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Im Dienst des Space Army Corps – Zwei Extra Romane

Sonderausgabe „Chronik der Sternenkrieger“

von Alfred Bekker

 

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

 

 

Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet.

 

 

Terrifors Geschichte

von Alfred Bekker

Ein Extra-Roman aus der Serie “Chronik der Sternenkrieger”

 

Dies ist die Geschichte von Raggie S. Terrifor, einem genetisch optimierten Corporal der Einheit von Space Marines an Bord des Raumschiffs STERNENKRIEGER. Seine Story beginnt auf Maldena 22b, einer Supererde mit hoher Schwerkraft. Als das System von Aliens überfallen wird, muss Raggie um sein Überleben kämpfen - zusammen mit zwei umweltangepassten Supererden-Zwergen und einem für die planetaren Verhältnisse viel zu schwachen Normalmenschen-Mädchen.

Erfolgsaussichten: Null Prozent.

 

 

Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

Alle Einzeltitel in chronologischer Reihenfolge:

 

Space Army Corps: Terrifors Geschichte (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer (in Vorbereitung)

 

 

Sammelbände und Sonderausgaben:

 

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

 

Sonderausgabe: Im Dienst des Star Army Corps

 

 

Die Hauptpersonen der Geschichte:

Raggie S. Terrifor - später Space Marine auf der STERNENKRIEGER (um 2254 n. Chr), zur Handlungszeit der Geschichte das Kind von gen-optimierten Eltern auf der Supererde Maldena 22b (etwa 2238 n. Chr.).

Naomi - ein Normalmensch unter Schwerkraftmonstern. Sie stammt vom Merkur.

Joey - ein umweltangepasstes Zwergenmädchen.

Jorian Kelly - später Taktikoffizier an Bord der ODYSSEUS, zur Handlungszeit noch jugendlicher Bewohner einer Adaptionisten-Siedlung auf Maldena 22b, der sich die Zeit mit dem Schleudern großer Steine vertreibt.

Fähnrich Rena Sunfrost - kommandiert eine Shuttle-Mission.

 

*

 

Mein Name ist Raggie S. Terrifor. Was das S. bedeutet, dazu kommen wir später mal. Manche, die mich gut kennen, sagen, das steht für ‘sehr bescheuert’. Aber da gibt es durchaus auch andere Auslegungen.

Aber die meisten Leute nennen mich sowieso einfach Raggie.

Und inzwischen werde ich wohl überwiegend mit Corporal angeredet. Das bin ich nämlich. Corporal der Einheit von Space Marines an Bord des Raumschiffs STERNENKRIEGER unter dem Kommando von Captain Sunfrost.

Aber damit hat es nicht begonnen.

Es hat alles seine Geschichte. Und wenn auch manches ohne Grund zu geschehen scheint, ohne eine Vorgeschichte geschieht fast nichts. Das ist jetzt nicht philosophisch gemeint, sondern einfach nur so, wie ich es sage. Ich denke, Sie verstehen das schon richtig.

Aber ich will die Dinge von vorne berichten.

Meine Story beginnt eigentlich mit meiner Geburt. Aber daran habe ich keine Erinnerung, obwohl ich von genetisch optimierten Typen weiß, bei denen das exakt so passiert ist.

Wie schon erwähnt, so optimiert bin ich nicht. Nur ein bisschen. Geboren wurde ich auf einer Planeten der Drei Systeme. Und meine Eltern waren beide optimiert. Das S. in unserem Namen steht für Soldier. Eigentlich hätten wir Soldaten werden sollen. Oder im Fall meiner Eltern: Bleiben sollen.

Dass ich es später doch noch wurde und dem Space Army Corps der Humanen Welten beitrat, war mir nicht in die Wiege gelegt. Aber ich will Ihnen gerne erzählen, wie es dazu kam.

