Cover

Sie hieß Samarah, geboren irgendwo auf einem Schiff bei der Überfahrt von England nach Deutschland.
Er stand in dem Wohnwagen, am äußersten Rand. Draußen war es Stock dunkel. Er sah ihr beim Schlafen zu, so wie er es schon oft getan hatte. Er fand es faszinierend ihr dabei zu zusehen. Manchmal sprach sie im Schlaf oder fing an Schlafzuwandeln. Nicht selten hatte er sie sanft an den Schludern gepackt und wieder in ihr Bett geführt. Nie hatte sie etwas davon mit bekommen. Natürlich hatte sie ihn schon gesehen, ja sogar mit ihm gesprochen, aber sie wusste nicht, dass er ihr meist die gesamte Nacht dabei zu sah wie sie in ihren tiefsten Träumen schwelgte.
Seichtes Mondlicht viel durch das Fenster und ließ ihr blutrotes Haar orange schimmern, so, dass ihr Kopf aussah, als wäre er vom Sonnenuntergang bedeckt.
Sie war eines der wunderschönsten und bezaubernsten Mädchen, die er je gesehen hatte und in den Jahrhunderten, die er schon auf dieser Welt verweilte hatte er eine Menge Mädchen und Frauen gesehen und kennen gelernt.
Ihre Mutter sagte oft, dass man schon bei ihrer Geburt erkannte, dass sie gerne im Mittelpunkt stand, da es ja auch nicht alle Tage vorkam, dass ein Baby auf einem Schiff geboren wird. Als ihre Mutter das Schiff betrat dachte sie sich nichts, da ihr Kind erst in zwei Wochen den Termin hatte, aber gekommen ist alles ganz anders.
Samarah schien wirklich für das Rampenlicht geboren, denn sie zog immer die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Sie machte es nicht absichtlich und war auch nicht eingebildet, sie war einfach sie selbst, ganz natürlich und genau das mochte er so an ihr. Er liebte es sie strahlen zu sehen, wenn sie oben auf dem Seil war, in einem ihrer schönen Kostüme und die volle Aufmerksamkeit der Zuschauer genoss. Manchmal entdeckte sie ihn zwischen den Zuschauern und dann schienen ihre moosgrünen Augen doppelt so hell zu strahlen.
Er liebte es, wenn sie lächelte, denn dann kamen ihre kleinen, süßen Grübchen zum Vorschein und er liebte ihre einfache, überschwängliche, natürlich Art mit der sie ihn immer zum Lachen brachte.
Es warmer, grausiger Schmerz durchzog seinen Körper und er krümmte sich vor der Überraschung dieses Gefühls. In letzter Zeit hatte er schon zweimal diesen Schmerz verspürt, doch niemals in diesem Ausmaße. Es war immer nur wie ein kurzer, leichter Stich. Abermals durchfuhr es ihn und diesmal spürte er genau, dass es von seinem Inneren, seinem Herzen aus ging und sich von dort durch seine Gliedmaßen zog. Er konnte es sich nicht erklären. Nicht beim ersten und auch nicht beim zweiten Mal und diesmal schon gar nicht. Er dürfte dieses Gefühl nicht haben, dürfte keinen Schmerz fühlen. Auch dürfte er die Freude nicht fühlen, die er verspürte, wenn er sie sah. Doch genau all das tat er, er spürte und fühlte es.
Wieder dieser Schmerz. Er wurde immer schlimmer, durchbohrte ihn wie ein Messer. Er krümmte sich wieder und unterdrückte nur mit Mühe einen Aufschrei. Was in Gottes Namen war das? Und schon wieder stach der Schmerz zu und verbreitete sich in seinem Körper. Er fiel zu Boden und zog seine Beine an seinen Körper. Hoffentlich würde sie jetzt nicht aufwachen und ihn so sehen. Sie würde sich nur unnötig Sogen um ihn machen, was sie definitiv nicht tun sollte.
Sie drehte sich in ihrem Bett um und machte ein undefinierbares Geräusch und dann geschah es, mit einer flatternden Bewegung schlug sie ihre Augen auf und wollte sich aufrichten, als sie in ihrer Bewegung inne hielt, als sie ihn erblickte. Ihre Augen waren plötzlich schreckgeweitet und mir einem Satz war sie auch schon bei ihm und fragte ihn panisch was denn mit ihm los sei, ja sie schrie es schon fast.


