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Überfall auf das Drachenschiff

von Alfred Bekker

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 118 Taschenbuchseiten.

 

Helge Helgeson, der alte Jarl von Haithabu ist tot! Die ganze Siedlung an der Schlei ist damit beschäftigt, ihrem verstorbenen Anführer ein würdiges Geleit ins Reich der Toten zu verschaffen. Allen voran Wulfhir Erikson, der Helge Helgesons Nachfolger im Amt des Jarl werden soll. Erikson ist als Schiffsbauer verantwortlich für den Bau des Totenschiffs, in dem Helge nach Sitte vornehmer Wikinger bestattet werden soll. Doch in der Nacht vor der geplanten Beerdigung verschwindet das Schiff! Und mit ihm der Schatz, der den Toten auf seiner Reise begleiten sollte. Wer wagt solchen Frevel?

 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

Die gedruckte Originalausgabe erschien im dtv Verlag.

Diese E-Book Ausgabe enthält nicht die Illustrationenen des Originals.

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

 

 

 

Kapitel 1: In Seenot

Die Wolken hatten sich zu dunkelgrauen Gebirgen aufgetürmt. Ein eisiger Wind peitschte das Meer auf.

Die DRACHENWIND segelte hart am Wind und pflügte durch die immer höher werdenden Wellen. Die Ruder waren längst eingezogen worden, damit sie nicht brachen. Immer wieder spritzte Gischt über die Reling in das Drachenschiff.

Vorne im Bug, der Spitze des Schiffes - direkt unter dem hölzernen Drachenkopf, kauerte ein zwölfjähriger Junge.

Ebenso wie alle anderen an Bord war er vollkommen durchnässt. Das lange, blonde Haar klebte ihm im Gesicht. So gut es ging, hielt er sich fest. Die Planken des Schiffes waren durch das viele Wasser rutschig geworden und es war kaum noch möglich, sich auf den Beinen zu halten.

Umso mehr bewunderte er Arne Arnesson, den Steuermann. Mit eisernem Willen hielt der den Ruderbalken des Steuers, das hinten rechts am Schiff angebracht war.

Die meisten anderen Männer kauerten ebenso wie Gunnar am Boden, denn jeder von ihnen wusste: Wer über Bord ging, für den gab es keine Rettung mehr.

Thufir, der Kapitän, befahl einem zweiten Mann, sich zum Heck zu begeben, um dem Steuermann zu helfen, denn es war abzusehen, wann der es allein nicht mehr schaffen würde, das Drachenschiff auf Kurs zu halten.

Thufir selbst stand breitbeinig in der Nähe des Mastes und blickte hinauf. Die kleine Fahne an der Mastspitze, die eigentlich die Windrichtung anzeigte, war vom immer heftiger werdenden Wind längst zerschlissen. Nur noch ein Fetzen war übrig.

Glücklicherweise hatte Thufir gleich, als der Sturm heraufzog, den Befehl gegeben, das Segel zu reffen. Die Fläche, gegen die der Wind dann drücken konnte, wurde dadurch kleiner und so konnte das Schiff nicht so leicht kentern, wenn eine heftige Böe kam.

Zu allem Überfluss setzte jetzt auch noch Regen ein. Es blitzte und donnerte. Ein Geräusch, das die sonst so furchtlosen Wikinger zusammenzucken ließ.

„Die Götter mögen wissen, ob wir je nach Haithabu gelangen!“, brummte ein älterer Mann mit grauen, verfilzten Haaren und einem struppigen Bart neben Gunnar.

„Der Donnergott Thor schwingt seinen Hammer und wir sind genau unter ihm, Junge!“ Gerade noch in Sichtweite war ein zweites Drachenschiff, die GÖTTERWIND, durch die Regenwand auszumachen.

Beide Schiffe waren vor ein paar Tagen aus einem Ort aufgebrochen, der Holmgard hieß, aber auch unter dem Namen Nowgorod bekannt war. Gunnars Vater Lars war dort ein angesehener Mann, der durch den Pelzhandel reich geworden war. „Rus“ nannte man die Wikinger, die in dem fernen Land im Osten siedelten. Dieser Name bedeutete „Ruderer“. Das Land, in dem sie herrschten und Handel trieben, wurde deswegen auch häufig Russland genannt. Von Holmgard aus waren die Wikinger über die großen Flüsse im Landesinneren bis zum schwarzen Meer und darüber hinaus gelangt. Die Pelze aus Holmgard gelangten bis nach Konstantinopel und Bagdad.