Die Drei Systeme waren damals noch fester Bestandteil jenes sich gerade erst bildenden Sternenreichs, das man als den Bund der Humanen Welten bezeichnet. Ein Sternenreich, das vielleicht gar nicht mehr bestehen würde, wenn es nicht einen übermächtigen äußeren Feind gegeben hätte. Jeder weiß, wovon ich rede: Von den erbarmungslosen Qriid, die ihren Einflussbereich unbarmherzig voranzutreiben versuchten und sich mit der Menschheit immerhin inzwischen zwei Kriege geliefert haben. Verrückte Glaubenskrieger, die angeblich von Gott den Auftrag haben, dem Universum eine Ordnung zu geben. Dabei ordnet sich das Universum prima von selbst. Das braucht es solche Bekloppten einfach nicht.

Aber die Idee an sich ist ja nicht neu. Und sie ist noch nichtmal typisch extraterrestrisch. Es soll ja auch schon Menschen gegeben haben, die mit ähnlichen Begründungen Kriege angezettelt haben. Ob Gott das überhaupt will, dass jemand für ihn irgendeine Ordnung aufbaut, scheint diese angeblich religiös motivierten Krieger gar nicht weiter zu kümmern.

Vielleicht träumen solche Fanatiker auch nur insgeheim davon, selbst Gott zu sein und wagen das nur nicht öffentlich zu äußern - weil in jeder Kultur, die ich kenne, egal ob außerirdisch, menschlich oder genetisch optimiert - so jemand für verrückt gehalten wird. (Bis auf den kleinen Rest, der sich durchsetzt. Die nennt man dann Propheten. Aber das ist ein anderes Thema.)

Dass die Qriid inzwischen als Verbündete angesehen werden, ist für mich nach wie vor schwer verständlich.

Schwer verständlich und auch schwer erträglich, denn ich denke dann immer an die Toten, die diese Kriege gekostet haben. Und das waren nicht wenige. Einige von ihnen standen mir sehr nahe und ich denke bis heute jeden Tag an sie. Und was die Qriid betrifft: Ich traue ihnen bis heute nicht. Mag sein, dass das wenig großherzig klingt. Mag auch sein, dass es besser wäre, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen und in die Zukunft zu sehen. Und abgesehen von den zwei Kriegen, die unsere Völker gegeneinander geführt haben, hat es ja inzwischen auch einen Konflikt gegeben, in dem wir als Verbündete kämpften. Und das kann in Zukunft durchaus wieder geschehen, denn ob die Gefahr durch die Etnord wirklich endgültig gebannt ist, da möchte ich lieber keine Prognosen wagen.

Aber egal.

Alles beginnt mit der ersten Erinnerung.

Und meine erste Erinnerung spielt schon auf Maldena 22b.

Maldena 22b ist das, was man eine Supererde nennt. Fünfmal so schwer wie die Alt-Erde. Der Planet liegt eigentlich außerhalb der habitablen Zone seiner Sonne. Aber weil seine Schwerkraft so groß ist, ist das Wasser trotzdem flüssig, denn Siede- und Schmelzpunkte gelten immer nur für einen spezifischen Druck in Verbindung mit einer spezifische Temperatur.

Es ist also sehr kalt auf Maldena-22b, aber der Ozean gefriert nicht, wobei sicher auch die enthaltenen Salze ganz hilfreich sind. Aber im Wesentlichen liegt das wohl an den anderen Faktoren, die ich bereits erwähnte.

Es gibt einen Ozean und ein paar Kontinente, wenn man zugesteht, dass Felswüsten als Kontinente zählen. Aber das tun sie wohl. Wirklich schöne Orte zum Leben sind sie nicht. Aber zumindest einer dieser Kontinente ragt hoch genug aus dem Wasser, um von den Gezeiten des Ozeans nicht regelmäßig völlig überspült zu werden und deswegen kann man dort auch Gebäude hinstellen, Siedlungen errichten und alle möglichen anderen Dinge, die Menschen für notwendig halten, wenn sie einen Planeten besiedeln.

Das Problem auf Maldena 22b ist natürlich, dass normale Menschen dort eigentlich nicht leben können, es sei denn, sie tragen andauernd ein Antigrav-Pak. Und zwar auch im Schlaf, sonst drückt ihnen das Gewicht ihres eigenen Brustkorbs noch die Luft ab. (Es sei denn, man lebt in einem Habitat mit Erd-Norm. Das ist aber eher was für die Reichen. Die mit den guten Jobs hier auf Maldena.)