1.Kapitel



Ich schreckte aus meinem unruhigen Schlaf und musste ein paar Mal blinzeln, ehe ich die genauen Umrisse meiner Umgebung erkennen konnte. Ein kurzer Blick auf die Leuchtziffern verriet mir, dass es drei Uhr morgens war. Mit einem Seufzer fuhr ich mir durch die Haare und ließ mich wieder in mein Kissen fallen. Während ich dies tat nahm ich eine Bewegung am anderen Ende des Raumes wahr, die mir allerdings erst einige Sekunden nachdem ich wieder in meinem fluffigem Kissen gelandet war bewusst wurde. Ich riss meine Augen weit auf und starrte für einen Moment die Decke an. Meine Gedanken rasten durch meinen Kopf und mein Köper wurde starr vor Schreck. Ich hoffte innig, dass ich mir das grade eben nur eingebildet hatte. Langsam richtete ich meinen Oberkörper auf und ließ meinen Blick durch die dunklen Massen des Wohnwagens gleiten und dort, ganz hinten in der letzten Ecke entdeckte ich zwei gelb leuchtende Punkte. Mein Atem stockte und mein Blut begann in meinen Adern spürbar zu pulsieren, als ich die mutmaßlichen Punkte als Augen identifizierte.
Oh. Mein. Gott. Wer oder Was war das?
Ohne den Blick von dem Augenpaar zu nehmen tastete ich auf dem Nachttisch nach dem Schalter der Lampe. Mit einem leisen ‚Klick’ sprang das Licht an und tauchte die eben noch schwarz-grauen Möbel in ein warmes, gelbes Licht.
Ich hielt die Luft an und unterdrückte nur mit Mühe einen Schreckschrei.
Dort, hinten in die letzte Ecke gedrängt, stand ein junger Mann und mit Bedauern musste ich feststellen, dass mein erster Gedanke nach ‚Wer ist das und was will er von mir?’ war ‚Man, der sieht aber gut aus!’
Für diesen Gedanken hätte ich mich ohrfeigen können. Ich meine, wer denkt schon daran wie gut ein Typ aussah, wenn er dir bildfremd war und mitten in der Nacht in deinem Zimmer erschien? Aber leider Gottes war es die Wahrheit. Er sah wirklich zum anbeißen schön aus. Mit seinem schulterlangen schwarzen Locken, dem leicht eckigen Kinn und dem langen Mantel, sah er wie aus einer vergangenen Zeit aus.
Im Licht glühten seine Augen nicht mehr Gelb, sie sahen aus wie Karamell in einem Strudel verschmolzen mit Honig, es waren die wärmsten und tiefgründigsten Augen die ich je gesehen hatte und selbst auf diese Entfernung strahlten mir die Strömungen des Goldflusses seiner, vor scheinbarem Schreck weit aufgerissenen, Augen entgegen, obwohl er an sich nicht die geringste Regung zeigte. Seine Arme hingen an seinen Seiten schlaff herunter, die Lippen waren leicht geöffnet, wie vor Entsetzen und sahen hinreißend einladend aus und seine Augen waren noch immer weit aufgerissen.
Der junge Mann musste zwei, drei Jahre älter sein als ich, vielleicht so Neunzehn, Zwanzig.
Er sagte nichts, also fragte ich stotternd: „Wer sind sie und was wollen sie von mir?“
Eine ganze Zeit verstrich, in der wir uns einfach nur anstarrten. Ich- langsam immer wütender- und er- noch immer ausdruckslos und schweigsam.
Ich wartete noch einen Moment, dann reichte es mir endgültig. Ich drehte mich um, wandte den Blick von ihm und suchte mein Handy. Als ich es gefunden hatte, drehte ich mich wieder um, um ihm zu sagten das ich jetzt die Polizei rufen würde.
Mir klappte die Kinnlade runter und mein rechtes Auge fing vor Unglauben leicht an zu zucken. In der Ecke stand niemand mehr. Ich sprang von meinem Bett und ging durch den Wohnwaagen, doch der junge Mann war spurlos verschwunden. Aber wo war er? Zur Tür konnte er nicht raus sein, die knarrte so laut, dass ich es gehört hätte und versteckt haben konnte er sich auch nicht, denn hier gab es herzlich wenig Plätze, die einem Unterschlupf gewähren könnten. Ungläubig setzte ich mich wieder in mein Bett und starrte mit leerem Blick in den Raum.
Hatte ich mir die letzten Minuten nur eingebildet oder sogar nur geträumt? Oder war es vielleicht mal wieder ein Geist gewesen? Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ich solch eine Gestalt gesehen hätte. Ab und An passierte das, doch meist sah ich sie in älteren Gebäuden oder in denen, in denen sie gestorben waren. Nie bei mir, in meine Wohnwaagen. Der Kopf begann mir zu schwirren und ich ließ mich in mein Kissen fallen.
Ich wollte einfach mein Gehirn abschalten und die letzten Minuten verdrängen. Wenn ich mir jetzt darüber noch den Kopf zerbrechen würde, würde ich nicht schlafen können, weil ich keine Antworten finden würde und wenn ich nicht bald wieder schlafe bin ich den ganzen Tag über total müde und würde Nichts auf die Reihe bekommen. Dann würde ich Ärger von meiner Mutter bekommen und sie würde mir nicht erlauben ein wenig Zeit alleine in der Stadt zu verbringen. Das lag auf der Hand. ‚Also Samara, du wirst jetzt schön deine Augen schließen und in tiefe Träume versinken und wenn das nicht hilft zählst du Notfalls auch Schäfchen!’, befahl ich mir selbst und fiel einige Zeit später in einen flachen Schlaf.

