Prolog
Die Weller liefen rauschend am Strand aus. Das Kreischen der Möwen erfüllte die Luft. Eine salzige Brise vom Meer strich über die Dünengräser und brachte auch den Geruch von verrottenden Tang mit sich. Zerbrochene Holzspanten und andere Überreste wippten auf den Schaumkronen und lagen weiträumig verteilt. Langsam stieg die Sonne weiter über den Horizont und beleuchtete die Szenerie.
Eine vorwitzige Möwe landete in der Nähe eines größeren Haufens Unrat. Eine bleiche kleine Hand lag leblos dort. Neugierig kam die Möwe näher und begutachtete alles näher. Plötzlich bewegte sich etwas. Aufkreischend schwang sich die Möwe in die Luft empor um von dort aus alles zu beobachten.
Nur langsam kam die kleine Person, die nach dem Sturm an Land gespült worden war zu sich.
Wirres halblanges braunes Haar, das teilweise durch Blut verklebt , um ein zartes herzförmiges Gesicht floss, welches von Schrammen und Schnittwunden entstellt war. Die braunen Augen des Mädchens klärten sich und aufmerksam betrachtete es seine Umgebung.
Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, blieb sie noch einige Zeit sitzen und nahm jegliche Information auf, die die Umgebung ihr lieferte.
,,Anna-Marie Johnson, in was für einer Scheiße bist du nun schon wieder gelandet.“, fragte sie sich. Ihre Stimme hörte sich selbst für sich sie ungewohnt an. Vorsichtig kämpfte sich Anna aus einem Teil der Überreste ihres Segelbootes und stand langsam auf. Stöhnend wegen der Schmerzen welche Prellungen, Schürfwunden und andere leichte Blessuren ihr verursachten, ging sie die ersten Schritte.
Inzwischen war die Sonne schon ein gutes Stück höher gestiegen und erwärmte die Luft zügig. Einerseits begrüßte das Mädchen die Wärme, andererseits war dies sicherlich nicht die Nordsee vor Husum wo sie ihren ersten Segeltörn zu ihrem 21.Geburtstag allein absolvierte, bevor unerwartet dieser gruselige Sturm über Anna hereingebrochen war. Schauer liefen ihr den Rücken herab, als Bilder der schwarzen bedrohlichen Wolken und riesigen Blitze, die die Wasseroberfläche des Meeres zu berühren schienen, durch ihren Geist zuckten. Den Kopf schüttelnd, suchte die junge Frau den Strand nach bekannten Landmarken oder etwas Ähnlichem ab. Aber da war nichts. Nichts was ihr bekannt vorkam, nichts was auf Zivilisation schließen lies.
„OK. Du steckst tief in der Scheiße. Hast keine Ahnung wo du bist, geschweige denn wo du Hilfe herbekommst und was machst du jetzt?“ Sinnlose Frage, sie setzte sich in den Stand und heulte Rotz und Wasser. Einige der Riesigen Vögel schwebten über ihr in der Luft und schienen sich schier auszuschütten vor Lachen.
Langsam hatte Anna sich erholt, steif erhob sie sich auf ihre Beine und begann die Reste dessen was das Meer hergab auf Verwertbares und Nützliches zu durchsuchen. Zusammen kam ein kleines Bündel. Feuerzeug, Taschenmesser, ein verwendbare Kleidungsstücke, eine Wasserflasche und einige Tüten mit Nahrungsmitteln ala` Bundeswehr, von denen ihr Vater immer so begeistert gewesen war. Alles verpackte Anna in ein größeren Fetzen Segeltuch den sie gefunden hatte. Aufstöhnend schulterte sie den Packen und machte sich auf den Weg Richtung Süden um dort, wie sie hoffte auf Menschen zu stoßen, die ihr helfen würden.
Kapitel 1
Zwei Tage- zwei verdammte Tage ging sie jetzt schon diese dämliche Küste entlang und suchte nach anderen Menschen. Nichts- absolut nichts. Langsam aber sicher verstärkte sich der Zweifel in Anna ob sie immer noch in ihrer eigenen Welt war.
Die Dünen waren langsam zurückgewichen und machten zuerst Sträuchern und langsam immer mehr auch Bäumen Platz. Keine Straßen, Häuser, Telefonmasten oder ähnliches mit denen die Menschen die Landschat zu zukleistern pflegte.
