von Alfred Bekker
Dieses E-Book enthält folgende Kriminalromane:
Der Killer, dein Freund und Helfer
Der Killer von Manhattan
Kriminalroman aus der Serie N.Y.D. - NEW YORK DETECTIVES
© by 1991 byAlfred Bekker
© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)
www.alfredbekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Der Killer sah aus wie 'dein Freund und Helfer'.
Er trug eine Polizeiuniform.
Von seinem Gesicht war kaum etwas zu erkennen, denn er trug eine dunkle Sonnenbrille und die Mütze war tief ins Gesicht gezogen. Ein eiskaltes Lächeln spielte um seine dünnen, blutleeren Lippen.
Er wartete.
Er wartete und hatte auch alle Zeit der Welt dazu. Er kannte die Gewohnheiten des Mannes, den er sich zum Opfer auserkoren hatte, gut genug, um zu wissen, dass dieser jeden Moment auftauchen konnte.
Und als dann der metallic-farbene Ferrari um die Ecke rauschte, löste er den Halteriemen seines Polizeiholsters.
Fast wie in diesen alten Western-Filmen, dachte der Killer.
Wenn sich die Kontrahenten zum Showdown bereitmachten.
Aber dieses würde kein Duell werden, sondern eine Hinrichtung.
Ja, dachte der Killer. Hinrichtung! Das ist das richtige Wort!
Der Ferrari parkte vor dem PARADISE, einem etwas heruntergekommenen Nachtclub, der sicher auch schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte.
Es war noch früh am Morgen - ein sonniger, aber eiskalter Frühlingsmorgen in New York City. Und um diese Zeit war im PARADISE natürlich noch nichts los.
Wirst wohl geschäftlich hier zu tun haben, du Ratte!, dachte der Killer und verzog ganz leicht den Mund, so dass auf der linken Seite eine Goldkrone zum Vorschein kam.
Seine Hand legte sich um den Griff des Polizeirevolvers.
Die Tür des Ferraris ging auf, ein Mann im braunen Kamelhaarmantel stieg aus. Er trug einen gezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart, der ihm etwas Geckenhaftes gab.
Um das Handgelenk klimperte ein Goldkettchen.
Man sah es in der Sonne glitzern.
Er wirkte wie ein Mann, der sehr schnell zu sehr viel Geld gekommen war - und nun mehr davon besaß, als er sich je hatte vorstellen können. Wahrscheinlich stammte er aus kleinen Verhältnissen, denn er schien in seinem ganzen Auftreten besonderen Wert darauf zu legen, dass auch ja niemand seinen Reichtum übersah.
Ein Wangenmuskel des Killers zuckte unruhig.
Ja, dachte er. Dreckiger Reichtum! Geld, das in Blut getränkt war und mit dem man sich freikaufen konnte, wenn man am Haken des Gesetzes hing.
Doch das alles würde dem Kerl im Kamelhaarmantel jetzt auch nichts mehr nützen.
"Mr. Gonella?"
Der Mann im Kamelhaarmantel blickte zu seinem Mörder hinüber und legte die Stirn in Falten. Mit der Rechten fasste er an seinen gezwirbelten Schnurrbart und drehte daran.
"Was gibt's, Officer?"
Sein Ton drückte deutliche Herablassung aus.
Er weiß, dass die Markenträger zahnlose Papiertiger sind, dachte der Killer. Aber da wird er sich noch wundern, wenn er gleich auf die Ausnahme von der Regel trifft!
"Sind Sie Mr. Arnie Gonella?"
"Ja, der bin ich. Was soll das? Ich weiß, dass hier Halteverbot ist, aber ich habe hier immer schon geparkt. Es hat sich nie jemand daran gestört."
Gonella kam ein paar Schritte näher und baute sich vor dem Mann in der Polizeiuniform breitbeinig auf.
Dieser blieb eiskalt.
"Sie sind also Mr. Arnie Gonella - Drogendealer, Zuhälter und Mörder!"
Gonella schluckte.
Die Sache wurde ihm jetzt einfach zu bunt.
So etwas hatte er sich schon lange nicht mehr von einem Uniformträger bieten lassen müssen!
"Jetzt mach dich mal nicht zu wichtig, kleiner Bulle! Gerade hätte ich dir noch fünfhundert Dollar dafür gegeben, damit du mich hier parken lässt..."
"Es geht nicht um Ihren Parkplatz, Gonella!"
"...jetzt überlege ich, ob ich dir nicht bei Gelegenheit mal ein paar Gorillas vorbeischicken sollte, die so einen kleinen Hosenscheißer wie dich mal richtig in die Mangel nehmen."
Arnie Gonella war richtig in Fahrt gekommen, sein Kopf hochrot geworden, wie bei einem Säugling, der sich verschluckt hat.
Aber dann war er plötzlich still und das hatte einen einleuchtenden Grund.
Gonella blickte jetzt nämlich direkt in die blanke Mündung eines Polizeirevolvers.
"Mach keine Dummheiten!", zischte er und drehte sich nach allen Seiten um. Aber da war niemand. Um diese frühe Stunde war man hier fast so einsam wie in der Wüste. Und wenn wider Erwarten doch jemand die Szene beobachten würde, so wusste Arnie Gonella nur zu gut, dass er auch dann nicht auf Hilfe hoffen konnte.
