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Im Angesicht der Berge

 

 

Alfred Bekker

 

 

Roman

 

 

 

© Alfred Bekker

All rights reserved

Ein CassiopeiaPress E-Book

Ausgabejahr dieser Edition: 2012

www.AlfredBekker.de

Der vorliegende Roman erschien auch unter dem Titel „Das Madel, das sich net entscheiden konnt'“

 

 

 

 

 

Ihr schönstes Dirndl hatte die Eva Niedermayer angezogen. Jetzt stand sie in der guten Stube des Niedermayer-Hofs und präsentierte sich ihrer Mutter.

"Nun sag schon, sehe ich auch gut aus?", fragte sie und die Aufregung war ihr deutlich anzusehen.

"Mei, du siehst umwerfend aus, Madel!", fand die Bäuerin. "Wie angegossen sitzt es alles! Ein so fesches Dirndl wird auch ein Hallodri wie dein Peter noch net allzu oft vor Augen bekommen haben!"

Eva war empört und stemmte die Arme in die Hüften.

"Geh, Mama! Wie red'st du denn vom Peter!"

Die Niedermayerin seufzte sorgenschwer. "Tut mir leid, Eva, es ist mir so herausgerutscht. Aber ich habe gestern noch mit dem Vater bis tief in die Nacht darüber geredet!"

Eva legte die Stirn in Falten.

"Na, und?"

"Mei, der Ruf des Leiner Peter ist halt net der Beste, Eva. Das ganze Dorf zerreißt sich doch das Maul über den!" Die Niedermayerin kam etwas näher und sprach nun in einem gedämpfteren Tonfall. "Nix anbrennen lässt er! Kann man ihm ja auch net verdenken. Denn fesch ist er ja, der Leiner Peter. Und als Angehöriger der Bergwacht fast so etwas wie ein Held! Kein Wunder, dass sich die Madeln dem edlen Lebensretter nur so an den Hals werfen." Die Bäuerin schlug die Hände vor das Gesicht. Sie schüttelte den Kopf. Der innere Zwiespalt, in dem sie sich befand, war ihr überdeutlich anzusehen. Einerseits gönnte sie ihrer einzigen Tochter natürlich alles nur erdenklich Gute. Sie wäre die Letzte gewesen, die ihr die Zuneigung des feschen Peter missgönnt hätte! Aber andererseits wollte sie ihre Tochter vor einer herben Enttäuschung bewahren, wenn es möglich war. Doch an letzterem zweifelte die gute Frau bereits. Es schien so, dass das Madel sich einfach zu sehr in den Peter verliebt hatte und jegliche Einwände mit leichter Hand einfach davon wischte.

"Das ist doch alles nur Gerede!", meinte Eva. "Es wird so viel erzählt im Dorf! Mei, wenn ich das alles glauben würde..." Eva schüttelte den Kopf. "Ich find', dass man sich selbst eine Meinung über einen Menschen bilden sollte, bevor man den Stab über ihn bricht!"

"Ja, das ist ja im Prinzip auch recht!"

"Sogar unser Pfarrer in der Kirche sagt das!"

"Heute busselt der Peter doch mit dir herum und morgen mit einer anderen! Wirst es sehen, Eva!"

Eva hob selbstbewusst den Kopf, warf dabei den langen goldblonden Zopf in den Nacken.

"Na, das wird net passieren!", gab sie dann ihrer Überzeugung Ausdruck.

Die Bäuerin zuckte mit den Achseln. "Ich wünsche dir ja so sehr, dass ich in dieser Sach' Unrecht habe."

"Und das wirst auch net, Mama! Wart's nur ab!" Ein versöhnliches Lächeln erschien auf Evas Gesicht. "Und einstweilen gehen wir ja auch noch net vor den Altar, sondern nur gemeinsam zum Dorftanz!"

"Gott sei Dank!", stieß die Bäuerin hervor.

Ein versonnenes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Madels. Sie wiegte leicht hin und her, während ihr Blick ins Nichts zu schauen schien. Ihre Augen glänzten dabei auf eine Weise, die der Mutter klar machte, dass in diesem Fall wohl Hopfen und Malz verloren war. "Obwohl eigentlich...", begann Eva dann.

"Obwohl eigentlich was?", hakte die Bäuerin nach.