Die Sonne schien von einem azurblauen Himmel herab und es herrschte eine angenehme Wärme. Anna entschloss sich die Küste zu verlassen und ihr Glück weiter innen im Land zu suchen. Unter anderem aus dem einfachen Grund, dass ihre Flasche leer war und sie dringend Trinkwasser benötigte um ihren quälend werdenden Durst zu stillen und um die Reste von Meersalz von Kleidung und Körper zu waschen.
Die wenigen Bäume und Sträucher wurden rasch mehr, so dass sie schon bald durch einen dichter werdenden Wald lief. Drei oder vier Stunden waren vergangen und wenigstens einmal hatte die junge Frau Glück. Ein kleiner klarer Bachlauf plätscherte fröhlich vor sich hin. An einer bequemen Stelle lies sie sich nieder und trank hastig. Ein Lagerplatz in der Nähe war auch rasch gefunden und vorbereitet. Trocknes Holz für ein kleines Feuer gab es auch in Hülle und Fülle. Zurück am Bach zog sich Anna bis auf die Unterwäsche aus, um die gesamte Kleidung und nach Möglichkeit sich selbst zu waschen. Nichts ahnend ging sie ins Wasser. Als die Klamotten gewaschen und über die angrenzenden Büsche zum trocknen aufgehängt waren, ging sie zurück ins Wasser und begann vorsichtig sich selbst zu baden. Dreck, Schweiß und vertrocknete Reste von Blut gingen ab. Auch der Schorf der Wunden ging teilweise ab, hinterließ allerdings rosig vernarbte Haut.
Plötzlich wurden die Tiere des Waldes , die bisher eine angenehme Geräuschkulisse im Hintergrund stumm. Leise erhob sich Anne aus dem Wasser und ging langsam zu ihren Sachen.
Anna spitzte ihre Ohren, aus der Ferne war ein Krachen und Splittern zu hören. Irgendetwas Großes bahnte sich dort mit Gewalt seinen Weg in ihre Richtung. Plötzlich sprang ein großer Hund aus einem nahen Gebüsch, auf dem ein Teil ihrer Kleidung immer noch verteilt war. Knurrend und schlitternd kam das Tier zum stehen. Gelbe Augen- welche viel zu intelligent wirkten, bohrten sich in Braune. Einige Momente herrschte spannungsgeladenes Schweigen. Tier und Menschenkind- keiner wagte sich zu rühren. Ein Stück weiter weg- aber schon bedrohlich nah brach sich das unbekannte große etwas immer noch laut lärmend seinen Weg durch das Unterholz. Ein Zittern überlief das dunkelgraue Fell des Hundes- Anna korrigierte diese Einschätzung- Wolfes, und nach einem langen letzten Blick, wandte sich diese ab, sprang in den Bach und verschwand in das Gehölz auf der Gegenüber liegenden Seite.
Immer noch völlig perplex starrte Anna dem Wolf hinterher, als ein Pferd samt Reiter durch das Gebüsch wälzte. Aufschreiend sprang, sie zurück, während der Reiter( yepp, eindeutig männlich) wütend am Zaumzeug seines Reittieres riss und es so endgültig vor dem bibbernden Mädchen zum Stehen brachte. Unruhig stampfend blieb es an Ort und Stelle.
Das eben noch wütende Knurren des Reiters, verwandelte sich rasch in einen bewundernden Pfiff. Man(n) hat schließlich nicht alle Tage, dass er mitten im Wald über ein halbnacktes (immer noch schließlich nur in Unterwäsche) Mädchen stolpert/reitet/ (wie auch immer), dass dazu noch recht hübsch, wenn auch arg mitgenommen, und geradezu verboten allein war.
Anna schaute mit großen Augen, zu dem Reiter hinauf. Verdammt, warum muss der ausgerechnet jetzt auftauchen. Hätte das nicht ´ne Stunde später passieren können. Langsam trat sie einen Schritt zurück und schnappte sich vom nächstliegenden Busch ein paar feuchte Klamotten. Mit diesen in der Hand wollte sie sich verkrümeln als ein harsch gesprochenes Wort sie erstarren lies. Oh du meine Güte, der Reiter stieg mit interessierten Gesichtsausdruck vom Pferd und lies die Zügel einfach fallen. Du meine Güte war der Kerl groß! Na gut. Anna war nur 1,60 m aber der Mann da vor ihr war mindestens 1,80m, mit den breiten Schultern, schmalen Hüften und jeder Faden seiner Kleidung umschmiegte geradezu wohlproportionierte Muskeln, dass einem schon ganz anders werden kann. Strahlend blaue Augen, hellbraune Haare, ein sinnlicher Mund der zum Küssen einlud. Der junge Mann blieb vor Anna stehen und schien auf etwas zu warten. Ihre Blicke wanderten über seinen Körper um rasch wieder in sein Gesicht zurückzukehren. ,,Halleluja“, warum konnte so was nicht bei ihr zu Hause rumlaufen. Anna konnte nicht anders und starrte weiter, während sie langsam aber sicher eine kirschrote Färbung annahm.