Für Normalmenschen ist das Leben hier kein Vergnügen, denke ich. Außerdem brauchen normale Menschen Atemgeräte, sobald sie ins Freie gehen, weil die Luft zwar ausreichend Sauerstoff enthält, aber der Druck so hoch ist, dass das den Normalos schlecht bekommt.

Bei uns war das anders.

Meine Familie bestand ja aus Soldiers.

Da sind wir dann übrigens wieder bei der Bedeutung des “S.” in der Mitte zwischen Raggie und Terrifor. Meine Eltern trugen es auch.

Dieses “Soldier-S” bedeutet: Genetisch optimiert für den Krieg, ausgestattet mit körperlichen Merkmalen, die das Überleben erleichtern, zusätzlicher Kraft und Ausdauer und solchen Dingen halt. Damit kann man Krieg führen. Das erleichtert die Bedienung schwerer Kampfanzüge und hilft einem, wenn man auf einem unwirtlichen Planeten abstürzt.

Und es ermöglicht einem, auf einer Welt wie Maldena 22b zu leben. Und zwar ohne irgendwelche Hilfsmittel, die ja auch immer mal versagen können, wie jeder weiß, der sich nur ein bisschen mit der Materie befasst hat.

Mein Vater bekam ein gutes Angebot bei einer guten Company.

Maldena 22b hat vielleicht keinen großen Erholungswert, aber große Vorkommen von Deuterium und Schwerem Wasser. Und beides ist sehr begehrt. Also gibt es jede Menge Firmen, die bereit sind, es sich zu holen.

Und eine davon engagierte meine Eltern, die irgendwann einfach den Entschluss gefasst hatten, dass ihr Leben vielleicht doch etwas anderes beinhalten sollte, als sich für einen Krieg vorzubereiten, der vielleicht nie stattfinden würde.

Damals dachte noch niemand an die Qriid-Gefahr.

Genau genommen wusste man noch nicht einmal etwas von der Existenz der Qriid.

Aber so ist das eben: Die Biologie scheint Menschen für etwas Bestimmtes vorgesehen zu haben und dann entscheidet der Mensch einfach, dass er mit seinen Gaben auch etwas völlig anderes anfangen kann. Und genau das haben meine Eltern getan. Schwierigkeiten, Befehle zu befolgen oder dergleichen Skrupel können es eigentlich nicht gewesen sein, die sie dazu bewogen haben, eine andere Bestimmung zu suchen. Denn normalerweise beinhaltet eine genetische Optimierung auch psychische Faktoren.

Zumindest in der Tendenz.

Aber anscheinend ist das, was man die Psyche nennt - oder um das altertümlich klingende Wort dafür zu benutzen: Die Seele! - doch sehr viel unberechenbarer, als sich das so die Gen-Ingenieure vorstellen.

 

*

 

Ich wuchs also in Far Galaxy City auf.

So hieß das Camp des Far Galaxy Konzerns auf Maldena.

Meine Eltern arbeiteten zwar nicht für diesen interstellaren Riesen-Konzern, sondern für eine kleine, aber feine Deuterium-Company, aber Far Galaxy stellte nahezu die gesamte Infrastruktur der Kolonie auf Maldena. Und da hatten sie vielleicht auch das Recht, Far Galaxy City eben so zu nennen, wie sie es getan haben.

Von dem Zusatz “City” mal abgesehen.

Das war ein Witz.

Vielleicht auch ein Anfall von akutem Wunschdenken, wie es an einem Ort, der so weit von der Erde und den anderen zivilisierten, angenehmen gut erschlossenen Kolonien entfernt ist.

Ich sage deswegen auch bewusst nicht Stadt oder Ort. Denn Camp bezeichnet es eigentlich besser. Es waren provisorische Gebäude für einen provisorischen Aufenthalt, bei dem es nur darum ging, so viel an wertvollen Schätzen zu plündern, wie man finden konnte. Und dieser Planet war reich an diesen Schätzen.