Aus der Ferne wirkte es vermutlich jetzt noch wie eine gewöhnliche Verhaftung.
Außerdem kümmerte sich hier jeder nur um seinen eigenen Dreck. Wenn irgendwo eine Waffe gezogen wurde, schaute man weg. Und wenn ein Polizist dabei war, wollte man schon gar nichts damit zu tun haben.
"Heben Sie die Hände, Gonella!"
"Was immer du mir verwerfen willst, kleiner Bulle, meine Anwälte hauen mich in zwei Stunden wieder heraus."
"Ja, ich weiß", kam es eisig zurück. "Ich weiß das sehr gut, aber diesmal werden Sie keine Gelegenheit dazu bekommen."
Gonella stand mit offenem Mund da und hob die Hände. Man konnte sehen, wie ihm der Puls bis zum Hals hinauf schlug. Er begann jetzt, Angst zu haben.
Und der Killer schien dies zu genießen.
"Was...", flüsterte Gonella. "Was haben Sie mit Ihrer letzten Bemerkung gemeint, Officer?"
"Was ich sagte."
"Aber... Mein Gott! Wollen Sie Geld?"
"Erinnern Sie sich an den Namen Jack Calderwood? Natürlich erinnern Sie sich. Schließlich haben Sie ihn umgebracht."
"Das stimmt nicht! Ich..."
"Dem Gericht konnten Sie etwas vormachen, Gonella. Sie konnten Zeugen kaufen und sich Anwälte besorgen, die den Geschworenen das Hirn einnebelten. Aber mich können Sie nicht täuschen! Bei mir kommen Sie weder wegen Formfehlern noch wegen mangelnden Beweisen davon!"
Gonella atmete tief durch und schien verzweifelt. Vielleicht verfluchte er in diesem Moment die Tatsache, dass in einem engen Sportwagen eben kein Platz war, um eine Horde von Leibwächtern spazieren fahren zu können.
"Die Gerichtsverhandlung ist zu Ende", sagte Gonella. "Ich bin freigesprochen worden. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Wenn Sie die Sache wieder aufrollen möchten, wenden Sie sich gefälligst an den Staatsanwalt. Aber Ihresgleichen kann wohl nicht verlieren!"
"So ist es. Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, dass jemand wie Sie frei herumlaufen kann."
"Vergessen Sie's. Ist besser so!"
Gonellas letzte Bemerkung war eine unverhohlene Drohung und der Killer dachte: Es gehört schon eine ziemliche Unverfrorenheit dazu, noch im Angesicht eines 38er zu drohen.
Aber bei einem Kerl, der der Staatsanwaltschaft von New York von der Schippe springen konnte war das vielleicht gar nicht so furchtbar ungewöhnlich.
"Sie haben Jack Calderwood getötet", erklärte der Killer im Brustton der Überzeugung. "Dem Gericht reichten die Beweise nicht, aber ich spreche Sie schuldig, Gonella!"
Es machte 'klick!' als der Hahn des Revolvers gespannt wurde.
"Hören Sie! Machen Sie keine Dummheiten...", schnatterte Gonella. "Wir können uns bestimmt einigen..."
Gonella wich ein paar Schritte zurück, sein Gegenüber hob die Waffe und zielte. Der Mann in Uniform war ein guter Schütze.
Gonella stierte seinen Mörder fassungslos an und für eine Sekunde oder etwas mehr geschah überhaupt nichts.
Der Killer wusste, dass sein Opfer in der rechten Manteltasche eine kleine, zierliche Schusswaffe versteckt hatte, deren Griff vergoldet war und die fast wie ein Spielzeug wirkte.
Und so war er auch nicht sonderlich überrascht, als Gonella einen letzten, verzweifelten Versuch unternahm, sein Leben doch noch zu retten.
Mit einer schnellen Bewegung riss dieser die Rechte abwärts und griff in die Tasche. Aber die Hand war noch nicht einmal zur Hälfte in den Kamelhaaren des Mantels verschwunden, da krachte bereits der 38er Polizeirevolver.
Ein Ruck ging durch Gonellas Körper. Er wurde nach hinten gerissen und taumelte, während sich mitten auf seiner Stirn ein roter Punkt bildete, der immer größer zu werden schien.
Gonella taumelte rückwärts, aber noch bevor er schwer auf das Pflaster schlug, hatte der Mann in der Polizeiuniform zwei weitere Schüsse abgegeben.
*
Captain Toby Rogers vom Morddezernat Manhattan C/II fröstelte - aber das lag nicht so sehr an der Leiche, die zu seinen Füßen auf dem Pflaster lag, sondern daran, dass er seinen Mantel nicht schließen konnte.
Er hatte es versucht, aber das Ergebnis war, dass ihm jetzt auch noch ein Knopf fehlte und seine Kollegen nach Feierabend etwas hatten, worüber sie sich herzhaft amüsieren würden. Die Geschichte würde ihre Runde durch alle Abteilungen der New Yorker Polizei machen, darauf konnte man Gift nehmen.