"Ich hätt nix dagegen, wenn der Peter mich fragen würde, ob wir net ein Paar werden könnten. Und auf unserem Hof wär' doch auch Platz genug, um eine zünftige Hochzeit auszurichten!"

Der Bäuerin lag noch eine Erwiderung auf der Zunge.

Aber in diesem Augenblick war von draußen ein Geräusch zu hören. Das Geräusch eines Motors. Eva lief zum Fenster. "Das muss er sein, der Peter!", stieß sie hervor. Und tatsächlich! Es war Peter Leiners Geländewagen, der die steile Straße hinauf fuhr, die zum Niedermayer-Hof führte und dort auch endete. Kurz wandte sich das Madel noch einmal zu ihrer Mutter herum. "Sehe ich auch wirklich gut aus?", fragte sie.

Trotz der ernsten Bedenken, die die Bäuerin ihrer Tochter wegen plagten, musste sie jetzt lachen. "Geh, Eva!", schalt sie das Madel. "Den halben Nachmittag hast nix anderes getan, als sämtliche Stücke in deinem Kleiderschrank anzuprobieren! Du hast dir wahrhaftig genug Gedanken um dein Aussehen gemacht!"

"Servus, Mama!", rief Eva noch.

Dann war sie auch schon aus der Stube hinausgestürmt, dem Mann entgegen, in den sie sich bis über beide Ohren verliebt hatte.

 

*

 

Peter hatte inzwischen den Hof erreicht und gewendet. Er hielt seinen Geländewagen genau in dem Moment vor der Haustür, als Eva aus ihr heraustrat.

Die bereits tief stehende Sonne zauberte ein besonderes Licht über die schneebedeckten Steilhänge der nahen Berggipfel und ließ Eva regelrecht erstrahlen.

Peter stieg aus und schaute Eva einige Sekunden nur sprachlos an.

"Mei, so etwas Schönes hab ich wahrhaftig noch net gesehen!", brachte er schließlich heraus.

"Nun übertreibst aber schon ein bisserl", lachte Eva und trat auf Peter zu, um ihm ein Busserl auf die Wange zu geben.

"Du wirst das hübscheste Madel auf dem ganzen Dorffest sein. Und nun komm und steig ein." Während Peter das sagte, hielt er ihr die Autotür auf.

Eva raffte ihr Dirndl zusammen und hatte einige Mühe, mit dem Kleid in den recht hoch gebauten Geländewagen zu steigen. Peter fasste sie kurz entschlossen um die Taille und half ihr dabei. Wenig später war auch er eingestiegen und startete den Motor.

Die steile Straße, die vom Niedermayer-Hof hinunter ins Dorf führte, fuhr Peter verhältnismäßig langsam, da er wusste, dass es Eva ängstigte, wenn er die Serpentinen hinunter jagte.

Verliebt schaute Eva ihren Peter an und dachte: Mei, er schaut schon gut aus und diese lockigen braunen Haare, dazu sein verschmitztes Lachen! Und wie seine Augen immer blitzen, wenn er mich ansieht.

Eva seufzte leise.

"Ist dir nicht gut?" Besorgt warf Peter einen kurzen Blick zu Eva hinüber, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße widmete.

"Nein, alles bestens. Ich freue mich halt schon so narrisch auf unseren gemeinsamen Abend."

"Ich mich auch", erwiderte Peter. "Und fast hätte ich es net geschafft. Wir haben kurz bevor ich zu dir fahren wollte noch einen Notruf rein bekommen, der sich aber zum Glück als Fehlalarm herausstellte. Ein Mann hatte auf einer Bergwanderung seine Frau verloren, frag mich nicht wie. Auf jeden Fall stellte sich heraus, der Frau ist es zu anstrengend geworden. Sie ist einfach umgekehrt und hat eine Brotzeit in der Bergschänke zu sich genommen. Der Mann war in heller Aufregung, da er dachte, seine Frau sei abgestürzt. Die Bergwacht gerufen hat er von der Bergschänke aus, wo er kurz nach dem Anruf bei uns dann seine Frau traf. Er hat uns dann sofort benachrichtigt, so dass wir den Einsatz noch stoppen konnten."

"Da bin ich aber froh, dass alles so gut verlaufen ist." Eva schaute Peter an. "Ich mach mir schon oft Sorgen um dich, wenn ich an deinen Beruf denke. Mei, was da net alles passieren kann..."

