bergen gegangen wegen einer ziemlich unangenehmen Sache, die ihre Eltern aber nicht wissen durften. Sie hat sich ihm anvertraut weil sie glaubte, er würde es verstehen. Doch er war der Meinung, das gehe ihre Eltern etwas an und informierte sie Kurzerhand hinter dem Rücken der Schülerin. Das war ziemlich heftig und sie hat mächtig Ärger bekommen.
Seitdem traut ihm keiner mehr.“
Sakura nickte. Das war wirklich nicht schön…
„wer war diese Schülerin?“ fragte Sakura und sah zu ihm auf.
Er schloss kurz seine wundervollen, blauen Augen und seufzte tief. Dann sah er Sakura an, beugte sie etwas vor und flüsterte ihr ins Ohr. „es war Claire“
Sakura fühlte sich in den nächsten Tagen sehr schlecht. Sie hätte nicht mit Herrn von Bergen reden sollen. Aber sie konnte ja nicht wissen, dass er so einen schlechten Ruf an der Schule hatte. Oder doch?
Sie lief in ihrem Zimmer auf und ab. Erst Gestern hatte Nico ihr die Sache mit Claire erzählt. Das hatte sie ziemlich mitgenommen.
Schließlich setzte sie sich an den Schreibtisch. Sie musste sich ablenken also machte sie Hausaufgaben.
Dann klopfte es an ihre Türe. „Ja?“ sagte Sakura und drehte sich der Tür zu.
Ihre Mutter, Lian, kam ins Zimmer und lächelte Sakura gekünstelt an, wie sie es so oft tat. Sakura vermutete, das ihr gekünsteltes Lächeln daher kam, dass sie Architektin war und ihren Kunden gegenüber immer Freundlich sein musste.
Lian setzte sich auf Bett und knetete ihre Finger. „du, Sakura?“
Sakura sah sie an. „was ist?“
„ich habe einen Auftrag bekommen und muss dafür für drei Wochen ins Nachbardorf. Könntest du so lange bei einer Freundin unterkommen?“ sie sah auf.
dieser Satz erinnerte Sakura an Beth. Ihre Freundin in aus der Stadt und sie wurde kurzzeitig traurig. Dann sagte sie. „klar, ich frage Yara morgen mal.“
Ihre Mutter schien damit nicht so ganz einverstanden denn sie sah Sakura weiter an. „könntest du das nicht auch jetzt gleich?“
Sakura war so langsam etwas gereizt, blieb aber trotzdem geduldig. „warum?“
Lian seufzte so als erwarte sie, dass Sakura bereits wusste aus welchem Grund. „ich muss morgen früh schon fahren.“
Sakura nickte. „und das…sagst du mir jetzt erst?“ fragte sie seelenruhig.
Lian kniff die Augen zusammen und sah weg. „ist doch egal! Kannst du sie denn nicht jetzt fragen?“
Sakura kramte ihr Handy raus und wählte Yaras Nummer.
‚hallo?... Sakura?’ war nach einiger Zeit Yaras Stimme zu hören. „ja hei Yara. Sag mal, macht es dir…oder besser deinen Eltern etwas aus, wenn ich für die nächsten drei Wochen bei euch wohne?“ fragte Sakura.
Erst war es Still und Sakura konnte sich bildlich Yaras breites Grinsen vorstellen.
‚ja klar kannst du bei uns wohnen!’ sagte sie schließlich. ‚ab wann denn?’
Sakura zögerte. „ab… morgen?“
Yara schien überrascht. „ähm… klar’
Sakura seufzte. „ok. Dann komme ich morgen Mittag vorbei.“
‚ok. Bis morgen’ . Yara legte auf.
Lian sah Sakura erwartungsvoll an.
Sakura nickte. „ich gehe morgen Mittag zu Yara.“
Ihre Mutter fing an zu grinsen. Dann stand sie auf und ging aus dem Zimmer. „nimm aber einen Hausschlüssel mit, für alle Fälle.“ Rief sie noch hinterher.
Sakura sah ihr nach. Ihre Mutter war irgendwie komisch. Aber so war sie nun mal.
Sie nahm ihr Handy wieder und wählte langsam die Nummer von Beth. Sie war unsicher ob sie sich melden sollte, da sie schon lange nichts mehr von Beth gehört hatte. Schließlich drückte sie auf anrufen.
Gleich danach ging der Anrufbeantworter mit der hohen Stimme von Beth an. ‚hallihallo ihr Stalker! Ich bin wohl grad mit meinen mädels unterwegs aber versucht es doch einfach später noch mal! Bye!’ Sakura musste schmunzeln.
Sie wartete auf das Signal und sprach dann auf den Anrufbeantworter.
„hallo Beth! Ich bin’s, Sakura. Hör mal, wir haben schon lange nicht mehr geredet… ruf doch bitte einfach mal zurrück, wenn du das abhörst, ja? Hab dich Lieb, Sakura“
Dann machte sie ihr Handy aus und setzte sich wieder an die Hausaufgaben.
Am nächsten morgen, es war Samstag, wurde Sakura von einem Lauten Knall geweckt. Sie rappelte sich auf und strich sich eine zerzauste Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann sah sie auf ihren Wecker. Es war halb sieben am Morgen. Verärgert sprang sie aus dem Bett und gähnte. Schlaftrunken schlenderte sie durch den Flur bis zum Zimmer ihrer Mutter. Lian hockte auf dem Boden und packte Sachen in einen großen Koffer.
„mum. Was war das eben für ein knall?“ fragte Sakura genervt. „es ist halb sieben…am SAMSTAGMORGEN!“
Ihre Mutter sah zu ihr auf. „Entschuldigung Liebes, der Koffer ist mir runter gefallen. Geh und leg dich wieder schlafen.“ Sie lächelte Sakura zu.
Immer noch müde schleppte sich Sakura in ihr Zimmer zurück und legte sich wieder schlafen.
Als sie das nächste Mal aufwacht, war es 9:43 Uhr.
Sie seufzte und kletterte aus dem Bett. Ihre Mutter war schon lange weg.
In der Küche nahm sie sich ein Müsli und machte sich dann fertig.
Sie musste noch ihre Sachen packen. In der hintersten Ecke unter ihrem Bett lag der Koffer. Sakura hasste es, unter ihr Bett zu kriechen. Wer weiß, was da alles so rumkrabbelt.
Sie zog den Koffer hervor und staubte ihn erst einmal ab. Dann riss sie die Türe zu ihrem Schrank auf und kramte ein paar Sachen heraus, die für die erste Woche reichen müssten. Sie könne ja jede Woche noch einmal zurückkommen und neue Sachen holen.
Sie verschloss den Koffer und schleppte ihn die knarrende Treppe hinunter. Dann schaute sie, dass auch alle Lichter und Stromgeräte aus und alle Türen zu waren bevor sie nach draußen ging und die Haustüre hinter sich zuschloss.
Sie atmete tief die kühle Luft ein und schloss für einen Moment die Augen. Es war alles so ruhig. Man konnte sogar das leise zwitschern der Vögel hören.
Dann öffnete sie die Augen wieder. Vor ihr stand Nico.
Sakura zuckte zurück und hätte beinahe einen Herzinfakt bekommen.
Nico lächelte leicht.
Sakura verzog das Gesicht. „mach das nie wieder, hast du verstanden?“ murrte sie.
Nico sah sie belustigt an. „mach ich nicht, versprochen“
Er sah sie mit einem Blick an, dem sie einfach nicht böse sein konnte. Sie lächelte.
„wo willst du hin? Ihr zieht doch nicht schon wieder weg, oder?“ fragte er mit einem Blick auf den Koffer.
Sakura schüttelte den Kopf. „nein. Meine Mum muss nur für drei Wochen ins Nachbardorf, so lange übernachte ich Bei Yara.“
Nico schien zu verstehen. „kann ich dir mit den Koffern helfen?“
Sakura war überrascht, das er fragte. „ja klar, gerne“ sagte sie und lächelte.
Er nahm den Koffer und ging voraus. Sakura ging neben ihm.
Als sie an dem Haus ankamen, wo Yara wohnte, klingelte Sakura.
Nico stellte den Koffer vors Haus. „ich geh dann mal lieber“ sagte er und sah sie an.
Sakura war ein wenig enttäuscht und hätte gern widersprochen, doch er ließ ihr keine Gelegenheit dazu.
Sakura sah ihm nach, und nach ein paar Metern, sah er noch einmal zurück. Sakura hatte nicht bemerkt das Yara inzwischen aus dem Haus getreten war. Sie grinste und flüsterte Sakura ins Ohr: „na? Läuft da was?“
Sakura beschloss, geheimnisvoll zu wirken und drehte sich zu Yara um. Mit leicht geschlossenen Augen ging sie an ihr vorbei und flüsterte: „wer weiß…“
Dann nahm sie den Koffer und ging die Verandatreppe hinauf.
Auf halber Höhe sah sie Yara an, die sie verdutzt anschaute.
Sakura grinste. „komm jetzt!“
Yara sprang die Treppe hinauf und lief voraus ins Haus. „du kannst deine Tasche da in den Flur Stellen“ rief sie, während sie in der Küche verschwand.
Sakura kam hinterher.
In der Küche stand Yaras Mutter am Herd und machte Spiegelei.
Sie war recht groß und hatte blondes, kurzes Haar. Ihren Pony hatte sie mit einem Rosa Spängchen zurückgesteckt.
Sie drehte Sakura ihre hellblauen Augen zu. „o hallo, du musst Sakura sein stimmt’s?“ fragte sie freundlich. Sakura nickte. „jap, das bin ich“
Yaras Mutter lächelte und schüttelte ihr die Hand. „Yaras Mutter, Jane“
„sehr erfreut Frau Kremb“ sagte Sakura förmlich.
Frau Kremb lächelte breiter. Jetzt wusste Sakura, wo Yara ihr dämliches Grinsen her hatte. „Jane, mein Kind. Nenn mich einfach Jane“
Sakura nickte wieder. „okay…Jane“
Jane warf Yara einen blick zu. Dann sah sie auf die Uhr. „ich bin dann auch wieder weg. Yara, du musst gleich noch Sakuras Bett beziehen und pass bitte auf, das nichts anbrennt! Kann spät werden. Hab dich Lieb!“ sie warf Yara noch einen Luftkuss zu bevor sie aus der Türe verschwand.
„wo geht sie hin?“ fragte Sakura neugierig.
Yara wand sich dem Spiegelei zu. „zu ihrem ‚Freund’“
„sie hat einen Freund?“ fragte Sakura verwundert.
Yara lachte. „was hast du denn gedacht? ... du kennst doch Herrn Launer, oder? Mit dem wir letztens Vertretung hatten?“
Sakura konnte sich wage erinnern. „ja...“
Yara nickte. „das ist ihr ‚Freund’“ verkündete sie.
Sakura riss ungläubig die Augen auf. „nein!“
Yara sah sie amüsiert an. „doch. Der ist ungefähr drei Mal die Woche bei uns zu Hause. Da muss ich i hn ‚James’ nennen.“
Sakura kicherte und machte eine Anbetgeste. „’oh James…’“ sagte sie gespielt.
Yara verdrehte die Augen und machte das Spiegelei fertig.
Nach dem Essen bezogen sie Sakuras Bett. Sie schlief in Yaras Zimmer auf dem Gästebett. Yaras Zimmer war telativ groß und die cremefarbenen Wände waren größtenteils mit Zeichnungen, Postern oder Fotos beklebt.
Sakura sah sich die Fotos genauer an. Auf vielen war Yara mit einem schwarzhaarigen Mädchen zu sehen. Sie schienen viel Spaß zu haben. „wer ist das?“
Fragte Sakura. Yara schaute von dem Bettbezug auf und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. „ach so, das ist Grace. Sie hat auch einmal hier gewohnt… wir waren damals ziemlich gut befreundet, aber sie war mir wohl zu ähnlich.“ Yara seufzte. Sakura hatte sie noch nie so nachdenklich gesehen und machte sich schon benahe Sorgen. Dann wurde Yaras Gesichtsausdruck wieder fröhlicher. „na ja, es hat wohl nicht sollen sein“ sagte sie schnell und bezog das Kissen.
In dieser Nacht fand Sakura nur schwer den Schlaf und träumte seltsam.
Sie träumte, dass sie durch die Schule lief. Es war dunkel und sie konnte keinen sehen. Immer mal wieder schien an der Decke ein Stern zu leuchten und manchmal wurde ihr Name gerufen. Teils von Stimmen, die sie nicht kannte, aber auch Yaras war dabei. Dann fiel sie und wurde in tiefe schwärze gehüllt…
Sakura schlug die Augen auf. sie fand sich im Gästebett in Yaras Zimmer wieder und sah sich um. Yara schlief noch tief und fest. Sakuras Blick wanderte zum Wecker. 8:30 Uhr. Am Sonntagmorgen. Sie seufzte. Dann drehte sie sich im Bett um und versuchte krampfhaft, wieder ein zu schlafen. Es ging jedoch nicht. Sakura beschloss, Yara ihren heiligen Schlaf zu lassen und kletterte aus dem Bett.
Das Badezimmer war genau gegenüber so musste sie einen nicht all zu weiten Weg über den kalten Holzboden zurücklegen um ins Bad zu gelangen.
Sie schlich auf Zehenspitzen mit ihrer Kulturtasche in der Hand zum Bad.
Es war mit fließen ausgelegt und die Wände waren mit weißen Holzdielen überzogen. Hier und da war es mit ein paar Muscheln, oder Fischseife und Kerzen dekoriert.
Sakura ging zum mittelgroßen Waschbecken und stellte ihre Kulturtasche auf die dafür vorgesehene Ablage.
Dann sah sie sich im Spiegel an. Der Rahmen war künstlerisch mit Muscheln, blauen Perlen und Glitzer verziert worden.
Sie nahm ihre Bürste und kämmte sich die Knoten aus den Haaren. Dann wusch und schminkte sie sich.
Als sie gerade auf dem Weg ins Zimmer war um sich an zu ziehen, kam ihr Yara entgegen.
Sakura musste lachen.
Yara sah sie fragend an. „was ist?“
„du siehst aus!“ meinte Sakura und grinste.
Yara lächelte schief. „dann lass mich durch, wenn du nicht willst, dass ich den ganzen Tag über so aussehe!“ sagte sie und schob Sakura bei Seite.
Sakura sah ihr amüsiert nach und ging wieder ins Zimmer.
Sie suchte sich eine Strumpfhose, einen Rock und einen Pullover raus und zog sich an.
Dann wartete sie auf Yara.
Sie ließ sich in den Drehstuhl plumpsen und rolle ans Fenster. Sie sah hinaus.
