Cats online Tagebuch.
Montag 8.30 Uhr; das Läuten des Handyweckers reißt mich aus dem Schlaf. Nach einer kurzen Dusche ziehe ich mich an, schnappe mir meinen Rucksack und los geht’s. Meine Bahn kommt pünktlich und ich fahre bis zum Bahnhof, es ist kalt heute Morgen. Ich sehe zur Bushaltestelle, vom Busfahrer ist nichts zu sehen, also gehe ich noch eben zum Bäcker. Meine Lieblingsbrötchen sind schon wieder ausverkauft, zähneknirschend nehme ich andere. Als ich zum Bus komme, ist vom Fahrer noch immer nichts zu sehen. In Gedanken versunken stehe ich da und warte zitternd auf den Fahrer. Zehn mir endlos erscheinende Minuten später kommt er endlich. Kopfschüttelnd betrachte ich die vielen Leute, die schubsen und drängeln, um in den Bus zu kommen. Ich ergattere einen Sitzplatz im hinteren Teil des Busses und hole meinen Ebook-Reader aus der Tasche meines Rucksacks. Die Fahrt dauert nur 15 Minuten, eigentlich viel zu kurz um zu lesen, aber es ist besser als nichts. Zusammen mit der Bahnfahrt zum Bahnhof sind es 30 Minuten wertvolle Lesezeit, die ich nicht missen will. Auf der Arbeit angekommen, stelle ich meinen Computer an und fahre die benötigten Programme hoch, ich bin bereit und warte auf den Startschuss. Nachdem ich wieder mal, ein todlangweiliges und sinnloses Meeting über mich ergehen lassen durfte, geht es endlich los. Der erste Call ist ein AB, ein Anrufbeantworter, war ja so was von klar. Kopfschüttelnd warte ich auf den nächsten Anruf. So geht es weiter, Minute um Minute kraucht der Zeiger an der Uhr auf die Magische 12 zu. Noch eine Minute bis zu meiner 10 Minuten Pause, ich zähle schon die Sekunden. Da kommt er rein, der Call auf den ich gewartet habe. Ein potenzieller Kunde, mit hohem Abschluss Potenzial. Meine Pause kann ich somit vergessen. Ich erzähle meinen Text, ohne darüber nachzudenken, ich glaube, wenn mich nachts jemand wecken würde, ich könnte ihm sofort etwas verkaufen. Ich habe ihn soweit, er sagt ja. Doch bloß nicht zu früh freuen. Das geht meist in die Hose, wo wir gerade bei Hose sind, ich müsste mal ganz dringend wohin. Aber mein Kunde gehört zur vorsichtigen Sorte und quatscht sich seinen ganzen Frust von der Seele. Ich habe das alles schon tausendmal gehört und werfe an den richtigen Stellen, eine passende Erwiderung ein. Endlich hab ich ihn in trocknen Tüchern. Kaum habe ich mich verabschiedet renne ich auch schon zum Klo. Nach der Toilette hole ich mir noch eben einen Tee und wieder geht es an die Line. Der Chef guckt schon wieder so finster, als würde er am liebsten jemanden den Hals umdrehen. Ein Blick an die Tafel sagt mir auch warum, zu wenig Abschlüsse und zu wenig Calls. Mittagspause um 14.30 Uhr, als ich in die Küche komme, ist die einzige Mikrowelle schon besetzt. Ok dann mache ich mir erst mal einen Tee. Nachdem Essen setze ich mich an meinen Computer und sehe nach meinen Mails. Werbung und noch mehr Werbung. Der ganze Posteingang ist voller Spams. Ich drücke auf Löschen. Die Mails verschwinden eine nach der anderen im Papierkorb. Keine Ahnung, warum, aber plötzlich springt, mir eine Mail ins Auge. „Nicht löschen! Bitte, sonst bin ich tot.“ Schnell suche ich im Papierkorb nach der Mail. Der Absender ist mir nicht bekannt, also kann ich sie hier nicht öffnen. Wenn darin ein Virus ist und ich durch die Mail unsere Computer lahmlege, kostet mich das 10 000 Euro. Ich schicke die Mail an meine private Email Adresse und leere anschließend den Papierkorb. Der Rest des Tages geht an mir vorbei, noch immer lässt mir die Mail keine Ruhe.