Die Arbeit im Morddezernat war ja ansonsten nicht gerade dafür bekannt, besonders lustig zu sein.
Toby Rogers war ein massiger Koloss von gewaltigen Ausmaßen, was dazu führte, dass sein Auftreten recht ungeschickt und plump wirkte. Schon so mancher hatte sich allerdings dadurch täuschen lassen. Rogers war nämlich alles andere als ein Trottel.
Er war ein Spitzenmann seines Fachs!
"Ich kenne das Gesicht", murmelte Rogers halb zu dem Mann an seiner Seite, halb zu sich selbst gewandt. "Arnie Gonella.
Drogendealer, Zuhälter..."
"...und Polizistenmörder!", rief Greene von der Spurensicherung grimmig dazwischen, als er sich über den Toten beugte und von seinen Kollegen dabei angestarrt wurde, als wäre er ein Schamane, der gerade eine heilige Handlung vollzog.
"Ich habe davon gehört", knurrte Browne, ein hochaufgeschossener Lockenkopf. "Der verfluchte Hund wurde freigesprochen!"
"Von Toten soll man nicht schlecht sprechen", ächzte Greene ironisch.
"Von diesem schon", knurrte Browne und verzog das Gesicht.
"Gonella war ein Schwein, daran ändert auch kein Gerichtsurteil etwas!"
"Es konnte nie bewiesen werden, dass Gonella den Polizisten getötet hat", stellte Toby Rogers fest.
"Selbst wenn nicht", gab Browne unbeeindruckt zurück. "Dann sind da immer noch die vielen, die er mit Drogen vollgepumpt damit ganz langsam getötet hat." Er zuckte mit seinen schmalen Schultern. "Jetzt hat es ihn selbst erwischt. Soll ich es etwa bedauern?"
Rogers machte eine hilflose Handbewegung.
"Es verlangt ja keiner von uns, dass wir vor Trauer zerfließen. Man erwartet nur, dass wir Arnie Gonellas Mörder finden."
Browne verzog das Gesicht in einer Art und Weise, die Rogers gar nicht gefiel.
"In diesem Fall hätte ich nichts dagegen, wenn wir ihn nicht fänden", knurrte Browne grimmig. In seinen Augen blitzte es.
Der Captain runzelte die Stirn.
"Browne! So kenne ich Sie ja gar nicht! Sie steigern sich ja richtig in die Sache hinein!"
Browne schluckte und atmete dann tief durch. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.
"Ich mag es nicht, wenn wir Cops als Zielscheiben für solche Halunken herhalten müssen..."
"Geschenkt!"
Jemand gab Rogers Gonellas Brieftasche. Rogers öffnete sie und zog ein paar Sekunden später einen zusammengefalteten, aus Zeitungsüberschriften aneinandergeklebten Brief hervor.
Unterzeichnet mit: DIE WAHRE POLIZEI.
Rogers hielt das Papier Browne hin und meinte: "Ich mag es auch nicht, wenn auf Cops geschossen wird, aber ich kann es genauso wenig leiden, wenn einer aus unserem Verein durch die Straßen zieht und in eigener Regie Richter und Henker zugleich spielt!"
Etwas abseits stand noch ein weiterer Beamter. Er schaute sich die Szene nur stumm an und schien fast etwas abwesend. Sein Blick war starr auf Arnie Gonella gerichtet.
"Hey, Marvin, träumst du? Hast du gar keine Meinung dazu?", rief Browne, der Lockenkopf, unwirsch. "Gestern beim Bier warst du noch derselben Meinung wie ich!"
Marvin hob leicht den Blick.
"Mag sein", murmelte er auf eine Art und Weise, die sein Gegenüber spüren ließ, dass er noch immer nicht ganz da war.
Browne zuckte mit den Achseln und machte eine wegwerfende Handbewegung.
*
"Schon die Zeitung gelesen, Bount?"
"Nein, bin noch nicht dazu gekommen."
"Dieser Killer-Cop hat wieder zugeschlagen. Das elfte Opfer. Langsam blamiert sich unser gemeinsamer Freund Rogers mit seiner Truppe in Grund und Boden!"
"Toby wird schon wieder auf die Füße fallen, June. Verlass dich drauf, er kriegt den Kerl schon!"
Bount Reiniger, der bekannte New Yorker Privatdetektiv, lehnte sich erst einmal im Schreibtischsessel zurück und studierte die kurvenreiche Figur von June March, seiner attraktiven Assistentin.
June war eine einzige schwindelerregende Silhouette - aber leider wusste Bount ihre Reize nicht so zu würdigen, wie sie das gerne gehabt hätte.
"Du solltest wirklich mal einen Blick riskieren, Bount", meinte sie, schenkte sich auf eine unnachahmliche Weise einen Kaffee ein, um sich dann auf Bounts Schreibtisch zu setzen und gekonnt die Beine übereinander zu schlagen.
Bount grinste unverschämt.
"Tu ich doch!"
June hob die Augenbrauen und widmete Bount einen schmachtenden Blick ihrer unglaublich blauen Augen.
"Eigentlich meinte ich ja die Zeitung", konterte sie kokett. "Aber gegen das andere habe ich auch nichts."