Aber auch nach Westen wurden sie verschifft. In Haithabu, dem größten Wikingerhafen überhaupt, gelangten sie auf den Markt. Händler aus aller Herren Länder kamen hier her, um sie zu kaufen.

Die DRACHENWIND und die GÖTTERWIND waren beide bis unters Deck mit wertvollen Pelzen beladen, die in den dichten Wäldern nördlich von Holmgard erjagt wurden. Aber ob diese Pelze jemals den Markt von Haithabu erreichen würden, war sehr fraglich. Die beiden Segler wären nicht die ersten Drachenschiffe gewesen, die mitsamt ihrer Fracht auf dem Grund der Ostsee ihre letzte Ruhe fanden.

Für Gunnar war es seine erste längere Schiffsreise. Dass die Fahrt von Holmgard nach Haithabu nicht ungefährlich war, hatte Gunnar natürlich gewusst. Dabei gab es abgesehen von Wind und Wetter auch noch andere Gefahren. So kreuzten immer wieder Piraten die bekannten Seewege. Wikingerkapitäne, die es lohnender fanden, anderen die Waren wegzunehmen, anstatt selbst Handel zu treiben.

Eine riesige Welle schwappte von vorn in das Schiff. Bis auf die Haut drang das eiskalte Salzwasser. Im ersten Moment konnte Gunnar nicht einmal atmen. Er spürte, wie sich das Schiff unter ihm hob und musste mit ansehen, wie einer der Männer den Halt verlor und auf dem Rücken über die Planken rutschte. Als sich die GÖTTERWIND vorn wieder senkte, landete er neben Gunnar im Bug des Schiffes. Erst jetzt erkannte Gunnar, dass es Hrolf Haakanson, der Lademeister, war. Er arbeitete wie die gesamte Mannschaft für Wulfhir Erikson aus Haithabu – den Mann, dem die DRACHENWIND gehörte und in dessen Auftrag sie nach Holmgard gefahren war.

Der kräftige, bärtige Mann schüttelte sich wie ein nasser Hund und sah Gunnar dann mit stechendem Blick an. „Bei Thors abgewetztem Hammer! Du hättest du dir auch nicht träumen lassen, dass deine erste Fahrt über das Meer so wild wird, was?“

Er musste brüllen, damit Gunnar ihn verstand.

Gunnars Vater hatte Hrolf Haakanson gebeten, während der Überfahrt auf seinen Sohn aufzupassen und dafür zu sorgen, dass er sicher bei Wulfhir Erikson ankam. Wulfhir war einer der reichsten Männer in Haithabu und gehörte zu den besten Schiffsbauern weit und breit. Bei ihm sollte Gunnar in die Lehre gehen, um die Kunst des Schiffsbaus zu lernen.

„Was haben wir Thor nur getan, dass er uns so straft!“, stöhnte der Alte neben Gunnar. Er sah den Jungen an. „Ich bin schon bis Grönland gesegelt – aber so einen Sturm habe ich noch nicht erlebt!“

Gunnar zitterte vor Kälte.

Das Geräusch von berstendem Holz ließ ihn zusammenzucken. Es übertönte jetzt alles andere. Der Mast brach und eine Welle spülte soviel Wasser ins Innere des Schiffes, das mit starker Schlagseite in den Wellen dahindümpelte.

Der Bug mit dem Drachenkopf tauchte anschließend in die nächste Welle hinein, die Gunnar vollkommen überspülte. Er konnte sich nicht mehr halten, wurde fortgerissen und spürte nur noch, wie er jeglichen Halt verlor. Für mehrere Augenblicke konnte er weder etwas sehen noch hören. Das Wasser trug ihn erst empor und drückte ihn dann nieder. Er tauchte in die eiskalte Tiefe. Als er wieder an die Oberfläche kam, rang er nach Atem. Er versuchte zu schwimmen und sah sich nach der DRACHENWIND um. Rufe drangen an sein Ohr. Als eine Welle ihn hoch empor trug, konnte er das Drachenschiff sehen. Er erkannte gerade noch die Steuerbordseite, die noch ein Stück aus dem Wasser ragte. Das Steuer stach in die Luft. Vom Segel trieb ein Fetzen an der Oberfläche. Kisten und Fässer, die zur Ladung gehörten, trieben ebenfalls noch in der Umgebung. Wenige Augenblicke später war von der DRACHENWIND nichts mehr zu sehen.

