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Die Fehde am Bergsee

von Alfred Bekker

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 93 Taschenbuchseiten.

 

Die beiden Töchter des Waldner Franzl, eines Bergsee-Fischers, stehen im Mittelpunkt dieses Romans um ein dramatisches Schicksal in den Bergen.

 

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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1

"Vorsicht!", rief der Waldner Franzl, als das Boot plötzlich heftig hin und her schaukelte. "Franziska! Lisa! Seid ihr denn jetzt ganz narrisch geworden! Wo habt ihr denn eure Gedanken?"

Sie waren zu dritt auf dem kleinen Boot - der Waldner Franzl und seine beiden Töchter. Und das bedeutete nicht nur, dass es ziemlich eng war, sondern dass jeder der drei auch sehr genau auf seine Bewegungen achtgeben musste, damit das Fischerboot nicht kenterte. Zwar waren sie alle drei gute Schwimmer, aber nach einem unfreiwilligen Bad im eiskaltem Wasser des Bergsees stand dem Waldner nicht der Sinn.

Und von seinen Töchtern war das eigentlich auch nicht anzunehmen.

Die beiden bildschönen Madln sahen ihren Vater etwas erschrocken an.

"Mei, was ist denn los mit euch?", fragte der Waldner. "Wenn man mit dem Fischerboot auf den See fährt, ist das net gerad' der rechte Moment, um herumzuträumen..."

"Geh, Vater! Reg dich net auf, es ist ja nochmal gutgegangen", erwiderte Franziska.

Der Waldner atmete tief durch.

"So gerade eben", gab er dann zu. Seine umwölkte Stirn hatte sich unterdessen aber schon wieder sichtbar geglättet.

Wirklich böse sein konnte er den beiden Dirndln sowieso nicht.

Die Sonne stand schon tief über den schneebedeckten Gipfel, die den Kreuztaler See umgaben. Das Abendrot spiegelte sich auf der azurblauen Wasseroberfläche.

Der Waldner Franzl genoss diesen Anblick jedesmal aufs Neue, wenn er mit seinem Boot hinausfuhr. Das gewaltige Panorama der Bergwelt beeindruckte ihn immer wieder.

Daran hatte sich in all den Jahrzehnten nichts geändert, in denen er nun schon seine Fischerei auf diesem malerischen Bergsee betrieb, dessen glasklares Wasser überall seinesgleichen suchte.

Zusammen mit seinen Töchtern Franziska und Lisa war er mit dem Boot hinausgefahren, um die Reusen zu leeren. Die beiden Madln waren zu hübschen, jungen Frauen herangewachsen und halfen fleißig im elterlichen Fischerei-Betrieb mit.

Franziska war die jüngere der beiden. Sie hatte blondes, leicht gelocktes Haar, das sie mit einem Haarband zu bändigen pflegte. Ihre himmelblauen Augen waren von derselben Farbe wie die Oberfläche des Kreuztaler Sees bei gutem Wetter.

Ihre ältere Schwester Lisa hatte etwas dunkleres, aber immer noch blondes Haar, das ihr bis auf die Schultern herabfiel. Sie galt allenthalben als die Temperamentvollere und Mutigere der beiden. Und so hatte Franziska nicht selten das Gefühl, etwas ins Hintertreffen zu geraten - besonders wenn es darum ging, einen der feschen Burschen aus der Gegend anzusprechen.

Lisa wagte mehr und aufgrund ihrer charmanten Art gewann sie auch fast immer. Sich einen Korb einzufangen, davor hatte das Madl keine Angst. Außerdem spielte sie ganz gerne mit dem Feuer. Franziska war da von etwas vorsichtigerer und nachdenklicherer Natur.

Im ganzen waren die beiden Schwestern allerdings meistens ein Herz und eine Seele - trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit.

Der Waldner mochte gar nicht daran denken, was geschehen würde, wenn die beiden Madln irgendwann einmal nicht mehr im Betrieb mithalfen. In diesem Fall musste er dann einen Gehilfen anstellen. Auch wenn seine Frau ihm schon seit längerem riet, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, so wollte der Fischer davon doch erst einmal nichts wissen.

"Geh, Vater, du musst schon ein bisserl aufpassen, dass du net vom Kurs abkommst!", sagte die Franziska plötzlich.

Franzl Waldner stellte fest, dass seine Jüngere recht hatte.