"Nun, was ich im Augenblick sehe, ist auf jeden Fall um vieles erfreulicher, als alles, was man in der Zeitung lesen kann..."
"Das will ich hoffen!"
Und damit machte June sich wiegenden Schrittes in Richtung Tür davon. Bevor sie Bount allein ließ, drehte sie sich allerdings noch einmal um und meinte: "Übrigens - ist dir bewusst, dass du in etwa fünf Minuten einen Termin hast, Bount? Ich weiß nicht, ob es auf Klienten einen besonders guten Eindruck macht, wenn man sie in einem verschwitzten Jogging-Anzug empfängt!"
Und dann war sie auch schon verschwunden.
Als Bount aufstand, um sich frisch zu machen, fiel sein Blick doch noch kurz auf die Zeitung. 'Wer wird das nächste Opfer des Killer-Cop?', stand dort in großen Lettern.
Armer Toby, dachte der Privatdetektiv mitfühlend. Du machst im Augenblick sicher eine Menge mit. Als Selbstständiger kann man sich seine Fälle in der Regel immerhin noch aussuchen.
*
"Es tut mir leid, dass ich Sie einen Moment habe warten lassen", entschuldigte sich Bount, als er wenig später jenem Klienten gegenüberstand, dessen Name in seinem Terminkalender eingetragen war.
Der Klient war eine äußerst attraktive, dunkelhaarige Schönheit, in deren braunen Augen ein seltsames Glitzern stand, das Bount unwillkürlich schlucken ließ.
"Aber das macht doch nichts, Mister Reiniger."
"Da war noch ein dringender Fall...", murmelte Bount, während er sich seine Krawatte zu Ende band. Duschen und Umziehen in fünf Minuten - das war eben kaum zu schaffen.
Die dunkle Schönheit schenkte Bount ein entzückendes Lächeln.
"Das macht doch wirklich nichts."
Fast eine volle Sekunde lang begegneten sich ihre Blicke.
"Nehmen Sie doch Platz, Miss..."
"Danke."
Sie setzten sich.
"Sagen Sie, haben wir uns nicht irgendwo schon einmal gesehen?", fragte Bount. "Irgendwie kommt mir Ihr Gesicht bekannt vor. Ich weiß im Augenblick nur nicht, wo ich Sie einordnen soll."
"Mein Name ist Diane Wyner. Mrs. Diane Wyner."
"Oh..."
"Allerdings bin ich Witwe - eine Tatsache die übrigens auch etwas damit zu tun hat, weshalb ich hier bin."
Indessen hatte es bei Bount geklingelt.
"Kann es sein, dass ich Ihr Gesicht vor einiger Zeit in den bunten Blättern gesehen habe?"
"Leider ja. Ich wurde beschuldigt, meinen Mann ermordet zu haben."
Bount nickte.
"Ich erinnere mich. Ein Fall, der ziemlich viel Aufsehen erregt hat. Vor allem deshalb, weil die Geschworenen Sie freigesprochen haben, obwohl viele der Ansicht waren, dass das ein Fehlurteil war."
"Sie mussten mich freisprechen. Ich war unschuldig."
Bount lehnte sich zurück.
"Und was ist nun ihr Anliegen? Möchten Sie vielleicht, dass ich den wahren Mörder ermittle? Dafür kommen Sie reichlich spät. Sämtliche Spuren dürften längst kalt oder verweht sein."
Diane Wyner schüttelte den Kopf und senkte den Blick.
"Nein", sagte sie dann etwas gedehnt. "Das ist es nicht."
Bount hob die Augenbrauen.
"Was dann?"
Sie sah ihn jetzt mit festem Blick an, ein Blick der Bount durch und durch ging. Was für eine Frau, schoss es ihm den Kopf.
Und dann öffnete sie ihre Handtasche und holte einen Umschlag hervor.
"Hier", sagte sie und reichte Bount das Couvert. "Dies war gestern in meiner Post. Und es war nicht der erste Brief dieser Art!"
Bount öffnete den Umschlag und holte den Inhalt heraus: Ein Stück Papier mit einem zusammengeklebten Text, der aus wüsten Drohungen bestand und mit DIE WAHRE POLIZEI gezeichnet war.
"Es ist genau wie bei den Opfern dieses Killer-Cops, der gegenwärtig New York unsicher macht", rief Diane Wyner und strich sich dabei das dunkle Haar aus den Augen. "Sie bekamen alle erst solche Briefe und wurden dann getötet." Sie schluckte.
"Vorgestern hat man auf mich geschossen, Mister Reiniger!" Sie beugte sich ein wenig vor. "Mister Reiniger, ich habe Angst um mein Leben. Deshalb bin ich zu ihnen gekommen. Sie sollen der Beste sein."
"Nun...", machte Bount.
"Doch, doch, ich habe mich erkundigt. Man spricht von Ihnen in der Branche respektvoll, Bount Reiniger."
Bount hob den Drohbrief hoch und fragte: "Waren Sie damit schon bei der Polizei, Mrs. Wyner?"
"Natürlich!"
"Die Kollegen mit den Hundemarken arbeiten doch mit Hochdruck an der Sache mit dem Killer-Cop - schon weil es langsam ihren Ruf ruiniert." Bount deutete dabei auf die Zeitungsschlagzeile.