Montag 18 Uhr ich sitze vor meinen Laptop und schicke die Mail mit dem Betreff „Nicht löschen! Bitte, sonst bin ich tot“ durch sämtliche Virenprogramme. Sie ist sauber. Zumindest was die Viren angeht. Denn als ich die Mail öffne, starrt mich ein blinkender Totenkopf an. Ich gehe mit der Maus darüber und klicke darauf. Mein Browser öffnet sich und leitet mich auf eine Internetseite weiter. Das Video startet automatisch und mir gefriert das Blut in den Adern. Es zeigt einen spärlich beleuchteten Raum, in der Mitte steht ein Stuhl, worauf eine Person sitzt. Ich kenne die Person und dennoch frage ich mich, was er dort macht. Wie kommt er dort hin und wo ist „Dort“ überhaupt? „Na erkennst du ihn?“ Fragt mich eine Computerstimme. „Warte, ich werde sein Gesicht ein wenig ins Licht drehen.“ Kommt erneut die Computerstimme aus meinem Laptop. Eine Hand erscheint im Bildausschnitt und hebt das Kinn, des Gefangenen an. Mein Atem stockt, als ich all die Prellungen und Hautabschürfungen in Marks Gesicht sehe. „Oh Mark, mein Liebling.“ Stoße ich unwillkürlich hervor. „Er ist nicht dein Liebling, hast du mich verstanden.“ Dröhnt es aus den Lautsprechern. Erschrocken blicke ich mich um. Kann er mich etwa hören? „Ich kann dich sogar sehen, Kätzchen.“ Beantwortet der Entführer meine unausgesprochene Frage. „Was willst du?“ Frage ich, denn Entführer wollen schließlich immer irgendetwas. Keine Antwort. Ich frage abermals. „Was willst du?“ Da wird das Videobild schwarz und ein leises; „Ping“ sagt mir, dass ich eine Mail bekommen habe.
Eilig öffne ich sie und lese.
„Ich will, dass du dich Morgen krankmeldest und zu Hause bleibst. Wenn du es nicht tust …
Na ja, ich denke, das kannst du dir denken. Gute Nacht Kätzchen.“
Immer wieder lese ich die Mail und frage mich, was das Ganze soll.
Dienstag 8 Uhr ich greife zum Handy und schicke eine SMS an meinen Chef. Ich schreibe das Es mir nicht gut gehe und deshalb lieber zu Hause bleibe. Das ist noch nicht Mal gelogen, denke ich trübsinnig. Wie es Mark wohl geht? Ich setze mich an meinen Laptop und warte. „Ping“ Eine neue Mail ist soeben gekommen. „Braves Kätzchen!“ Ist der einzige Inhalt. Die Minuten vergehen, während ich auf weitere Anweisungen warte, diese verdammte Warterei macht mich noch wahnsinnig. Kurz vor zwölf reißt mir der Geduldsfaden und ich klappe den Laptop zu. Ich habe seit gestern Mittag nichts mehr gegessen und mein Magen beginnt allmählich damit, sich selbst zuverdauen. Ich mache mir einen Tee und würge einen trockenen Toast hinunter, ehe ich zu meinem Laptop zurückkehre. Ich habe wieder eine Mail im Postfach. Der Betreff lässt mich kurzzeitig würgen. „Wie schmeckt der Tee?“ Doch der Inhalt der Mail ist noch schlimmer und ich schaffe es gerade noch bis zur Toilette, bevor der Toast wieder herauskommt. In der Mail ist ein Bild von Mark, wie er an einem Seil, um seinen Hals, von der Decke hängt. Nachdem mein Magen sich endlich völlig entleert hat, atme ich ein paar Mal tief ein und aus. Dann greife ich zum Handy und wähle die Nummer der Polizei.
14 Uhr die Polizisten haben meine Aussage aufgenommen und meinen Laptop beschlagnahmt. Sie wollen versuchen die Mails zurück zu verfolgen und so Marks Mörder finden. Ich habe noch immer keine Ahnung, was das Ganze soll.
14.30 Uhr die Polizisten sind gegangen und haben die Webcams aus meiner Wohnung mitgenommen. Jemand hatte in jedem Raum eine dieser kleinen, nahezu unsichtbaren Dinger angebracht. Mein Handy vibriert lautlos vor sich hin. Ich sehe es an, ohne mich zu rühren. Ich habe Angst, Angst davor, dass er es sein könnte, der Mörder.
