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Zwei Western: Verraten für 1000 Dollar / Jagd auf den Ladykiller

von Thomas West

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Der Umfang dieses Ebook entspricht 223 Taschenbuchseiten.

 

Verraten für 1000 Dollar

Harte Männer und Frauen, die alle um den Verstand und manche um ihr Leben bringen.
Ein pralles Sittengemälde aus der Zeit des Wilden Westens - ein echter Thomas West. Hart, schonungslos und ohne Tabus.

1

Sie trank Wasser, tatsächlich - Wasser. Und sie plapperte praktisch ohne Unterbrechung. Seit einer halben Stunde schon. Vielleicht auch länger, die Zeit verging wie im Flug, seit Eric ihr im Gewühl der Uniformen und Abendkleidern über den Weg gelaufen war.

"Bei uns zu Hause in Boston zum Beispiel werden Sie niemanden hören, der auf der Straße oder in öffentlichen Räumen flucht, glauben Sie mir, Lieutenant VanHoven..."

Eric hörte ihr fasziniert zu. Nicht ihren Worten, nein - ihrer klaren, hohen Stimme hörte er zu. Wie Musik entströmte sie ihrem großen Mund - Musik, die Eric unter die Haut ging und sein Zwerchfell in Schwingungen versetzte.

Eric war ein hagerer, mittelgroßer Mann mit blonder, störrischer Lockenmähne, die ihm bis auf die Schulterstücke der Uniform reichten. Er hasste die steifen Offiziersbälle, er mochte die gezierten Reden der feinen Ladies und das prahlerische Gehabe der altgedienten Haudegen nicht. Doch jetzt sprach plötzlich alles für einen aufregenden Sylvester-Abend.

"... auf seiner Flotte hat mein Vater den Männern das Fluchen verboten und den Whisky streng rationiert, und ob Sie's glauben oder nicht, Lieutenant VanHoven, den Sitten der Seeleuten hat das gut getan..."

Sie hatte sich in Eifer geredet, hielt ihn wohl für einen aufmerksamen Zuhörer, wie er da vor ihr stand in seiner Galauniform mit seinen Orden und seinem Kavallerie-Säbel, wie er lächelte, hin und wieder nickte oder ein verbindliches 'Was-Sie-nicht-sagen' von sich gab. Ihre Augen waren von einem ungewöhnlich dunklem Blau.

"Der Whisky ist es, der die Besiedlung dieses schönen Landes aufhält, der Suff und die Sittenlosigkeit..."

Ihr dunkelbraunes Haar hatte sie zu einem kunstvollen Knoten über dem Nacken zusammengebunden, ein schlanker sehniger Nacken. In Gedanken streichelte und küsste Eric ihn.

"...wissen Sie eigentlich, dass Präsident Houston seinen Truppen eine Woche vor der Schlacht von San Jacinto den Whisky verboten hat?" O Gott - wie ihn diese herrlichen Augen jetzt anschauten! Dieser kindliche Eifer, diese unschuldige Naivität! Eric atmete tief durch. Er schätze die Frau - das Mädchen? - auf höchstens neunzehn Jahre.

"...ich glaube, anders hätte er die Mexikaner niemals geschlagen..."

"Da könnten Sie Recht haben, Mary-Anne." Zufällig kannte er ihren Vornamen, eine ältere Lady aus der Festgesellschaft hatte sie so genannt. "Das ist ein wirklich interessanter Gedanke..."

Lieutenant Eric VanHoven wusste, dass die Kleine Märchen erzählte. Er war dabei gewesen vor zehn Jahren bei San Jacinto, als die jämmerliche texanische Armee den mexikanischen General Santa Anna zum Teufel gejagt hat. Als junger Corporal hatte er sich vor der Schlacht Mut angetrunken. Genau wie viele der älteren Kavalleristen auch.

"...Texas wird blühen, Lieutenant VanHoven, wenn man in diesem Land dem Whisky und dem Fluchen entsagt..." Ein kleiner, fester Busen unter ihrem hellblauen Seidenkleid hob und senkte sich rascher. Leidenschaftlich gestikulierte sie mit ihren schmalen, filigranen Händen. Und dieser Mund - wie er sich spitzte, wölbte und auseinanderzog! Eric konnte nicht anders - er musste an eine andere ihrer Körperöffnungen denken, an den Mund zwischen ihren Beinen. Scharf sog er die Luft durch die Nase ein.