Paris, die bezaubernd, betörende Stadt der Liebe.
Ich war das erste Mal in der Stadt, in die ich schon seit meiner Kindheit wollte.
Paris war unser letzter Stopp in Frankreich und dann würde unser Zirkus wieder für einige Monate nach Deutschland zurück kehren.
Es war Ende Mai und schrecklich warm, sodass ich in einem Top und Rock an der Seine lang spazierte. Ich steuerte in Richtung Place de la Concorde um in dem dort gelegenen Park, dem Jardin des Tuileries, zu kommen. In den letzten Tagen hatte ich mich wirklich in diesen Park verliebt. Ich mochte es, mir einen der Stühle zu schnappen und mir einen Platzt halb in der Sonne und halb im Schatten zu suchen und dann einfach zu entspannen und dem Treiben der Menschenmassen zu zusehen. Jetzt schlängelte ich mich noch durch eben diese Massen, doch es störte mich keines Wegs. Ich war heute mit einer so positiven Energie geladen und von solcher unbeschreiblichen Freude erfüllt, dass mir rein gar nichts den Tag hätte verderben können. Ich hatte fast das Gefühl mir schwebend einen Weg durch das Gewühle zu bahnen, aber leider war dem nicht so. Die Ereignisse von letzter Nacht waren schon längst vergessen und ich hatte den jungen Mann aus meinem Gedächtnis verdrängt- oder sollte ich besser sagen die Einbildung dieses Mannes?
Ich bog auf den Platz vorm Louvre und die Sonne blendete mich nun so, dass ich meine Sonnenbrille aus der Tasche kramte und sie mir aufsetzte. Ich fand es schön, dass man vom Louvre direkt in diesen wunderbaren Park gelangen konnte. Ich ging durch den kleinen Bogen und tat auf den weiß, blendenden Schotterweg. Vor mir tat sich der Jardin des Tuileries auf, mit seinen unzähligen Bäumen, den Spielplätzen, Brunnen und Menschen, die entweder durch den Park spazierten oder auf Bänken oder Stühlen saßen und den verschiedensten Tätigkeiten nachgingen. Ich schlenderte zwischen den Bäumen hindurch auf der Suche nach einem freien Stuhl, doch als ich an dem Brunnen direkt beim Hauptein- und Ausgang ankam hatte ich noch immer keinen Sitzplatz gefunden. Ich ging die Stufen hinauf, die mich auf eine obere Plattform brachten von den man die perfekte Sicht auf den Place de la Concorde und im Hintergrund den Eifelturm hat und hier fand ich nun endlich einen freien Stuhl, den ich mir sofort griff, bevor er mir noch vor der Nase weggeschnappt wird. Ich ließ mich nieder, kramte aus meiner Tasche meinen Mp3-Player und schaltete mein Lieblingslied ein. Bei dem wunderbaren Summen des Liedes, im Hintergrund, versank ich ganzlangsam in einen ruhigen Schlaf.