Er war so in Gedanken gewesen, dass das Boot jene Uferstelle mit ziemlicher Sicherheit verfehlt hätte, an der die Reusen festgemacht waren. Selbst ohne Fernglas konnte man sie jetzt bereits sehen. Die Pflöcke, an denen sie befestigt waren, ragten leicht über die Wasseroberfläche.

Der Waldner riss die Pinne des Außenbordmotors herum, so dass das Boot auf Kurs kam.

"Mei, ich war halt ein bisserl in Gedanken", sagte der Waldner. "Aber das gilt heute ja wohl net allein für mich, geh?"

Sie erreichten gerade die Reusen, da tauchte in der Ferne ein weißes Kajütboot auf und die drei blickten einige Augenblicke lang wie gebannt dorthin.

"Das ist die BERGSEE-KÖNIGIN", stellte Lisa fest und begann zu winken.

"Geh, Lisa!", meinte die Schwester. "Auf die Entfernung sieht dich doch sowieso niemand!"

"Der Martin wird mich schon bemerken", meinte Lisa selbstbewusst. "Wer weiß, vielleicht schaut er gerade jetzt mit dem Fernglasl in unsere Richtung..."

"Das ist doch Schmarrn!", stieß Franziska hervor.

"Mei, was bist denn so kratzbürstig!"

"Du tust ja gerade so, als wärst gut bekannt mit dem Martin!"

"Und was würdest du sagen, wenn ich's wär?"

"Dann würde ich sagen, dass du da gewiss net allein bist, Schwesterherz!"

"Ich weiß gar net, was du hast, Franziska! Du hast doch deinen Peter! Was ist denn dagegen einzuwenden, dass ich's mir genau anschau, wenn ein neues Mannsbild in der Gegend auftaucht!"

"Gegen das Schauen hat auch keiner was gesagt, Lisa!"

Der Waldner hatte seinen beiden Töchtern eine Weile erstaunt zugehört. "Mei, was ereifert ihr euch denn? Der Brandner Martin hat scheinbar einen nachhaltigen Eindruck auf euch gemacht...."

Lisa zuckte die Achseln. "Ganz fesch ist er ja..."

"...aber wie man so hört, lässt er ja nix anbrennen", ergänzte Franziska.

Lisa sah ihre Schwester mit erstauntem Gesicht an.

"Das braucht ja deine Sorge net zu sein - oder?"

Martin Brandner war vor einiger Zeit am Kreuztaler See aufgetaucht und hatte eine Tauchschule eröffnet. Dem Waldner hatte es erst gar nicht gefallen, dass dadurch mehr Touristen in die Gegend gezogen wurden. Misstrauisch hatte er das Kajütboot des Brandners betrachtet und schon geargwöhnt, dass das Treiben des Neulings vielleicht negative Folgen für den Fischfang haben könnte. Inzwischen war er zu der Erkenntnis gelangt, dass der strahlend blaue Kreuztaler See vielleicht doch groß genug für sie beide war.

"Nun verdreht mal net vollends eure Hälse", meinte der Waldner schließlich, während seine beiden Töchter dem weißen Kajütboot nachblickten. "Oder wollen wir den Fang heute in der Reuse lassen?"

Die beiden Madln lachten und dann machten sich die drei ans Werk.



2

Es dämmerte schon, als der Waldner mit seinen Töchtern zum heimatlichen Fischerhaus zurückkehrte. Es lag idyllisch am Seeufer. Ein schmucker Bootssteg führte ins Wasser hinein.

Und ganz in der Nähe befanden sich ein paar Räucherstuben.

Schon von weitem sah Franzl Waldner, dass zwei Personen auf dem Bootssteg waren und ihnen zuwinkten. Die eine Person war seine Frau. Und bei der anderen handelte sich um den Niedermayer Peter.

"Scheint, als wäre Besuch für dich da", brummte der Waldner zu Franziska. "Jedenfalls nehme ich an, dass der Niedermayer deinetwegen gekommen ist..." Der Waldner seufzte. "Mei, musste es den ausgerechnet einer von denen sein?"

"Geh, Vater! Hast irgendetwas gegen den Peter vorzubringen? Er ist ein rechtschaffener Bursche - und für das, was damals unserem Bruder passiert ist, kann er nix!"

Das Gesicht des Waldners wurde düster.