"...wenn man anfängt die Bibel so eifrig zu lesen, wie bei uns zu Hause in Boston, wenn man die Ehe heilig hält, dann wird Texas blühen! Sie werden an mich denken, Lieutenant VanHoven!"

O ja, das würde er, jedenfalls in den nächsten Stunden. "Bedenkenswert, was Sie da sagen, Mary-Anne", lächelte Eric. "Ich glaube, Sie verstehen mehr von Texas, als manch ein alteingesessener Siedler."

Entzückende Röte strömte über ihre Wangen. Sie neigte den Kopf und gönnte ihm einen charmanten Augenaufschlag. Eric sah sich in Gedanken ihr schmales, pfirsichhäutiges Gesicht küssen.

Aus der Menge der in kleinen Gruppen zusammenstehenden Offizieren in Gala-Uniformen und Ladies in langen, eng geschnürten Kleidern löste sich ein Butler, ein Neger. Er hob das Silbertablett mit den Champagner-Kelchen und deutete eine Verneigung an.

"Danke." Eric nahm Mary-Anne ihr Wasserglas aus der Hand, stellte es auf das Tablett und nahm zwei gefüllte Champagner-Kelche herunter. Eines reichte er dem entzückenden Mädchen.

"O nein, Lieutenant - ich trinke niemals." Ihre dunklen Brauenbögen wölbten sich. Das verlieh ihrem schönen Gesicht einen Anflug von Ernsthaftigkeit, der Erics Zwerchfell veranlasste sich ebenfalls zu wölben.

"Dann wird es Zeit, es zum ersten Mal zu tun", sagte Eric mit seiner dunklen Samtstimme. "Das Jahr dauert nur noch vier Stunden, das letzte von zehn Jahren, in denen Texas ein selbstständiger Staat war..."

"Und dann beginnt das erste Jahr, in dem Texas ein Bundesstaat der glorreichen Vereinigten Staaten ist", lächelte sie und nahm ihm das Glas ab. "Also gut, das ist wirklich ein Grund zu feiern." Sie stießen an. Er wusste, dass er sie auf diese Weise herumkriegen würde. Sie war eine glühende Anhängerin der förderalen Idee, ein Yankee-Mädchen aus dem Bilderbuch, er selbst ein Verfechter des freien Texas.

Aber das war nun unwiderbringlich vorbei. Das große Geld häufte sich nun mal an der Ostküste. Sie tranken.

Nicht lange, dann setzte sich eine der eleganten Offiziersgattinnen an den Flügel. General Zachary Taylor höchstpersönlich griff zur Fidel - bald flatterte Musik durch das Offizierskasino von Fort Worth. Musik von diesem windigen Österreicher, der vor knapp fünfzig Jahren in einem Wiener Armenhaus gestorben sein soll. Eric hatte sich nur einen der Vornamen merken können, weil er so ungewöhnlich war - 'Amadeus'.

Mary-Anne plauderte weiter munter drauf los, Eric hörte weiter aufmerksam zu, umgarnte sie dabei mit beiläufigen Komplimenten und verschlang ihre köstliche Gestalt mit den Blicken. Sie bemerkten kaum den Applaus nach der musikalischen Einlage.

Eine Stunde später etwa tauchte General Zachary Taylor neben Eric auf. "Sir!" Der Kavallerieoffizier stand stramm.

Taylor verbeugte sich vor Mary-Anne. "Sie sehen bezaubernd aus, Miss Buchanan." Sie bedankte sich artig und mit einem Seitenblick auf Eric. "Tut mir Leid, wenn ich Ihnen Ihren Kavalier für kurze Zeit entführen muss. Wirklich nur für ein paar Minuten."

Dann an Eric gewandt. "Würden Sie mir einen Augenblick folgen, Lieutenant VanHoven?"

"Selbstverständlich, Sir." Eric griff nach der Hand des Mädchens. Zärtlich küsste er ihre Finger. Zärtlicher und länger, als es die gesellschaftlichen Regeln in Offizierskreisen erforderten. "Nicht fortlaufen, Mary-Anne", flüsterte er. "Ich komme wieder..."

Der General führte Eric in ein kleines Nebenzimmer. Dort bot er ihm einen Zigarillo an. Eric angelte ein Schwefelholz aus seiner Uniformtasche und gab dem General und sich Feuer.