Gunnar wurde in ein Wellental gerissen. Er tauchte unter, ruderte mit den Armen, um wieder an die Oberfläche zu gelangen.

Immer wieder sorgten große Wellen dafür, dass er untergetaucht wurde. Wenn er dann wieder auftauchte, schnappte er nach Luft.

Er sah sich um, suchte nach Resten des Schiffes, seiner Ladung und seiner Besatzung.

Die Götterwind – das Schiff, das zur selben Zeit wie die die Drachenwind aus Holmgard abgefahren war – war für einen kurzen Moment zu sehen, ehe es erneut hinter den Wellenbergen versank. Gunnar schrie, so laut er konnte. Aber es war mehr als unwahrscheinlich, dass man ihn auf der GÖTTERWIND überhaupt hörte.

Hatte das zweite Drachenschiff nicht zu wenden versucht? Oder war das eine Täuschung und der Steuermann hatte lediglich die Kontrolle über das Schiff verloren und die Spitze in höchster Not in den Wind gelenkt?

Gunnar hatte in Holmgard an den Ufern eines nahen Flusses das Schwimmen gelernt, was sich jetzt bezahlt machte. Wie oft hatte er darüber geflucht. Schließlich träumte er davon, über und nicht durch das Wasser zu reisen. Aber sein Vater hatte nicht locker gelassen. „Nur wenige Seeleute können schwimmen – aber du solltest einer von ihnen sein, mein Sohn!“, hatte er die Worte seines Vaters noch in den Ohren. „Schließlich kann auch das beste Schiff kentern, denn eins darfst du nie vergessen: Der Wind und das Meer gehorchen den Göttern und sind stärker als alles, was wir mit unserer Hände Arbeit jemals zustande bringen werden!“

Daran musste Gunnar denken während er im kalten Wasser der Ostsee um sein Leben strampelte.

Wie lange werde ich mich über Wasser halten können?, fragte er sich. Irgendwann werden meine Arme erlahmen und ich kann wohl kaum hoffen, vorher die ferne Küste erreicht zu haben!

Die Zeit schien sich zu dehnen. Jeder Augenblick fühlte sich wie eine kleine Ewigkeit an. Seine Arme schmerzten bereits.

Nur ruhig bleiben!, versuchte er sich selbst einzureden. So wenig Bewegungen wie möglich machen und doch über Wasser bleiben – so hatte sein Vater ihm gesagt, sollte man sich verhalten, wenn man über Bord gegangen oder das eigene Schiff gekentert war.

Mit einer kleineren Barkasse war Gunnar auf dem großen See bei Holmgard zusammen mit ein paar anderen Jungen seines Alters gesegelt und so war ihm alles, was damit zusammenhing, in Fleisch und Blut übergegangen. Aber gekentert waren sie nie, auch wenn sie manchmal dicht davor gewesen waren.

Wie automatisch bewegte er die Arme und Beine und versuchte dabei so viel Kraft wie möglich zu sparen. Das war alles, was ihm im Moment übrig blieb. Immer wieder trugen ihn die Wellen hoch empor, nur um ihn Augenblicke später in ein tiefes Wellental stürzen zu lassen.

Über den Kamm eines dieser Wellenberge schwappte ein Fass. Gunnar sah sofort, dass es sich um eines der Süßwasserfässer handeln, die sich an Deck der DRACHENWIND befunden hatten. Da sich Salzwasser nicht trinken ließ, musste auf jeder Seereise Süßwasser in Fässern mitgenommen werden. Wenn eine Fahrt länger als nur ein paar Tage dauerte, nahm man dazu allerdings ausschließlich Met, wie die Wikinger ihr Bier nannten. Der Alkohol verhinderte, dass der Getränkevorrat verdarb und sich Algen bildeten. Allerdings hatte Wulfhir Erikson immer darauf bestanden, dass auf Schiffen, die ihm gehörten, bei Überfahrten von nur wenigen Tagen ausschließlich Wasser an Bord mitgenommen wurde, da er ansonsten befürchtete, dass die Mannschaft sich betrank.

Das auf dem Wasser schwimmende Fass musste bereits geleert worden sein, sonst wäre es untergegangen. Gunnar nahm seine letzten Kräfte zusammen. Wenn er dieses Fass erreichen konnte, war das vielleicht seine Rettung. Zumindest vorerst. Er konnte sich daran festhalten und anschließend darauf hoffte, dass er vielleicht irgendwann an Land getrieben wurde, wo er sich dann weiter durchschlagen musste.