An diesem Tag bedeckten graue Wolken den Himmel und zauberten ein Lichtspiel aus Hell und Dunkel auf den Boden.
Sakura lächelte. Sie mochte so ein Wetter auch wenn sie nicht wusste wieso.
Dann fielen kleine Tropfen. Sie waren so zart, dass man sie kaum sah und sie förmlich herumflogen.
Sakura beobachtete dieses Schauspiel ohne zu merken, dass Yara mittlerweile fertig war und hinter ihr stand.
„schrecklich, so ein Nieselwetter“ meinte Yara und sah stirnrunzelnd aus dem Fenster. Sakura zuckte zusammen.
„musst du dich eigentlich immer so anschleichen?“ fragte sie und drehte sich zu Yara um.
Yara grinste. „ist wohl so ne’ Eigenschaft von mir“
Sakura schüttelte den Kopf und stand auf. „also ich finde dieses Wetter gar nicht mal so schlecht.“
Yara seufzte. „wie auch immer…meine Mum hat mich gerade angerufen, wir müssen einkaufen gehen, sie hat keine Zeit.“
Nach dem Frühstück machten sie sich auf den Weg zum Supermarkt. In der Zwischenzeit hatte es mehr geregnet, weshalb der Boden ziemlich matschig war.
Jetzt war aber wieder die Sonne zwischen den Wolken hindurchgekommen.
Sakura ging vor Yara aus dem Haus. Es nieselte immer noch ein bisschen.
Yara verzog das Gesicht. „och nee“ klagte sie und tappte hinter Sakura her.
„du stellst dich an, es regnet doch gar nicht mehr“ sagte Sakura und boxte ihr leicht in den Oberarm.
„mach ich doch gar nicht“ entgegnete Yara gespielt eingeschnappt und boxte zurück.
Sakura lachte.
Auf halbem Wege trafen sie auf Nico, der ihnen mit einer Einkaufstasche entgegen kam.
„na Nico!“ rief Yara schon von weitem. „auch einkaufen, was?“
Nico nickte. „ja, leider“
Sakura warf ihm einen schnellen Blick zu, als er an ihr vorbeiging und Yara pfiff ihm hinterher.
„Mensch Yara!“ zischte Sakura leise.
„was?“ fragte Yara und sah sie unschuldig an.
Sakura rollte mit den Augen und zog das Tempo an.
Im Supermarkt nahmen sie sich einen Wagen und gingen die Reihen ab.
Bei der Käsetheke begegneten sie Herrn Lidaar, der gerade ein paar Scheiben Gauda kaufte.
„Hallo Herr Lidaar, lange nicht mehr gesehen. Was macht das Geschäft?“ fragte Yara gut gelaunt.
Herr Lidaar schaute sie mit diesem schiefen Grinsen an. „hallo Yara und hallo Sakura! Ganz gut soweit, wie läuft die Schule?“
Yara grinste breit. „ganz schlecht soweit.“ Sagte sie mit übertriebener Ironie.
Herr Lidaar zog eine Augenbraue hoch. Dann sah er Sakura an. „dein Laptop ist übrigens fertig. Du kannst ihn dir nachher abholen, wenn du magst“
Sakura nickte. „danke… aber haben sie nicht Heute Frei?“
Herr Lidaar lächelte. „ja, das Stimmt schon. Aber ich mache auch einmal eine Ausnahme“ er zwinkerte ihr zu. Dann verabschiedete er sich und ging weiter.
Yara sah Sakura an. „seltsamer Typ…“ murmelte Sakura und sah ihm nach.
„so ist er halt. Kann man nichts dran ändern“ meinte Yara und kaufte Käse.
Zum Schluss gönnten die beiden sich noch ein Eis, bevor sie mit vollen Taschen wieder zu Yara nach Hause gingen.
Die erste Woche bei Yara war vorbei und Sakura saß gerade am Frühstückstisch.
Es war schon ein wenig anstrengend, Yara 24 Stunden lang um sich herum zu haben, aber man gewöhnte sich daran.
Sie nahm ein Löffel von ihrem Müsli während sich Yara ein Salamibrötchen schmierte.
„wie kannst du dich nur von Müsli ernähren?“ fragte Yara und warf einen Blick in die Schale.
Sakura lächelte mit vollem Mund. „ich verstehe auch nicht, wie man Morgens, Mittags und Abends ein Salamibrötchen essen kann“ konterte sie und schluckte.
Yara warf ihr einen Krümel zu.
Da kam Jane, Yaras Mutter, schlaftrunken in die Küche getaumelt. „Morgen Sakura... morgen Yara“ sie gähnte ausgiebig. „wie könnt ihr nur so früh morgens so fit sein?“
Yara lachte. „mum…es ist schon 10 Uhr.“
„normalerweise stehe ich immer um 8 auf“ fügte Sakura hinzu.
Jane machte ein ungläubiges Gesicht, nahm sich einen Apfel und schlich wieder nach oben.
Yara und Sakura kicherten.
Nach einer weile fragte Yara „du steht doch nicht wirklich am Wochenende um 8 auf, oder?“
Sakura sah sie an. „doch klar, was glaubst du denn?“
Yara riss die Augen auf.
„daran gewöhnt man sich. Vor allem wenn die Mutter öfters mal am Wochenende arbeiten muss.“ Sagte Sakura und nahm noch einen Löffel von ihrem Müsli.
Am Nachmittag hatten sie sich mit Felix, Claire und Nico beim Tor verabredet.
Yara und Sakura waren die ersten. Dann kam Nico.
Sie stellten sich ans Tor und warteten.
Schließlich kamen auch Claire und Felix. „Sorry, dass wir zu spät sind.“ Entschuldigte Claire die beiden.
Yara sah Claire an.
Sakura hätte jetzt eine bissige Bemerkung erwartet, doch Yara nickte nur. Anscheinend hatte sich der kleine ‚Streit’ der beiden etwas gelegt.
Sie gingen wieder zu dem kleinen, selbstgebauten Häuschen im Wald.
Als sie gerade angekommen waren, klingelte Sakuras Handy. Es war Beth.
„entschuldigt mich, aber da muss ich dran gehen“ sagte sie.
„du hörst dich ja fast an, wie deine Mutter“ bemerkte Yara und grinste.
Sakura wedelte ihr mit der Hand wegwerfend zu, drückte auf ‚annehmen’ und ging zwischen den Bäumen hindurch.
„Hallo? ...Beth?“ fragte Sakura vorsichtig in den Hörer hinein.
‚wie sie leibt und lebt. Sakura?’ kam Beth Antwort.
Sakura lächelte. „ja, hallo. Ich bin’s. Es tut mir Leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe“
‚ach, das ist doch nicht weiter schlimm! Das zeigt mir, dass es dir gut geht’ sagte Beth und Sakura war froh über die Art, wie sie es sagte.
„du, wir müssen und unbedingt noch mal treffen! Und wie geht’s eigentlich Katrin und den anderen?“ fragte sie eindringlich.
Beth lachte. ‚denen geht’s gut! Ja, das müssen wir unbedingt noch mal… ich habe jetzt leider nicht so viel Zeit, weil ich gleich zur Orchesterprobe muss, aber ich meld mich noch mal. Versprochen!’
„ja, okay. Dann bis dann“ sagte Sakura.
‚bis dann’ Beth legte auf.
Sakura seufzte. Wie sollen sie sich denn treffen? Beth kann doch nicht nach Nozomi kommen. Das ist viel zu weit weg. Und ihre Mutter kann Sakura auch nicht fahren, so oft wie sie weg muss.
~es wird sich schon irgentwas ergeben~ dachte Sakura.
Dann sah sie sich um. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie während des Telefonats immer tiefer in den Wald gegangen war. Hier kannte sie sich nicht aus.
So langsam bekam sie Panik.
Hektisch rannte sie umher auf der Suche nach etwas, das ihr bekannt vorkam. Doch aussichtslos.
Sie lehnte sich an einen Baum. ~ganz ruhig~ sagte sie sich selber und atmete einmal tief durch. Dann nahm sie ihr Handy raus. Nur leider war jetzt auch der letzte Empfangsbalken weggegangen. „so ein Mist!“ fluchte sie.
Dann meinte sie leise die Stimme von Yara zu hören und lauschte. Tatsächlich. Es war Yaras Stimme und sie rief nach Sakura.
„Yara!?“ Sagte Sakura zögernd und dann immer lauter.
Sie stieß sich vom Baum ab und lief in die Richtung, aus der die Stimme kam. Sie stieg ein paar Zweige zur Seite und stand Yara gegenüber.
„Yara!“ rief sie erleichtert und fiel ihr um den Hals. „ich war noch nie so froh dich zu sehen!“
Yara umarmte sie. „wo warst du? Zuerst hast du telefoniert und dann warst du plötzlich weg! Wir haben uns alle Sorgen gemacht!“
Sakura sah sie an. „ich… ich glaube…“ setzte sie an, doch Claire, die aus dem Dickicht gelaufen kam, unterbrach sie. „Sakura! Was machst du denn nur für Sachen?!“
Sakura sah zu Boden.
Dann folgten auch Felix und Nico, dessen Gesicht seltsam verzehrt war, sich jedoch in Erleichterung entkrampfte, als er Sakura sah.
„sie hat sich verlaufen“ sagte Yara zu Claire.
Claire nickte. „das habe ich gemerkt“
Dann meldete sich Felix zu Wort. „ehm… Leute? ...weiß einer von euch zufällig, wo das Häuschen ist?“
„WAS?“ Claire fuhr herum. „ich dachte, du weißt es!“
Felix sah sie ausdruckslos an. „nein. Ich weis es nicht.“
Nico sah sich um. „es wird schon nicht so schwer sein, das Häuschen wieder zu finden.“
Claire sah ihn ungläubig an.
Yara trat zwischen die drei. „Hey, streiten hilft auch nicht weiter. Wir sollten es einfach versuchen. Immerhin haben wir es schon mal hier raus geschafft, als wir und verlaufen hatten.“
Sakura kniff die Augen zusammen.
Felix nickte. „ja. Wir finden schon wieder heraus“
Claire zischte verärgert und wand sich ab.
Sakura tippte Yara an. „wie…’schon mal herausgefunden?’“ fragte sie.
Yara sah zu Felix und Nico, aber anscheinend, wollte es niemand von den beiden erklären. Yara seufzte. Ganz am Anfang, als das Häuschen gerade erst fertig war, haben wir und schon mal hier verlaufen. Aber nach 2 Stunden haben wir den Zaun gefunden und schließlich auch das Loch, durch das wir reingekommen sind, weißt du noch?“
Sakura nickte. „also…müssen wir nur nach dem Zaun Ausschau halten?“ fragte sie.
„’nur’ ist gut…das Naturschutzgebiet ist riesig. Es wenn wir in die falsche Richtung gehen, laufen wir vermutlich geradewegs zur Mitte und dann kann es eine Ewigkeit dauern, wenn wir überhaupt raus finden. Die Handys kannst du hier drin auch vergessen. Und die Nacht würde ich hier nicht gerne verbringen, bei den ganzen Tieren…“
Nico sah sie an. „so zu denken hilft uns auch nicht weiter“ murmelte er und ging los. Die anderen folgten ihm langsam.
Sakura machte der Gedanke an die wilden Tiere ein bisschen ängstlich und sie lief nah bei Nico und Yara.
So langsam setzte die Dämmerung ein und sie waren kein Stück weiter gekommen.
Claire beschwerte sich, sie würden die ganze Zeit im Kreis laufen, Yara beklagte sich, sie habe Hunger und Felix und Nico übernahmen abwechselnd die Führung.
Als Sakura nach oben sah, flog ein Raunvogel über den Wald hinweg und im Unterholz schien sich nun auch so manches Tier zu regen.
Claire sah sich unheilvoll um. „ich möchte nicht bei völliger Dunkelheit hier rumlaufen. Da kann man ja auch gleich in einen Teich voller Krokodiele springen!“
Felix zischte sie an. „ja, mach noch allen mehr Angst, als sie ohnehin schon haben!“
Claire fauchte ihn an. „ist doch wahr“ dann wand sie sich ab.
Die Luft knisterte vor Anspannung immer mehr, desto weiter sie gingen und nach einiger Zeit wurde es recht kühl.
Nico hatte Sakura zwar schon seine Jacke gegeben, aber ihr war immer noch kalt.
Inzwischen war es so dunkel, dass man nur mit Mühe die Hand vor den Augen erkennen konnte. Sakura blieb dicht bei den anderen aus Angst sie zu verlieren.
„wir kommen hier nie raus“ klagte Yara, die an Sakuras Seite ging.
Claire lief voran und schaute sich wachsam um. „wir finden schon wieder zurück…hoffe ich“ sagte sie, hörte sich aber nicht sehr überzeugt an.
„wenn wir zusammen bleiben, werden uns keine Tiere angreifen…dafür sind wir zu viele.“ Meldete sich Nico.
„wie beruhigend“ kam Claires ironische Antwort.
„ja, wir sollten lieber schauen, dass wir zusammen bleiben“ mischte sich jetzt auch Felix ein.
Claire wirbelte herum, ihre Augen funkelten. „Ach? Denkst du wirklich einer von und würde es vorziehen allein weiter zu gehen?!“ schnauzte sie.
Sakura glaubte, dass er eine freche Antwort parat gehabt hätte, er schwieg jedoch.
„wir sollten vielleicht etwas leiser sein…“ setzte Sakura an.
Claires Blick wanderte unheilvoll zu ihr und Sakura erwartete eine scharfe Antwort, doch Claire fing sich wieder und nickte nur.
Eine ganze Weile trotteten sie weiter.
Dann kreuzte ein kleiner, schnellfließender Fluss ihren Weg. Sakura beugte sich vorsichtig vor und sah hinein.
Felix schätzte die breite ab. „da können wir ohne Probleme rüber springen“ versicherte er.
Yara schaute Sakura misstrauisch an. Sakura teilte Yaras Unbehagen voll und ganz, wollte es aber nicht zeigen.
Felix setzte zum Sprung an und landete sicher ein paar Zentimeter inter dem Fluss auf trockenem Boden.
Nico ließ den drei Mädchen den Vortritt und hielt sich nah bei Sakura.
Claire sprang zuerst, rutschte aber fast ab.
Felix eilte ihr zu Hilfe und zog sie gegen ihren Willen in Sicherheit.
Dann kam Yara. Sie sprang und landete auf dem Gras, verlor aber das Gleichgewicht und stand am Ende mit einem Fuß im Fluss.
Leise Fluchend kletterte sie auf die Böschung.
Sakura war ein wenig mulmig zu mute, als sie springen sollte.
Nico legte eine Hand auf ihre Schulter. „du schaffst das schon. Auf der anderen Seite wartet Felix und hilft dir“ versicherte er ihr freundlich.