Die hohe Schwerkraft erschien mir normal. Ich erinnerte mich nicht daran, jemals unter anderen Bedingungen gelebt und geatmet zu haben. Und dasselbe gilt für den Luftdruck und die Kälte. Damit wuchs ich auf und es war für mich so normal, wie es für die Bewohner der Erde die Bedingungen auf dem blauen Planeten sind.

Auch wenn es für jeden, der Maldena 22b kennt, eigenartig klingen mag: Dieser größtenteils von mehr oder weniger Schwerem Wasser (ja, man beachte das Wortspiel! Space Marines sind nämlich keinesfalls per se nur dumm und gewalttätig!) bedeckte Gesteinsbrocken war meine Heimat. So habe ich diese Welt empfunden.

Und wenn da nicht ein paar andere, nicht so erfreuliche Dinge wären, die alle in der einen oder anderen Form mit dem Krieg zu tun haben, dann würde ich mich ausschließlich positiv an diese Zeit und an diese Welt erinnern.

 

 

Der erste Krieg gegen die Qriid begann im Jahr 2236 und endete drei Jahre später. Niemand weiß, warum dieser Krieg letztlich begann und genauso unklar ist, weshalb er so plötzlich endete. Dass der Krieg 2236 begann, ist insofern richtig, als es für die Humanen Welten insgesamt zutrifft.

Aber Maldena 22b ist ein abgelegener Hinterweltlerplanet. Es ist nicht übertrieben, wenn ich das sage. Und auf Maldena begann der Krieg erst 2238. Vorher hatten wir nichts damit zu tun. Es gab ein paar Meldungen darüber, aber bis zu dem erwähnten Jahr war das etwas, was in weit entfernten Regionen des Universums stattfand. Wie eine ferne Bedrohung, von der man hoffte, dass sie vielleicht doch noch einfach so verschwinden würde, ohne, dass man noch extra etwas dazu tun musste.

Ein Unwetter, das vielleicht im letzten Moment doch noch einen anderen Weg nimmt, sodass man nicht davon betroffen ist.

In jenem Jahr, als der Krieg dann um so heftiger nach Maldena kam, war ich zwölf. Es sollte sich alles ändern. In meinem Leben gab es ein Davor und ein Danach. Nichts war danach noch so, wie es vorher gewesen war. Das ist nun mal so.

Aber ich will mich nicht allzu sehr darüber beklagen.

Es gibt schließlich genug Leute, für die endete das Davor einfach und ein Danach hat es für sie nie gegeben. Insofern bin ich eigentlich ganz gut aus der Sache herausgekommen. Besser als viele andere, die damals auch auf Maldena waren.

 

 

Da war ein Mädchen in meinem Alter, das ich gut leiden konnte. Das Mädchen hieß Naomi und sie war nicht nur das einzige Mädchen in meinem Alter auf Maldena, sie war genau genommen sogar der einzige Teenager überhaupt in Far Galaxy City. Vielleicht mochten wir uns in erster Linie deswegen, weil wir quasi die einzigen unserer Art und damit extrem aufeinander angewiesen waren. (Ich weiß, da gab es noch die Zwerge. Aber das ist ein anderes Thema, zu dem ich noch komme. Und außerdem gab es keine Zwerge in Far Galaxy City. Auch keine Zwergen-Teenager.)

Der Punkt, der Naomi und mich verband war einfach dieser: Die Auswahl an möglichen Gesprächspartnern war wirklich sehr bescheiden.

Und so teilten wir vieles miteinander, was wir unter anderen Umständen ganz sicher nicht getan hätten.

Naomi hatte es auf Maldena schon deswegen sehr viel schwerer als ich, weil sie ein Normalo-Mädchen war. Ohne Antigrav-Pak und Atemmaske konnte sie nicht einmal richtig atmen, geschweige denn aufrecht gehen. Sie war einfach nicht geschaffen für diese Supererde mit ihrer hohen Schwerkraft. Und was die Kälte betraf, trug sie eine Gesichtsmaske aus Neopren, um Erfrierungen zu vermeiden. Vor allem dann, wenn Wind aufkam. Und Maldena 22b ist nun einmal eine Welt, auf der auf Grund der besonderen Druckverhältnisse, schon geringe Windgeschwindigkeiten erhebliche Auswirkungen haben können. Was anderswo ein laues Lüftchen ist, kann hier die Auswirkung eines irdischen Hurrikan haben. Liegt am höheren Luftdruck.