Er nahm also alle seine Kräfte zusammen und schwamm auf das Fass zu. Zwischenzeitlich verschwand es hinter einem der Wellenberge und er glaubte schon, es nicht mehr erreichen zu können. Doch dann trug ihn eine Welle hoch empor und brachte ihn seinem Ziel ein ganzes Stück näher.

Er bemerkte einen, der sich dicht bei dem Fass in die Höhe streckte.

Offenbar hatte sich schon jemand an dieses Fass geklammert.

Eine Stimme drang durch das Tosen des Meeres zu ihm herüber.

Sie rief seinen Namen.

„Gunnar! Hier her!“

Hrolf Haakanson! Gunnar glaubte seine Stimme zu erkennen. Der Ruf des Lademeisters spornte ihn dazu an, auch noch die allerletzten Kraftreserven zu mobilisieren. Seine Arme spürte er schon gar nicht mehr. Er zitterte vor Kälte. Die Zähne klapperten.

Endlich erreichte er das Fass.

„Festhalten!“, brüllte Hrolf Haakanson. Er löste seinen Gürtel, schlang das Ende um Gunnars rechtes Handgelenk und zog eine Schlaufe.

„Sonst gehst du mir noch verloren!“ Hrolf versuchte zu lächeln, obwohl auch seine Lippen blau gefroren waren. „Ich habe deinem Vater schließlich das Versprechen gegeben, dich wohlbehalten bei Wulfhir Erikson abzuliefern, damit du deine Lehre beginnen kannst!“

Weiter kam er nicht, denn eine Welle überspülte sie beide. Als Gunnar wieder emportauchte, sah er plötzlich den Mast und das Segel der GÖTTERWIND mit den zwei gekreuzten Hämmern auftauchen.

Hämmer!

Thor sei Dank! Sie waren gerettet!

Das Drachenschiff kaum auf sie zu. Der Steuermann wendete in den Wind und verlangsamte so die Fahrt. Ein Seil wurde geworfen.

Hrolf Haakanson fing es auf. Er schlang es Gunnar um den Brustkorb.

Gunnar hörte die Rufe der Männer an Bord, die damit beschäftigt waren, die beiden Schiffbrüchigen näher zu sich heranzuziehen. Eine kleine Ewigkeit verging, ehe er und Hrolf an Bord gehievt wurden.



Eine ganze Weile lagen sie neben einem festgezurrten Stapel mit Fellen und anderer Ware. Gunnar schloss die Augen und rang nach Atem. Hrolf erging es nicht anders.

„Sieht so aus, als könnte ich das Versprechen gegenüber deinem Vater doch noch einlösen!“, meinte er.

Gunnar war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Er nickte nur. Das Unwetter tobte noch immer und Gunnar fühlte, wie sich das Schiff unter ihm durch die Wellen hob und anschließend wieder die Tiefe sank. Eine Welle brach über ihm zusammen und er krallte sich an der Reling fest. Hrolf Hakanson erging es nicht besser. Er schüttelte sich. Ein Mann, dessen rechtes Auge von einer Filzklappe bedeckt wurde, warf Gunnar und Hrolf kleine Wasserkübel aus Holz zu. „Schöpft um euer Leben!“, rief er und fing selbst ebenfalls an, Wasser aus dem Schiff herauszuschöpfen. „Ihr könnt von Glück sagen, dass wir euch gefunden haben!“, wandte er sich schließlich noch einmal an Hrolf und Gunnar, als die GÖTTERWIND erneut gewendet hatte. Jetzt bekam sie die Wellen von vorn und nicht mehr seitlich, wodurch weniger Wasser ins Innere spritzte. „Von der DRACHENWIND hat sonst wohl niemand überlebt! Ihr seid die Einzigen!“

Hrolf deutete zum Segel. „Das liegt vielleicht an dem Zeichen in dem ihr segelt“

Der Einäugige strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht und grinste.

„Ganz bestimmt sogar!“, lachte er. Er sah Gunnar an und zwinkerte ihm aufmunternd zu. „He, sei froh, dass du lebst! Und eins verspreche ich dir: Dieses Schiff wird nicht kentern!“

Gunnar hatte inzwischen seine Sprache wiedergefunden.

„Wie kannst du da so sicher sein?“, fragte er.