Mitten in der Nacht schrecke ich hoch und sehe mich panisch in meinem Schlafzimmer um. Dann atme ich tief ein und aus, versuche mich zu beruhigen. „Alles wie immer.“ Flüstere ich unbewusst und erschrecke vor dem Klang meiner eigenen Stimme. Das Herz rast in meiner Brust und kleine Schweißperlen treten mir auf die Stirn. Ich sehe mich noch einmal in meinem Zimmer um, suche nach irgendetwas, das anders ist, das mein Unbehagen erklärt. Doch ich kann nichts entdecken. Schlafen kann ich jetzt eh nicht mehr, also stehe ich auf und hole mir eine Cola aus dem Kühlschrank. Die kalte Flüssigkeit rinnt meine Speiseröhre hinunter und ich spüre jeden Zentimeter, den sie zurücklegt. Es ist ein ganz sonderbares Gefühl, doch es lenkt mich von meinen Ängsten ab und das ist gut. Mein Handy brummt auf dem Wohnzimmertisch, es steht noch immer auf Vibrationsalarm. Ich greife danach, sehe das Ich mehre Anrufe und Nachrichten erhalten habe. Die Nummer ist unterdrückt und mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Ich ignoriere die Anrufe und sehe mir die Nachrichten an. Die erste Nachricht kam kurz, nachdem die Polizisten gegangen sind. >>Du bist so ein böses Kätzchen. Aber ich mag das, denn jetzt darf ich dich bestrafen. << Die Nächste kam eine Stunde später. >>Na überlegst du schon, was ich mit dir tun werde? << Wieder eine Stunde später. >>Ach mein kleines Kätzchen, wie gern würde ich dir jetzt, deinen Süßen kleinen Hintern versohlen. << Moment mal; „Versohlen?“ Diesen Ausdruck kenne ich und auch mein Körper reagiert sofort darauf. Meine Atmung beschleunigt sich, mein Puls steigt an und meine Handflächen werden feucht. Tief atme ich ein paar Mal ein und aus, erst dann lese ich die letzte Nachricht. >>Ach, wie sehr ich deinen süßen kleinen Hintern vermisst habe. Aber keine Sorge Kätzchen bald, bald sehen wir uns wieder. Und dann gehörst du mir, mir allein. <<
Das Handy fällt scheppernd zu Boden, doch ich beachte es nicht. Denn mit meinen Gedanken bin ich an einem anderen Ort, einen Ort aus meiner Vergangenheit. Ich sitze auf dem alten Sessel, dessen Federn so kaputt sind, dass sie mir in den Hintern stechen. Mein ganzer Körper besteht nur aus Schmerz, es ist so schlimm, dass ich nicht einmal sagen kann, wo es am meisten schmerzt. Ich zittere vor Kälte und Erschöpfung, doch ich wage es nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen. Denn ich weiß die Strafe wird grausam sein. Ich höre, wie er den Raum betritt, sofort stockt mir der Atem. Ich stelle jede Regung ein, wage nicht einmal zu blinzeln. Er kommt näher und bleibt direkt vor mir stehen. Seine Hand legt sich sanft um mein Kinn und drückt es nach oben, bis ich ihn ansehen kann. Seine Augen sind dunkel und strahlen eine Zärtlichkeit aus, die er nie und nimmer verspürt. Dafür genießt er es viel zu sehr andere, insbesondere mich, zu quälen. Noch immer bewege ich keinen Muskel, wage es nicht, auch nur Luft zuholen. Kleine schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen, doch ich kämpfe gegen die Ohnmacht an. Er lässt mein Kinn los und streicht mir sanft übers Haar, während die schwarzen Flecken größer werden. Seine Augen lächeln mich liebevoll an, für einen Moment, einen winzig kleinen Moment empfinde ich Freude. Freude darüber, dass ich meinen Meister zum Lächeln gebracht habe. Dann wird es Nacht um mich, die Dunkelheit hüllt mich ein und vor Angst verkrampft sich mein Herz. Wenn ich jetzt ohnmächtig werde, ist alles umsonst, dann werde ich ein weiteres Mal diese Tortur durchmachen müssen. „Atme!“ Dringt seine Stimme wie zähflüssiger Honig zu mir durch. Ich mache einen tiefen Atemzug und noch einen und noch einen. Die Dunkelheit zieht sich zurück, noch immer blicke ich in seine Augen und noch immer sitze ich auf dem Sessel. Nicht einmal mein Kinn hat seinen Platz verlassen, verharrt noch immer in genau der Position, in die er es gebracht hat. „So ist es gut mein Kätzchen.“
