Cover

4. Anklopfen! Doch wo bin ich?

Am nächsten Morgen klopfte und hämmerte es an der Tür von Johannes und Janina. Zusätzlich brüllte es davor: „ Hömma Pilooth!“ Johannes rollte erst mal genervt die Augen. Der nächste Klopfer endete mit einem satten splitternden Geräusch, eine geballte Faust kam durch die Tür und wurde dann rasch aber vorsichtig zurück gezogen. Sofort erschien das Gesicht des Prolls vor dem Loch. Janina, die gerade das Bad verließ, schrie vor Schrecken auf, hielt sich die Hände vor die Brust und zog sich in den Ankleidebereich der Suite zurück. Proll meinte dann frech: „Oh lala!“ Dann schien er zu realisieren, was er gerade angestellt hatte. Endlich wich er ein wenig betreten zurück. Johannes rief nun wütend an der Rezeption an und erklärte höflich, dass eben bei ihm die Tür eingeschlagen worden sei. „Sagen Sie, was für Material verwenden Sie hier auf dem Schiff für die Türen, dass dies dem Idioten von Harry Drang gelingen konnte?“ Ein ungläubiges „Wie bitte?“ erklang im Hörer. „Welche Tür wurde bitte schön eingeschlagen, wir haben doch hier lauter massive Holztüren vor den Kabinen, sie wollen mich doch sicher aufziehen?! Der 1. April ist aber schon vorbei!“ „Nein, leider nicht“, entgegnete Johannes, „Können Sie jemanden vorbei schicken, der die Türe repariert oder austauscht?“ „Natürlich, dies dauert nur 20 Minuten, dann können Sie zum Frühstück gehen. Ich mache dem Kapitän eine Meldung.“ Der Kapitän schrieb kopfschüttelnd folgende Meldung in sein Logbuch: <durch „freundliches“ Anklopfen zersplitterte Passagier Harry Drang die massive Holzkabinentür eines Passagiers.>

Beim Frühstück gelang Proll eine weitere Peinlichkeit. Aus dem reichgefüllten Brotkorb schnappte er sich ein Croissant und legte es dem vor Wut wie erstarrtem Johannes auf den Teller: „ Hömma, Du wolltest ein Croissant haben!“ Janina starrte nur mit leicht offenem Mund zu Mr. Proll und Johannes. Auch Pete Lewinson mit seiner Frau Marisha und Andrew mit seiner Frau Masuki wirkten leicht erstarrt und entsetzt. Wie es Johannes von der ersten Fahrt her kannte, hatte Proll die Tische auch wieder zu einer großen Tafel zusammen geschoben, so dass man enger beisammen saß als allen lieb war. „Sacht ma, was mach’n wa heute Nachmittag? Ich hab‘ die Tour durchs Schiff jebucht! Will mal sehen, wo hier die Schräubchen locker sind im Kahn!“ Marisha wollte lieber am Sonnendeck sich ausruhen, denn das viele Treppenlaufen wurde ihr langsam zu anstrengend. Janina und Johannes und die anderen hatten sich ebenfalls für diese Tour durch das innere dieses schwimmenden Hochhauses angemeldet. Ein Kellner erschien und brachte für Johannes einen Brief, der die Handschrift des Kapitäns aufwies. Das Schiff sollte einen Zwischenstopp in Marbella machen, um weitere Lebensmittel an Bord zu nehmen. Diese Zeit wollte Claus für einen Außencheck nutzen, zu dem er Johannes einlud. Der Kellner überbrachte die Antwort dem Kapitän. 1 ½ Std. später machte das Schiff im Hafen fest, wo Kapitän Claus und Johannes in ein Schlauchboot umstiegen, damit sie von allen Seiten das Außenschiff kontrollieren konnten. Proll und seine Frau wollten nun die Schwimmhalle aufsuchen. Die anderen Damen schlenderten auf dem Sonnendeck umher, vertieften im launigen Gespräch ihre Bekanntschaft, wobei sie die Blicke auf die Stadt und den sich anschließenden Strand genossen. Janina konnte wie immer nicht widerstehen und zückte ihren Fotoapparat, um die schönsten Blicke für das Familienalbum festzuhalten. Zwischendurch winkte man vom Deck den beiden Inspektoren im Schlauchboot zu.