Diane nickte.
"Ich habe es auch gelesen. Aber wissen Sie, was man mir auf dem Police Department gesagt hat?"
"Was denn?"
"Dass ich mich nicht aufregen soll. Sie würden ab und zu eine Streife bei mir vorbeischicken." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. "Die Polizei kann ich wohl abschreiben. Eine Karte, die nicht mehr sticht."
"Oh, seien Sie nicht zu hart", meinte Bount, bot seinem Gast eine Zigarette an und nahm sich dann selbst eine. Sie lächelte matt, als er ihr Feuer gab.
Dann berichtete sie: "Die Polizei wird im Augenblick mit sogenannten Trittbrettfahrern überschwemmt. Leute, die irgendwem eins auswischen wollen, die Sache mit dem Killer-Cop gelesen haben und dann Briefe in gleicher Manier verschicken. Unterzeichnet: DIE WAHRE POLIZEI!" Sie nahm einen tiefen Lungenzug. "Ein Officer, der mich vernommen hat meinte, es sei wie eine ansteckende Krankheit. Eine Epidemie!"
Bount verstand.
Wahrscheinlich wurde es jetzt für die Polizei immer schwieriger, die echten Drohungen des Killer-Cop von denen der Trittbrettfahrer, Witzbolde und anderer zu unterscheiden, die allesamt der Auffassung zu sein schienen, dass die Polizei nicht genügend ausgelastet war.
"Ich hoffe, Sie übernehmen den Fall, Mister Reiniger", sagte Diane und legte mit einer eleganten Handbewegung, wie aus dem Ärmel gezaubert einen Scheck vor ihn hin.
"Nun", machte Bount und warf dabei ein Auge auf die eingetragene Summe. Sie war beachtlich.
"Geld ist kein Problem", sagte Diane. "Meine Werbeagentur ist eine der Top-Adressen in diesem Bereich. Und diesen verstehen Sie bitte auch nur als Anzahlung."
"Kleinlich sind Sie jedenfalls nicht... Diane." Bount lächelte gewinnend. "Ich darf Sie doch so nennen, oder?"
"Natürlich, Mister Reiniger."
"Sagen Sie Bount zu mir!"
"Bount...", sagte sie. "Wenn einer den Killer-Cop fangen kann, dann Sie, Bount!"
Bount Reiniger verzog das Gesicht.
"Den Killer Cop - oder denjenigen, der diesen Drohbrief geschrieben hat und auf Sie geschossen hat?"
"Glauben Sie nicht, dass das ein und derselbe ist? Schließlich passe ich genau in die Opferreihe dieses Monstrums hinein. Ich wurde eines Kapitalverbrechens angeklagt und freigesprochen. Und jetzt schießt DIE WAHRE POLIZEI auf mich!"
Bount nickte.
"Wahrscheinlich haben Sie recht, Diane."
*
Als Bount mit dem Mantel über dem Arm und der dunkelmähnigen Diane Wyner an der Seite June begegnete, bedachte diese Bounts Begleiterin mit einem abschätzigen, fast schon etwas giftigen Blick.
Bount erklärte June in knappen Worten, worum es bei Dianes Fall ging, aber das blonde Minnesota-Girl schien kaum zuzuhören. Ihr gefiel nicht, wie Bount mit seiner Klientin umging.
Das war entschieden zu zuvorkommend, fand sie.
Ich werde auf der Hut sein müssen, ging es durch den Kopf. In ihren blauen Augen blitzte es eifersüchtig, als sie sich erkundigte: "Was wirst du jetzt unternehmen, Bount?"
Bount grinste.
"Die Sache unter die Lupe nehmen - was sonst!"
June zog eine Schnute.
"Ich hoffe, du holst dir nichts an den Augen!"
Wenig später hatten Bount und seine Klientin die Residenz des Privatdetektivs verlassen und waren mit dem Aufzug abwärts gefahren.
"Kann es sein, dass Ihre Assistentin mich nicht mag, Bount?"
Bount Reiniger unterdrückte ein Schmunzeln und meinte dann jovial: "Nein, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen."
"Ich dachte."
"Sie haben sich bestimmt geirrt, Diane. Sind Sie übrigens mit dem Wagen hier?"
"Ja. Wenn Sie wollen, dann vertrauen Sie sich doch meinen Fahrkünsten an, Bount Reiniger!"
"Gerne", erwiderte Bount und dachte dabei: Wie lange muss man wohl dafür üben, um einen solchen Augenaufschlag drauf zu bekommen! Aber Diane Wyner hatte ihn drauf. Und wie!
*
Diane fuhr einen schwarzen Mitsubishi und war eine hervorragende Fahrerin.
"Was schlagen Sie als erstes vor, Bount? Wie wollen Sie vorgehen?", erkundigte sie sich.
Bount zuckte mit den Schultern.
"Wo ist auf Sie geschossen worden?", fragte er.
"Unter dem Gebäude, in dem meine Agentur ist, befindet sich eine Tiefgarage. Dort hat der Kerl mir aufgelauert."
"...und auch versucht, Sie zu töten."