Ein lautes Klopfen holt mich in die Gegenwart zurück. Wie auf Autopilot gehe ich zur Tür und mache auf. Ich blicke nicht auf, denn ich weiß, wer es ist. Stocksteif stehe ich da, bewege mich nicht, atme nicht. Er tritt zwei Schritte näher an mich heran, so nah, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht fühle. Er hebt die Hand und hält sie mir mit der Handfläche nach oben hin. „Atme und nimm meine Hand! Komm!“ Befiehlt er sanft, aber bestimmt. Ich hebe meine Hand und lege sie in seine, dann zieht er mich mit sich und ich lasse es geschehen. Mein Gehirn ist so leer, wie ein weißes Blatt Papier. Vorm Haus steht ein blauer Kombi, er hält mir die Beifahrertür auf und ich steige auf seinen Befehl hin ein. Selbst wenn ich jetzt einen Selbstständigen Gedanken hätte, könnte ich ihn nicht befolgen, nicht solange wie er in meiner Nähe ist. Den Kopf gesenkt sitze ich neben ihn und warte, warte darauf, dass er etwas zu mir sagt. Doch er schweigt beharrlich. Der Wagen bleibt stehen und er steigt aus, dann öffnet er die Tür und hält mir abermals seine Hand hin. Ich bewege mich nicht, warte auf seine Aufforderung. „Nimm meine Hand.“ Ich höre die Freude, die in seiner Stimme mit schwingt, ergreife seine Hand und erstarre erneut. Nein ich werde nicht den Fehler machen und ohne seinen Befehl aussteigen, denn darauf wartet er ja nur. „Steig aus und komm mit!“ Ich tue was er verlangt, denn ich habe keine andere Wahl. Er bringt mich ins Haus und in ein Zimmer, dort lässt er meine Hand los. Er lässt mich allein stehen und ich höre, wie er aus dem Haus geht und den Wagen startet. Kurz darauf vernehme ich den Elektromotor eines Garagentors. Wenig später höre ich seine näher kommenden Schritte. Er legt mir beide Hände auf die Schultern und schiebt mich rückwärts, bis ich etwas Weiches in meinen Kniekehlen spüre. „Setz dich hin!“ Befiehlt er und ich gehorche. Seine Schritte entfernen sich von mir, immer weiter, bis ich ihn nicht mehr hören kann. Während ich hier sitze und auf seine Rückkehr warte, beginnt mein Gehirn zu verarbeiten, was in den letzten zwei Tagen passiert ist. Mein Liebling wurde ermordet und zwar von meinem Exmann. Ich befinde mich in der gleichen, wenn nicht sogar einer noch schlimmeren Situation wie vor fünf Jahren. Fünf Jahre und 99 Tage ist es her, dass ich vor meinem Mann geflohen bin. Weil ich es nicht mehr aushielt, von ihm kontrolliert zu werden. Er behandelte mich wie eine ferngesteuerte Puppe, wie eine Sklavin ohne eigenen Willen und ohne Rechte. Ich hatte es einmal geschafft, ihm zu entkommen, würde ich dass wieder können? Das Geräusch seiner näher kommenden Schritte klingt wie eine Antwort auf diese Frage. Nein, ich würde hier nicht raus kommen, zumindest nicht lebend.
Er kommt ins Zimmer, zwar kann ich ihn nicht sehen, da ich den Kopf nicht heben darf, aber ich höre das knarren der Türschwelle, als er darauf tritt. Ich zähle bis vier, dann steht er vor mir. Ich kann seine Schuhspitzen sehen. Seine Hand taucht in meinem Sichtfeld auf und kurz darauf spüre ich sie auf meinem Kopf. Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht und hebt meinen Kopf, sodass ich ihn ansehen muss. Seine braunen Augen schimmern feucht und sein Mund ist zu einem seligen Lächeln verzogen. Am Anfang unserer Beziehung habe ich dieses Gesicht, diesen Ausdruck geliebt. Habe sogar fälschlicherweise angenommen, er würde bedeuten, dass er mich ebenso liebt. Doch nun weiß ich es besser, dieser Ausdruck bedeutet Zufriedenheit. Er ist zufrieden, mich, sein Eigentum wieder zu haben. „Hast du Hunger oder möchtet du etwas trinken?“ Fragt er mich so trügerisch sanft, dass mir beinah die Tränen kommen. „Antworte!“ Fordert er nicht mehr ganz so sanft, als ich nicht reagiere. Doch ich habe nicht vor, dieses Spiel mitzuspielen. Ich weiß, dass ich hier sterben werde und wenn ich nichts trinke und esse, kommt der Tod schneller. Ein Mensch kann Wochen ohne Nahrung überleben, aber ohne trinken nur drei Tage. Drei Tage, bis endlich alles vorbei ist, bis ich ihn und seine kranken Spielchen für immer los bin. Wenn ich Glück habe, werde ich vorher bewusstlos, dann spüre ich nicht einmal mehr, was er mit meinem Körper anstellt.