In diesem Moment hielt Peter auf dem Feld, das extra für das Dorffest zum Parkplatz umfunktioniert worden war und stellte den Motor ab.

"Nun wollen wir keinen ernsten Gedanken nachhängen, sondern einen schönen Abend verbringen." Peter beugte sich zu Eva hinüber. Sanft, fast flüchtig berührten seine Lippen die ihren. Eva ließ es gewähren und schloss ihre Augen. Ein weiterer, innigerer Kuss folgte, den Eva erwiderte.

Dann nahm er ihre Hand und sagte: "Du bist ein tolles Madel!" xxx

Kurze Zeit später tanzten sie bereits im Takt der Musik. Das Fest hatte zwar erst vor kurzem begonnen, aber es war schon ziemlich voll. Auf dem Tanzboden drängten sich die Paare. Es war eine laue Nacht.

Mit glänzenden Augen schaute Eva Peter an.

"Ach", seufzte sie, "wenn es doch immer so sein könnte..."

"Das wäre schön." Peter zog sie ein wenig näher an sich heran.

Wie sie so harmonisch über die Tanzfläche schwebten, erregten sie die Aufmerksamkeit der anderen Leute. Claudia, die Tochter des Moosbach-Bauern, stieß ihre Freundin Gerti etwas unsanft in die Seite. "Schau halt mal, da vorn, ist das net der Leiner Peter, der mit der Eva tanzt?"

Gerti folgte dem Blick ihrer Freundin zur Tanzfläche. Dort sah sie Peter und Eva eine Runde nach der anderen zur Musik drehen.

"Jetzt hast ja wohl keine Chancen mehr beim Peter?", lachte Claudia. Nur gut, dass die Musik ziemlich laut war, denn ihr Lachen klang nicht wohlwollend.

"Der Peter interessiert mich doch schon lang net mehr. Der wechselt seine G'schpusi doch alle Nase lang. Und ich wollte mich net in die lange Schlange seiner Verehrerinnen einreihen", erwiderte Gerti schärfer als beabsichtigt.

Eine Stimme ließ sie beide dann herumfahren. "Da schau her, Gerti und Claudia. Die beiden Unzertrennlichen. Schön, dass ich euch auch hier treffe." Ein großer, gut aussehender Mann mit hellen Haaren stand da.

Claudia schaltete als Erste. "Max Oberrainer? Was machst du denn hier? Ich dachte, du lebst jetzt in der Stadt?"

Max lachte freundlich, dabei entstanden kleine Grübchen in seinen Wangen. "Ich habe meine Hotelfach-Ausbildung beendet, ein paar Jahre Erfahrung gesammelt und jetzt bin ich wieder hier. Ich bin der neue Direktor vom Berghotel!"

"Du bist das?", fragte Claudia. "Ich hab gehört, dass da ein Neuer sein soll."

"Mei und der bin ich halt!"

Claudia sah ihn anerkennend an. "Hast es ja ganz schön zu was gebracht!"

"Man tut halt, was man kann."

"Aber warum hast dich denn bisher nirgendwo sehen lassen?"

Er hob die Schultern.

"Zuviel zu tun! Schließlich musste ich mich ja auch erst einmal einarbeiten. Aber als ich hörte, dass heute Dorftanz ist, dachte ich mir, das wäre eine gute Gelegenheit, alle mal wieder zu treffen."

Gerti schaute Max an. "Da wirst bestimmt viele treffen. Es ist so voll, dass man glauben könnte, alle Leute aus der näheren und weiteren Umgebung sind hier."

Claudia hakte sich beim Max unter. "Bist nur hier, um zu reden, oder magst auch tanzen?"

Max schaute sie verschmitzt an, dann deutete er eine kleine Verbeugung an. "Darf ich bitten...?"

Kichernd erwiderte Claudia: "Aber gerne!"

Augenblicke später verschwanden sie auf dem Tanzboden zwischen all den Paaren.

 

*

 

"Was hältst du von einer kleinen Pause?" Peter und Eva befanden sich gerade am Rand des Tanzbodens. "Mei, hab' ich einen großen Durst. Soll ich uns etwas zu trinken holen?"

Eva nickte. "Gerne."

Peter verschwand im Gedränge. Eva überlegte noch kurz, ob sie ihn begleiten sollte, denn es würde sicher nicht einfach werden, Getränke zwischen den Leuten durch zu balancieren, die am Rand des Tanzbodens standen und sich versuchten zu unterhalten. Aber dann entschied sie sich dagegen.