Durch ein komisches Gefühl in meiner Magengrube wachte ich wieder auf, doch meine Augen hielt ich geschlossen. Irgendwas sagte mir, dass ich beobachtet wurde. Langsam öffnete ich meine Augen. Das gleißende Licht der Sonne blendete mich, obwohl ich noch immer meine Sonnenbrille trug.
Ich ließ meinen Blick schweifen und abermals traf ich auf die faszinierenden Augen, von denen ich mir bis eben probiert hatte einzureden, dass sie nur Einbildung gewesen waren.
Das wunderbar Goldkaramell zog mich erneut in seinen Bann und ich hatte große Mühe meine Gedanken darauf zu konzentrieren, dass ich mich lieber fragen sollte warum dieser Typ mir schon wieder gegenüber Stand und mich mit diesem ausdrucklosen, leeren Blick ansah.
Wieder verweilten wir einige Minuten in der gegenseitigen Betrachtung, bis es mir reichte.
‚Was mache ich denn nur hier? Wirklich, ich sollte diesen Typen mal zur Rede stellen!’, schoss es mir, mit aufschäumender Wut durch den Kopf.
Ich stand auf, griff nach meiner Tasche und marschierte auf diesen geheimnisvollen jungen Mann zu.
Nun stand ich ihm direkt gegenüber und funkelte ihn böse an.
„Wer bist du und was zum Teufel WILLST du von mir?“, keifte ich ihn an.
Kein Ton, keine Regung, keine Anstallten sich auch nur eine Antwort zu überlegen.
„Na los! Antworte schon!“
Immer noch Nichts.
Vielleicht war der Typ ja stumm, aber dann hätte er wenigsten probiert sich mir gegenüber verständlich zu machen und außerdem wäre er dann nicht einfach so in meinem Wohnwagen erschienen. Oder er war vielleicht doch eben einfach nur ein Geist…
Einem Impuls folgend streckte ich langsam meine Hand nach ihm aus und führte sie vorsichtig zu seinem Arm. Meine Fingerspitzen trafen zuerst auf seine glatte Haut und dann legte ich den Rest meiner Hand auf seinen muskulösen Oberarm. Wir beide zuckten bei dieser Berührung kurz zusammen- ich, weil trotz der brühenden Hitze seine Haut kühl war und er wahrscheinlich weil ich so glühte.
‚Ha, ich hatte ihm also doch eine Reaktion abgewonnen!’, triumphierte ich Innerlich.
Ich konnte also ausschließen, dass er jemand war, der schon längst tot war, denn dann hätte ich ihn definitiv nicht SO berühren können.
Aber ich hatte noch immer dieses Gefühl in der Magengrube und das schlimme war, dass es immer intensiver wurde. Irgendetwas hämmerte von Innen gegen meinen Bauch und von Zeit zu Zeit lief mir ein Schauer über den Rücken.
Unter meinen Fingern zuckte etwas. Ich hob meinen Blick und bemerkte, dass meine Hand noch immer auf seinem Oberarm weilte. Mein Blick hatte die ganze Zeit auf dem Boden gelegen und ich war so mit der Frage beschäftigt gewesen, was er war, dass ich vollkommen vergessen hatte, dass ich ihn noch immer berührte.
Schnell zog ich sie weg und sah verlegen in das Gesicht des Fremden. Seine Augen ruhten ununterbrochen auf mir und betrachteten mein Gesicht. Mir war es keinesfalls unangenehm, ich fragte mich lediglich was in seinem Kopf vorging, denn die Maske seines Gesichtsausdrucks hatte er noch immer nicht abgelegt.
Nach weiteren Minuten des Anstarrens wurde es mir zu blöd.
„Also entweder du sagst mir jetzt wer du bist oder ich gehe.“
Ich wartete noch einen kurzen Moment der Stille ab, zog dann meine Sonnenbrille, die ich zwischenzeitlich abgesetzt hatte, aus meiner Tasche und setzte sie mir auf.
„Wenn du dich entschlossen hast doch noch ein paar Worte mit mir zu wechseln, dann komm einfach zu mir. Ich habe so wie so das Gefühl, dass du mich finden wirst.“
Mit diesen Worten drehte ich mich um und begann zu verschwinden, jedoch wurde ich auf einmal gepackt und zurück gezogen. Der Fremde hielt mich an beiden Schultern fest und sah mir so tief in die Augen, dass ich das Gefühl hatte, er könne in meine Seele blicken. Es machte den Anschein als hätte er mir doch noch was zu sagen, aber dann ließ er mich los und die Maske legte sich wieder auf sein Gesicht.
Ich verweilte noch einige Sekunden in meiner Haltung, in der Hoffnung, dass noch ein Wort seine Lippen verließ, doch wieder passierte nichts der Gleichen.
Abermals drehte ich mich mit dem Rücken zu ihm und trat den Heimweg an.

Impressum

Texte: Die Idee zu dieser Geschichte entspringt meiner freien Fantasie und gehört allein mir. Auch das Cover gehört mir allein und ist ohne meine Erlaubnis nicht anderweitig zu benutzen.
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch Elvira, weil ich mich stundenlang mit ihr unterhalten kann, sie mir bei der Titelwahl geholfen hat und weil sie mich mit auf ihren Planeten lässt. ;P Außerdem geht ein Dank an Lynn und Paulina-Chevonne, weil sie mir beide meine Fragen zu ihren Cover beantwortet haben- Danke!

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