Sakura sah ihn an und hätte sich gewünscht, dass er auf der anderen Seite stände, anstatt Felix.
Vorsichtig ging sie so weit wie möglich nach vorne und sprang dann ab.
Auf der anderen Seite stand Felix, bereit, sie zu halten, falls sie zurückrutschen sollte. Doch sie landete sicher neben Yara.
Als letzter sprang Nico ohne Schwierigkeiten über den Fluss.
Sie bewegten sich langsam weiter durch das dichte Gebüsch. Ab und zu hörte Sakura die Geräusche der Tiere, die sich im Unterholz bewegten.
Aus der Ferne erklang ein leises Wolfsheulen. Sakura für es kalt den Rücken runter und sie ging ein bisschen näher an Nico.
„Boa! Schaut euch das an!“ kam von Claire, die schon voran gegangen war, der erstaunte Ausruf.
Die anderen schlossen zu ihr auf.
Vor ihnen fiel eine Felswand steil in ein Tal ab. Es sah etwa so aus wie eine große Schüssel. In der Mitte des Tals befanden sich keine Bäume und auch keine Sträucher. Auf dem Boden wuchs nur spärlich Gras und überall lagen Felsbrocken herum.
„wow“ hauchte Yara und schaute mit großen Augen runter ins Tal.
„ich wusste gar nicht, dass hier ein Tal ist“ bemerkte Felix.
„Ich auch nicht“ sagte Nico.
„lasst uns doch nach unten gehen?“ schlug Sakura vor.
Claire sah sie missbillig an. „ich glaube, das könnte kompliziert werden, so steil wie das ist“ sagte sie und schaute den Abhang hinunter.
Yara folgte ihrem Blick. „wenn man von Fels zu Fels klettert, könnte man es schaffen“
„wenn du dir das Genick brechen möchtest, hindere ich dich nicht daran“ entgegnete Claire scharf.
Yara richtete sich auf und funkelte sie an.
Dann brach unter ihrem linken Fuß das Gestein weg und sie fiel mit einem kleinen Aufschrei hinab.
„Yara!“ schrie Sakura und hockte sich an den Klippenrand.
Nico und Felx kamen auch dazu.
Yara war auf einem Felsvorsprung etwa drei Meter unter ihnen gelandet und rieb sich den Fuß.
„Alles okay?“ rief Felix hinunter.
Yara sah auf. „ich glaube schon, nur mein Fuß tut ein bisschen weh!“ rief sie zurück.
„jetzt schafft sie es nicht mehr hoch…“ murmelte Sakura mehr zu sich selbst.
Nico nickte und wand sich an Yara. „kannst du aufstehen?“
Yara richtete sich auf. „ja, aber hoch komme ich nicht mehr!“
Claire seufzte.
„dann klettere ins Tal runter, wir kommen auch!“ rief Felix und bekam gleich darauf von Claire einen Schlag auf den Hinterkopf.
„bist du verrückt?!“ schnauzte sie.
Er sie an. „nein, bin ich nicht. Wir können sie jetzt nicht einfach da unten zurücklassen und wir finden ganz bestimmt einen anderen weg wieder hinauf.“
Sakura hörte sich die Diskussion der beiden nicht länger an sondern machte sich an den Abstieg. Nico folgte ihr.
Es war gar nicht so leicht, den Abhnag hinunter zu klettern wie Sakura zuerst vermutet hatte. Als sie nahe bei dem Felsvorsprung war, rief ihr Yara, die mittlerweile im Tal auf einem Stein saß, zu „von dem Vorsprung aus kommt ihr ganz leicht nach unten!“
Sakura befolgte ihren Rat und zog sich auf den Felsvorsprung.
Danach fand sie ganz leicht den Weg nach unten, bis sie schließlich so nah am Boden war, dass sie zu Yara hinunterspringen konnte.
Kurz nach ihr folgte Nico.
Sakura sah die Felswand hinauf. Claire und Felix, die aufgrund ihres Streits zurückgefallen waren, befanden sich gerade auf halber Höhe.
Sakura hörte einen beeindruckten Laut von Yara und spürte, wie Nico sie an der Schulter antippte. Sie drehte sich um. Das Tal war riesig. Man konnte auf Grund der Dunkelheit die andere Seite nicht erkennen, Sakura vermutete aber, dass es dort ebenso eine Felswand gab, wie hier.
Yara hatte sich aufgerichtet und hatte den Kopf in den Nacken gelegt. „wie wunderschön…“ hauchte sie hinaus.
Sakura folgte ihrem Blick. Über ihnen, am tiefschwarzen Nachthimmel, funkelten Millionen und aber Millionen Sterne. Manche waren recht groß und strahlten fast so hell wie eine kleine Sonne. Andere waren kaum größer als ein Staubkorn und funkelten tapfer gegen die Dunkelheit an. So eine klare Nacht hatte Sakura noch nie in ihrem Leben gesehen. Sie suchte den Himmel nach sich bewegenden Sternen, Flugzeugen, ab. Doch es waren keine da. In der Stadt, aus der sie kam, waren oft mehr Flugzeuge als Sterne zu sehen gewesen. Eigentlich hätte Sakura den Anblick, der sich ihr Bot, genießen müssen, aber irgendwas störte sie an diesem klaren, sternenbedeckten Himmel. Sie kniff die Augen zusammen und ging den Himmel mit genauem Blick noch mal nach. Sie bemerkte, dass er eine leicht rötliche Färbung hatte, doch das war es nicht, was sie störte…
Dann fiel es ihr auf. Der Mond fehlte!
Sie riss die Augen auf. Dann sah sie Nico an, der unmittelbar neben ihr stand und ebenfalls in den Himmel blickte. „Nico..?“
Als sie seinen Namen sagte, richtete er seine durch und durch blauen Augen auf sie und für einen Moment war sie wie versteinert. Dann schüttelte sie den Kopf. „war…war der Mond nicht in dieser Woche zunehmend?“ fragte sie und sah wieder zu ihm auf. Nico runzelte die Stirn sodass darauf winzige Falten entstanden. „ja. Heute ist Vollmond. Hast du das nicht bemerkt, als wir losgegangen sind?“
Sakura war verwirrt. Dann fiel ihr ein, dass sie, als sie am Bach war, wirklich den Vollen Mond zwischen den Bäumen hindurch gesehen hatte. „aber…aber sie doch! Der Mond ist weg!“ sagte sie unsicher und deutet hinauf in den Himmel. Nico kniff die Augen zusammen und murmelte etwas.
„warte…das mit dem Mond. Habt ihr das nicht aus der Forschungsstation mitgenommen?“ ertönte Claires Stimme hinter Sakura und sie fuhr herum.
„ja, ich meine schon…“ Dann weiteten sich Sakuras Augen. „das Buch!“ sagte sie heiser.
Claire sah sie fragend an. Inzwischen waren auch Yara und Felix dazu gekommen. „welches Buch?“ fraget Felix.
Sakura schloss für einen Moment die Augen. Dann öffnete sie sie wieder. „na, das Buch, das wir für Geschichte brauchten. Da stand doch so etwas über Seelenspaltung drinnen. Und bei so einem Bericht von einem Mann wurde gesagt, dass es in einer Nacht keinen Mond gab, wo es doch Vollmond hätte sein sollen!“ die Worte sprudelten nur so aus Sakura heraus und sie musste sich zügeln, damit sie nicht durchdrehte.
Yara schien sich erinnert zu haben. „ja, du hast auch von so einer Tabelle gesprochen, dass sich die nächste Seelenspaltung hier in Nozomi ereignen solle.“
Claire war sichtlich verwirrt, etwas, was Sakura gar nicht von ihr kannte.
„soll das heißen, ihr glaubt, dass sie hier eine Seelenspaltung zuträgt…jetzt gerade in diesem Moment?“ fragte Claire.
Nico sah wieder zum Himmel auf. „wer weiß…“ sagte er unheilvoll.
Felix und Claire saßen dicht nebeneinander an der Felswand auf dem Boden und wärmten sich gegenseitig, Yara lief unruhig auf und ab und Nico hatte sich neben Sakura auf einen Felsen gesetzt und den Arm um ihre Schulter gelegt. In der Zwischenzeit hatte sich der Himmel immer deutlicher rot gefärbt und es war eiskalt geworden. „etwas stimmt hier nicht“ sagte Yara und blieb stehen.
„ach, auch schon gemerkt?“ kam Claires antwort, die aber irgendwie hohl klang.
Yara verschränkte die arme, sagte aber nichts mehr.
Sakura war leicht eingenickt, als Nico sie sanft anstieß. „nicht schlafen“ flüsterte er ihr ins Ohr. Sie blinzelte ihn an. Es war süß, wie er sich um sie kümmerte.
Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln. Yara schien das bemerkt zu haben, denn sie kicherte leise. Sakura seufzte und wand ihren Blick schweren Herzens von Nico ab zu Yara.
Dabei merkte sie, dass die Sterne nun viel heller zu sein schienen. Sie stand langsam auf, den Blick zum Himmel gerichtet. „ehm…Leute. Ich glaube, die Sterne kommen näher“ sagte sie. Yara folgte ihrem Blick.
Auch Claire und Felix rappelten sich auf. „das kann nicht sein, Steren bewegen sich nicht“ sagte Claire mit gedämmter Stimme.
„sei dir da mal nicht so sicher“ murmelte Felix, der auch zum Himmel aufsah.
Claire folgte nun auch dem Blick der anderen.
Sakura konnte es selber kaum glauben, aber es schien tatsächlich so, als würden die Sterne näher kommen.
Das Licht wurde immer heller, bis sie die Augen zusammenkneifen musste.
„wir sollten vielleicht von hier weg!“ rief Yara panisch.
Sakura bekam nur noch mit, wie Claire rief: „zu spät!“, dann hatte das Licht sie übernommen und in vollkommene Leere getaucht. Sie fühlte sich so, als würde sie fliegen, frei und unbeschwert.
Sie wurde herumgewirbelt. Ihr Körper fühlte sich an wie aus Knete und in ihrem Kopf rauschte es unangenehm.
Dann bekam sie Boden unter den Füßen und öffnete die Augen. Sie stand in der Mitte des Einkaufszentrums in der Stadt, wo sie früher oft gewesen war.
Ihr gegenüber stand ihre Mutter. Sie sah aber irgendwie anders aus als sonst. Ihr kalter Blick war starr auf Sakura gerichtet und schien durch sie hindurch zu gehen.
Sakura drehte sich um. Hinter ihr stand ein Mann, sie kannte ihn nicht, jedoch kam er ihr schmerzlich vertraut vor. Er erwiderte mit ebenso kaltem Blick den der Mutter.
Dann ertönte ein stechender Piepton, der Sakura fast das Trommelfell zerriss. Wie auf ein Kommando gingen ihre Mutter und der Mann los, auf sie zu. Sie wollte auswichen, konnte sich jedoch nicht bewegen. Von irgendwoher viel Licht in den Raum und ließ die Augen der Beiden Personen aufleuchten. Sie schienen sich in einem stillen, inneren Kampf zu befinden. Ihre Mutter griff nach Sakuras rechter Hand. Der Mann griff zeitgleich nach der linken. Dann verstummte der Piepton und wurde von einem leisen Donnern abgelöst. Das Kaufhaus löste sich auf und sie befanden sich auf einmal in einem riesigen Wirbelsturm.
Die beiden Erwachsenen funkelten sich immer noch an. Dann begannen sie gleichzeitig zu ziehen. Jeder an einer Seite und mit der gleichen Kraft.
Sakura spürte einen Stechenden schmerz, als die beiden sie auseinander zu reißen schienen und schrie qualvoll auf.
Dann spürte sie gar nichts mehr und fiel zurück in die endlose Leere, die sie einhüllte. Ihre Gedanken waren so klar wie ein geschliffener Diamant und plötzlich war ihr alles egal. Es hätte von ihr aus für immer so bleiben können.
Doch es blieb nicht so.
So langsam nahm sie das leise Zirpen der Grillen und das Huschen der umherlaufenden Tiere im Unterholz war.
Sie wollte diese Geräusche aus ihrem Kopf verbannen, wollte wieder in diese unbeschwerliche Leere zurückfallen und alles vergessen, an was sie je gedacht hatte, doch es klappte nicht. Noch einmal versuchte sie es und kniff die Augen ganz fest zusammen. Doch es wollte einfach nicht funktionieren.
Sie seufzte leise.
Ihre Arme und Beine fühlten sich taub an und in ihrem Kopf dröhnte es noch immer. Sie spürte, wie ein kühler Windhauch ihre Wange entlang strich.
Dann öffnete sie blinzelnd die Augen. Es war noch alles verschwommen. Sakura dachte sich ~so muss es sein, wenn man auf die Welt kommt und zum ersten Mal die Augen öffnet. ~
Sie blinzelte ein paar Mal, bis das Bild was sie sah wieder klar war, und setzte sich vorsichtig auf. Sie musste aufpassen, da ihre Arme vor Schwäche zitterten. ~ein Wunder dass ich überhaupt noch lebe~ sagte sie sich.
Neben ihr lag Nico auf dem Boden, die Augen geschlossen, und ein bisschen weiter weg konnte Sakura auch die Umrisse der anderen drei ausmachen.
Ihr Blick wanderte hinauf in den Himmel.
Eine tiefe, unberührte Schwärze machte sich am Himmelszelt breit und füllte es komplett aus. Kein noch so winziger Stern zeigte sich, es schien aber auch nicht bewölkt zu sein.
Sakura wunderte sich jedoch nicht besonders darüber.
Überhaupt fühlte sie sich, als seie die ganze Welt in Watte gehüllt. Schwankend erhob sie sich auf die Beine und machte ein paar Schritte.
Irgendwo in der Dunkelheit ertönte ihr Name. Sakura erkannte die Stimmt von Yara.
„Sakura?...bist du das?“
Sakura taumelte noch ein Paar Schritte in die Richtung, aus der die Stimme kam.
„Yara? …ja, ich bin’s. Geht es dir gut?“ sagte sie vorsichtig.
Dann spürte sie eine Berührung am Arm. Yara stand unmittelbar vor ihr. Dann umarmte sie Sakura kurz, bevor sie auf deren Frage antwortete.
„Ja, mir geht’s gut soweit, und dir?“
Sakura sah sie an. „Ja, mir auch. Nur das ich ein bisschen wackelig auf den Beinen bin…“ Die Stimme von Felix unterbrach sie.
„Yara? ...Sakura? ...seid ihr das?“ fragte er und kurze Zeit später war er nahe genug, dass Sakura ihn sehen konnte.
„Ja, Felix, wir sind hier!“ rief sie.