„Gut, wenn du nichts essen und trinken willst. Wirst du auch nicht schlafen.“ Sagt er und sieht mir dabei tief in die Augen. Es interessiert mich nicht, ob ich schlafen darf oder nicht, deswegen zeige ich auch keinerlei Reaktion auf seine Drohung. Er presst seine Lippen zu einer dünnen Linie zusammen, in seinen Augen Blitz es gefährlich. Früher hätte dies bei mir dazu geführt in Angstschweiß ausbrechen, oder zumindest meine Augen zu senken. Heute nicht mehr, heute weiß ich, dass es mir nichts nützt. Er lässt mein Kinn los und stürmt aus dem Raum, ich höre ihn mit Töpfen klappern. Teller die auf einen Tisch gestellt werden und wie er eine Flüssigkeit in ein Glas gießt. Er hat sich umgezogen, trägt einen schwarzen Anzug, als er wieder ins Zimmer tritt. „Komm mit!“ Befiehlt er sanft. Ich rühre mich nicht. Er kommt näher und greift nach meiner Hand. „Steh auf und komm mit!“ Befiehlt er abermals, diesmal nicht mehr ganz so sanft. Da mir keine Wahl bleibt, tue ich was er verlangt und er führt mich in den Wohn-Essbereich. Der Tisch ist festlich gedeckt, er führt mich zu einem Stuhl. „Setz dich!“ Ich mache es und er schiebt mich bis an den Tisch. Dann setzt er sich neben mich und füllt Suppe in die kleine Schüssel vor mir. Ein Löffel taucht vor meinem Gesicht auf, ich rieche, das leicht säuerlich-würzige Aroma von Tomatensuppe. „Mach den Mund auf!“ Befiehlt er mühsam beherrscht. Ich gehorche und er lässt die warme Flüssigkeit in meinen Mund laufen. Doch da ich nicht schlucke läuft sie wieder hinaus, an meinen Mundwinkeln entlang, tropft sie auf mein Shirt und die Hose. Einen Moment fühle ich die Wärme der Suppe auf der Haut, doch sie kühlt sehr schnell ab. Mein Kopf wird zur Seite geschleudert, im nächsten Moment fühle ich ein brennen auf meiner Wange. Ich verliere den Halt und stürze zu Boden, erst da wird mir bewusst, dass mich seine Hand mitten ins Gesicht geschlagen hat. Früher hat er mein Gesicht immer verschont, doch nun offensichtlich nicht mehr. Ich höre, wie er den Raum verlässt und einen Wasserhahn aufdreht, kurz darauf kehrt er zurück. Er schiebt seine Arme unter mich und hebt mich hoch, dann trägt er mich ins Badezimmer. Er setzt mich auf einem Hocker ab und beginnt mich auszuziehen. Als ich nackt bin, setzt er mich in die tiefe Wanne, das Wasser ist heiß und sticht wie tausend kleine Nadelstiche in meine Haut, doch ich gebe keinen Ton von mir, durch nichts verrate ich die Schmerzen, die ich in diesem Moment erleide. Er stopft meine Sachen in die Waschmaschine und geht zur Tür, hält inne, aber nur kurz und verlässt ohne ein weiteres Wort das Bad.