"Eingebildet ist er, der Sohn des Großbauern! Hält sich wohl für was Besseres als unser eins!"

"Das ist net gerecht, was du jetzt sagst!", entgegnete Franziska sehr ernst.

Vor Jahren hatte der Waldner neben seinen beiden schmucken Töchtern auch einen Sohn gehabt. Xaver hatte er geheißen.

Zusammen mit Hans, dem älteren Sohn des Niedermayer-Bauern, war er zu einer waghalsigen Bergtour aufgebrochen. Die beiden jungen Männer waren in ein Unwetter hineingeraten und nicht zurückgekehrt. Später hatte man sie beide nur noch tot bergen können. Seitdem war der Waldner nicht gut auf alles zu sprechen, was den Namen Niedermayer trug, denn er machte Hans' Leichtsinn für den Tod seines Sohnes verantwortlich.

Allein, so pflegte er immer zu sagen, hätte der Xaver sich niemals auf ein so riskantes Unternehmen eingelassen.

Und nun ging seine Tochter mit dem jüngeren Sohn des Großbauern! Selbst von einer Verlobung war schon die Rede!

Der Waldner konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass ihre beiden Familien auf diese Weise miteinander verbunden sein sollten. Allein der Gedanke daran war ihm schon unerträglich, denn jedesmal, wenn er den Peter sah, wurde er an diese tragische Geschichte erinnert. Die Wunde in seinem Inneren, die nur sehr langsam heilen wollte, wurde dann immer wieder aufs Neue aufgerissen.

Erschwerend kam noch hinzu, dass Peter Niedermayer seinem älteren Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten war und sich darüber hinaus in seiner Freizeit auch, genau wie dieser, als eifriger Kletterer betätigte.

Unwillkürlich ballte der Waldner die Hände zu Fäusten, als er den Peter auf dem Steg stehen sah.

Kann der sich net ein anderes Dirndl aussuchen?, ging es dem Fischer ärgerlich durch den Kopf. Muss es denn ausgerechnet meine Franziska sein?

Andererseits war Franzl Waldner Realist genug, um zu wissen, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Aber vielleicht, so hoffte er nach wie vor, würde das Madl doch noch zur Besinnung kommen und sich anderswo nach einem geeigneten Mann umschauen.

Manchmal wünschte er sich sogar, dass Franziska etwas mehr von der Leichtlebigkeit ihrer Schwester gehabt hätte. Dann hätte sie den Bauernsohn gewiss längst vergessen gehabt, war er überzeugt.

"Ich sag dir, der ist nix für dich!", meinte er, obwohl er wusste, dass Franziska ihm kaum zuhören würde. "Der Peter ist genauso leichtsinnig wie sein Bruder war. Du willst es nur net wahrhaben!"

"Weil es auch net der Wahrheit entspricht, Vater!", versetzte Franziska bestimmt.

"Geh, Madl! So gut kannst ihn noch gar net kennen", schüttelte der Waldner den Kopf. "Der Peter ist doch mit dem goldenen Löffel geboren. Genau wie sein Bruder! Und nur deshalb ist er so leichtsinnig. Lass es dir gesagt sein."

"Ach Vater! Wenn du die Vergangenheit doch nur vergessen könntest!"

"Vergessen?", fragte der Waldner etwas unwirsch. "Du sprichst von deinem Bruder!"

Franziska seufzte.

"Das vergesse ich schon net. Darauf kannst dich verlassen! Aber ein bisserl freundlicher könntest trotz alledem zum Peter sein..."

Das Boot erreichte bald den Steg. Franziska sprang an Land und machte es mit geschickten Handgriffen fest.

Ihre Mutter begrüßte die Ankömmlinge mit einem herzlichen Lächeln. "Früh seid ihr diesmal zurück", stellte Maria Waldner fest. "Ich hoffe nur, dass auch etwas in den Reusen war!"

"Mei, ein bisserl war es schon", murmelte die Franziska und blickte geradewegs an ihrer Mutter vorbei.

"Ja, du hast Besuch, mein Kind", kommentierte die Waldnerin. Dann beugte sie sich etwas vor und murmelte in gedämpftem Tonfall: "Tu mir einen Gefallen und lass es heut' Abend net zu spät werden..."

"Na, das wird es schon net", erwiderte Franziska.

Und diese Erwiderung hatte ihren guten Grund.