Yara fuhr sie an. „psst! Nicht so laut, du willst doch nicht die Aufmerksamkeit irgendwelcher Tiere auf dich lenken, oder?“
„zu spät“ flüsterte Claire von irgendwo hinter Sakura, sie musste wohl auch dazu gekommen sein.
Sakura sah sich um und bemerkte, dass sie aus dem Schatten zwei glänzende Augen beobachteten. Sie erschrak und machte vorsichtig einen Schritt zurück.
„du darfst keine hektischen Bewegungen machen“ ertönte nun auch Nicos Stimme hinter ihr. Er musste jetzt unmittelbar neben Sakura stehen, denn sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr.
Für einen Moment schloss sie die Augen und versuchte sich zu erinnern, was mit ihr geschehen war. Es kam ihr aber nichts in den Sinn.
Ihre ganzen Erinnerungen waren wie ausgelöscht oder auf weiteres gesperrt.
Sie öffnete die Augen und erwiderte ohne zu blinzeln den Blick des Geschöpfes, welches immer noch in der Dunkelheit verborgen war. Sie fühlte sich seltsam von diesem Wesen angezogen und machte einen Schritt darauf zu.
„Was machst du denn da?“ zischte ihr Yara unruhig zu.
Sakura bedeutet ihr mit der Hand, sie solle still sein und ging noch einen Schritt vorwärts. Die Augen sahen nicht mehr beängstigend, eher vertraut aus. Ihre volle Aufmerksamkeit galt diesem Wesen, sodass sie gar nicht merkte, dass sie die anderen etwas entfernten.
Ungefähr zwei Meter vor dem Tier blieb sie stehen und hockte sich auf den Boden. Sie hatte den Augenkontakt immer noch nicht abgebrochen. Jetzt konnte sie auch die ungefähre Größe des Tieres abschätzen. Es war in etwa so groß wie ein Hund. Felix Eltern hatten einen Labrador, einen schwarzen. So in etwa musste die Größe passen.
Sakura dachte sich, das Tier müsse jedoch eine Katze sein, da die Pupillen schlitzförmig waren.
Das Tier blinzelte einmal, dann erhob es sich, wie Sakura fand leicht desorientiert auf die Pfoten und näherte sich ein Stück. Es war jetzt so nah, dass sie erkennen konnte, welcher Tierart es angehörte. Es war ein Luchs. Eigentlich hätte sich Sakura fürchten müssen, doch im Gegenteil. Sie wurde ganz Ruhig, fühlte sich beinahe tollpatschig in der Gegenwart dieses eleganten Tieres. Aufmerksam musterte sie sein Gesicht. Es hatte die gleiche, orangene Färbung in den Augen wie Sakura und allein sein Blick schien ihr dessen gesamte Persönlichkeit dazulegen. Das gefiel Sakura, denn bei Menschen erlebte man dieses bedingungslose Vertrauen nur selten.
Langsam, um den Luchs nicht zu erschrecken, streckte sie eine Hand vor. Sie traute sich nicht, das weich aussehende Fell des Tieres zu berühren und ließ die Hand ungenutzt in der Luft, ganz nah am Gesicht des Luchses.
Der Luchs blinzelte. Einmal, noch einmal und ein drittes mal. Dann schmiegte er zaghaft, als könnte die Hand dabei zerbrechen, das Gesicht an Sakuras Handfläche.
Wie ein Blitz durchfuhr sie die Berührung, doch sie konnte und wollte nicht ausweichen sondern hielt ihm stand.
Allein diese Berührung schien das unsichtbare Band, das zwischen den Beiden war, sichtbar zu machen.
Sakura spürte alles, was der Luchs spürte und der Luchs fühlte alles, was Sakura fühlte.
Sie spürte die kühle Erde unter den Pfoten des Luchses, seinen regelmäßigen Herzschlag, der mit ihrem verschmolz, Seine kräftigen Muskeln unter dem warmen Pelz und seine Verbundenheit zu ihr. Es war der reinste Wahnsinn und zugleich das tollste, was sie je erlebt hatte.
Und als sie wieder in die Augen des Tieres sah, war sie sich ganz sicher, dass es einen Teil ihrer Seele in sich trug.
Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie sah den Luchs an.
„Believe“ Sagte sie leise.
„Es deutet alles darauf hin, dass unsere Seelen wirklich gespalten wurden“ sagte Claire nun zum X. mal. Sie fuhr sich abermals mit den Händen durch die Haare und schüttelte den Kopf.
„das ist doch unmöglich!“ Sie fuhr herum und schaute die anderen an, die nebeneinander zusammengekauert in Schutz einer kleinen Aushöhlung im Gestein saßen. Ihr Blick wanderte zu jedem von ihnen und blieb schließlich an dem Reh hängen, das sich gegen die Felswand gelehnt hatte, den Kopf gesenkt.
Das Reh war ihr ‚Seelentier’, wie Sakura es nannte.
Yara, direkt neben ihr hielt einen kleinen Marder auf ihrem Schoß fest und seufzte leise.
Auf der anderen Seite von Sakura dass Nico, den Arm und Sakura gelegt und starrte in die Ferne. Neben ihm lag ein großer schwarz grauer Wolf, der fast mit der Dunkelheit verschmolz und ab und an funkelnde Blicke zu Sakuras Seelentier, dem Luchs herüber warf.
Felix saß am anderen Ende der Aushöhlung und hatte den Kopf auf die angezogenen Knie gestützt. Auf seiner Schulter saß ein beeindruckender Adler der den Blick forschend schweifen ließ. Als er Yaras Marder fokussierte, zog Yara ihn schützend näher an ihren Körper und warf dem Adler einen herausfordernden Blick zu.
Felix zischte leise, woraufhin der Adler den Blick abwandte.
Sakura war überrascht, wie normal ihr dieses Bild vorkam, so, als hätten sie schon ewig so gelebt und als würde das jeden Tag so bleiben.
In ihren Gedanken versunken hatte sie nicht gemerkt, dass sich Claire zu dem Reh gesellt hatte. Ihr fiel es anscheinend am schwersten, sich damit ab zu finden.
Sakuras Seelentier der Luchs, Sakura hatte ihn ‚Believe’ getauft da sie fand das war ein recht neutraler Name und sie wusste ja nicht ob es ein Weibchen oder ein Männchen war, hatte sich neben ihr zusammengekauert.
Eine ganze Weile saßen sie so da und schwiegen. Keiner rührte sich, nicht einmal Claire.
Da kam Sakura der Gedanke, dass sich Jane, Yaras Mutter, vielleicht Sorgen machte, wo sie waren immerhin waren sie die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen, sie warf einen Blick zu Yara, sie schien das vermutlich nicht zu interessieren.
Und was war mit Sakuras Mutter, die jetzt irgendwo im Nachbardorf in ihrem weichen Bett lag, sich vielleicht einmal drehte und die leisen, rauen Geräusche von sich gab, die Sie immer machte, wenn sie schlief? Lian hatte nicht den geringsten Schimmer davon, was hier gerade vorgefallen war und dass war auch gut so.
Sakura hob den Blick zum Horizont, der nur Teilweise von den Kronen der Bäume verdeckt wurde. Ein leicht heller Schimmer zog sich über den Himmel und sagte Sakura, dass bald die Sonne aufging.
Claire hob den Blick und stand auf. Sie als Einziege schien Seelisch relativ stabil zu sein, vielleicht war das aber auch nur eine Täuschung.
Sie dehnte ihren Rücken und drehte sich dann dem Sonnenaufgang zu. „wir müssen entscheiden, was wir jetzt tun.“ Sagte sie bestimmt.
Keiner rührte sich.
Dann stand Sakura auf. „ja.. du hast Recht. Wenn wir hier nur herumsitzen, bringt das auch nichts.“ Sie versuchte zuversichtlich zu klingen und damit ihr eigenes Unbehagen zu überspielen.
Yara setzte schließlich ihr Seelentier ab und gesellte sich zu den Beiden.
Nico kam auch dazu.
Als letzter folgte langsam auch Felix.
„sollen wir ins Dorf zurück?“ fragte Yara, die nun zum ersten Mal redete. Sakura hatte sich gewundert, dass Yara so lange nichts gesagt hatte.
„Ich glaube, das ist keine so gute Idee“ sagte Nico zögernd.
„aber ich muss zurück!“ rief Yara und ein bisschen von dem alten Glitzern von früher trat in ihre Augen.
Sakura legte die Hand auf Yaras Oberarm. „ Es ist zu gefährlich. Wer weiß, was die mit uns anstellen, wenn sie rausbekommen, dass…“ Sakura brach ab und deutete auf die Tiere.
Yara senkte den Kopf, dann sah sie Sakura wieder in die Augen. „du musst doch auch zurück. Denk an deine Mutter!“
Sakuras Blick wurde trüb, als sie an ihre Mutter dachte.
„Meine Mutter ist noch für zwei Wochen weg wenn ich Glück habe, erfährt sie erst mal nix von der ganzen Sache hier“ entgegnete sie und musste sie bemühen, dass ihre Stimme nicht zitterte. Nico, der ihr in den letzten Stunden nicht von der Seite gewichen war, schenkte ihr einen mitfühlenden Blick.
„Wir müssen ja vielleicht nicht für immer dem Dorf fern bleiben…“ bemerkte Felix und klang überraschend neutral. „…nur für eine Weile, bis wir mehr über das alles herausgefunden haben…“
Claire hob den Blick. Zum ersten Mal schien sie Felix nicht an die Gurgel springen zu wollen.
„du hast Recht…“ murmelte sie und erntete von Yara einen, wenn auch schwachen, aber überraschten Blick.
„Wir könnten im Häuschen wohnen… Der Bach führt Süßwasser und ich kenne eine, die im Supermarkt Arbeitet, die könnte uns Essen besorgen…“ sagte Nico.
Alle wandten sich ihm zu.
„und was ist mit Anziehsachen? Und wo sollen wir uns waschen? Im See etwa?“ Fragte Claire mit leicht gereizter Stimme.
„wir könnten unsere Sachen doch holen...oder?“ fragte Yara dazwischen.
Sakura sah sie an. „ich würde das leicht schaffen, meine Mum ist nicht da… aber ihr? Und was ist mit der Schule?“
Felix antwortete ihr. „wir könnten uns in der Nach ins Haus schleichen und die Sachen holen… und mit der Schule… da weiß ich auch nicht weiter.“
Yara sah ihn ungläubig an. „in der Nacht ins Haus schleichen?!... das fällt zu sehr auf. Warten wir doch, bis unsere Eltern das haus verlassen. Die einen stehen dann schmiere während die anderen die Sachen holen.“
Nico nickte langsam. „ja, das könnte klappen.“
Sakura war total verwirrt. „Das ist ja alles schön und gut aber wie sollen wir denn in dem Häuschen wohnen?“
Claire sah sie an und schmunzelte leicht. „wir müssen uns halt ducken… genug platz, dass wir und alle hinlegen können ist da ja. Und außerdem“ sie deutet auf die Tiere „sind wir mit diesen Beschützern sicher“
Sakura zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn sie Claires Überzeugung nicht teilte.
So geschah es. Sie waren ‚umgezogen’, in das Häuschen. Es war mit vielen Umständen verbunden, dort zu leben, aber irgendwie würde es schön klappen. Sie hatten ja keine Wahl.
An diesem Tag hatten sie sich vorgenommen, die Sachen von Nico zu holen.
Sakura hatte ihre schon am ersten Tag geholt. Yara und Felix am zweiten.
Claire am dritten und Nico war jetzt an der Reihe.
Es dämmerte schon, als sie an seinem Haus ankamen. Es ähnelte den anderen Häusern in Nozomi ungemein. Es unterschied sich nur darin, dass es aufwändig mit Blumen geschmückt war da Nicos Mutter Floristin war, von den umliegenden Häusern.
Nico, Felix, Claire, Yara und Sakura saßen im Gebüsch, das den Garten abgrenzte.
Sakura würde gleich, wenn seine Eltern das Haus verlassen hatten, mit ihm zusammen die Sachen holen. Felix ging mit rein, um im Haus schmiere zu stehen während Yara und Felix draußen die Stellung hielten.
Endlich ging die Türe auf. Die beiden Erwachsenen, die Nico, wie Sakura fand überhaupt nicht ähnelten, traten tief in einem Tratsch vertieft, aus dem Haus und gingen zum Auto hinüber.
Erst als das Auto mit knarrenden Geräuschen, eine Rauchwolke hinterlassend, um die Ecke gebogen war, wagten sie sich aus ihrem Versteck.
Claire beschwerte sich über Dornenzweige und Yara über Kletten, die an ihrer Jacke hängen geblieben waren.
Felix schmunzelte.
Nico sah sich noch einmal wachsam um. Neben ihm huschte eine dunkle Gestalt zum Haus. Leise fluchend schoss Nico hinterher. Es war sein Wolf.
Sakura blickte sich um.
Die Tiere waren jedes Mal dabei gewesen… schließlich wussten die Teenager nicht, was passierte, wenn sie sich zu weit von einander entfernten.
Sakura hoffte, Believe würde bei den anderen bleiben. Sakura wusste mittlerweile, dass die Seelentiere auch immer dem jeweiligen Geschlecht ihres anderen Teils angehörten.
Sie warf Believe noch einen kurzen Blick zu, dann folgte sie Nico und Felix, der auch schon vorgelaufen war.
Nico besaß einen Schlüssel, deshalb mussten sie nicht wie bei Felix einen anderen Weg ins Haus suchen.
Nico deutete Felix an, er solle unten an der Türe bleiben. Felix nickte und postierte sich in Türrahmen, den Adler auf seiner Schulter.
Nico nahm Sakura an der Hand und sah sie kurz an. Ihre Blicke begegneten sich, seiner. Kalt, eisblau, unergründlich. Und ihrer. Hellbraun, fast Orange, unwissend.
Dann ging er die Treppe hinauf, die zum Glück nicht knarrte. Sakura folgte ihm wie ein Schatten.
Oben war das Haus ähnlich aufgeteilt wie das, indem Sakura und ihre Mutter wohnten. Nicos Zimmer war das, indem bei Sakura ihre Mutter schlief.
Der Raum war größtenteils dunkel. Nur durch das Fenster fiel das Matte Licht der Dämmerung und enthüllte die Ecke von dem Zimmer, in der das Bett stand.
Es war aus dunkelbraunem Holz, das Kissen war ordentlich aufgeschüttelt und die Decke gefaltet auf die Mitte des Bettes gelegt worden.
Nico befand in einer dunklen Ecke, in der vermutlich der Schrank stand, und holte einen Koffer hervor. Dann öffnete er die Schranktüre, die leise quietschte, und kramte ein paar Sachen heraus, die er in den Koffer schmiss.
Sakura sah ihm dabei zu. Sie sagte kein Wort, als sie wieder die Treppe hinunter gingen.