Das Wasser steigt und steigt, es steht mir bereits bis zum Kinn, wenn das Wasser so weiter steigt, werde ich in fünf Minuten ertrinken. Nichts tut sich, im Haus herrscht völlige Stille, das Atmen fällt mir schwer, da kleine Wasserwellen mir immer wieder die Nasenlöcher verstopfen. Angst breitet sich in meinem Körper aus. Ich will nicht sterben! Schreit mein Unterbewusstsein mich an, doch ich kann nichts tun. Das Wasser verschließt meine Nase und ich halte die Luft an. Kleine schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen, werden größer und größer. Ich bin kurz davor das Bewusstsein zu verlieren, als ein Geräusch an mein Ohr dringt. Eine Sirene! Schießt es mir durch den umnebelten Kopf. Im nächsten Moment springe ich aus der Wanne und renne, renne um mein Leben. Der Weg bis zur Tür beträgt nur fünf Meter und kommt mir doch endlos vor. Ich reiße die Tür auf, sie ist nicht abgeschlossen, stelle ich glücklich fest und renne hinaus. Wie in Zeitlupe läuft alles vor mir ab. Ich renne die Auffahrt runter, immer der Sirene entgegen, registriere, wie hinter mir die Tür ins Schloss fällt und die schweren Schritte, die mir folgen. Doch ich halte nicht inne, wenn diese Flucht misslingt, bin ich tot. Meine letzten Kräfte mobilisierend laufe ich zur Straße runter, direkt auf die Polizisten zu. Ein Teil meines Gehirns registriert ihre erstaunten Gesichter ob meiner Nacktheit. Dann löst sich ein Schuss und ich stürze zu Boden, die Welt um mich herum versinkt, während sich ein zweiter Schuss löst, in tiefer schwarzer Dunkelheit.
Letzter Eintrag Cats online Tagebuch.
Ich werde sterben, mein Exmann wird mich töten. Wenn sie dass hier lesen, bin ich schon nicht mehr am leben. Es gab eine Zeit, wo ich meinen Exmann geliebt habe, wo ich alles für ihn getan habe, doch nun nicht mehr, nicht nachdem er unseren Sohn ermordet hat.
Ich komme zu dir Mark, warte auf mich, wo auch immer du bist. Ich finde dich.
Der Polizist beugt sich über den Körper des Schützen und legt zwei Finger an die Halsvene, dann schüttelt er den Kopf. „Der Mann ist tot." Sein Kollege kniet neben der Frau nieder und deckt ihren Körper mit einer Decke zu. Sirenen werden laut und kurz darauf trifft der Krankenwagen ein. Die Frau wird notdürftig versorgt und ins Krankenhaus gefahren, sie lebt gerade noch so. Ihr Exmann Maxwell Ortega jedoch; ist tot und ich muss zu meiner Schande gestehen, das ich froh bin dieses Schwein erschossen zuhaben. Denn wenn er noch leben würde, hätte irgend so ein Quacksalber ihm sicher Unzurechnungsfähigkeit bescheinigt und er wäre nach ein paar Jahren Psychotherapie wieder ein freier Mann gewesen. Bloß gut, dass ich heute Morgen Cats letzten Eintrag in ihr online Tagebuch gelesen habe, denn ohne ihren Hinweis, dass ihr Ex der Mörder ist, hätten wir keine Chance gehabt, sie jemals zu finden. Nur schade, dass es so lange gedauert hat, ihn ausfindig zu machen.
Im Krankenhaus
Ich öffne meine Augen und kann nicht glauben, was sie sehen. „Mam! Oh dem Himmel sei dank. Du bist aufgewacht." Begrüßt mich mein Sohn. „Mark?" Krächze ich. Er nickt mir freudestrahlend zu. „Wie?" Will ich wissen. Mark greift nach meiner Hand. „Ich war mit Becky verreist, und als ich zurückkam, hat mir die Polizei erzählt, was passiert ist." Tränen laufen über seine Wangen und er schluckt, ehe er weiter spricht. „Oh Mam, es tut mir so leid. Wenn ich gewusst hätte, was er dir antut, hätte ich ihm nie und nimmer deine Telefonnummer gegeben. Bitte verzeih mir." Fleht mein Sohn mit tränenerstickter Stimme. Ich nicke und nehme ihn in meine Arme. Ich bin so froh ihn wieder zu haben. Er lebt, mein Liebling lebt. Und Maxwell kann uns nichts mehr tun. Erleichtert schließe ich die Augen und falle in einen traumlosen Schlaf.
Ende
Diese Kurzgeschichte nimmt am Krimiwettbewerb teil. Über Lob, Kritik, Anregungen und/oder Herzchen/Pokale freue ich mich sehr. Wer noch mehr von mir lesen will, sollte auf meine Profil Seite gehen.
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Vielen Dank fürs Lesen und einen schönen Tag noch;
Kathrin Große
Texte: Kathrin Große
Bildmaterialien: Kathrin Große
Tag der Veröffentlichung: 30.12.2012
Alle Rechte vorbehalten