"Ja. Dies ist mein Zweitwagen. Der, in dem ich saß befindet sich nun der Werkstatt, weil die Frontscheibe zweimal durchschossen wurde. Ich werde mir Panzerglas einbauen lassen!"
"Tun Sie das, das ist bestimmt eine gute Idee."
"Aber es wird mich auf die Dauer nicht schützen können, Bount."
"Ich weiß."
Ihre Stimme klang warm, aber auch sehr ernst. Sie vibrierte ein wenig, was wohl an der Furcht lag, die empfinden musste.
Bount blickte sie von der Seite her an und meinte dann: "Keine Sorge, ich werde mein Möglichstes tun!"
"Das weiß ich."
"Fahren Sie zum Tatort, Diane. Vielleicht sind noch irgendwelche Spuren zu finden. War die Polizei schon dort?"
"Ja, aber es ist wohl nicht allzuviel dabei herausgekommen. Außer, dass es eine polizeiübliche Waffe war, mit der geschossen wurde." Sie seufzte. "Es ist kein gutes Gefühl, zu wissen, dass da draußen irgendwo ein wahnsinniger Killer auf einen wartet", sagte sie fast tonlos. "Und leider ist es so, dass er getrost abwarten kann. Wie lange werden Sie mich schützen, Bount? Mit wie vielen Leibwächtern soll ich mich umgeben? Nein, irgendwann wird er seine Chance haben und zuschlagen."
"Es sei denn, wir bekommen ihn vorher", erwiderte Bount. "Sehen Sie nicht zu schwarz, Diane!"
Dianes Fahrstil war recht aggressiv - aber bei alledem wirkte sie sicher. Vielleicht muss jemand, der sich mit Werbung befasst genau so sein, überlegte Bount. Selbstsicher und aggressiv.
Nicht lange und sie hatten den Büro-Turm erreicht, in dem Dianes Agentur untergebracht war.
"Die sechzehnte Etage gehört mir", sagte sie und zeigte dabei ihre makellosen Zähne.
Bount fragte: "Wohnen Sie auch dort?"
"Ja. Ich habe eine von den Arbeitsräumen getrennte Wohnsuite."
"Klingt, als wäre es meiner eigenen Residenz sehr ähnlich."
"Sie haben die bessere Aussicht", meinte Diane und Bount lachte.
Diane fuhr ihren Mitsubishi in die Tiefgarage hinein. Ein paar Augenblicke später hatte sie auf einem für sie reservierten Parklatz geparkt. Sie stiegen aus.
"War es hier?", erkundigte sich Bount.
Sie nickte schnell.
"Ja." Sie wollte noch etwas sagen, aber es kam nichts mehr über ihre Lippen.
"Von wo wurde geschossen."
"Sehen Sie den Betonpfeiler dort hinten, Bount?"
"Klar."
"Dort hat er gestanden."
"Erzählen Sie, Diane."
Sie atmete tief durch und schluckte. Es schien ihr nicht leicht zu fallen, über dieses Erlebnis zu reden.
Bount trat an sie heran und legte ihr vorsichtig den Arm um die Schulter. "Kommen, Sie. Diane. Es muss sein. Ich weiß, dass sie das alles vermutlich schon ein halbes Dutzend mal irgendeinem Polizisten erzählt haben, aber jede Einzelheit kann wichtig sein und uns auf eine wichtige Spur bringen."
Sie lächelte, aber es war anders als sonst.
Es wirkte gezwungen.
"Sie haben recht, Bount."
"Haben Sie den Schützen erkennen können?"
"Nein. Ich sah nur einen Schatten. Ich bin in meinen Wagen gestiegen und wollte gerade losfahren, da wurde von dem Betonpfeiler aus geschossen."
"Wie oft?"
"Ich glaube drei oder vier mal. Ich bin mir nicht ganz sicher. Zwei Kugeln gingen jedenfalls durch die Frontscheibe. Wenn ich mich nicht sofort geduckt hätte, wäre ich jetzt nicht mehr am Leben."
Sie zuckte mit den Schultern.
Bount sah so etwas wie eine einsame Träne in ihren dunklen Augen glitzern, die sie mit einer schnellen Bewegung davon wischte. "Kommen Sie, ich zeige Ihnen unsere Agentur."
Bount runzelte die Stirn.
"Ich dachte, die Werbeagentur Wyner gehört Ihnen allein!"
Diane winkte ab.
"Das tut sie auch." Sie machte eine unbestimmte Geste mit der Linken. "Es ist mir nur so herausgerutscht. Bevor mein Mann ums Leben kam, haben wir sie zusammen betrieben. Es war immer unsere Agentur. Verstehen Sie, was ich meine, Bount?"
"Ich denke schon."
"Wir haben sie zusammen aufgebaut." Sie sah Bount Reiniger mit festem Blick an und hob ein wenig das Kinn dabei. "Ganz gleich, was damals die Zeitungen auch über mich geschrieben haben: Ich habe meinen Mann geliebt. Und ich hätte ihn niemals töten können!"
"Sie sind freigesprochen worden", gab Bount zurück.
"Ich möchte, dass Sie mir vertrauen, Bount. Das ist mir sehr wichtig."