Von dem sogenannten Windchill-Faktor will ich gar nicht erst gar nicht erst reden. Schon deshalb nicht, weil ich den kaum spüre - Normalo-Menschen wie Naomi allerdings schon.

 

*

 

Ich weiß noch, wie ich das erste Mal bei Naomi zu Hause war. Ihr Vater war nämlich ein wichtiges Tier bei Far Galaxy. Zumindest wichtig für Maldena, vielleicht nicht ganz so wichtig für den Far Galaxy Konzern als ganzen.

Jedenfalls wohnten sie in einem Habitat-Ressort am Rande von Far Galaxy City, in dem durch Antigrav-Aggregate Erdschwere herrschte. Natürlich auch Erdatmosphäre und der Luftdruck der Erdnorm. So wie es Standard für alle Raumschiffe war und man es auch in zahllosen Habitaten finden konnte, die Menschen der Alt-Erde oder ihre Abkömmlinge errichtet hatten, um dort zu siedeln.

Ich gestehe, dass mein Körper erst Mühe hatte, sich mit diesen Bedingungen anzufreunden. Mit einer harmlosen Bewegung landete ich bereits schmerzhaft an der niedrigen Decke des Ressorts. Ich war es schließlich gewohnt, sehr viel mehr Kraft aufzuwenden. Und da ich unter der normalen mittleren Fallgeschwindigkeit auf Maldena 22b das Fünffache wog, hatte das natürlich die entsprechenden Folgen.

Die Luft erschien mir dünn und ich dachte für einige Augenblicke, dass mein Brustkorb auseinandergerissen würde. Für mich war die Atmosphäre im Ressort Unterdruck.

Dass ich später als Space Marine an Bord von Schiffen des Space Army Corps andauernd unter solchen Bedingungen leben würde und eigentlich auch keine Probleme damit verbunden sind, konnte ich mir in diesem Augenblick noch nicht vorstellen.

“Das muss doch schrecklich hier für dich sein, Naomi”, meinte ich.

“Wieso?”

Sie sah mich verständnislos an. “Wieso sollte es schrecklich auf Maldena für mich sein?”

“Naja, hier tobt nicht gerade der Bär, oder?”

“Nein, das ist richtig.”

Die Redewendung hat sich immer noch erhalten. Aber sie zeigt auch, wie sehr die Menschen selbst jetzt, da sie sich in der Weite des Kosmos ausgebreitet haben, immer noch am Standard der Erde hängen. Selbst jemand wie ich, auf den das in anderer Hinsicht doch gar nicht zutrifft.

“Genau genommen tobt hier gar nichts”, sagte ich. “Es gibt noch nichtmal Tiere hier auf Maldena.”

“Da, von wo ich herkomme, gibt es noch weniger als nichts”, sagte sie.

“Wo kommst du denn her?”

“Von Merkur.”

“Ist das nicht im Sol-System?”

“Richtig.”

Ich war nie im Sol-System gewesen.

Die Erde war für mich eine ferne Welt.

Der Ursprung der Menschheit und so weiter, Sie wissen ja.

Genau genommen ist die Erde ja nichtmal das Zentrum des Bundes der Humanen Welten, denn der Humane Rat tagt ja auf dem Mars.

Aber ich glaube, das ist nur eine kosmetische Maßnahme, die das Übergewicht der Erde gegenüber ihren Kolonien etwas abdämpfen und auf ein erträgliches Maß zurückstutzen soll.

Egal.

Von Merkur hatte ich noch nichts gehört.

Schien trotz seiner Nähe zur Erde auch nicht wirklich ein wichtiger Planet zu sein. Auf jeden Fall nicht wichtig genug, dass sich ein umfangreiches Terraforming gelohnt hätte.