Man fuhr nun seit einiger Zeit in Richtung der Azoren, die man in den nächsten Tagen erreichen würde. Währenddessen sammelten sich die Teilnehmer der Tour durch das Unterschiff. Janina, Masuki, Jolanta und Noori mit Letitia nahmen Frau Drang in ihre Mitte. Mr. Proll hatte sich den Männern gleich angeschlossen, dabei seine Frau allein stehen lassend. Dies hatte die Frauen zu einem Kopfschütteln veranlasst. So ein Benehmen kannten sie von ihren Männern nicht. Einer der Lastenfahrstühle brachte die Gruppe nach unten. Ein Führer erklärte die Aufteilung der Unterdecks. Zuerst kamen die Decks für Vorratshaltung mit den Kühl-räumen. Am Eingang bekamen alle weiße, sterile Pa-piermäntel, Mützen und Überschuhe. Die Vorschriften des Lebensmittelgesetzes wurden hier peinlich genau eingehalten. Proll trat immer wieder besonders nah an die Regale, er konnte sich anscheinend nur schwer bezähmen, um seine Hände bei sich behalten. Am Ende des Raumes legten alle ihre Schutzkleidung wieder ab.

Nun ging es weiter in die Wäscherei. Heißer Dunst schlug hier allen Teilnehmern entgegen. Mannshohe Waschmaschinen und Wäschetrockner standen in einer langen Reihe. Die meisten Maschinen waren gefüllt, einige wurden gerade neu beladen, die Wäschestapel schienen nicht kleiner zu werden, die als Nachschub dalagen. Die Bügelmaschinen waren alle in Betrieb. Auch eine Abteilung für chemische Reinigung, die hauptsächlich die Wäsche der Passagiere reinigte, fehlte nicht. Der Geräuschpegel durch die vielen Geräte war hier schon relativ hoch, so dass die Angestellten mit Ohrenschützern arbeiteten, damit die Dauergeräusche keine Hörschädigungen erzeugten. Mr. Proll hatte sich wie es seine Art war von der Gruppe entfernt und streifte durch diese Abteilung. Schaute hinter alle Maschinen und musste anscheinend unbedingt erkunden, wie die Wäscheschächte aussahen. Also näherte er sich einem Schacht, unter dem ein halbvoller Kasten-wagen stand, beugte sich vor, steckte den Kopf in die Röhre und plärrte wie ein kleines Kind „Hallo, ist da wer?“ in die Röhre. Wie um ihm zu antworten, fiel ein großer Ballen weißer Wäsche herunter, traf ihn, und nur die Tatsache, dass er sich am Außenrand festgehalten hatte, verhinderte, dass er ebenfalls durch die Wucht der Fallgeschwindigkeit mit im Kastenwagen verschwand. Durch sein Rufen, das ein lautes Echo ergab, wurde die Gruppe auf ihn aufmerksam. Pete Lewinson griff nach Mr. Proll, verdrehte die Augen: „Hey, Harry, we aren‘t in a movie from Buster Keaton! Oh, you stupid man!“ Alles lachte underdrückt auf, die Männer verdrehten dabei aber leicht die Augen. Diese Besichtigung konnte ja noch heiter werden. Frau Drang fragte ein wenig besorgt: „Geht es Dir gut Harry?“ Er nickte: „ Sicher, is doch dufte hier!“

Die Gruppe stieg weiter nach unten. Man gelangte in einen Gang mit lauter Schotten, die die verschiedenen Abteilungen der Maschinenräume voneinander trennte. Hier bekamen nun alle Teilnehmer Ohrenschützer aufgesetzt. Vorher aber erklärte der Führer, welche Abteilung des Maschinenraumes man nun betreten würde. Da dies der Starkstrombereich sei, hätte man ab nun wie überall in diesem Deck nichts anzufassen und die Hände an den Geländern der Laufgänge zu lassen, denn die Stromspannung, die hier erzeugt würde sei logischerweise tödlich. In diesem Bereich würden nur besonders ausgebildete Leute arbeiten. Gerade die Maschinenräume seien zusammen mit der Brücke, die sensibelsten und wichtigsten Arbeitsstellen an Bord, denn sie hielten alles auf diesem Schiff am laufen. Alle Abteilungen bekämen aus diesen kleinen Kraftwerken ihren Strom, damit sie arbeiten und funktionieren könnten. Von hier würde alles gesteuert werden. Selbst Proll behielt hier seine Hände bei sich. Diese engen Gänge, durch die sich die Gruppe bewegte schien eine gewisse Platzangst bei ihm auszulösen. Aber er wäre wohl nicht Mr. Proll gewesen, wenn er nicht für ein neues Problem gesorgt hätte, doch diesmal schien er der einzige Leidtragende dabei zu sein. Als die Gruppe gerade den letzten der Maschinenräume verlassen wollte und gezählt wurde, ob alle Mitglieder beisammen waren, fehlte jemand. Wer dies war, war leicht zu merken. „Wo ist Harry?“, fragte Frau Drang verwundert. „Er war doch bei den Herren, haben Sie ihn nicht gesehen?“ sich dabei Johannes und Salvatore zuwendend. Man schüttelte erstaunt den Kopf. „Wie, um Gottes Willen, hat dieser Mann es geschafft hier verloren zu gehen?“, wunderte sich Andrew mit seinem weichen Akzent, wobei er fast zu singen schien. Man wartete noch 5 Minuten, doch Proll tauchte nicht auf. Alle Maschinen liefen zwar laut aber ruhig weiter, daher hatte er also nicht unerlaubt etwas angefasst. Der Führer gab der Maschinenraummannschaft diese Verlustmeldung durch, und bat dann, dass dem Passagier der Rückweg erklärt wurde. Danach brachte er die Truppe nach oben. Frau Drang war sehr beunruhigt, doch Jolanta legte ihr die Hand auf den Arm. „Wir gehen jetzt alle in eine Café, Signora, trinken eine Cappuccino. Ihr Mann taucht sicher wieder auf, wo er soll hier verschwinden?!“ Frau Drang ließ sich ablenken und ging gerne mit den jungen Frauen mit, als alle oben wieder den Lastenfahrstuhl verließen.