In letzter Zeit hing zwischen den beiden nämlich ein bisschen der Haussegen schief. Nicht, dass sie sich lauthals gestritten hätten, aber der Peter redete dauernd vom Heiraten und das Madl war sich einfach nicht sicher, ob sie dazu schon bereit war. Irgendwie fühlte sie sich für solche Gedanken noch ein bisschen zu jung. Erst einmal etwas vom Leben haben, bevor man sich die ganze Verantwortung auf den Hals lädt!, so sagte eine Stimme in Franziska. Es gab da noch eine zweite, widerstreitende Stimme, der es eigentlich kaum schnell genug damit gehen konnte, vor den Altar zu treten und einen eigenen Hausstand zu gründen. Aber die zweite Stimme war im Moment noch die Schwächere.

"Grüß dich, Peter", seufzte sie, als sie dem Sohn des Niedermayer-Bauern gegenüberstand. "Das ist nett, dass du vorbeischaust..."

Einträchtig gingen sie den Steg entlang und erreichten schließlich das feste Land. Weil das Seeufer recht flach war, ragte der Steg ziemlich weit in den See hinein.

Der Niedermayer Peter war ein fescher Bursche.

Hochgewachsen, mit breiten Schultern und hellwachen Augen, mit denen er das Madl begehrlich anblickte.

"Mei, selbst in deiner Arbeitskleidung siehst hübsch aus, Franziska", meinte er anerkennend. "Und die ist ja nun net gerade figurbetont..."

"Geh, Peter..."

"Das war als Kompliment gemeint!"

Franziska lächelte.

"Ich hab's auch so aufgefasst. Aber du übertreibst damit ein bisserl!"

"Ich seh das schon richtig..."

"Ich werde mich trotzdem erstmal umziehen, bevor wir zwei was unternehmen... und ich denke, da wirst wohl kaum etwas dagegen einzuwenden haben!"

Eine halbe Stunde später spazierten die beiden etwas abseits des Fischerhauses am Seeufer entlang. Die Berge rings um den Kreuztaler See herum strahlten in den unterschiedlichsten Rottönen. Die weißen Flächen der hochgelegenen Schneehänge leuchteten hell. Die Sonne sank immer tiefer und würde bald hinter den gezackten Gipfeln verschwinden. Schon lagen große Schatten auf dem Hochwald und den Almen.

Hand in Hand gingen die beiden jungen Leute eine ganze Weile lang schweigend am Ufer entlang. Ein aufkommender Fallwind kräuselte die Wasseroberfläche und begann, kleinere Wellen zu erzeugen.

"Mei, ich versteh net, warum du die Sache noch so weit hinauszögern musst, Franziska", begann schließlich der Peter mit dem Thema, das das Madl schon die ganze Zeit über gefürchtet hatte und dessentwegen sie sich auch gar nicht mehr so richtig auf die Treffen mit dem feschen Bauernsohn freute. "In ein oder zwei Monaten könnte Verlobung sein und im Herbst dann die Hochzeit! Bei uns auf dem Hof ist Platz genug, um das ganze Dorf einzuladen! Mei, das würde ein Fest..."

"Geh, Peter - hat das net noch Zeit?"

"Aber wenn man sich doch liebt!"

"Auf der einen Seite hast ja recht - aber..."

Franziska sprach nicht weiter. Sie stockte und brach ab. Zu ungeordnet waren die Gedanken in ihr, als dass nicht etwas über ihre Lippen kommen würde, das sie später vielleicht bereut hätte.

Sie wollte Peter nicht verletzen. Und eigentlich mochte sie ihn ja auch wirklich gern.

Könnte er mir net einfach ein bisserl mehr Zeit lassen?, ging es dem Madl durch den Kopf. Sie konnte es nicht ausstehen, zu etwas gedrängt zu werden. Das war schon als Kind so gewesen und ihre Eltern hatten das hin und wieder seufzend zur Kenntnis nehmen müssen.

"Aber was?", hakte Peter jetzt nach.

Sie blieben stehen.

Ihre Blicke trafen sich. Peter fasste sie bei den Schultern.

Auf seiner Stirn stand eine ernste Falte.

Franziska öffnete halb die Lippen. Sie wollte etwas sagen,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: (C) ALFRED BEKKER CASSIOPEIAPRESS
Bildmaterialien: STEVE MAYER
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2015
ISBN: 978-3-7368-7086-4

Alle Rechte vorbehalten

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