Felix stand immer noch im Türrahmen und schaute sich wachsam um, als die beidem zu ihm hinunter kamen. Nico nickte ihm zu.
Er gab seinem Wolf ein Zeichen und ging vor aus dem Haus.
Nachdem Nico sich zwei, dreimal umgesehen hatte, winkte er die anderen aus dem Haus und schloss dann die Türe wieder ab.
Sakura eilte auf das Gebüsch zu, indem Yara saß. Claire hatte sich einige Meter weiter hinter einem Baum versteckt.
Als alle beisammen waren, machten sie sich auf den Weg zurück zum Häuschen.
Sakura schwieg den ganzen Weg lang.
Als sie durch den finsteren Wald gingen, merkte sie, dass sie sich gar nicht mehr fürchtete. Außerdem fiel ihr auf, dass sie seit dieser Sache mit der Seelenspaltung etwas melancholisch gestimmt war, warum das wusste sie nicht. Sie seufzte leise.
Damit erregte sie die Aufmerksamkeit von Nico, der sie kurz ansah und etwas näher zu ihr ging. Sie war wie schon sooft dankbar für seine Nähe. Seit dieser Sache war sie Nico auch irgendwie immer näher gekommen und plötzlich fiel ihr auf, dass sie sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen konnte. Ob sie ihn liebte, da war sie sich nicht sicher. Auf jeden fall, das spürte sie, fühlte sie mehr als nur Freundschaft für ihn.
Sie drehte den Kopf und sah in einen Moment lang an, fuhr mit ihrem Blick seine perfekt geformte Nase, seine halb geschlossenen Augen, deren wundervolle Farbe in der Dämmerung nicht aus zu machen war und die gerade Linie seiner geschwungenen Lippen ab.
Als sie merkte, dass Yara ihr einen musternden Blick zuwarf, schaute sie verlegen weg.
Wie dunkle Geister bewegten sie sich leise durch den Wald, die Tiere schlichen lautlos wie Schatten hinter ihnen her.
Als sie am Häuschen angekommen waren und sich alle zerstreuten, gesellte sich, wie es zu erwarten war, Yara zu Sakura, ihre Augen funkelten fast schon spöttisch.
Sakura legte den Kopf schief. „was?“ fragte sie, obwohl sie schon wusste, was Yara sagen würde.
„was wohl?!“ Yara hatte einen entrüsteten Ton in der Stimme, der aber sofort wieder verschwand als sie Sakura einen leichten Klaps auf den Hinterkopf gab. „du starrst Nico so an als wäre er ein Gott und wunderst dich, das ich dich darauf anspreche?“ sie lachte. Sakura sah sie schuldbewusst an. „wirklich so schlimm?“ fragte sie kleinlaut. Yara hielt inne und sah sie an. „definitiv! Aber Hey, nicht das du falsch denkst, ich freue mich für dich, ehrlich“ Yara lächelte. „seid ihr eigentlich… zusammen?“
Sakura starrte sie an. „nicht das ich wüsste…“
„dann wird es aber mal Zeit! Jeder sieht doch, dass ihr euch mögt, und zwar nicht nur freundschaftlich“ bekräftigte Yara.
Sakura seufzte. „ich weiß ja selber nicht, was ich fühle…“
Yara warf ihr einen Blick zu.
Damit Yara sazu nichts sagte, fragte Sakura ausweichend: „Hattest du eigentlich schon mal einen Freund?“
Yara schien ihre taktik durchschaut zu haben, antwortete aber auf ihre Frage. „klar! Er hieß Lukas… Wir waren zwei ein halb Jahre zusammen…“ sie senkte den Kopf.
„das ist doch schön! Warum seid ihr nicht mehr zusammen?“ fragte Sakura ehe ihr einfiel, wie persönlich diese Frage war.
Yara sah wieder auf. „Er hat Fußball gespielt und eine Einladung zu einem Verein im Nachbarland bekommen… zuerst wollten wir in Kontakt bleiben… aber na ja, es hat wohl nicht sollen sein“ Yara klang tapfer und Sakura schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
Blätter raschelten und wenig später tauchte Believe auf. Mit ihren orangefarbenen Augen sah sie zu Sakura auf.
„wir kommen ja“ sagte Sakura, die sich vorstellen konnte, weshalb Believe gekommen war. Yara sah sie verwundert an. „du kannst sie verstehen?“
Sakura erwiderte Yaras Blick. „na ja… ich spüre einfach, was sie mir sagen möchte… reden kann ich mit ihr nicht wirklich.“
Yara nickte und sie gingen zum Häuschen zurück.
Durch ein kleines Fenster, das von außen fast unsichtbar war, fiel ein Sonnenstrahl und machte den Staub, der in der Luft hing sichtbar. Es war fast komplett dunkel in dem Raum. Außer diesem winzigen Fenster, spendeten die Monitore ein wenig Licht. Von draußen drangen die Geräusche des Waldes in den Raum und ansonsten war nur das leise Tippen der Finder auf der Tastatur und ab und zu auch ein seufzen zu hören.
An den Schreibtisch in der hinteren Ecke des Kellerraums saß ein Mann, der einen langen, tiefschwarzen Mantel trug, der ihn in der Dunkelheit fast unsichtbar machte. Sein Gesicht wurde von dem Licht der Monitoren teilweise sichtbar.
In seinem Gesicht fielen die markant geformte Nase und der schmal gezogene Mund als erstes auf. Seine blattgrünen Augen mit den grauen Fassetten waren zu Schlitzen zusammengekniffen und starrten gebannt auf die Monitore.
Das Faxgerät, welches sich vermutlich irgendwo links der PCs befand, gab ein leises piepen von sich. Dann wurde etwas ausgedruckt.
Langsam erhob sich der Mann von seinem Stuhl, dehnte den Rücken, als säße er schon seit Jahrhunderten dort und ging mit leisen Schritten zu dem Faxgerät.
Er setzte eine Brille auf und hielt das Blatt Papier in den schmalen Lichtstreifen der Sonne.
Als er anfing zu lesen, trat ein zufriedener Ausdruck in seine Augen und um so weiter er las, desto breiter wurde sein hämisches Grinsen, bis er irgendwann größer zu sein schien, als dass es auf sein Gesicht gepasst hätte.
Er ging zum Stuhl zurück, setzte sich und wählte auf seinem Telefon eine Nummer.
Dann hielt er sich das Telefon ans Ohr, das Grinsen war noch immer nicht aus seinem Gesicht verschwunden.
Selbst als er sprach, veränderte sich sein durch und durch zufriedener Ausdruck nicht.
„ich habe das Fax erhalten.“ Sprach er mit einer Rauchiger Stimme und einem leicht geheimnisvollem Unteron leise in den Hörer.
An der anderen Leitung antwortete jemand, ein leises nuscheln war zu hören.
„das ist gut.“ Entgegnete der Mann „sehr gut. Ich werde mich sofort auf den Weg machen.“
Als Sein Gesprächspartner etwas antwortete, nickte der Mann und legte schließlich auf.
Er erhob sie ein zweites Mal aus dem Stuhl, diesmal nur viel frischer und energiereicher.
Sein Grinsen wich einem Lachen, dass immer Lauter wurde und unheimlich in der Stiller verklang.
Mit knirschenden Zähnen drehte er um und ging mit schnellen Schritten auf die Türe zu.
Wenig später wurde die Haustüre geöffnet, ordentlich gekleideter Mann mit braunem Haar und tiefblauen Augen trat Heraus. In der rechten Hand trug er einen braunen Lederkoffer. Er schloss die Türe ab, steckte den Schlüssel in die Tasche seiner blauen Filzjacke und stieg die Verandastufen hinunter.
Vor dem Haus parkte ein kleines Cabrio. Er ging zu dem Auto, stellte den Koffer auf den Rücksitz und stieg ein.
Mit einem leisen knattern sprang das Auto an und bewegte sich langsam den Waldweg entlang, bis es an der Landstraße ankam und immer schneller fuhr, bis es am Horizont, wo bereits die Sonne unterging verschwand.
Es fuhr eine ganze Zeit lang auf der Landstraße weiter, bis es auf eine Autobahn wechselte.
Nach ungefähr drei Stunden fahr auf der Autobahn, mit einem Stopp bei der Tankstelle, hatte das Auto Eine kleine Stadt erreicht.
Das Auto steuerte auf ein Architekturbüro zu und Parkte davor auf dem Parkplatz.
Der Mann, der inzwischen leicht Müde aussah und keine blaue, sondern nun eine rote Jacke trug, stieg aus und streckte sich ausgiebig.
Er kramte aus dem Kofferraum des Autos eine Aktentasche hervor, fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und ging auf das Gebäude zu.
Neben der Eingangstüre hingen unzählige von Namenschildern in schlichtem weiß. Daneben jeweils eine Klingel.
Der Man zückte seine kleine Lesebrille und drückte auf eine Klingel. Ein leises Piepen gab bescheid, dass die Türe offen war.
Er trat ein und machte sich auf den Weg die Treppe hinauf in den 3. Stock.
Eine matte Glastüre versperrte den Eingang, hinter dem sich ein langer Gang vermuten ließ.
Das Piepen der Türe war zu einem lauten Rauschen geworden. Der Mann legte seine link Hand, auf der sich eine wulstige Narbe vom Ringfinger bis zum Handgelenk zog, auf den Türknauf und verweilte einen Augenblick, ehe er die Türe aufdrückte.
Drinnen kam ihm ein blondhaariger Mann mit Brille und Anzug entgegen, der ein sehr intensives Telefonat führte.
Der Mann mit der roten Jacke wartete in Türrahmen und tippte ungeduldig mit den Fingern gegen die, mit Raufasertapete tapezierte Wand.
Er setzte ein leichtes Lächeln auf, als der Mann m Anzug sein Telefonat beendet und sich ihm zugewandt hatte. Er sah sehr gestresst aus und schien nicht viel Schlaf gehabt zu haben.
„Guten Tag, mein Name ist Herr Cyryl. Ich hatte angerufen wegen dem Haus vor einem Jahr.“ Sagte der braunhaarige und hielt dem anderen die Hand hin.
Dieser erwiderte den Händedruck und sprach mit schriller Stimme: „Ja ja, ich erinnere mich. Bitte nehmen sie doch einen Moment Platz, Frau Va Lee ist gerade in einem Gespräch. Kann ich ihnen etwas anbieten… Wasser, Kaffee oder Saft?“
Er redete schnell und sein Mund verzog sich seltsam bei dem Versuch zu lächeln.
Herr Cyryl setzte sich auf einen der Stühle im Wartebereich, zu seiner Rechten standen noch weitere Stühle und auf seiner linken Seite befand sich eine kleine Palme, die so aussah, als würde ihr etwas Wasser nicht schaden.
„Ein Saft wäre nett.“ Entgegnete er.
Der Mann nickte und verschwand um die Ecke.
Herr Cyryl sah sich um. Ihm gegenüber, an der Wand, hing zwischen zwei Türen ein grau eingerahmtes Bild, auf dem ein Farbspiel aus blau, gelb und rot zu sehen war. Herr Cyryl betrachtete es mit zusammengekniffenen Augen.
Schließlich kam der Mann im Anzug um die Ecke und balancierte ein Glas und eine Flasche Orangensaft auf einem Tablett.
„wir hatten leider nur O-Saft“ sagte er entschuldigend und stellte das Tablett auf den Stuhl neben Herr Cyryl ab.
„Andere Säfte trinke ich auch nicht“ meinte Herr Cyryl und lachte.
Der Mann im Anzug lachte auch, vielleicht etwas zu laut, als dass es die Aussage von Herr Cyryl wert gewesen wäre.
Dann ließ er Herrn Cyryl alleine, mit der Begründung, er habe noch wichtigen Papierkram zu erledigen.
Herr Cyryl trank eine Schluck von dem Saft und wartete auf Frau Va Lee.
Nach ungefähr einer viertel Stunde waren aus dem Nebenzimmer die immer lauter werdenden Geräusche eines Gesprächs zu hören. Dann wurde die Türe geöffnet. Eine Mittelalte Frau mit Hochsteckfrisur und Knielangem Rock kam heraus, gefolgt von einer etwas jünger aussehenden Frau mit hellbraunem Haar.
Sie verabschiedeten sich von einander und die Brünette ging den Flur entlang zum Ausgang.
Die andere, Frau Va Lee, strick sich eine Strähne, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatte, aus dem Gesicht und wand sich Herr Cyryl zu.
„Ich hatte angerufen, wegen dem Auftrag für das Haus im letzten Jahr.“ Sagte Herr Cyryl und bemühte sich um einen freundlichen Tonfall.
Zuerst sah Frau Va Lee etwas verwirrt aus, doch dann wurde ihr Gesichtsausdruck klarer.
„Ah ja! Herr Miet hat mir letztens noch die Unterlagen dazu Vorgelegt. Freut mich, sie zu sehen!“
Er stand auf, schüttelte ihr die Hand und folgte Frau Va Lee in ihr Büro. Dabei dachte er sich, dass der Man von vorhin wahrscheinlich ihr Sekretär, Herr Miet, gewesen sein musste.
Von Draußen war das leise Zwitschern der Vögel zu hören und ein leichter Windhauch, der Sakura um die Nase strich, weckte sie.
Sie schlug die Augen auf und starrte an die Decke, die aus matten Holzdielen bestand. Zuerst wusste sie nicht, wo sie war, doch dann fiel es ihr wieder ein.
Sie seufzte und drehte den Kopf. Neben ihr lag Yara und schlief noch. Sie hatte einen Arm über Sakuras Bauch gelegt und ihre langen Haare rahmten ihr Gesicht ungleichmäßig ein.
Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, hob Sakura Yaras Arm hoch und richtete sich auf. Hier im Häuschen war gerade mal so viel Platz, dass sie sich alle hinlegen konnten. Stehen war hier drin unmöglich. So kroch Sakura auf allen vieren an den anderen vorbei bin zu dem kleinen Schränkchen, das neben dem Eingang stand, kramte ihren Kulturbeutel heraus und stieß die Türe auf.
Ein Schwall warmer Luft kam ihr entgegen. Es versprach ein heißer Tag zu werden.
Sakura krabbelte ins freie, richtete sich auf und streckte sich ausgiebig.
Dann sah sie sich um.
Die Tiere schliefen auf einer kleinen Lichtung unmittelbar neben dem Häuschen.
Believe war noch nicht wach und Sakura beschloss, sie schlafen zu lassen.
Sie ging vorbei an dem kleinen, noch ausbaufähigem Gemüse und Obstbeet, das Claire angelegt hatte und machte sich auf den Weg zum Fluss.
Der Wasserstand war seit Gestern etwas angestiegen, es hatte vermutlich über Nacht geregnet.