Der Führer telefonierte mit Kapitän Claus: „Passagier Drang im Maschinenraum verschwunden!“ Um Him-mels Willen, hoffentlich legt er den Schiffsbetrieb nicht lahm.“, kam die entsetzte Antwort. Johannes, Pete Lewinson, Salvatore Danti, Andrew und Randolf Newing begaben sich hoch auf die Brücke und ver-sprachen die Damen im Café abzuholen, sobald sie wussten, wo sich der Proll wieder auffinden würde. Als sie gerade oben auf der Brücke erschienen, erschallte eine Durchsage:“ Passagier im Maschinenraum im unteren Stockwerk gefunden. Wurde zur Treppe gebracht, müsste in 5 Minuten oben anlangen.“ Erleichterung breitete sich aus, nun würde Proll doch ohne weitere Verzögerungen hier eintreffen. Doch die Rezeption hatte auch nach 10 Minuten noch nicht das Eintreffen von Mr. Proll gemeldet. Dafür erschallte nun aus der Wäscherei eine Durchsage: „Passagier in Wäscherei aufgetaucht, haben ihm den Weg zum Fahrstuhl er-klärt. Müsste in 5 Minuten oben eintreffen.“ Doch Proll war anscheinend nicht fähig, die Anweisungen des Schiffspersonals in der Wäscherei richtig zu verstehen. Er irrte im Gang herum. Die Hinweisschil-der, die er sah, schien er nicht interpretieren zu kön-nen oder beachtete sie nicht. Er ergriff langsam ent-nervt eine Tür, wobei ihm irgendwie klar war, dass er im falschen Gang war. Er wusste nur nicht, wie tief oder hoch er im Schiff nun war. An der Tür stand Zahlmeisterei. „Na die werden mir doch endlich in sauberen Worten erklären können, wie ich laufen muss!“, schoss ihm dabei der Gedanke durch den Kopf. Also öffnete er entschlossen die Tür, stolzierte hinein, fragte nach dem Weg.

Man wartete wieder mehr als 10 Minuten bis eine Meldung die Brücke erreichte. Doch es war ein Angestellter der Zahlmeisterei. „ Wir haben verirrten Passagier auf den Weg geschickt, müsste gleich auftauchen in der Halle.“ Der Kapitän fing langsam an zu grinsen: „Macht wohl seine eigene Schiffsbesichtigung, wieso findet er den Weg nicht, ist doch alles beschrieben, liest der keine Schilder?!“ Salvatore Danti meinte dazu: „ Deutsch ist eine schwere Sprache, er vielleicht Schwierigkeiten mit Lesen?!“ Für die englischsprechenden wurde diese Bemerkung übersetzt. Alles lachte herzhaft. Auf einmal kam die erlösende Nachricht der Rezeption: „Passagier Drang kommt gerade die Treppen hoch und in die Halle. Scheint lieber gelaufen zu sein, als den Fahrstuhl zu nehmen.“