Der Einäugige lachte rau. „Weil Thor niemanden rettet, um ihn dann doch noch ins Verderben zu stürzen!“

„Dann sind wir eure Glücksbringer!“, rief Gunnar.

„Genau!“, nickte der Einäugige.

Nachdem er zum Heck des Schiffes zurückgekehrt war, wo er offenbar seinen Platz hatte, wandte sich Gunnar an Hrolf. „Was hat es mit dem Zeichen auf dem Segel zu tun, dass die GÖTTERWIND nicht untergegangen ist?“

Hrolf schüttelte sich das Salzwasser aus den Haaren und lächelte. „Weil es unter dem Zeichen Thors segelt – und offenbar hat das den Donnergott besänftigt. Hör nur, es hat keinen weiteren Donner und auch keinerlei Blitze mehr gegeben!“

„Das stimmt! Aber warum die gekreuzten Hämmer? Thor besitzt dich nur einen Hammer!“

„Das stimmt.“

„In Holmgard habe ich immer wieder Schiffe mit diesem Zeichen anlegen sehen!“

„Dieses Schiff gehört Bjarni Bjarnison und das ist sein Symbol.“

„Wer ist Bjarni?“

„Ein reicher Wikinger aus Haithabu.“

„Ist er so reich und berühmt wie Wulfhir Erikson?“, fragte Gunnar.

„Fast. Jedenfalls besitzt er eine Reihe von Schiffen. Und er hat sich Thor als seinen Schutzgott auserwählt. Sowohl für sich persönlich als auch für seine gesamte Familie und alle Männer, die für ihn zur See fahren.“ Hrolf beugte sich zu Gunnar herüber und flüsterte ihm ins Ohr: „Aber er hat Angsthasen an Bord. Sieh dir den Kerl mit der Narbe im Gesicht an – uns schräg gegenüber!“

Gunnar zuckte mit den Schultern. „Woran siehst du, dass er ein Angsthase ist?“

„Weil er sich doppelt abgesichert hat. Ihm reichten die beiden Hämmer auf dem Segel noch nicht…“

Jetzt fiel auch Gunnar das Amulett auf, dass der Mann an einer Kette um den Hals trug.

Es war aus Elfenbein und vermutlich aus einem Stück Walrosszahn gefertigt worden. Die Gravur zeigte den Donnergott Thor, der seinen Hammer schwang. Im nächsten Moment spritzte allen, die sich im vorderen Teil des Schiffes befanden, die Gischt ins Gesicht. Der Mann mit dem Amulett hatte genauso viel Wasser abbekommen wie Gunnar und Hrolf.

„Sieh dir den begossenen Hund an!“

„Mach dich nur lustig, du Narr!“, rief der Mann mit dem Amulett, der offenbar Hrolf Haakansons Worte gut verstanden hatte. „Thor wird dich eines Tages deine Undankbarkeit büßen lassen!“



Die Stunden vergingen. Der Sturm ließ nur langsam nach und die Wellen schaukelten die GÖTTERWIND weiterhin ordentlich durch. Das wurde erst besser, als das Schiff die Einfahrt der Schlei erreichte. Auf dem weit ins Landesinnere reichenden Meeresarm gab es sehr viel mehr Schutz vor dem Wind.

Das Schiff bekam seitlichen Wind und so musste weder gekreuzt noch gerudert werden, bis man die Einfahrt zur Bucht von Haithabu erreichte. Das letzte Stück hatte man sogar den Wind im Rücken.

Gunnar sah die ersten Häuser und Hafenanlagen auftauchen. Stege ragten weit ins Wasser. An ihnen waren zahlreiche Schiffe fest vertäut. Eine große Menschenmenge bildete sich am Ufer. Die Rückkehr des Schiffes war schließlich lange erwartet worden. Das Segel wurde eingeholt.

Gunnar bekam von einem der Männer an Bord der GÖTTERWIND Tau in die Hand gedrückt. Er sprang auf den Steg und schlang es um einen Holzpflock.

Hrolf Haakanson stieg nun auch auf den Steg und nach wenigen Augenblicken herrschte dort ein richtiges Gedränge. Schließlich wollte die Besatzung so schnell wie möglich an Land.

Jemand stieß Gunnar grob zur Seite.

Es war der Mann mit dem Amulett. Er schien es sehr eilig zu haben, drängelte sich über den

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: (C) ALFRED BEKKER CASIOPEIAPRESS
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2015
ISBN: 978-3-7396-1783-1

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