Gut so kleidsam Markus auch die Röte seines Gegenübers fand, konnte sie nicht sprechen oder war sie einfach nur dumm? ,, Was tust du hier?“ Verwirrt schaute sie zu ihm auf und antwortete nicht. Hübsch, aber anscheinend dumm. Genervt strich er sich eine störrische Strähne hinter sein Ohr und gewährte Anna einen interessanten Ausblick auf eine Tätowierung und ein spitzes Ohr.
Moment….der Typ hatte spitze Ohren! ,, Bist du ein Elf?“, fragend zog Anna eine Augenbraue hoch. „ Ich fass es nicht, da lande ich hier und die erste Person, der ich begegne ist kein hinreißender Mensch, sondern ein Elf. Scheiße!“ Man merke an, Anna neigt in ungewöhnlichen Situationen dazu, die Realität auszublenden und völlig anders zu reagieren, als man erwarten würde. In diesem Moment stehen beide sich gegenüber und haben keine Ahnung was der andere brabbelt, sie immer noch halbnackt und er sie für blöd haltend.
Um diese Meinung noch zu unterstützen, trat Sie auf ihn zu, streckte einen Arm aus und berührte mit den Fingern seine Ohren, fasziniert zog sie an dem nach oben spitz zulaufenden Ende.
„ Autsch, verdammt was soll das. Lass die Finger von meinen Ohren.“ Leicht irritiert schlug Markus die Hand von diesem impertinenten Mädchen weg und versuchte sie nieder zu starren.Was für schöne Augen, gebannt starrte sie zu ihm hoch. Links von ihr ertönte ein Rascheln. Irritiert wandte Anna ihren Kopf zum Ursprung des Geräuschs.
Das Pferd das bisher halb vergessen ruhig hinter ihm gestanden hatte, warf unruhig den Kopf auf und wieherte schallend. Ruckartig wandte Markus den Kopf ab, sah aber aus den Augenwinkeln noch wie das fremde Mädchen vor ihm sich etwas abwandte um intensiv auf ein Gebüsch links von ihr zu schauen. Mit beruhigenden Worten ging er zu Reos und tätschelte ihm den Hals.
Anna versuchte durch die Blätter einen Blick auf das zu erhaschen was da eben das Geräusch verursacht hatte. Gelbe, intelligent blickende Augen erwiderten ihren Blick.
Schlagartig wurde sie bleich und ging vorsichtig zwei Schritte zurück. Sie warf einen kurzen Blick zu dem Elf der momentan mit seinem Pferd beschäftig war, bevor ihr Blick zu der Gefahr vor ihr zurückkehrte. Schritt für Schritt wich sie weiter weg und in Richtung ihrer Klamotten. Zügig zog sie sich an und streifte ihre mitgenommenen Turnschuhe über. Der Elf hatte mittlerweile seinen Gaul beruhig und wandte sich ihr zu. Mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue und einem bedauernden Blick sah er zu Anna hinüber. Das der Wolf den er vorher gejagt hatte nunmehr direkt neben ihm im Gebüsch hockte hatte er noch nicht mitbekommen. Sie behielt Wolf und Mann im Auge, während sie unauffällig nach einer Waffe suchte. Das Tier hatte sich mittlerweile von ihr ab und ihrem gegenüber zugewandt. Er machte sich sprungbereit und brach aus dem Unterholz hervor.
Reos stieg neben ihm panisch und wieherte schrill. Schmerzhaft wurden die Zügel aus Markus Hand gerissen. Er stolperte zurück und verlor das Gleichgewicht im nächsten Moment sah er ein graues Schemen auf sich zufliegen. Abwehrend hob er die Arme um Gesicht und Kehle zu schützen. Da prallte der Wolf auf ihn und riss ihn endgültig um. Erschrockene Rufe erklangen während er ächzend versuchte das riesige Tier abzuwehren.