"Texas Zeiten als unabhängiger Staat sind vorbei, Lieutenant", begann er. "Seit genau neunzehn Tagen gehören wir zu den Vereinigten Staaten. Und das ist gut so."

"Ich seh das mit einem lachenden und einem weinenden Auge, General", sagte Eric. "Washington bezahlt zwar nun unsere Schulden, aber ich lass mich nicht gern kaufen."

Der General blies einen Rauchring gegen die Holzdecke. "Genau das gefällt mir an Ihnen, Lieutenant. Wie schade, dass Sie als Weiberheld, Spieler und Whiskyvernichter einen genauso guten Ruf haben, wie als Soldat." Er legte ihm die Hand auf die Schulter, eine vertrauliche Geste, die Eric aufhorchen ließ. Was will der alte Fuchs von mir?

"Ein Mann wie Sie, Lieutenant. Einer, der schon vor fünfzehn Jahren die Grenzen Texas gegen Comanchen und Mexikaner verteidigt hat. Einer, der unter Sam Houston den mexikanischen Diktator geschlagen hat..."

Er ging zu einem Sekretär aus dunklem Eichenholz, schob die Rollklappe nach oben und entnahm ihm eine Flasche und zwei Gläser. "Ob's Ihnen gefällt, oder nicht, Lieutenant - Leuten wie Ihnen verdankt Texas das, was es am heutigen Tag ist." Er schenkte eine bernsteinfarbene Flüssigkeit ein und reichte Eric eines der Gläser. "Ohne ihre Kapriolen hätten sie längst ein Kommando."

"Wahrscheinlich haben Sie Recht, Sir." Eric nahm eines der Gläser entgegen. Er ahnte, worauf der General hinauswollte.

"Schottischer Malt", sagte der, "Prost." Sie stießen an und tranken. Flüssiges Feuer perlte durch Erics Kehle.

"Um es kurz zu machen, Lieutenant: Ich würde ihnen gern ein Kommando geben." Endlich ließ er die Katze aus dem Sack. "Das Kommando über fünf Schwadronen eines Kavallerie-Regiment und über ein Fort."

"Als Lieutenant, Sir?" Eric mimte den Überraschten.

"Natürlich nicht, VanHoven - als Colonel." Er ließ sich in einem der schweren Sessel der Sitzgruppe nieder, die fast den halben Raum ausfüllte. Mit dem Zigarillo wies er auf den Sessel ihm gegenüber.

"Sie kennen die Mexikaner gut genug, Lieutenant. Wie ich, werden auch Sie nicht damit rechnen, dass Santa Anna unseren Anschluss an die Vereinigten Staaten einfach so hinnimmt." Eric nickte. "In Washington und in der Armeeführung stellt man sich auf einen Krieg mit Mexiko ein. Selbst die Optimisten glauben nicht, dass Santa Anna bis zum nächsten Sommer mit den militärischen Auseinandersetzungen warten wird."

"Und nun müssen die Forts an der Grenze befestigt werden", folgerte Eric.

"So ist es Lieutenant. Ich möchte, dass sie im Frühjahr nach Fort Clark Springs reiten, als Colonel, wie gesagt. Zuerst mit drei Schwadronen. Wenn sie das Fort ausgebaut und befestigt haben, kommen zwei weitere Schwadronen nach."

Eric nippte an seinem Whisky. Fort Clark Springs also... Er kannte das alte Fort am Südrand der Great Plains aus seiner Zeit bei den Texas Rangern. Ein kleiner Stützpunkt im Kampf gegen kriegerische Komanchen. Und in den dreißiger Jahren, während des texanischen Unabhängigkeitskrieges, war es zu einer Befestigung gegen die Mexikaner ausgebaut worden. Etwa zwanzig Meilen östlich des Rio Grande, und nicht weit von Del Rio entfernt.

"Eine Schwadron liegt dort bereits, erzählt man sich."

"Sagen wir: Eine halbe." Der General machte ein mürrisches Gesicht. "Sie ist in einen Hinterhalt der Komanchen geraten, der Kommandant ist gefallen." Aus listigen Augen musterte er Eric. "Mein Angebot gilt - entscheiden Sie sich, Lieutenant VanHoven."

"Ich brauch Bedenkzeit, Sir."

"Ich gebe Ihnen eine Woche, genau eine Woche!"



2

Zurück im Ballsaal des Kasinos hielt Eric nach der jungen Frau Ausschau. Seine Stimmung war deutlich gedämpft, das verdross ihn. Fort Clark Springs... nichts für ihn.

Neben der Pianistin hatten sich ein paar Offiziere mit Musikinstrumenten aufgebaut: Fideln, Akkordeon und eine Klampfe. Sie spielten dieses schwungvolle, moderne Zeug, das polnische Einwanderer über den Ozean mitgebracht hatten. 'Polka', oder so ähnlich nannte man es.

Hier in Forth Wort, oder in Austin oder San Angelo lebte es sich leicht und bunt - Pferde und Musik, Whisky und Frauen. Alles, was ein Mann wie Eric zum Leben brauchte. Vor allem Frauen.

Fort Clark Springs dagegen bedeutete Einöde, schlechtes Essen, rationierter Schnaps und den halben Tag Pokern. Und zwar ausschließlich in Gesellschaft von Männern.

Nichts wovon Eric VanHoven träumte. Wenn ein Krieg ihn dazu zwingen sollte - kein Problem. Aber freiwillig? Nein.

Paare drehten sich schwungvoll zu der flotten Musik. Unter den Tanzenden entdeckte er sie endlich. Sie tanzte mit Trevor Huntington. Eric vergaß Fort Clark Springs und das in Aussicht gestellte Kommando.

Huntington war Lieutenant wie Eric, nur jünger. Drei oder vier Jahre. Ein hoch aufgeschossener Bursche mit schütterem rotblondem Haar und einem ewigen Jungengesicht. Er stammte aus Nashville, Tennessee. Eric mochte ihn.

Doch das hinderte ihn nicht, ihm die Tänzerin abspenstig zu machen. Nichts konnte Eric VanHoven von einem Ziel abbringen, das er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Oder fast nichts.

"Danke, Trevor", lächelte er. "Du hast meiner Lady die Langeweile vertrieben, während ich unabkömmlich war." Er verneigte sich vor dem Paar. "Das nenne ich Freundschaft."

Trevor grinste säuerlich und zog ab. Eric legte die Arme um Mary-Anne, sie lächelte und errötete. Er wusste, dass er sein Ziel auch an diesem Abend erreichen würde.

Zwei, drei Mal wiegte er sie in seinen Armen hin und her, lauschte der Musik, suchte den Rhythmus, und führte sie dann in schwungvollen Drehungen durch den Saal. Leicht wie eine Feder flog sie dahin, anmutig wie ein junges Pferd. Er suchte ihren Blick, seine grauen Augen hielten sie noch fester, als seine Arme. Lachende Augen, in denen etwas Rätselhaftes lag. Jedenfalls fanden die Frauen das.

'Schlangenbeschwörung' nannte Erik diese Phase eines Flirts.

"Trevor sagt, Sie seien der beste Reiter des Regiments." Nur zögernd ließ sie ihn nach dem Tanz los. "Sogar der beste in ganz Texas."

"Er übertreibt gern, der gute Trevor", lachte Erik. Er applaudierte den Musikern, wie alle anderen auch.

"Er sagt, ihr Pferd sei weiß wie Schnee."

"Eine Schimmelstute, stimmt." Erik zuckte mit den Schultern. "Ob sie weiß wie Schnee ist, kann ich nicht sagen. In den letzten Jahren hat es so selten geschneit, dass ich mich kaum an die Farbe des Schnees erinnern kann."

Der Auftakt zur nächsten Musik. Die Tanzpaare traten zusammen. Erik zog die junge Frau an sich. "Aber vielleicht wollen Sie sich meine Stute ansehen, Mary-Anne", raunte er ihr ins Ohr. "Dann können Sie selbst beurteilen, ob sie weiß wie Schnee ist. Bei euch an der Ostküste schneit es doch öfter einmal..."

"O - das würd' ich sehr gern", flüsterte sie. "Wann?"

"Jetzt gleich..." Zwei, drei Drehungen, und sie waren im Eingangsbereich. Erik zog das Mädchen hinter sich her und öffnete ihr die Tür. Über Veranda und Vortreppe liefen sie zum Reithof hinunter. Ein sternklarer Himmel wölbte sich über Forth Worth, es war nicht besonders kalt, obwohl der Januar vor der Tür stand.

Erik legte den Arm um Mary-Anne, sie ließ es zu. "Wie alt sind Sie, Mary-Anne?"

"Zwanzig, und Sie, Eric?" Zum ersten Mal sprach sie ihn beim Vornamen an. Seine Zuversicht wuchs.

"Dreiunddreißig."

"O - das ist ein gutes Alter..."

Erik schob die Tür zu den Stallungen auf. "Wie meinen Sie das?" Er zog sie hinein. Es roch nach Heu, Pferd und Leder. Sie merkte nicht, wie er den Riegel vorschob.

"Ich meine..., ich wollte sagen..." Er genoss ihre Verlegenheit. "Meine Mutter war auch dreizehn Jahre jünger als Dad..." Erik entzündete eine Öllampe. Im Lichtschein sah er die Pfirsichröte ihres niedlichen Gesichtes.

"War?"

"Sie ist gestorben." Mary-Anne senkte den Blick. "Vor sechs Jahren. Bei einem Schiffsunglück auf dem Mississippi."

"Das tut mir Leid." Er fuhr ihr zärtlich über das Haar.

Mary-Anne blickte auf und lächelte. "Zeigen Sie mir Ihr schneeweißes Pferd." Er fasste ihre Hand und zog sie an Dutzenden von Boxen vorbei. Geschnaube und leises Gewieher begrüßten ihn von allen Seiten. Vor dem Verschlag mit seiner Stute blieb er stehen. "Wie schön", staunte Mary-Anne. "Tatsächlich - sie ist weiß wie frisch gefallener Schnee." Sie ließ seine Hand los näherte sich der Stute. "Wie heißt sie?"

"Venus."

"Hallo, Venus. Ich bin Mary-Anne - wie gehts?" Sie sprach schmeichelnd und leise mit Erics Stute, streichelte ihre Mähne, tätschelte ihre Nüstern. "Ein wunderschönes Tier..."

"Wollen Sie sich einmal auf sie setzen?" Eric trat hinter Mary-Anne. Er berührte ihre Schultern und zog ihren Rücken an seine Brust.

"Wenn ich darf?", flüsterte sie.

Mit den Fingerbeeren fuhr er von hinten über ihr Schlüsselbeine bis zu ihrem Nacken. Die Haut ihres Nackens fühlte sich an wie Mirabellenhaut. Er konnte nicht widerstehen - er musste diesen Nacken endlich küssen. Seine Lippen drückten sich auf ihre Haut. Er spürte, wie ihr Körper sich erst straffte, als würde sie erschrecken und erstarren.

Doch sie wehrte ihn nicht ab. Seine Zunge kreiste zärtlich in der Spalte ihrer Nackenmuskulatur. Eric dachte an die anderen Spalten ihres Leibes - das Blut schoss ihm in die Lenden.

Sie legte den Kopf auf die Schulter, als wollte sie ihm den Hals bieten. Er fühlte, wie sich ihre Muskeln unter seinen Lippen entspannten, sie drückte sich jetzt sogar an ihn.

Seine Lippen saugten sich an ihrem Hals fest, dort, wo die meisten von ihnen ihre ganz empfindlichen Stellen hatten - Erik kannte sich aus. Und tatsächlich, sie seufzte tief und deutete sogar eine kreisende Bewegung ihrer Hüften an.

Langsam ließ er seine Hände an ihren Armen herabgleiten und einen Augenblick auf ihren Fingern ruhen - sie presste sie gegen ihre Schenkel. Dann wagte er es: Streichelnd fuhr er erst über ihre Hände, dann über die Außenseite ihrer Schenkel, dann über Hüften und Taille langsam nach oben. Als würde sie Musik hören und ihren Körper im Tanz wiegen, bewegte sie sich. Sanft noch, sehr zurückhaltend, aber sie bewegte sich.

Genugtuung erfüllte ihn - die Eroberung lief wie geplant, Sieg auf der ganzen Linie. Er schraubte seine Zurückhaltung ein wenig herunter. Von ihrer Taille aus schob er seine Hände über ihre Rippen auf ihre Brüste. Wieder zuckte sie zusammen.

Behutsam streichelte er die festen, kleinen Hügel. Er tastete die Warzen unter dem Seidenstoff, fühlte wie sie sich aufrichteten und hart wurden - so hart wie sein Schwanz es längst war. Aber statt sich loszulassen, verkrampfte sie sich wieder. "Keine Angst", flüsterte er. "Ich tu dir gut, nur gut..."

Sie seufzte, legte ihre Hände auf seine und drückte sie gegen ihre Brüste. Erik pflegte so etwas als Einladung zu verstehen. Seine Finger drangen durch die Lücken zwischen ihren Knopfleisten, suchten die Warzen und begannen mit ihnen zu spielen.

Mary-Anne stöhnte auf, stieß sich von ihm ab und hielt seine Hände fest - als hätte sie Angst vor ihnen. "Du wolltest mich auf deinem Pferd sitzen lassen..." Er registrierte, wie rasch ihr Busen sich hob und senkte, er sah auch den feuchten Nebel in ihren Augen.

"Aber natürlich..." Er küsste sie, streichelte ihren Rücken, ihr Gesäß, ihre Hüften und Schenkel. Mal drängte sie sich an ihn heran, mal versuchte sie ihn wegzuschieben.

"Du Verführer", keuchte sie und entwandt sich seiner Umarmung. "Ich will auf deine schneeweiße Stute, deswegen bin ich mit dir in den Stall gegangen..."

"Wirklich nur deswegen?" Er packte sie, hob sie hoch und stemmte sie auf den Pferderücken. Der Kleidersaum rutschte bis über ihre gespreizten Schenkel.

"O wie schön", sagte sie mit belegter Stimme. Eric küsste ihr Knie und betrachtete dabei das weiße Fleisch ihres Schenkels. Seine Hand war nun nicht mehr zu bremsen - sie kreiste über ihrer heißen Haut höher und höher, streichelte die Innenseite des Schenkels, berührte die Hüfte und schob sich unter das Höschen.

Er sah wie sie die Augen schloss. "Was machst du mit mir, Eric, was tust du..." Sie war verloren, kein Zweifel, er hatte einen Blick dafür. Und ein Gehör: Ihre Stimme war schon die Stimme einer Ertrinkenden. Er schob seine Finger tief unter den Stoff ihres Höschens, bis er ihren Pelz tastete und dann ihre Lippen, und dann ihre feuchte Spalte.

"Was machst du..." Sie legte den Kopf in den Nacken, hielt seine Hand fest und bog sich gleichzeitig in den Hüften. "Was tust du, was tust du..." Es klang wie eine dringende Einladung, wie ein Hilferuf.

Zärtlich ließ er den Finger seiner Linken zwischen ihren Lippen kreisen, schob ihn dabei tiefer und tiefer in sie hinein, während seine Rechte die Schnalle seines Waffengurtes löste.

Dumpf prallten Degen und Revolver ins Heu. "Was du nur anstellst mit mir...", hauchte sie. Er zog sie vom Pferderücken, lehnte ihren Körper gegen die weiße Stute und ging vor Mary-Anne in die Hocken, um ihr das Höschen über die Schuhe zu ziehen. "Du bist ein Verführer...", flüsterte sie.

Er hob den Saum ihres Kleides und küsste ihren Pelz. Er duftete nach feuchtem Heu. "Verführer!", rief sie plötzlich, fasste seine Schultern und drückte ihn von sich. Die Stute schnaubte, als Mary-Anne an ihr vorbeihastete. Erik hörte ihr Kleid rauschen, hörte ihre Schritte durch die Stallung hallen und hörte das Quietschen des Riegels an der Haupttür.

Dann schlug das Tor zu, und ihre Schritte entfernten sich über den Reithof.

"Bullshit!", knurrte Erik. Er stand auf und klopfte sich das Stroh von der Uniformhose. "Verdammter Bullshit...!" Er betrachtete ihr Höschen in seiner Rechten. Wut und Enttäuschung brannten in ihm. "Na warte - so schnell gibt Eric VanHoven nicht auf..."

Er steckte den Schlüpfer in seine Uniformhose und bückte sich nach seinen Waffengurt...



3

Von den Great Plains her blies rauer Wind über das Grasland. Der Himmel war grau, und es sah nach Regen aus. Geier kreisten über den nahen Tafelbergen im Westen. Von dort näherte sich auch der rötliche Fleck. Er näherte sich ziemlich rasch.

"Das ist sie", knurrte Jeremy Looper.

Der hochgewachsene Mann hatte sich die Zügel seines Wallachs ums Handgelenk gewickelt und hielt das Tier hinter sich fest. Er trug einen schwarzen Hut aus Bärenleder. Auch sein Mantel, seine Stiefel und Handschuhe - alles aus schwarzem Bärenleder.

"Si, das ist sie", echote José Melendez neben ihm. "Die Postkutsche von El Paso nach San Antonio." Melendez war in einen Poncho gehüllt. Blauschwarzes Haar quoll ihm unter dem Strohhut hervor und fiel ihm auf Schulter und Rücken.

"Hols der Teufel - ein Sechsspänner!", rief es aus der Buche am Rande des Abhanges, an dem sie zwischen Felsblöcken und Büschen standen. Der junge Billy Hayes hing dort oben im Geäst und hielt nach der Kutsche Ausschau.

"Komm runter, Billy", rief Amoz Looper ihm zu. "Nicht, dass du sie noch verpasst." Jeremys Bruder Amoz hatte eine auffallend hohe Fistelstimme. Er war einen halben Kopf größer, als der Ältere und fast doppelt so schwer. Niemand behauptete, dass er fett war - jedenfalls niemand, der noch am Leben war.

Jimmy Brown, sein Sohn Robert, und ein dritter Mann stiegen in die Sättel. Die drei stammten aus Del Rio. Dort suchte man sie wegen Pferdediebstahls.

Der achte Mann der Looper-Bande hieß Antonio. Eine Fellmütze statt eines Hutes bedeckte seinen Schädel. Sein schwarzes Haar hatte er sich im Nacken zu einem Dutt zusammengebunden. Ein dichter Schnurrbart bedeckte seine Lippen fast vollständig.

Er trug eine speckige Biberfelljacke. Sie reichte ihm fast bis zu den Knien. Antonio Palacino - die anderen nannten ihn 'Tonio' - war der kleinste unter den Männern von Jeremy Looper. Auch er ein Mexikaner, wie José Melendez. Nur stammte er aus dem Süden des Landes, aus der Gegend um Mexico City. Melendez war in Moterrey aufgewachsen.

"Los. Kaufen wir uns die Kiste." Jeremy Looper schwang sich in den Sattel. Auch die anderen stapften nacheinander zu ihren Pferden.

Jeremy zog sein Gewehr aus dem Sattelhalfter und lud es. Sein Gesicht wirkte wie das Gesicht eines Vierzigjährigen - verwittert, mit tief eingekerbten Falten um die Mundwinkel. Er verzog keine Miene, während er Patronen in die Trommeln seiner Revolver schob. Überhaupt hatte sein Gesicht etwas Gleichmütiges, fast Gelangweiltes.

In seinen hellen, blauen Augen - wenn man sie zwischen den engen Lidern überhaupt erkennen konnten - lag jener wehmütige Schleier, den man manchmal bei Menschen findet, die zuviel gesehen hatten.

Jeremy Looper war neunundzwanzig Jahre alt.

"Wir machen's, wie's letzte Mal, schätz' ich", sagte José Melendez. Jeremy nickte stumm.

Billy Hayes hangelte sich vom untersten Ast der Buche und sprang ins Gras. "Sie haben gerade den Fluss überquert. Ein Conductor sitzt neben dem Kutscher!" Er trug einen schmierigen, grauen Baumwollmantel und ein rotes Halstuch. Feiner Flaum bedeckte sein Kinn und seine Wangen. Billy war noch nicht einmal achtzehn Jahre alt.

"Sonst kein Begleitschutz?", wollte Jeremy Looper wissen.

"Nur der eine Conductor." Billy kletterte auf sein Pferd.

"Also..." José Melendez wandte sich an Tonio, Billy Hayes und Robert Brown. "Ihr habt's gehört - wir machen's wie das letzte Mal. Ihr seid die besten Reiter. Überholt die Kutsche und versucht euch vor sie zu setzen. Wir geben euch Feuerschutz."

"Und passt auf, dass keiner ein Pferd trifft." Jeremy Looper hieb seinem Wallach die Sporen in die Flanken. Das Tier trabte durch die Büsche und Felsen dem Abhang entgegen. "Die Pferde bringen am meisten Geld."

"Hoi! Hoi!" Die Bande preschte den Hang hinunter. "Und keine Gefangenen!", schrie Jeremy.