Aber Naomi erzählte mir einiges über den Merkur.

Und dann verstand ich auch besser, was sie mit ihrer Bemerkung gemeint hatte.

Ich erfuhr, dass der Merkur so langsam rotiert, dass drei seiner Jahre zwei seiner Tage entsprechen. Und dass es auf der einen Seite dieser Welt sehr heiß und auf der anderen sehr kalt ist.

“Wir wohnten in einem Krater in der Nähe des Pols”, sagte Naomi mir. “Da war es minus 170 Grad kalt, weil nie ein Sonnenstrahl dort hinfiel. Das muss man sich vorstellen! Ein paar Kilometer weiter konnten während des Tages über 400 Grad erreicht werden. Aber in dem Krater gab es sogar dauerhaft gefrorenes Eis. Deswegen sind die ersten Siedler überhaupt zum Merkur gekommen, weil man dort genug Wasser hatte!”

“Klingt ja auch nicht unbedingt, wie ein Ort, an dem es sich gut gehen lässt!”

“Wieso nicht? Wir hatten ein Habitat nach Erdnorm.”

“Also genau wie hier.”

“Exakt.”

“Dann kann man sagen, für dich hat sich nichts verändert.”

Naomi nickte. “Könnte man so sagen - bis auf eine Sache.”

“Und die wäre?”

“Hier brauche ich keinen Raumanzug, wenn ich rausgehe. Und ich kann auch den Krater verlassen, ohne befürchten zu müssen, lebendig gekocht zu werden.”

“Den Krater?”

“Naja, wir lebten doch in einem Krater. Crator Town, Merkur. Allerdings war das kulturelle Angebot dort trotz der ungemütlichen Lage deutlich besser, als hier auf Maldena. Das muss ich schon sagen.”

“Ich nehme an, das wird noch besser. Mit der Zeit.”

“Glaube ich nicht.”

“Wieso nicht?”

“Mein Vater meint, Far Galaxy würde da in nächster Zeit nicht weiter investieren. Und wer sollte das hier auf Maldena denn sonst machen? Die kleine Company, für die dein Vater arbeitet ja wohl nicht.”

“Stimmt auch wieder.”

Deuterium und Schweres Wasser ernährten uns alle. Aber so richtig reich hatten sie weder uns noch unsere Company noch die planetare Kolonie insgesamt gemacht. Diese Welt hatte einfach einen Makel, den ich gar nicht als solchen empfand: Die hohe Fallgeschwindigkeit. Fast 5 g sind einfach kein Pappenstiel und nicht jeder Normal-Erdmensch hat Lust, andauernd mit einem Antigrav-Pak herumzulaufen.

Naomi war in dieser Hinsicht ja nicht gefragt worden.

Sie war einfach mit ihren Eltern mitgezogen.

Und jetzt war sie nunmal hier.

Aber wie gesagt, ich begrüßte das.

Als einziger Teenager in einem Camp wie diesem, das sich City nennt, wäre es vielleicht doch am Ende etwas arg langweilig geworden.

 

 

Ein ganzes Stück von Far Galaxy City entfernt lag die Siedlung der Adaptionisten.

Oder besser gesagt: Die nächste Siedlung der Adaptionisten, denn es gab mehrere davon und irgendwie betrachteten sie sich wohl auch als eine Art Ureinwohner des Planeten. Es gibt ja grundsätzlich zwei Ansatzpunkte, wie man die Besiedlung fremder Planeten durch die menschliche Spezies angehen kann. Möglichkeit eins ist, man passt den Planeten dem Menschen an. Man errichtet habitable Zonen, künstliche Lebensräume oder betreibt sogar Terraforming.

Die andere Möglichkeit ist, dass sich der Mensch dem Planeten anpasst.

Durch genetische Manipulationen ist das innerhalb einer Generation möglich. Ein paar DNA-Schalter werden umgelegt und schon hat man unter Umständen eine sehr große Wirkung. Schließlich ist in unserem Erbmaterial alles drin, was uns unsere Vorfahren so hinterlassen haben: Vom Einzeller über Fische, Reptilien, Säugetiere bis zu unserer heutigen Ausstattung.