Immer wieder biss der Rüde zu während der Mann den Arm hob und boxte, zuschlug und mit dem zweiten Arm Kehle und Gesicht schützte. Erschrocken sah Anna auf das Bild vor sich und riss einfach aus dem nächsten Gebüsch einen etwas größeren Ast um damit auf das Tier loszugehen. Ruckartig löste sich dieser und sie fiel auf den Allerwertesten, ängstlich blickte sie zu den Kämpfenden hinüber und stand dann entschlossen auf. Mit wenigen Schritten war sie in Reichweite und schlug ungezielt zu, in der Hoffnung das Tier zu treffen und so dem Elfen zu helfen. Leider war der Wolf schneller, er sprang von seinem Opfer zurück und der Ast sauste harmlos an ihm vorbei und schlug krachend auf den Arm seines Opfers.
Markus brüllte laut auf als der Stock auf seinen Arm traf und sengender Schmerz ihn durchschoss. Schnell rappelte er sich auf und versuchte auf die Beine zu kommen, obwohl der Wolf in diesem Moment hätte angreifen können, wartete dieser ab und schlich vor der jungen Frau auf und ab. Abwartend beobachtete er sie und wartete auf ihren nächsten Zug.
Schützend stellte Anna sich vor dem Elfen und hielt den lächerlichen Ast hoch ,mit dem sie ihm eben eine verplättet hatte. Schwankend stand er hinter ihr und überlegte ob er ihr nicht einfach den Hals umdrehen sollte, sobald der Wolf aus dem Weg geräumt war. Mal sehen. Die Augen des Tieres waren auf den neuen Gegner fixiert und er hob witternd die Nase. Plötzlich lief ein Schauer über sein Fell und er zog sich irritiert ein paar Schritte zurück. Der Blick verharrte unverwandt auf Anna, beide starrten intensiv auf den anderen. Erschrocken stellte sie fest dass sich Farbe und Form der Augen zu verändern begannen. Über dem Fell des Tieres erschien ein farbenfroher bunter Schimmer. Der Mann hinter ihr zog mit einem Keuchen scharf die Luft ein. Gebannt starrte die junge Frau auf das Bild welches sich ihren ungläubigen Augen bot. Anstelle des Wolfes stand nun ein bemerkenswert hübscher Kerl vor ihr (sehr, sehr nackt und offensichtlich erfreut sie kennen zu lernen). Langsam ging dieser nun auf sie zu.
Ohne sich zu rühren, blieb Anna einfach auf ihrem Platz während das Prachtexemplar von Werwolf (?) weiter auf sie zuging. Ein leichtes Lächeln verzog die sinnlichen Lippen und ließ ihn etwas jungenhaft erscheinen. Verzückt sah sie auf ihn, hinter ihr ertönte ein ersticktes Geräusch. Den Kopf schüttelnd wandte Anna den Kopf zurück zu dem Elfen. Dieser sah irgendwie kotzgrün im Gesicht aus und wich jetzt Schritt für Schritt zurück. Eine zarte Berührung am Kinn ließ sie den Kopf wieder zu dem Mann vor ihr wenden. Ein goldener Blick bohrte sich in ihren während sich sein Kopf sich ihr zuneigte. Wie hypnotisiert ließ sie den zarten Kuss über sich ergehen und stand stocksteif da.
Ok, irgendwas war definitiv nicht in Ordnung. Erstens ein Kauderwelsch sprechender Elf und jetzt knutscht sie ein überaus schnuckeliger nackter Wolf/Kerl - was auch immer! Keuchend machte sich Anna los und trat zwei Schritte beiseite. Plötzlich zogen sich graue Schlieren über ihr Gesichtsfeld und dröhnende Schmerzen ließen sie zusammenbrechen.
Sanft fing Vaskis das Mädchen auf, immer noch hatte er dieses sanfte Lächeln im Gesicht. Die letzten Worte die Anna für lange Zeit wahrnehmen sollte waren seine.
„Willkommen in Bevon, Erwählte. Möge die Zukunft zeigen welchen Weg du unserer Welt bringst. Sowohl Hoffnung als auch Verderben liegen vor dir.“
Tag der Veröffentlichung: 22.10.2010
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