In diesem Moment endete das Stück, das die Kapelle gespielt hatte. Einige Paare verließen den Tanzboden.

Max Oberrainer hatte Eva schon entdeckt, als die letzten Takte der Musik verklangen. Er verabschiedete sich von Claudia und steuerte dann auf Eva zu.

Eva sah den groß gewachsenen, blonden Burschen direkt auf sich zu kommen.

"Servus, Eva, schön, dich auch hier zu treffen."

"Max? Mei, grüß dich! Was machst du denn hier? Ich dachte, du lebst jetzt in der Stadt!" Eva schaute ihn erstaunt an.

"Nun bin ich halt wieder hier. Ich bin der neue Direktor vom Berghotel."

"Mein Vater beliefert das Berghotel mit frischen Produkten von unserem Hof."

"Ich weiß, ich habe ihn bereits getroffen."

"Mei, davon hat er mir gar nix erzählt. Naja, er hat auch viel zu tun. Und, wie g'fallt es dir wieder, dahoam zu sein?"

"Ich bin froh, wieder hier zu sein. Das Stadtleben ist nix für mich. Ich lieb' halt die klare Bergluft. Und es gibt nix Schöneres, als morgens die Sonne hinter den schneebedeckten Bergen aufgehen zu sehen."

"Das versteh' ich. Dazu hast dann ja auch reichlich Gelegenheit, als Direktor vom Berghotel. Ihr habt von da oben doch die beste Aussicht."

Eine kleine verlegene Pause entstand. Dann meinte Max: "Tja, man sieht sich."

"Bestimmt. Wenn Vater keine Zeit hat, bringe ich nämlich unsere Waren rauf zum Berghotel."

"Wie schön, dann sehen wir uns ja jetzt a bisserl häufiger. Mich freut's!"

In diesem Moment trat Peter zu den beiden. Zwei Gläser Wein hielt er in den Händen. Eines davon reichte er Eva.

"Dank dir", sagte Eva. "Schau, Peter, wen ich getroffen habe. Den Oberrainer Max!"

"Grüß dich", brummte Peter und nickte dem Max zu. Sonderlich begeistert schien er über dessen Anwesenheit nicht gerade zu sein. Das Lächeln des Leiner Peter wirkte reichlich gezwungen. "Was hör i da? Ihr wollt euch jetzt öfter sehen?" Offenbar hatte er einen Teil des Gesprächs zwischen Eva und dem Oberrainer Max mitbekommen. "Mei, wie soll ich denn das verstehen?"

Obwohl Peter so zu tun versuchte, als wäre diese Bemerkung nur ein Spaß, konnte man ihm doch anmerken, dass ihm die Anwesenheit des Oberrainers nicht recht war.

"Nur geschäftlich, Peter", versuchte dieser, die Situation zu entschärfen. Max zwinkerte Eva zu. "Mei, ich muss dann jetzt auch weiter. Schönen Abend noch und Servus!" Sprach's und verschwand in der Menge.

Eva lachte Peter herzlich an. "Was sollte denn die Frage, von wegen öfter sehen und so...? Bist am End gar eifersüchtig auf den Maxl?"

"Geh, Eva!" Peter legte seine freie Hand um ihre Taille. Er atmete tief durch und sah sie offen an. "Und wenn es so wär'? Mei, schließlich möcht' man sein Schatzerl, wenn man es denn gefunden hat, auch für immer behalten. Oder siehst das net auch so?"

"Freilich tu ich das!", stieß sie hervor. Sie schaute Peter an. "Für immer?", wiederholte sie dann seine Worte. Ihr Herz klopfte wie wild. Sollte dies womöglich ein Antrag gewesen sein?

"Wenn du auch magst, dann für immer!" Peter sah ihr tief in die blauen Augen. "Kannst dir vorstellen, es so lang mit mir auszuhalten?"

Evas Herz tat einen Sprung. "Ja, das kann ich." Sie zwinkerte ihm fröhlich zu und lachten beide.

Er liebt mich genauso wie ich ihn!,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: (C) ALFRED BEKKER CASSIOPEIAPRESS
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2015
ISBN: 978-3-7368-7085-7

Alle Rechte vorbehalten

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