Terraforming ist langwierig.

Habitate zu errichten ist kostenaufwändig und erfordert sehr viel technischen Aufwand, wenn die Lebensbedingungen auf der betreffenden Welt extrem sind.

Die Adaptionisten sind deswegen immer den Weg der Anpassung gegangen.

Sie stammen meistens von den frühen menschlichen Auswanderern ab.

Die umweltangepassten Real Martians auf dem Mars kann man dazuzählen, auch wenn sie nie eine Ideologie daraus gemacht haben, dass sich ihre Körper an die geringere Marsschwerkraft anpassten.

Den Siedlern der ersten Auswanderungswellen ins All fehlten häufig die technischen Mittel, um ihre Umgebung den eigenen Bedürfnissen anzupassen.

Schon ihre Raumschiffe waren in aller Regel primitiv. Sie haben schlicht aus der Not eine Tugend gemacht - und selbst die einfache Gen-Technik des 21. Jahrhundert war schon zu erstaunlichen Anpassungen des Menschen an seine Umgebung fähig.

Spätere Adaptionisten-Generationen machten daraus so etwas wie eine Ideologie.

Die Anpassung sei ein Prinzip des Lebens überhaupt und so.

Ich sehe das alles pragmatischer.

Ich bin zwar genetisch optimiert, aber nicht deshalb, um auf einer bestimmten Welt leben zu können, sondern um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Das ist schon noch ein kleiner Unterschied, wie ich finde. Aber wie auch immer.

Es ist leider so, dass auf vielen Menschheitswelten die Adaptionisten, die in einer ersten Welle der Besiedlung kamen, von nachfolgenden Wellen in die Rolle einer Minderheit gedrängt wurden.

Denn diejenigen, die später kamen, dachten nicht im Traum daran, sich anzupassen. Sie errichteten Habitate und Ressorts.

Orte, an denen man leben konnte, wie auf der Erde. Die Erfindung des Antigravs und der künstlichen Schwerkraft machten es möglich.

Es ist kein Problem mehr, auf einer Welt zu leben, die einen normalerweise zerquetschen würde. Sie kann mit Hilfe von Antigrav-Aggregaten zu einem ganz angenehmen Ort werden.

Zumindest zu einem, an dem man überleben kann. Und wenn es einen auf eine Welt mit geringerer Schwerkraft verschlagen hat, dann nimmt es niemand mehr in Kauf, dass die Muskeln schrumpfen, der Körper länger und graziler wird und man nach einer oder zwei Generationen ein Antigrav-Pak braucht, um unter den sogenannten Normalbedingungen noch existieren zu können.

 

*

 

Die Art und Weise, wie Naomi und ich uns fortbewegten, war schon sehr eigenartig. Zumindest, wenn ich das aus heutiger Sicht betrachtet.

Damals kam es mir vollkommen normal vor.

Naomi schwebte mit ihrem Antigrav-Pak in gemäßigtem Tempo daher. Die Dinger sind zwar nicht in erster Linie zum Fliegen konstruiert, aber aber sie lassen sich auch dafür benutzen. Vor allem in unwegsamen Gelände, wo es zu Fuß etwas schwierig wird.

Das Gelände war hier unwegsam, aber das war natürlich nicht der Grund dafür, dass sie das Antigrav-Pak zum fliegen benutzte. Zu Fuß wäre sie wohl kaum hundert Meter weit gekommen. Die Normalmenschen sind einfach zu schwach für Maldena 22b. Es ist keine geeignete Welt für sie. Aber ich war trotzdem froh, dass Naomi hier war.

Die Gründe habe ich ja schon erläutert.

Aber der wichtigste Grund war wohl, dass ich sie einfach gut leiden konnte.

Während Naomi also mit dem Antigrav-Pak daherschwebte und immer wieder mal eine Düse zündete, lief ich im Dauerlauf daneben her. Meinen Antigrav hatte ich so heruntergeregelt, dass ich zwar ein bisschen schneller laufen konnte, als es normalerweise auf dieser Supererde möglich gewesen wäre, aber immer noch ein gewisser sportlicher Ehrgeiz befriedigt wurde.