Sakura sah das Lineal, das Felix zu einem Wasserstandsmesser umgebaut hatte, und dachte, dass seitdem sie hier waren, sich jeder einer anderen Sache gewidmet hatte.
Claire zeigte neuerdings sehr viel Interesse an gesunder Ernährung, deshalb auch der Obst garten, und kümmerte sich darum, dass sie immer genügend zu Essen hatten.
Felix wurde in letzter Zeit immer mehr zum Forscher, er notierte den Wasserpegel des Flusses, schrieb die Artenvielfalt der Fische auf und kontrollierte Täglich die Stellen, an denen er Futter für heimische Tiere ausgelegt hatte.
Yara fand große Begeisterung darin, mit ihrem Marder ‚Onion, den sie so getauft hatte, weil er unheimlich gerne Zwiebeln aß, neue Kunststücke und Tricks ein zu studieren, und die Vorteile der Seelenspaltung heraus zu finden.
Nico hatte neben seinen Klamotten auch noch unzählige Bücher mitgebracht, in denen er Stündlich las. Außerdem hielt er alle Ereignisse in einem Notizbuch fest.
„so können wir später schauen, wie es sich entwickelt hat.“ Hatte er gesagt.
Sakura fand immer mehr Zeit zu Grübeln und über sich nach zu denken. Außerdem beschäftigte es sie, dass ihre Mutter in ein paar Tagen zurückkam. Was sie ihr sagen sollte, das wusste sie immer noch nicht. Wahrscheinlich schloss sie sich den anderen an, die ihren Eltern in einem Brief mitgeteilt hatten, sie müssten von der Schule aus vorübergehend im Wald leben, aber das war auch keine dauerhafte Lösung.
Sakura kniete sich nieder, tauchte die Hände in den Fluss und wusch sich das Gesicht mit dem kühlen Wasser ab.
Dann zog sie ihren Spiegel aus dem Kulturbeutel, hängte ihn an einen der untersten Zweige des am nächsten stehenden Baumes, kämmte sich die Haare und schminkte sich so gut das eben ging.
Dann ging sie mit langsamen Schritten zurück zum Häuschen und sah sie immer wieder aufmerksam um.
Als das Häuschen in sicht kam, senkte sie den Kopf und starrte zu Boden.
Sie merkte gar nicht, dass Nico inzwischen aufgewacht und nach draußen gegangen war. Er schlich sich leise von hinten an sie an und berührte sie leicht an der Schulter. Vor Schreck ließ Sakura ihr Kulturtäschchen fallen und fuhr herum.
Als sie Nico erblickte atmete sie erleichtert aus.
„Nico! Kannst du dich nicht etwas früher bemerkbar machen?!“ rief sie, doch ihre Stimme klang nicht wütend.
Nico lächelte leicht. „wer weiß“
Sakura legte den Kopf schief und sah ihn gespielt trotzig an.
Dann wurde Nicos Miene auf einmal vollkommen ernst. „du, Sakura… können wir mal reden?“ fragte er und sah sie mit seinen durch und durch blauen Augen an.
Sakura war überrascht, worüber wollte er mit ihr reden?
Dann nickte sie langsam. „klar… jetzt gleich? Denn… denn ich wollte mir vorher noch was anderes anziehen.“
Sie hatte noch ihr Nachthemd an und er stand ihr in Boxershorts gegenüber. Nicht das sie das störte, es war ihr nur lieber, richtige Klamotten an zu haben, man weiß ja nie.
„ja ähm, das wollte ich auch. Sagen wir… nachher an der Klippe?“ sagte Nico und rieb sich verlegen den Kopf.
Sakura nickte, hob ihren Kulturbeutel wieder auf und ging in Richtung Häuschen. Dabei spürte sie Nicos eindringlichen Blick, der sie den ganzen Weg lang verfolgte.
Sie machte die Türe des Häuschens auf. Claire war mittlerweile auch wach, nur Felix und Yara schliefen noch. Yara hatte sich auf den Bauch gedreht und die zerzausten Haare verdeckten ihr Gesicht. Claire steckte ihre Bürste gerade zurück in den Koffer, als Sakura in ihr Blickfeld kam.
„Guten Morgen!“ sagte sie und setzte ihr zeitweiliges Lächeln, das Sakura inzwischen so vertraut war, auf.
„Morgen!“ entgegnete Sakura und deutete auf Yara und Felix. „Langschläfer“ bemerkte sie und stieß Yara leicht in die Seite. Diese drehte sich grummelnd weg.
Sakura lachte. Claire kaute nervös auf ihrer Lippe.
„hat sich an Obst- Gemüsebeet was getan?“ fragte sie hoffnungsvoll.
Sakura schüttelte entschuldigend den Kopf.
„Es hat diese Nacht geregnet… ich weiß nicht, ob die Setzlinge das überstanden haben.“ Sagte sie.
Claire seufzte. „Ich schau mal, vielleicht lässt sich noch was retten.“
Sie schob sich an Sakura vorbei nach draußen.
Sakura öffnete ihren Koffer, der neben dem Schränkchen stand, und kramte ihre dunkle Röhrenjeans, ein Top und eine leichte Jacke heraus.
„Heute soll es warm werden, ich würde die Jacke hier lassen.“ Ertönte plötzlich Felix’ Stimme hinter ihr. Sakura fuhr herum. Felix hatte sich aufgesetzt, seine Haare standen in alle Richtungen ab, und grinste sie schief an.
Sakura verzog den Mund. „müsst ihr mich heute alle erschrecken?!“
Dann krabbelte sie zur Türe zurück.
„Ich würde die Jacke wirklich hier lassen!“ rief Felix ihr hinterher. Sakura ignorierte ihn.
Draußen begab sie sich hinter das Häuschen. Dort war eine kleine Lichtung, die ringsum zugewachsen war, sodass man sich ungestört umziehen konnte.
Als sie fertig war, brachte sie ihr Nachthemd zurück ins Häuschen. Yara schlief immer noch.
Sakura seufzte und stieß sie erneut an. „Yara, wach auf!“
Yara warf mit einem kleinen Kissen nach ihr.
Sakura fing das Kissen auf und warf zurück.
„Es ist elf Uhr!“ bekräftigte sie und krabbelte wieder zur Türe.
Believe saß etwas abseits und putzte sich. Onion schlief noch. Sakura musste schmunzeln. Dann fiel ihr wieder ein, dass sie sich mit Nico an der Klippe treffen wollte und sie musste schlucken.
„Na, ich hab dir doch gesagt, lass die Jacke aus!“ rief ihr Felix, der mit seinem Adler Richtung Fluss ging, über die Schulter zu.
Sakura sah ihm nach, bis er zwischen den Bäumen verschwunden war.
Dann machte sie sich auf den Weg zur Klippe.
Sie bewegte sich lautlos durch den Wald, versunken in ihre Gedanken. Die Gedanken an Nico, die Gedanken an ihre Mutter, die Gedanken an die Situation.
Wie sollte sie das ihrer Mutter erklären?
Sie könnte die Ausrede mit der Schule versuchen, aber wenn Lian bei der Schule nachfragen würde, war Sakura aufgeschmissen.
Sie mussten einen Weg finden, wieder zu Hause zu wohnen.
Sakura seufzte.
Eine Klette hatte sich an ihr Hosenbein geheftet. Sie hockte sich nieder und zupfte sie vorsichtig ab. Wahrscheinlich tat sie das besonders langsam, um dem Gespräch mit Nico zu entgehen.
Doch irgendwie war sie auch neugierig darauf, was er ihr sagen wollte.
Zwischen den Bäumen vor ihr schien die Sonne hindurch und zeigte Sakura, dass die Klippe unmittelbar vor ihr lag.
Sie atmete einmal tief durch und ging dann zum Rand der Klippe.
Wie es zu erwarten gewesen war, saß Nico bereits dort und ließ die Beine über den Rand baumeln.
Als sich ihr Kommen durch leises Rascheln ankündigte, sah er auf. Sein eisblauer Blick traf sie wie ein Schlag, aber irgendwie löste er auch ein angenehmes Kribbeln in ihr aus.
Sie schloss für einen Moment die Augen.
Dann öffnete sie sie wieder, lächelte ihn leicht an und ließ sich neben ihm nieder.
Obwohl Sakura hinunter ins Tal sah, merkte sie, dass sein sanfter Blick auf ihr ruhte.
Schließlich sah sie auf. „du wolltest mit mir reden?...“
Fragte sie und schaffte es nur mit Mühe, das Zittern ihrer Stimme zu unterdrücken.
Lange schwieg er sie an. Dann nickte er zaghaft.
„Ja… ich, ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich es dir am besten sagen soll…“ setzte er an.
Eine kleine Windbö erfasste die Haarsträhne über seinem Auge, hob sie ein Stück und versuchte, sie fort zu tragen. Sakura starrte diese Haarsträhne an, als wäre sie so zerbrechlich, dass nur ihr Blick sie am Leben halten könnte.
Dann merkte sie, dass Nico darauf wartete, dass sie ihn ansah und ihm so ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte.
Als sie ihm ihre Orange-braunen Augen zuwandt, nahm er ihre Hand. Seine Berührung löste auf ihrer Haut ein kleines Gewitter aus und die wäre, die bezeugte, das er lebte, hüllte ihre Hand in vollkommene Geborgenheit.
Erneut setzte er an: „Sakura, du…“ er schluckte. „du bedeutest mir sehr viel… vielleicht sogar schon mehr, als bloß eine Freundin.“
Schüchtern schaute er weg.
Sakura sah ihn einfach nur an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Eine Stimme in ihr schrie: *Du mir auch! Du mir auch!*, doch sie hatte so einen großen Kloß im Hals, dass sie ein Wort herausbrachte.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie etwas gesagt hätte. Ganz gleich was.
Nico seufzte auf. Es war so ein trauriger Laut, dass Sakura am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre.
Schließlich ließ er ihre Hand los und stand auf. Er sah noch einen Herzschlag lang auf sie hinab, dann drehte er sich um.
„warte!“ rief Sakura flehend.
Nico drehte den Kopf. In seinen Augen lag ein leichter Hoffnungsschimmer.
„ich…ich werde darüber nachdenken…okay?“ sagte sie und bemühte sich um ein Lächeln.
Er nickte nur und lächelte auch, aber es wirkte kalt. Dann verschwand er zwischen den Bäumen.
Sakura sah ihm nach, bis die Äste, dort wo er verschwunden war, aufhörten zu beben. Und auch, wenn er sich nur ein paar Meter von ihr entfernte, kam es ihr so vor, als wäre der Abstand zwischen den beiden so groß, dass er sie für Jahre voneinander trennen würde.
Ein seltsam, fremder Schmerz breitete sich von ihrem Herzen über den ganzen Körper aus. Sakura schauderte.
Warum hatte sie ihm nicht einfach gesagt, was sie fühlte?
Vielleicht hatte sie ihn nun für immer verloren, oder wenigstens einen Teil von ihm.
Denn mit seinem gehen, war auch von Sakura, selbst wenn sie es noch nicht glauben wollte, ein Teil gestorben, und plötzlich spürte sie, wie sehr sie sich wünschte, dass er bei ihr war.
Es war ein unaushaltbares Gefühl. Sie starrte hinab ins Tal, wo alles so in ordung wirkte. Eine Träne rann über ihre Wange. Dann noch eine.
Sakura war noch nicht bereit, wieder zurück zu gehen. Die anderen sollten sie so nicht sehen.
Den Rest des Tages ging Sakura Nico aus dem Weg und dachte über seine Worte nach.
Gestern kam die Mutter von Sakura wieder zurück. Sakura htte es bisher geschafft, ihr aus dem Weg zu gehen. Das war aber auch nicht sonderlich schwer, wenn man sich nur im Wald aufhielt.
Heute waren Nico, Felix, Claire, Yara und Sakura auch wieder in der Schule gewesen, nachdem Yara herausgefunden hatte, dass man sich ohne Bedenken weiter als einen Kilometer von seinem Seelentier entfernen konnte.
Sie riet allerdings davon ab, sie mehr als zwei Kilometer von ihm zu entfernen, da sie dazu noch keine Versuche durchgeführt hatte, und sich nicht sicher war, ob das eventuell gefährlich werden könnte.
Als Herr von Bergen sie gefragt hatte, wo sie die ganze Zeit über gewesen waren, hatten sie einfach eine Kopie von Felix Aufzeichnungen abgegeben und gesagt, sie hätten für Biologie ein ausführliches Referat über die Artenvielfalt des Waldes erarbeitet.
Ob Herr von Bergen das wirklich glaubte, da waren sie sich nicht ganz sicher, aber solange er keine weiteren Fragen stellte, und ihre Eltern nicht informierte, was das auch egal.
Sakura kramte ihre Sachen aus dem Schränkchen und stopfte sie in ihren Koffer, der offen daneben stand.
Mit einem leisen Quietschen, das verriet, dass sie dringend einmal geölt werden müsste, ging die Türe auf.
Sakura dachte sich, es wäre Claire oder Yara, doch mit Nico hatte sie nicht gerechnet.
Er hockte neben der Türe. Die Sonne, die durch die Ritzen der Türe fiel, malte helle Streifen auf sein Gesicht und färbte einige Strähnen seiner Haare golden.
„packst du?“ fragte er und seine Stimme klang, zu Sakuras Verblüffung, so wie immer.
Diese Frage war so neutral, dass es schon fast ein Witz war, dass er sie stellte.
Sie versuchte den gleichen, neutralen Ton anzuschlagen, den er benutzt hatte, denn sie war noch nicht bereit, ihm zu sagen, dass sie eigentlich genauso fühlte wie er.
„Ja… ich denke es ist besser, wenn wir wieder zuhause wohnen. Dann stellen unsere Eltern keine Fragen… und außerdem können wir ja auch nicht für alle Ewigkeit hier bleiben.“ Sagte sie und sah auf.
Doch anstatt ihm in die Augen zu schauen, heftete sie ihren Blick auf die Holzwand hinter ihm.
„Vermutlich hast du recht“ entgegnete er, aber das Bedauern in seiner Stimme, machte es ihr unmöglich, seinen Worten Glauben zu schenken.
Sie legte als letztes ihr Kissen in den Koffer und zog den Reißverschluss zu.
„Dann will ich dich nicht länger aufhalten.“ Sagte er und seine Stimme hatte den überaus neutralen Ton immer noch nicht verloren. Sakura verstand nicht, wie er die Ereignisse einfach so beiseite schieben konnte.
Sie schob den Koffer zur Türe. Kurz davor griff Nico nach dem Koffer und hievte ihn nach draußen.
„was für ein Gentleman!“ ertöte Yaras Stimme, die von dem Trainig mit Marder ‚Onion’ aufsah.