*
Sie fuhren mit Aufzug hinauf zur Wyner-Agentur. Wyner & Wyner Ltd., so stand es noch immer an der Tür - obwohl einer von den beiden Wyners schon seit gut einem Jahr tot war.
Aber Diane hatte den Namen nicht geändert. Vielleicht deshalb, weil er so etwas wie ein eingeführtes Markenzeichen war, vielleicht auch deshalb, weil sie ihren Mann wirklich so sehr geliebt hatte, wie sie sagte.
Zwei Gorillas standen an der Tür. Einer von ihnen war weiß, der andere schwarz. Gemeinsam hatten sie den stumpfsinnigen Blick und die gewaltigen Muskelpakete. Als sie Bount sahen, fletschten sie schon misstrauisch die Zähne.
"Schon in Ordnung, Männer", sagte Diane. Und an Bount gewandt fuhr sie dann fort: "Seit der Sache im Parkhaus habe ich diese beiden Herrn hier engagiert. Sie kommen von einem privaten Sicherheitsdienst."
"Das ist sicher keine schlechte Idee", meinte Bount. "Ich hoffe nur, dass sie in ihrem Fach auch etwas drauf haben."
Der Weiße verzog den Mund.
"Kostprobe gefällig?", knurrte er.
Bount winkte ab.
"Kein Bedarf, Gentlemen! Ein anderes Mal vielleicht..."
Bount Reiniger war sicher alles andere, als ein kleiner Mann, aber dieser Hüne überragte ihn noch um gut einen Kopf.
Neben sich hörte er die warme Stimme von Diane.
"Ich fühle mich ein wenig sicherer, wenn die beiden ein Auge darauf haben, wer hier so herumläuft."
"Verstehe...", nickte der Privatdetektiv.
Sie passierten die Tür.
Die Agentur bestand aus einem Großraumbüro, mehreren Nebenräumen und kaum einem Dutzend Angestellten. Aber obwohl es ein relativ kleiner Betrieb war, wurden hier Millionen erwirtschaftet. Das, womit hier gehandelt wurde, waren Ideen und Kreativität.
Eine brünette Dreißigerin mit elegant hochgesteckten Haaren und einem sehr seriös wirkenden, figurbetonten Kostüm steuerte direkt auf Diane zu.
"Ah, Mrs. Wyner! Gut, dass Sie wieder da sind!"
"Was gibt es denn?"
"Diese Cornflakes-Firma ist unzufrieden mit unserem Konzept für den Werbespot." Die Brünette machte ein ziemlich ratloses Gesicht, während Diane die Augen verdrehte. "Wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie dort mal persönlich anrufen würden."
Diane Wyner nickte.
"Schon gut, Miss Wilkins. Ich kümmere mich drum!"
"Okay."
"Dies ist übrigens Mister Reiniger."
Miss Wilkins lächelte.
"Angenehm", säuselte sie. Dann war sie auch schon wieder davon gerauscht. Bount hob die Augenbrauen.
"Probleme?"
"Keine, die nicht zu lösen wären!"
"Dann ist es ja gut."
"Das eben war übrigens Mary Wilkins - das hellste Licht der Agentur. Die hat wirklich Ideen! Sie allein ist für uns eine Million im Jahr wert!"
Bount pfiff durch die Zähne.
"Alle Achtung!"
Und bei sich dachte er: Sie sieht auch genau so aus, wie man sich eine Yuppie-Frau so vorstellt: jung, dynamisch, immer in Action - und arbeitssüchtig. Aber wer in diesem Job kein Workoholic war, der brachte es vermutlich auch zu nichts.
Diane seufzte.
"Sehen Sie, Bount: Unsere Kunden wollen, dass ihr Produkt möglich häufig genannt wird, dass gesagt wird, wie toll diese Cornflakes doch sind, wie viel Vitamine sie haben oder wie besonders weiß ein Waschmittel wäscht. Das Problem ist nur, dass bei solchen Sachen niemand mehr hinschaut. Viele Hersteller haben das auch schon erkannt, aber hin und wieder trifft man noch auf einen Unverbesserlichen, der einfach nichts dazulernen will - so wie diesen Cornflakes-Mann!"
"Und warum geben Sie ihm einfach, was er will?", fragte Bount. "Schließlich bezahlt er ja auch! Und wenn er unbedingt nach einem langweiligen Spot verlangt ist das doch sein Problem!"
Diane lächelte nachsichtig.
"Eben nicht, Bount. Es ist das Problem der Agentur."
"Das müssen Sie mir erklären, Diane!"
"Ganz einfach: Wenn sich herausstellt, dass der Spot nicht ankommt - wer ist dann wohl Schuld? Wyner & Wyner Ltd. natürlich! Wer sonst?"
Bount winkte ab und meinte ironisch: "Bin ich froh, dass ich in einem einfacheren Job arbeiten kann!"
"Jedem das seine, Bount Reiniger!"
Bount sah in ihre braunen Augen und sie hielt seinem Blick stand.
"Sagen Sie, Diane, was mich noch interessieren würde..."
"Ja?"
"Ihre Privatsuite... Wo befindet sich die?"