Doch schon stampfte ein äußerst verärgerter Proll an die Rezeption, schnappte sich den Telefonhörer, und schimpfte auch schon los. „Das is ja eine Unver-schämtheit, die Beschilderung auf dem Kahn is ja unmöglich, nichts findet man, und die Angestellten sollten auch endlich lernen, wo hier was auf den Schiff is, dann könnte man den Weg auch finden. Die Wegbeschreibung war unter aller Kritik, Deine Leute Käpten sollten mal unbedingt lernen, sich am Kahn zu Recht zu finden. Dolles Ambiente auf dem Ruderboot, aber keine Moneten für anständige Beschilderung.“ Der Kapitän nahm den Hörer und nutzte die Atempause des Prolls, um zu sagen: „Die Beschilderung ist hervorragend, sogar in Bilderschrift, damit auch Analphabeten sich zurecht finden. Zusätzlich finden Sie in den Gängen immer wieder auch unten in den Schottgängen Lageplantafeln. Die sollten Sie vielleicht mal sich an-sehen und sich daran orientieren!“ „Was? und was ist mit dem Vollidiot von Führer, der einfach nicht auf mich gewartet hat? Das war doch wohl das letzte!“, wütete Mr. Proll munter weiter. Kapitän Claus versuchte seine Wut zu bezähmen. „Es langt, mäßigen sie ihre Sprache. Wenn Sie sich von der Gruppe entfernen, können Sie nicht erwarten, dass alle mehr als 5 Minuten auf sie warten müssen. Danke für Ihr Lob an die Besatzung des Schiffes.“, kam der vor Ironie triefende letzte Satz, bevor der Kapitän auflegte.

Im Logbuch stand weiter unter „sonstige Bemerkun-gen“: <Passagier Drang entfernte sich von der Gruppe und verirrte sich mehrmals auf dem Rückweg zur Halle im Schiff, obwohl die Angestellten ihm immer wieder den Weg zum Fahrstuhl erklärten. Der Irrweg dauerte über 2 Stunden.>

Erleichtert grinsend gingen die Männer zurück zu den Damen, die beiden Gesellschaften lösten sich nun wieder in die Paare auf. Vor dem Abendessen wollten alle noch eine Siesta halten. Janina und Johannes genossen es sich ohne Angst vor den ewigen Störanrufen lieben zu können. Ein leidenschaftliches Liebespiel krönte ihre Siesta, bevor sie dann gemeinsam duschten und sich für das Dinner zu Recht machten. Wie würde wohl dieser Abend verlaufen? Zwischen Vorspeise und Hauptgang bestimmte mal wieder Mr. Proll das Thema am Tisch. Man sprach gerade allgemein über Umweltschutz, als Proll mit der Frage: „Sach mal, Käpten, wie werden denn hier auf’m Kahn die Toiletten gespült? Mit Salz- oder Trinkwasser?“ Die Gäste am Tisch wirkten etwas irritiert, so eine Frage hatte man nun nicht beim Essen erwartet. Kapitän Claus, der diese Stimmung spürte, meinte um der Peinlichkeit die Spitze zu nehmen: „ Ich habe es noch nicht probiert.“

Wenn Proll, oder auch Harry Drang die Unterlagen über das Schiff sich genau durchläse, fände er den Hinweis, dass jeden Tag das Brauchwasser destilliert würde, um für die Toillettenspülungen eingesetzt zu werden.

Nach dem Dinner gingen die Gäste am Kapitänstisch in die Bar. Pete Lewinson, Randolf Newing, Johannes und Andrew gaben heute ihr erstes „unplagged“ Konzert dort. Der Starpianist Pete Lewinson und Johannes sowie der Bassist Randolf und Andrew zogen sich um und erschienen alle in schwarzer Kleidung auf der Bühne. Als alle bis auf Pete ihren Platz eingenommen hatten, schritt dieser betont lässig auf den Flügel zu und stellte sich mit den Worten vor:“ Welcome on Bord of the Queen Esmeralda, i present you…….“ Auf sich zeigend: „Me!“ Applaus von einem amüsierten Lachen begleitet brandete auf. Es folgte nun eine Stunde, die einen bunten Querschnitt durch Jazz, Soul und Blues bot. Am Schluss gab es für das Konzert, bei dem sich alle Mitglieder der neuen Band mit einem kleinen Solo vorstellten, „standing ovations“. Als Zu-gabe verkündete Pete Lewinson: „As anchor i will present you a song of Cab Calloway. I would have invited him, but Cab is dead since 30 years, so he can’t be so kind and sing for us today!” Ein Lachen ging durch das Publikum, bevor Pete mit der Zugabe beginnen konnte. Janina genoss es, Johannes mal wieder in einer Band spielen zu sehen. Durch seine unregelmäßigen Arbeitszeiten kam er viel zu selten dazu, sein Können zusammen mit guten Musikern zeigen zu können.

Impressum

Texte: Cover-Layout Catarina Monti
Tag der Veröffentlichung: 04.02.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /