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Winterserenade

 

von Sandy Palmer

 

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

 

So, genau so hat sich die junge Sängerin Bettina Steinberg den Silvesterabend erträumt: Sie darf mit ihrer heimlichen Liebe, dem Startenor Joachim Carlsen, auf der Bühne stehen! Das Publikum ist von der jungen Sängerin begeistert, und auch Joachim ist stolz, dieses bezaubernde, talentierte Wesen für sich gewonnen zu haben. Aber noch vor Mitternacht, noch bevor ein neues Jahr beginnt, droht Bettinas Glück zu zerplatzen wie die Raketen am nächtlichen Himmel ...

 

*

 

„Das Silvesterpublikum ist und bleibt das beste“, lachte Joachim Carlsen und umarmte seine schöne Partnerin, während sich der Vorhang senkte. „Und hier in Zürich singe ich den Eisenstein ganz besonders gern.“

„Es ist wirklich eine ganz tolle Aufführung!“ Bettinas Augen glänzten. Nicht nur, weil auch sie, die noch recht unbekannte Sopranistin, mit so viel Applaus bedacht worden war. In erster Linie machte es sie glücklich, gemeinsam mit Joachim auf der Bühne stehen zu können.

„Du warst erstklassig“, lobte sie der bekannte Tenor. „Aber das hab ich ja gleich gewusst. Nicht umsonst hab ich dich Gerhard als Ersatz für die Sandersen empfohlen.“ Er lachte selbstgefällig. „Wenn ich auch zugeben muss, dass viel Eigennutz im Spiel war. So hab ich dich doch endlich wieder in meiner Nähe. Und du bist eine ganz bezaubernde Adele, mein Schatz.“

„Gute Leistung, Bettina. Kompliment.“ Der künstlerische Leiter kam auf die beiden zu, die immer noch seitlich auf der Bühne standen, während sich die übrigen Ensemble-Mitglieder in ihre Garderoben zurückgezogen hatten, um ein wenig zu entspannen und sich dann umzuziehen.

„Danke.“ Die junge Sängerin errötete ein wenig. Vor einer knappen Woche erst war Bettina für die an einer schweren Angina erkrankte Sängerin Janine Sandersen eingesprungen. Ein sehr wagemutiges Unternehmen – aber auch eine riesengroße Chance. Und die verdankte sie Joachim Carlsen!

Seit einem gemeinsamen Engagement in Düsseldorf vor einem knappen halben Jahr waren sie liiert. Leider konnten sie sich nur selten sehen, denn die Verpflichtungen des bekannten Tenors waren umfangreich. Bettina hingegen war froh, wenn sie an kleineren Bühnen ein Engagement bekam. Oder auch mal einen Liederabend mitgestalten durfte.

Und jetzt stand sie als Adele mit Joachim in Zürich auf der Bühne! In der Silvestervorstellung von Johann Strauß’ weltberühmter Operette „Die Fledermaus“. Walzermelodien und allseits bekannte Arien rissen das Publikum mit, ließen es auch nach der Pause verschwenderischen Beifall spenden.

Star der Aufführung war jedoch Joachim Carlsen, der berühmte Tenor! Vor allem der weibliche Teil des Publikums jubelte dem gutaussehenden Mann zu – was er sichtlich genoss.

Später dann, nach der Vorstellung, eilten alle in die Kantine, die so festlich wie möglich geschmückt worden war. Hier wollten sie alle feiern und das Neue Jahr begrüßen. Um in eines der vielen Lokale der Stadt zu gehen, reichte die Zeit nicht mehr. Und hier zu feiern, hatte auch Vorteile: Man war unter sich, konnte sicher sein, ungestört zu bleiben.

„Trinke, Liebchen, trinke schnell, trinken macht die Augen hell“, summte Joachim, als er mit einem frischen Glas Champagner zu Bettina trat, die gerade an der improvisierten Bar stand und sich mit zwei Kollegen unterhielt. „Auf uns“, raunte er ihr zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Harmlos sollte das aussehen, aber einige hatten schon bemerkt, dass der berühmte Sänger mehr als kollegiales Interesse an der jungen Sopranistin hatte.

„Noch vier Minuten!“, rief Regina Pettinger, die eine hervorragende Altstimme besaß und den Prinzen Orlofsky gesungen hatte. „Kommt doch mit raus auf die Terrasse, da können wir das Feuerwerk sehen!“

Die meisten folgten ihr. Nur Joachim blieb etwas zurück, er hielt Bettina am Arm fest und raunte: „Bin ich froh, wenn wir gleich allein sind! Ich kann es kaum erwarten...“

Ein wenig verlegen sah sie sich um. Nein, niemand hatte etwas gehört.

„Schäfchen!“ Er lachte zärtlich. „Glaubst du wirklich, die anderen sind ahnungslos?“ Und schon umarmte er sie leidenschaftlich, zog sie dann hinaus in die kühle Nacht, wo schon die ersten Rakete in der Luft zerstoben und Kaskaden von bunten Lichterfunken an den Nachthimmel malten.

Bettina schaute sich um. Nein, niemand nahm von ihnen Notiz. Alle waren damit beschäftigt, die Gläser zu füllen und darauf zu warten, endlich das Neue Jahr begrüßen zu können.

„Diese Idylle! Ich bin immer wieder fasziniert von deinem Timing, mein Lieber.“ Die Frau, die an der Terrassentür stand und jetzt auf Joachim Carlsen zuging, war eine faszinierende, beeindruckende Erscheinung, obwohl sie klein und zierlich war: Schwarzes Haar umrahmte in einem perfekt geschnittenen Pagenkopf ihr schmales Gesicht. Dunkle Augen, geschickt geschminkt, blitzten Joachim an. Der kirschrote Mund war zu einem spöttischen Lächeln verzogen, an dem die Augen jedoch keinen Anteil hatten.

„Vanessa...“ Der Sänger räusperte sich verlegen. „Was... was machst du denn hier?“

„Ich hatte eigentlich vor, mit meinem Mann Silvester zu feiern. Wie du weißt, hab ich in diesem Jahr kein Engagement. Und da liegt es doch nahe, dass ich mit dir zusammen sein will. Nicht wahr?“ Lässig schob sie das schwarze Nerzcape ein wenig nach hinten, man konnte ihr eng anliegendes, ebenfalls schwarzes Samtkleid bewundern, das nur am Dekolletee von einer großen Brillantbrosche geschmückt wurde.

Bettina umkrampfte das Sektglas so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten und man Angst haben musste, gleich würde das Glas in ihrer Hand zerspringen. So wie die unzähligen Raketen, die jetzt am Himmel zerstoben alles in ein glitzerndes Meer aus roten, blauen und goldenen Sternen tauchte.

Und dann zerplatzten die bunten Sterne, wurden in Sekundenschnelle zu dunklem Nichts.

So, wie gerade Bettinas Liebe zerstob. Aber nicht laut und von fröhlichem Rufen untermalt. Sondern still und leise. Doch unendlich schmerzhaft.

Aus brennenden Augen sah sie abwechselnd Joachim, dann die schöne Fremde an. Die lächelte ihr jetzt spöttisch zu.

„Sie haben keine Ahnung gehabt, Kindchen, nicht wahr?“ Ein lässiges Schulterzucken begleitete die Worte. „Tja, das ist seine Masche.“ Dann wandte sie sich wieder an Joachim. „Stell mich doch bitte vor, mein Lieber.“ Sie nickte in die Runde. „Wobei ich sicher bin, dass mich einige kennen.“

Es schien, als sei mit diesem letzten Satz der Bann gebrochen. Einige ältere Kollegen traten auf das Paar zu und begrüßten die Frau in Schwarz.

„Das ist Vanessa Margolini”, raunte eine Chorsängerin Bettina zu. „Sie hat lange in Amerika und Australien gelebt. Ich glaube, in den letzten beiden Jahren war sie in Sydney.“

Bettina atmete schwer. Vanessa Margolini... natürlich war ihr der Name ein Begriff. Sie besaß eine wundervolle Mezzosopranstimme, hatte schon an allen bekannten Opernhäusern der Welt gastiert. Dass sie allerdings mit Joachim Carlsen verheiratet war... das schien ein Geheimnis zu sein.

„Vanessa! Darling!“ Der Dirigent, klein und übergewichtig, segelte auf die Sängerin zu und küsste ihre Hände. „Davon hat Joachim mir gar nichts gesagt! Du weißt zu überraschen!“

„Das genau war meine Absicht.“ Die schöne Frau lächelte, und wieder waren ihre Augen nicht beteiligt. Dennoch sah sie strahlend zu Joachim auf, als sie fortfuhr: „Wir sehen uns so selten. Und ich hatte Sehnsucht nach dir.“ Sie hauchte einen Kuss in die Luft.

Bettina konnte es nicht mehr ertragen, mit den beiden auf Tuchfühlung zu stehen. Abrupt drehte sie sich um und stürzte davon. Aus der Kantine, aus dem Operngebäude.

Draußen blieb sie schwer atmend stehen und sah sich nach einem Taxi um. Natürlich war weit und breit kein Wagen zu sehen.

„Hier, Kindchen, dein Mantel.“ Edda, die alte Garderobiere, brachte ihr den Steppmantel nach draußen und legte ihn Bettina um die Schultern. „Du musst es nicht so schwer nehmen. Joachim ist ein Don Juan. Vanessa weiß das – und sie weiß auch, dass er immer wieder zu ihr zurückkehrt.“

„Aber... Ich hatte ja keine Ahnung...“

„Die beiden haben unzählige Verehrer. Da ist es ganz günstig, als Single zu gelten. Die Fangemeinde ist dann größer.“ Die alte Frau zuckte mit den Schultern. „Na ja, richtig find ich das nicht. Aber wer fragt schon nach meiner Meinung.“ Sie umarmte Bettina kurz. „Nimm’s nicht so tragisch. Sieh es als das, was es ist: Eine Affäre, die dir hier viel Erfolg eingebracht hat. Der Carlsen hatte seinen Spaß, du bist auf der Karriereleiter ein Stück höher geklettert durch ihn. So seid ihr quitt.“

Das klang pragmatisch. Und vielleicht war es auch die richtige Einstellung. Nur... Bettina konnte so nicht denken. Mit einem knappen. „Danke“ drückte sie Edda die Hand, dann rannte sie davon.

Und irrte die halbe Nacht durch Zürich. Verzweifelt. Traurig. Gedemütigt und – zum Glück – auch wütend. Auf sich, weil sie so leichtgläubig gewesen war. Auf Joachim, der mit ihr gespielt hatte.

Und als die Wut

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alfred Bekker, CassiopeiaPress
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 15.10.2014
ISBN: 978-3-7368-4803-0

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