"Dort hinten die Tür am anderen Ende des Büros. Warten Sie, ich zeige es Ihnen!"
"Gibt es noch einen anderen Weg dorthin?"
"Ja. Da ist noch ein separater Eingang vom Flur her."
"Und irgendwelche Notausgänge?"
"Warum fragen Sie das alles, Bount?"
"Der, der auf Sie geschossen hat, wird es vielleicht noch einmal versuchen. Wir müssen alles bedenken", erklärte Bount. "Schließlich soll er keine zweite Chance bekommen."
"Natürlich nicht!"
Jemand kam vorbei und gab Diane einen kleinen Stapel von Couverts unterschiedlichster Größe.
"Ihre Post, Mrs. Wyner!"
"Danke sehr!"
Sie ging die Sendungen kurz durch, dann stockte sie.
"Was ist?", fragte Bount.
"Ein Brief ohne Absender...", flüsterte sie. Sie schien zu ahnen, was das bedeutete. Sie öffnete ihn, schluckte und reichte ihn an Bount weiter.
Dort stand nur in ausgeschnittenen Buchstaben: BEIM NÄCHSTEN MAL BIST DU DRAN! DIE WAHRE POLIZEI.
Bount Reiniger steckte den Brief wieder ins Couvert zurück und murmelte kaum hörbar: "Unser Freund scheint tatsächlich noch nicht aufgegeben zu haben."
*
Als Captain Rogers in Bount Reinigers Residenz am nördlichen Ende der 7th Avenue auftauchte, fand er June March dort ziemlich missgelaunt vor.
Der Koloss pustete wie ein Walross und hob leicht die Augenbrauen, als er Junes Gesichtsausdruck sah.
"Du scheinst dich ja gar nicht darüber zu freuen, mich zu sehen, June", versuchte es Rogers auf die heitere Tour.
June zog ein wenig Oberlippe nach oben, was ihrem hübschen Gesicht einen trotzigen Ausdruck gab.
"An dir liegt es nicht, Toby!"
"Na, dann bin ich ja beruhigt."
"Was gibt es? Willst du Bount sprechen?"
Rogers nickte.
"Ja. Und es ist ziemlich dringend."
June kannte den fetten Captain lange genug, um zu wissen, dass es wirklich dringend sein musste und ihm irgend etwas mit aller Macht unter den Nägeln brannte.
"Bount ist leider nicht da! Da war so ein schwarzmähniges Biest..."
"Eine Klientin?"
"Ja. Ich hoffe nur, da er sich nicht allzu intensiv um sie kümmert."
Rogers verzog für den Bruchteil eines Augenblicks den Mund.
Er verstand. June und ihre hoffnungslose Eifersucht...
"Ruf ihn über Autotelefon an, June. Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht so wäre, aber es ist verdammt wichtig."
June winkte ab und atmete dabei kräftig aus, so dass sich ihr Brustkorb senkte.
"Habe ich vorhin schon versucht, Toby."
"Und?"
"Kein Erfolg. Er ist wohl mit ihrem Wagen mitgefahren." Sie seufzte "Ein schlechtes Zeichen..."
"Was ist ein schlechtes Zeichen?", fragte ein wohlvertraute Stimme und ließ sowohl June, als auch den dicken Captain vom Morddezernat Manhattan C/II augenblicklich herumwirbeln.
"Bount!", kam es über Junes Lippen.
Die Tür war aufgegangen und der Privatdetektiv mit schnellen Schritten hereingekommen. Noch mit dem Schwung dieser Bewegung warf er den Mantel in irgendeine Ecke und wandte sich an Toby.
"Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs, Toby? Wahrscheinlich bist du nicht auf Drink gekommen."
Rogers nickte.
"Kann man wohl sagen."
"Also?"
"Eine ernste Sache. Bount, du bist mein Freund. Wir haben immer zusammengehalten. Die ganzen Jahre hindurch."
"Spuck's endlich aus, Toby!"
"Heute schon Zeitung gelesen?"
"Das hat mich heute schon einmal jemand gefragt."
"Es geht um diese Killer-Cop." Rogers schüttelte verzweifelt den Kopf und wischte sich mit der fleischigen Hand über die Augen. Der Captain machte einen übernächtigten Eindruck.
"Euer Verein bekommt den Kerl einfach nicht die Finger, stimmt's?", vermutete Bount indessen und Rogers nickte resigniert.
"So ist es", gab er zu. "Du weißt, dass ich kein Trottel bin, Bount. Ich habe alles versucht und mich selbst um die Sache gekümmert, anstatt es meinen Detectives zu überlassen - was für meine Karriere vielleicht besser gewesen wäre. Bei einer solchen Sache kann man nämlich nur verlieren."
"Auf Orden warst du ja noch nie besonders scharf, Toby."
"Das hat sich auch nicht geändert. Aber diesen Killer, den will ich haben!" Rogers ballte grimmig die Rechte zur Faust, während Bount sich eine Zigarette anzündete.
June spielte nervös mit einem Kugelschreiber herum.
Unterdessen fuhr Toby fort: "Die
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: (C) ALFRED BEKKER CASSIOPEIAPRESS
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 05.02.2015
ISBN: 978-3-7368-7573-9
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