Genau genommen hatte ich den Antigrav nur deshalb mitgenommen, weil es auf dem Weg zur nächsten Adaptionisten-Siedlung eine Felsspalte gab, die man ohne technische Hilfe einfach nicht überwinden konnte. Selbst ich nicht.

Wir müssen auf irgendwelche Beobachter wie ein äußerst seltsames Paar gewirkt haben. Aber das war mir schon deswegen egal, weil es auf Maldena kaum Beobachter gab.

Hatte man Far Galaxy City erstmal hinter sich gelassen, dann gab es da zunächst einmal nichts mehr. Nur eine kahle Steinwüste. Oder eine Steinküste, an der sich die Wellen brachen.

Es gab noch nicht einmal Moose und dergleichen. Das Leben hatte sich auf Maldena einfach noch nicht aus dem Wasser herausgewagt.

Naomi sagte mir irgendwann einmal, dass man Maldena mit der frühen Erde vergleichen konnte, und zwar in der Zeit als sich gerade die Landmassen gebildet hatten und es einzelliges Leben nur im Ozean gab, während das Land noch steril und tot war.

Genau so war es hier.

"Wir hätten doch einen Gleiter nehmen sollen", meinte Naomi schließlich nach einer Weile.

"Wieso, wir kommen doch super voran", sagte ich. "Abgesehen davon, wer sollte uns einen Gleiter überlassen?"

"Far Galaxy hat genug davon. Und wenn ich meinen Eltern plausibel machen kann, dass ich so ein Ding unbedingt brauche..."

"So geht ihr mit wertvollem Firmeneigentum um?"

"Far Galaxy ist froh, wenn sie überhaupt jemanden finden, der für den Konzern nach Maldena geht", sagte Naomi. "Da würde nie jemand einen Aufstand deswegen machen, nur weil ein Gleiter vielleicht etwas zweckentfremdet wurde."

"Tja, da kann man mal wieder den Unterschied sehen."

"Welchen Unterschied, Raggie?"

"Na, der Unterschied, ob man für eine reiche und mächtige Konzernfirma wie Far Galaxy arbeitet, die wahrscheinlich reicher ist als die gesamten Humanen Welten, oder nur für eine kleine, arme Deuterium Company, wie das bei meinen Eltern der Fall ist."

“Jetzt tu mal nicht so, als wärt ihr arme Schlucker, Raggie.”

“Sind wir nicht?”

“Deine Eltern werden sich eine goldene Nase verdient haben, wenn sie diese Welt mal verlassen!”

“Ich glaube nicht, dass sie Maldena je wieder verlassen werden”, sagte ich.

“Wieso nicht?”

“Ich habe den Eindruck, dass sie hier genau das gefunden haben, was sie suchen. Ein Business, das sie aufbauen können und das sie erfüllt. Und was die Umweltbedingungen hier angeht, sind sie dafür ja ähnlich passend optimiert wie ich. Also das ist kein Problem.”

“Und du?”

“Was meinst du?”

“Ich nehme an, du willst irgendwann mal hier weg.”

“Habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken drüber gemacht.”

“Aber du musst doch irgendwelche Pläne haben.”

“Habe ich nicht. Und du?”

“Wenn alles gut geht, studiere ich irgendwann mal auf der Erde oder wenigstens Wega oder New Hope.”

“Und was?”

“Keine Ahnung. Irgend etwas, was sich mal zu Geld machen lässt.”

 

*

 

Wir setzten unseren Weg fort.

So unterhielten wir uns oft.

Über Gott und die Welt und die Zukunft.

Darüber, wie es sein könnte und darüber, wie man auf keinen Fall werden durfte.

Aber das alles war mit einem Schlag zu Ende.

Doch ich will

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: (C) ALFRED BEKKER CASSIOPEIAPRESS
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 18.11.2014
ISBN: 978-3-7368-5711-7

Alle Rechte vorbehalten

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