Nico wand sich ihr zu und Sakura konnte an Yaras bereitem Grinsen erkennen, dass Nico eine ausdrucksstarke Miene aufgesetzt haben musste.
Sie kletterte aus dem Häuschen.
Yara stand auf und ging zu Sakura hinüber.
„gehst du?“ fragte sie vorsichtig.
Sakura seufzte. „Ja… leider.“ Sie umarmte Yara kurz. Dann sah sie sich um.
„Wo sind denn die anderen?“
„Felix ist hinten am Fluss, Claire macht einen Spaziergang mir ihrem Reh und Nico… Nico ist hier.“ Gab ihr Yara Auskunft.
„Ich geh und hole die beiden“ meinte Nico und rief den Wolf zu sich.
„Den würde ich hierlassen, du weißt, wie Claires Reh reagiert.“ Bemerkte Yara.
Nico zögerte, dann nickte er und ging alleine los, jedoch nicht, ohne Sakura vorher einen langen Blick zu zuwerfen.
„Was läuft da eigentlich zwischen Nico und dir?“ fragte Yara und wand Sakura ihre blau-grauen Augen zu.
Sakura wurde ganz warm vor Unbehagen.
„warum soll da was laufen?“ fragte sie mit nervöser Stimme.
Yara schmunzelte. „Ach komm! DU kannst mir nichts vormachen, ich sehe doch, wie ihr euch immer anschaut!“
Sakura sah zu Boden. Sie wusste, dass es keinen Sinn machte, es vor Yara zu verheimlichen. Früher oder später bekam sie es sowieso heraus.
„Er… er hat mir gesagt, dass er mich mehr mag, als bloß eine Freundin.“ Erleuterte sie und versuchte seine Worte genauso zu übernehmen, wie er sie gesagt hatte.
In Yaras Augen trat ein undefinierbarer Schimmer.
„das ist doch wunderschön.“ Brachte sie heraus und schaffte es nicht, zu verbergen, wie gerührt sie war.
Sakura wurde nachdenklich. War sie so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht merkte, wie süß Nicos Verhalten war?
„Was hast du dann gesagt?“ wollte Yara eindringlich wissen und etwas von ihrer alten Fröhlichkeit kam zum Vorschein.
„ich habe gesagt, dass ich noch einmal darüber nachdenke…“ antwortete Sakura kleinlaut.
Yara legte den Kopf schief und hob die Hände.
„Da bietet sich dir die super Chance auf einem polierten Silbertablett und was machst du?!“ ihre Stimme war vorwurfsvoll, doch Sakura wusste, dass sie das nicht so ernst meinte, wie sie tat.
Sie hörte im Unterholz ein leises Rascheln.
„psst! Ich glaube sie kommen zurück.“ Flüsterte Sakura.
Yara seufzte nur.
Claire kam als erste hinter einem Baum hervor, gefolgt von ihrem Reh.
„Sakura, du gehst schon?“
Sakura nickte. „Ja… ich denke, wir sollten unser normales Leben wieder aufgreifen.“
Claire nickte bedächtig und umarmte sie kurz.
Dann kam Felix, und als letzter auch Nico auf die Lichtung vor dem Häuschen.
Sakura sah Nico an und spürte die ganze Zeit über Yaras durchdringenden Blick, der auch ihr ruhte.
Nachdem Felix sich von ihr verabschiedet hatte, trat Nico vor.
„Ich begleite dich noch bis zum Tor, wenn das Okay ist.“ Sagte er.
Sie nickte und wollte nach ihrem Koffer greifen, doch Nico war schneller und hob den Koffer hoch.
Er lächelte sie leicht an und ging dann vor.
Sie folgte ihm.
Als sie an Yara vorbei ging, stieß diese sie leicht an und zwinkerte ihr zu.
Sakura rollte mit den Augen und seufzte leise.
Claire rief ihr noch zu: „bis Montag in der Schule!“.
Sakura nickte ausdrucksstark, winkte ihr zu und schaute sich nach Believe um.
Der Luchs lief auf ihrer rechten Seite, während Nicos Wolf sie auf der linken flankierte.
Sie gingen still hintereinander, bis Sakura schließlich zu ihm aufschloss und zaghaft nach seiner Hand griff.
Nico war die Freude deutlich anzusehen, als er ihre Hand mit seinen Fingern umschloss.
Sakura hüllte ein warmes Gefühl der Geborgenheit ein, als sie den ganzen Weg lang, Hand in Hand, durch den Wald gingen.
Ab und an sah Nico zu ihr herüber, als könne er nicht glauben, dass sie hier bei ihm war.
Sakura musste lächeln. Es fühlte sich so selbstverständlich und doch so wunderbar an, bei ihm zu sein.
Al sie schließlich am Tor ankamen, verspürte sie dem Wunsch, noch unzählige Male mit Nico diesen Weg zu gehen. Ohne, dass es einen Sinn machen würde, einfach nur um mit ihm zusammen zu sein.
Nico öffnete das Tor und stellte den Koffer dahinter ab.
Sakura ging zu ihm, nahm seine Hände und sah ihn lange an.
Er seufzte.
„Ich denke, ich muss dann jetzt mal los…“ murmelte sie, löste ihre Hände von seinen und umarmte ihn kurz.
Dann nahm sie den Koffer und sah ihn noch einmal an, ehe sie sie sich auf den Weg nach Hause machte.
Believe saß neben Nico am Tor. Sie blieb im Nasori, das war das Beste für sie.
Mit gesenktem Kopf trottete Sakura daher. Vorbei an dem Supermarkt, in dem geschäftiges Treiben herrschte, vorbei an dem Haus von Herr Lidaar, das gleichzeitig seine Werkstatt war, und vorbei an dem Haus der Krembs, welches ihren Weg kreuzte.
Schließlich blieb sie vor ihrem eigenen Haus stehen. Die Fensterläden waren geschlossen, aber Sakura wusste, dass ihre Mutter da war.
Sie atmete tief durch. Am Himmel zogen sich die ersten grauen Wolken zusammen, die ein Gewitter versprachen.
Unentschlossen heftete sie ihren Blick auf das Küchenfenster, dessen Fensterläden eine spalt offen standen. Im inneren brannte Licht.
Sie seufzte. Dann ging sie langsam die Treppen zur Veranda hoch und klingelte.
Anscheinend hatte ihre Mutter die Klingel nicht gehört, denn selbst nach 5 Minuten tat sich immer noch nichts.
Leicht genervt drückte Sakura wieder auf die Klingel. Das schellen war auch draußen deutlich zu hören.
Über ihrem Kopf donnerte es und kurz darauf ließen die Wolken den Regentropfen, die sie gehalten hatten, freien lauf.
Sakura war froh, dass über der Veranda ein Dach war und sie so vor dem strömenden Regen schützte. Sie sah nach oben. Das Dach hatte ein kleines Loch, durch das ein paar Tropfen herabfielen.
Von drinnen waren die Schritte von Sakuras Mutter zu hören und wenig später wurde die Türe geöffnet.
Lian sah verschlafen aus. Ihr Dutt war verrutscht und etliche Haarsträhnen hatten sich daraus gelöst.
Sie gähnte und rieb sich die Augen, ehe sie erkannte, wer da eigentlich vor der Türe stand.
„Sakura… wo kommst du denn jetzt her?“ fragte sie verwirrt.
Sakura vermutete, dass sie wieder die halbe Nacht an einem Entwurf gearbeitet hatte und kaum zum schlafen gekommen war.
Sie nahm ihren Koffer und drängte sich an ihrer Mutter vorbei ins Haus. Lian schloss hinter ihr die Türe wieder zu.
„ich war doch mit den anderen im Nasori, wegen dem Projekt für Bio“ sagte Sakura und hievte den Koffer die erste Treppenstufe hinauf.
„ach ja… stimmt. Und, wie war’s?“ fragte Lian, obwohl sie dabei nicht sonderlich interessiert klang.
„ganz interessant.“ Antwortete Sakura einfach. „und bei dir?“ fragte sie dann um das Thema so umzulenken, dass sie über das reden konnten, was ihre Mutter gerade beschäftigte.
„ach, eigentlich alles wie immer.“ Meinte Lian nur.
„leg dich besser wieder hin. Ich galube, ich mach mir noch was zu essen und setzte mich dann an die Hausaufgaben.“ Sagte Sakura, die Lians Desinteresse auf deren Schlafentzug schob.
Ihre Mutter nickte nur und schleppte sich die Treppe hinauf.
Sakura sah ihr nach.
Dann ging sie in die Küche. Durch die halb geschlossenen Fensterläden konnte sie das grelle Licht eines Blitzes sehen und gleich darauf ertönte ein gedämpftes Donnern. Sie seufzte.
~wie es den anderen im Wald wohl jetzt ergeht? ~ fragte sie sich und öffnete den Kühlschrank.
Er war nur spärlich befüllt, das meiste davon waren Sachen, die besonders lange haltbar waren und die ihre Mutter, bevor sie für drei Wochen weg gegangen war, nicht aussortiert hatte.
Es waren aber auch Jogurts und Milch da, die sie wohl unterwegs noch gekauft hatte.
Sakura nahm sich einen Fruchtjogurt aus dem Kühlschrank und angelte nach einer Schüssel.
Dann schüttete sie etwas von dem Biomüsli hinein und gab den Jogurt dazu.
Sie setzte sich an den Tisch, mit dem Gesicht zum Fenster und begann zu essen.
Im Radio begleiteten traurige Duette das leise Trommeln der Wassertropfen auf der Fensterscheibe.
Sakure seufzte erneut. Ihr fehlte etwas. Und wenn sie genau in sich hinein horchte, fand sie irgendwo das Bild, welches das Loch in ihrem Herzen füllte. Es war Nico.
Doch Sakura spürte auch noch etwas anderes. Ein schwaches ziehen in ihrem Kopf, dass sie immer wieder daran erinnerte, dass ihr zweiter Teil gerade draußen im Regen hockte.
Sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, soweit von Believe entfernt zu sein.
Als sie den Jogurt-Müsli-Mix aufgegessen hatte, spülte sie Schüssel und Löffel aus und schlich ins Wohnzimmer.
Ihr fiel auf, dass sie die Hausaufgaben schon mit Yara und Claire in der Freistunde gemacht hatte und sich nun den Abendkrimi anschauen konnte.
Eigentlich interessierte sie sich nicht sonderlich für Krimis, aber in letzter Zeit schaute sie sich so etwas häufiger an. Vermutlich auch, da sie von der Feinarbeit der Kommissare etwas angetan war.
Sakura ließ sich auf den Ledersessel, der vor dem Fernseher stand, fallen und suchte mit der Fernbedienung den Richtigen Kanal.
Auf einmal klingelte es an der Türe. Gerade kam bei den Polizisten ein Anruf rein und Sakura wäre vor Schreck fast von Sessel gefallen, als neben dem Klingeln des Telefons im Fernseher auch die Haustürklingel losging.
Sie hob die Fernbedienung auf, die ihr aus der Hand gerutscht war und ging zur Tür.
„wer kann das sein?“ fragte sie leise zu sich selbst und linste durch den Spion in der Tür. Doch es war zu dunkel, als dass sie irgendwas hätte erkennen können.
Ihr Herz begann zu schneller zu schlagen. Was wenn das ein Einbrecher war, oder gar ein Mörder.
Sakura schluckte. Anscheinend taten ihr die Krimis nicht gut.
Dann atmete sie einmal durch und öffnete die Türe.
Zuerst erkannte sie gar nichts, und der Geheimnisvolle, der vor der Tür stand, gab sich nicht zu erkennen. Doch als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie, dass es Nico war.
„N-Nico?!“ brachte sie verblüfft heraus.
Auf Nicos Gesicht machte sich ein Lächeln breit.
„stör ich?“
Sakura musste sich sammeln.
Das war wirklich Nico. Und er stand vor ihrer Haustüre.
„Eigentlich nicht… was machst du hier?“
entgegnete Sakura und bemühte sich um einen neutralen Tonfall.
Nico sah sie eindringlich an.
„Es ist wegen Believe… Sie war total unruhig und da dachte ich, es wäre besser, wenn sie bei dir ist, ehe sie noch jemanden zerfleischt.“
Erst jetzt fielen Sakura die leuchtenden Augen auf, die sie aus einem Busch heraus anstarrten.
Als Sakura sie ansah, kam Belive zu ihr herübergehuscht und rieb sich an ihrem Bein.
„Aber was soll ich den mit einem Luchs bei mir zu Hause?“ fragte sie leise während sie Believe den Kopf kraulte.
Nico zuckte mit den Schultern.
„Ihr habt keinen Garten oder so…“ murmelte er.
Sakura schüttelte den Kopf.
„Nur eine kleine Terasse, aber die wird wohl kaum ausreichen und außerdem sieht meine Mutter sie da… sie kann nicht hier bleiben, du musst Believe wieder mit zurück nehmen.“ Entschied Sie.
„Ja, am besten tue ich das.“ Sagte Nico.
Irgendetwas an der Art, wie er es sagte, regte Sakura zum nachdenken an.
~ Ist Nico gar nicht wegen Believe hier? ~ dachte sie.
Denn der Luchs schien nicht besonders nervös zu sein, soviel sie feststellen konnte.
Sakura kniff die Augen zusammen.
Verlegen wich Nico ihrem Blick aus.
Auf einmal ertönte aus dem Wohnzimmer heraus ein knall.
Nico schreckte hoch. Auch Believe zuckte zusammen.
Sakura dachte zuerst, da wäre etwas passiert, bis ihr der Krimi einfiel.
„Ach, das war nur der Fernseher… ich schaue grad einen Krimi…“ sagte Sakura entschuldigend.
„Ach so.“ sagte Nico knapp. „Dann will ich mal nicht weiter stören. Wir sehen uns Montag?“
Sakura nickte bestimmt.
„Jap… Bis Montag dann.“
Nico nickte ebenfalls. „Bis Montag!“
Dann wand er sich um und stakste den Weg entlang, Believe lief neben ihm her.
Einmal noch sah er zu Sakura zurück.
Sie lächelte ihm unsicher zu.
Er lächelte kurz zurück und verschwand dann in der Dunkelheit.
Sakura seufzte.
Da kam er schon zu ihr nach Hause und sie nutzte die Gelegenheit nicht einmal.
Sie ließ die Türe ins Schloss fallen und drehte den Schlüssel um.
Dann begab sie sich wieder ins Wohnzimmer, um den Krimi weiter zu gucken.
Der Montagmorgen war Wolkenverhangen und ein frischer Wind ließ Sakura zusammenfahren, als sie die Haustüre hinter sich zuzog.
Keine guten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schultag.
Sakura zog den Kragen ihres leichten Mantels enger zusammen, um ihrem Hals vor der Kälte zu schützen.
Es war das erste Mal, dass sie nicht von Yara oder Claire abgeholt wurde.
Irgendwie fühlte sie sich seltsam alleine.
Ihr Blick fiel zwischen den Häusern hindurch auf den Wald, dessen Bäume vom Wind beherrscht wurden und der dalag, wie eine stille, geheimnisvolle Welt.
Eine Berührung an der Schulter ließ Sakura herumfahren.
Yara stand neben ihr und grinste sie an.
„Hey! Ich dachte, wir sollten alte Gewohnheiten beibehalten, wenn wir ein weitgehend normales Leben führen wollen.“ Sagte sie.
Sakuras Mund verzog sich zu einem schmalen Lächeln. Sie war erleichtert und gleichzeitig froh darüber, dass Yara sie schließlich doch zur Schule begleitete.
„Ja, ich denke, du hast Recht.“ Entgegnete Sakura.
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück, während der kalte Wind ihnen die Haare zerzauste.
Vor der Schule warteten Claire, Felix und Nico schon auf die beiden.
Nico warf Sakura einen flüchtigen Blick zu.
Sakura sah ihn lange an. Gerade, als die etwas sagen wollte, klingelte die Schulglocke und kündete somit den Beginn des Unterrichts an.
Claire zog Sakura am Jackenärmel.
„Komm, wir wollen doch nicht zu spät kommen.“ Sagte sie und ging vor.
Sakura ließ sich von ihr mitziehen. Nico ging hinter den Mädchen her.
Auf dem Gang drängte Yara Sakura zur Seite.
„Hast du es Nico immer noch nicht gesagt?“ fragte sie eindringlich.
Sakura sah zu Boden und schüttelte den Kopf.
Yara warf den Kopf herum.
„Mensch Sakura! Da steht er abends vor deiner Haustüre und du sagst es ihm immer noch nicht!“ rief sie aus.
„Schrei noch ein wenig lauter, die Lehrer habe es noch nicht gehört!“ zischte Sakura ihr zu.
„Und woher weißt du überhaupt, dass…“
„…dass Nico gestern Abend bei dir war?“ beendete Yara ihren Satz nun etwas leiser.
„Wir haben doch alle mitbekommen, wie er sich mit Believe aus dem Wald geschlichen hat.“ Entgegnete sie.
Sakura hob den Blick.
„Ich dachte, Believe hätte sich komisch verhalten?“
Yara sah sie verständnislos an, dann lachte sie kurz auf.
„Hat er dir das erzählt? Man, Sakura, er wollte zu dir… und du magst ihn doch auch, mach doch nicht alles so kompliziert.“ Sagte sie.
„Das Sagst du so leicht.“ Meinte Sakura nur.
Da kam auch schon Frau Seib mit ihrer schwer aussehenden Umhängetasche den Flur entlang.
„Na Mädels! Sieht man euch auch noch mal!“ rief sie schon von weitem.
Yara warf Sakura einen letzten Blick zu und wand sich dann an Frau Seib.
„Wir haben doch jetzt Geschichte?“ sagte sie fragend.
Frau Seib blieb vor ihr stehen.
„Das ist aber eine tolle Begrüßung. Nein, Herr von Bergen ist leider Krank, deshalb habt ihr jetzt zwei Stunden Vertretung.“ Verkündete sie.
Yara stöhnte und ging vor in die Klasse.
Sakura und frau Seib folgten ihr.
In der Klasse war es seltsam ruhig, bis Sakura bemerkte, dass sich fast alle mit ihrem Handy beschäftigten.
Björn kam gerade mit dem Klassenbuch durch die Türe gehetzt.
Frau Seib nahm ihm das Buch dankend ab und packe ihre Sachen aus.
Yara stieß Sakura an und ging vor zu ihrem Platz.
Sakura ließ sich nieder, ihre Tasche fiel unsanft auf den Boden, und kramte ihr Mäppchen heraus.
Da sie eine Vertretungsstunde hatten, konnten sie darauf hoffen, etwas anderes als den gewöhnlichen Unterricht machen zu dürfen.
Frau Seib ließ sich bei der Überprüfung der Anwesenheitsliste ausgiebig viel Zeit und schien ebenso wie die Schüler nicht sehr interessiert daran zu sein, Unterricht zu machen.
Als sie sich schließlich doch erhob und eine Aufgabenstellung ankündigen wollte, klopfte es.
Ein zufriedener Ausdruck zeigte sich auf Frau Seibs Gesicht, als sie die Türe öffnete.
Ein braunhaariger, mittelgroßer Mann, Sakura schätzte ihn auf Anfang 30, der eine rote Filzjacke trug, kam hinter Frau Seib in den Raum.
Das leise Getuschel der Klasse verstummte, als er seinen Platz vor der Tafel einnahm.
„Kinder, das ist Herr Cyryl. Er ist seit heute ein neuer Lehrer an unserer Schule.“ Sagte Frau Seib weniger förmlich, als es hätte sein müssen. An Herr Cyryl gewandt fügte sie hinzu: „Vielleicht wollen sie noch ein paar Worte sagen.“ Und machte eine umfassende Handbewegung zur Klasse.
Herr Cyryl nickte und fixierte mit seinem Blick einen Schüler nach dem anderen.
Er wirkte wie ein perfekt ausgebildeter Lehrer, das Musterstück, und musste in dieser Schule hervorstechen, wie ein knallroter Punkt auf einem weißen Blatt Papier.
Und vielleicht hatten sie ja demnächst die Ehre, von ihm unterrichtet zu werden.
„Wie mich die nette Kollegin schon vorgestellt hat, mein Name ist Herr Cyryl und werde euch demnächst in dem Fach Geschichte unterrichten, so lange Herr von Bergen verhindert ist. Ich Hoffe auf eine gute Zusammenarbeit.“
Er sprach genauso, wie der Eindruck das von ihm vermuten ließ.
~Volltreffer! ~ dachte Sakura.
Er würde sie also in Geschichte übernehmen.
Yara zischte Sakura etwas zu.
„Weißt du, was mit Herr von Bergen los ist?“ fragte sie.
Sakura schüttelte den Kopf.
„Er ist nämlich noch nie für längere Zeit ausgefallen‘“ murmelte Yara nachdenklich.
Sakura dachte sich, wenn Yara über das nachdachte, musste es wirklich etwas ernst zu nehmendes sein, vor allem, weil es hier um Herr von Bergen ging.
Yara konnte Herr von Bergen nicht besonders gut leiden.
Herr Cyryl hatte sich einen Stuhl genommen und saß jetzt neben dem Fenster, den Blick auf Frau Seib gerichtet.
„So, ich bin sicher, ihr habt noch irgendetwas zu tun. Wer sich jetzt nur langweilt, der kann sich bei mir ein Arbeitsblatt abholen kommen.“ Sagte Frau Seib förmlich und klopfte mit der Hand auf einen Stapel voll Arbeitsblätter.
„Und das Handy bleibt aus!“ fügte sie mit einem strengen Blick auf Karim hinzu.
Dieser verzog den Mund und wollte schon etwas erwidern, blieb aber Still.
Sakura drehte den Kopf um zu sehen, was Karim daran gehindert hatte, zu antworten.
Herr Cyryl warf Karim einen vielsagenden Blick zu, bei dem sogar Sakura das Blut in den Adern gefror. Irgendwie strahlte dieser Herr Cyryl etwas Seltsames aus, das sie nicht zuordnen konnte.
Schlecht gelaunt folgte Sakura Yara hinaus auf den Schulhof. Das Kleingeld in ihrer Tasche klimperte dabei lautstrak und drohte beinahe aus ihrer Tasche zu fallen.
„Das kann doch echt nicht wahr sein! Was bildet die sich eigentlich ein?! Nur weil wir jetzt zwei Tage frei haben, heißt das nicht, das wir die ganze Zeit nur faul herumsitzen und Löcher in die Luft starren!“ beschwerte sich Yara geräuschvoll.
„Jetzt komm mal wieder runter! Es hilft sowieso nix, wenn du hier so herumbrüllst.“ Blaffte Claire.
Sakura seufzte. Sie fand es auch nicht viel besser, dass Frau Seib ihnen auf Grund der freien Tage so viele Hausaufgaben aufgegeben hatte, aber Claire hatte recht: man konnte es ohnehin nicht ändern.
Yara grummelte etwas Unverständliches und verschwand in Richtung Kiosk. Sakura wollte ihr schon folgen, doch Claire packte sie am Arm.
„Lass das besser bleiben, glaub mir. Wenn Yara schlecht drauf ist, ist sie noch unausstehlicher als sonst.“ Beharrte sie.
Sakura lächelte leicht. Sie wusste nicht ganz, was sie darauf antworten sollte, also schwieg sie.
„Treffen wir uns heute Nachmittag wieder beim Häuschen?“ fragte Felix und lehnte sich gegen die Mauer, die das Schulgelände begrenzte. „Wir müssen jetzt mal schauen, wie es weitergehen soll.“
Claire nickte und erwiderte etwas, doch Sakura hatte Nico am Ende des Schulhofs entdeckt und hörte ihr nicht mehr zu.
„Entschuldigt mich mal kurz.“ Murmelte sie und ging zügig auf ihn zu.
Er hatte sich auf einer Bank nieder gelassen und fixierte sie schon von weiten mit seinem blauen Blick.
„Hey.“ Sagte Sakura kleinlaut, als sie ihn erreicht hatte.
„Hi.“ Entgegnete Nico und sah zu ihr auf.
„Nico ich…“ begann Sakura, doch Nico unterbrach sie.
„Ich weiß… es war blöd von mir, das mir neulich. Tut mir leid.“ Verlegen rieb er sich am Kopf.
Sakuras Blick wurde weich.
„Das muss dir doch nicht leidtun… ich habe mich gefreut, dass du gekommen bist.“ Sagte sie.
„Wirklich?“ fragte Nico hoffnungsvoll.
Sakura nickte.
Er bedeutete ihr, sich neben ihn zu setzten und nahm ihre Hand. Lange sah er ihr tief in die Augen.
„Sakura, da ist schon länger etwas, das ich dich fragen möchte…“ setzte er an.
Sakuras Haut prickelte wie elektrisch geladen, als er ihre Hand nahm. Ihr Herz schlug so schnell, als wolle es ihr aus dem Brustkorb springen, als er seinen Satz zu Ende führte.
„… magst du mit mir zusammen sein?“ beendete er schließlich seinen Satz.
~Ja, ja, ja~ schoss es Sakura durch den Kopf, doch sie beherrschte sich.
„Sehr gerne.“ Flüsterte sie und lächelte ihr warm an.
Nicos Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, das Sakura so vorher noch nie bei ihm gesehen hatte.
Langsam beugte er sich vor und gab Sakura zaghaft einen sanften Kuss. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, in der ihre Lippen aufeinander trafen, doch für Sakura fühlte es sich wie die Ewigkeit an. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Alles vereint in diesem ersten Kuss. Es war der pure Wahnsinn.
Als er sich wieder zurücklehnte und schüchtern auf seiner Unterlippe herumkaute, wäre es an ihr gewesen, ihn zu küssen. Doch das tat sie nicht.
Stattdessen umfasste sie Nicos Hand mit der ihren und verknotete ihre Finger.
Vom anderen Ende des Schulhofs erntete sie von der Seite eine verblüfften Blick von Yara und ein wohlwollendes Lächeln von Claire.
Nur interessierte es sie in diesem Moment einmal nicht, was ihre Freunde davon hielten. In diesem Moment zählte nur, was sie selber fühlte. Und es fühlte sich richtig an.
Als Sakura auf dem Weg nach Hause war, schwirrten ihre Gedanken in ihrem Kopf umher.
Sie hatte zur Abwechslung mal Yara nach Hause gebracht und ging nun allein des Weges.
Eine frische Brise ließ sie frösteln und sie ging einen Schritt schneller, als sie das unangenehme Gefühl hatte, beobachtete zu werden. Sie versuchte, die aufsteigende Paraneuer zu unterdrücken und schritt zielstrebig auf ihr Haus zu.
An der Treppe, die zur Veranda hinauf führte, hielt sie inne und sah sich nun doch um. Aber wie zu erwarten, war da niemand.
Sakura ließ den Blick über das Feld schweifen und zwischen den Häusern hindurch, doch dort ging nur ein älteres Ehepaar spazieren, die Sakura im Vorübergehen grüßte.
Sie schüttelte den Kopf, ging zur Veranda hoch und schloss die Türe auf.
Aus dem Inneren des Hauses war das Tippen von Finger auf der Laptoptastatur zu hören.
„Mum?“ fragte Sakura und ging in die Küche.
Ihre Mutter saß am Küchentisch, den Laptop vor der Nase und eine dampfende Tasse Kaffee vor ihr auf dem Tisch.
„Sakura, da bist du ja. Wie war’s in der Schule?“ fragte sie, jedoch ohne vom Laptop aufzusehen.
„Eigentlich so wie immer.“ Sagte Sakura und ließ ihre Tasche auf den Boden fallen. „Was machst du denn schon so früh hier?“
„Mein Chef hat mir gesagt, dass ich heute ruhig auch zuhause arbeiten kann. Außerdem habe ich hier sowieso mehr Ruhe um den Grundriss von Herrn Cyryls Haus nochmal zu checken.“ Erkläre Lian.
Sakura wollte gerade hoch in ihr Zimmer verschwinden, dann horchte sie auf und fuhr herum.
„Herr Cyryl?“ fragte sie verwundert.
Jetzt sah ihre Mutter auf. „Ja, das ist ein Kunde von mir. Sympathischer Mann, das muss man schon sagen. Warum, kennst du ihn?“
Sakura musste schlucken. Das was sie da hörte gefiel ihr irgendwie ganz und gar nicht. Aber sie kannte Herr Cyryl ja auch noch nicht.
„Herr Cyryl ist ein neuer Lehrer an unserer Schule.“ Meinte sie und versuchte es so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.
„Achso. Ja, er hat einmal erwähnt, dass er sich für eine Stelle hier beworben hat… Ich bin sicher, ihr werdet gut mit ihm auskommen. Er ist wirklich nett.“ Sagte Lian und wand sich dann wieder ihrem Laptop zu. „Entschuldige, aber ich muss das heute noch fertig kriegen.“
Sakura nickte. „Dann will ich dich mal nicht länger stören, ich bin sowieso gleich wieder weg.“
Sie drehte sich um und eilte die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
Die Tatsache, dass Herr Cyryl hier ein Haus gekauft hatte, gefiel Sakura aus irgendeinem Grund nicht, doch was sollte sie machen.
Texte: Das Copyright liegt allein bei mir!!!
Tag der Veröffentlichung: 07.01.2012
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