4

Das Crescendo der Gitarrenakkorde steigerten sich zu einem hämmernden Rhythmus. Sie sah sich auf den runden Spieltisch springen, sah, wie sie Karten, Flaschen und Gläser herunterkickte, sah wie sie sich drehte und die Arme in die Luft warf dabei.

Die Männer grölten und klatschen, versuchten den Saum ihres Kleides zu fassen, pfiffen durch die Zähne. Die Gitarristen umringten den Tisch, lauter braungebrannte, schnurrbärtige Mexikaner mit lachenden Augen.

Und sie tanzte und tanzte - so herrlich leichtfüßig, so göttlich geschmeidig wie man nur im Traum tanzen kann.

Schlagartig verstummten die Gitarren. Die Männer grölten und klatschten. Und dann endlich: Einer nach dem anderen räumte Hosentaschen und Geldsäckchen leer. Münzen, Scheine, Nuggets und Diamanten häuften sich um ihre Füße auf dem Tisch. Immer mehr, bis ein Berg aus Papier und Metall ihr über die Knöchel reichte...

Und dann schrie jemand: "Überfall!"

Heißer Schrecken durchfuhr sie. Ängstlich starrte sie all das Gold und Geld an. "Überfall...!"

Das Traumbild verblasste.

Die Stimme kam von weit her. Luisa hörte Hufschlag. Die Ledergurte unter der Passagierkabine knarrten, Kutschenräder donnerten über den steinigen Boden. Das unsägliche Geschaukel und Geholper drang wieder in ihr Bewusstsein.

"Überfall!" Luisa erkannte die Stimme des Conductors. Sie riss die Augen auf. "Benutzen Sie ihre Waffen, verdammt noch mal! Verkaufen Sie Ihre Haut so teuer wie möglich!!" Vom Kutschbock aus beugte sich der Conductor seitlich herunter und brüllte in die Kabine hinein.

Ein Schuss fiel. Augenblicklich war Luisa hellwach. Der Uniformierte ihr gegenüber riss die Vorhänge vor den Fenstern zurück. Luisa wusste, dass er Offizier der US-Army war. Ein Revolver lag in seiner Rechten.

Er zog das Fenster herunter und streckte den Kopf hinaus. "Sie sind zu acht!", brüllte er. Wieder ein Schuss, und gleich noch einer. Er zog den Kopf ein, drückte sich an die Innenwand und schoss nach draußen.

Neben ihm saß ein Geschäftsmann aus El Paso, ein vielleicht fünfzigjähriger Gentleman in dunklem Frack und mit steifem Hut. Er griff unter die Sitzbank und zog einen Karabiner hervor. "Jesus hilf", sagte eine der beiden Frauen neben Luisa, eine in die Jahre gekommene Matrone. "Jesus, erbarme dich..."

Die andere, die junge Frau des Geschäftsmanns aus El Paso, blieb stumm. Luisa blickte sie von der Seite an. Leichenblass war sie. Die Augen traten ihr schier aus den Höhlen. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu, das sah man ihr an.

Peitschenschläge mischte sich in das wilde Getrampel der sechs Zugpferde. Man hörte den Kutscher schreien: "Hoya! Hoya!" Kugeln schlugen ins Holz der Fahrgastkabine ein. Eine durchschlug die Rückwand, zischte an Luisa vorbei, und drang neben dem Soldaten ins Holz der Vorderwand ein. Die Kabine füllte sich mit Pulverdampf. Hufschlag näherte sich von hinten.

Der Soldat wechselte die Trommel seines Revolvers. "Die Looper-Bande!", rief der Geschäftsmann aus El Paso zwischen zwei Schüssen. "Verflucht! Es ist die Looper-Bande!"

Luisa drückte sich ins Sitzpolster und schob sich näher ans Fenster heran. Vorsichtig spähte sie hinaus. Acht Reiter jagten der Kutsche in gestrecktem Galopp hinterher. An der Spitze, flankiert von zwei Reitern, ein ganz in Schwarz gekleideter Mann. Seine Mantelschöße flatterten hinter ihm her. Das musste er sein! Looper! Der 'schwarze Looper'! In El Paso hatte sie von ihm und seinen Raubzügen gehört.

Die beiden Reiter rechts und links von ihm lösten sich vom Haupttrupp der Bande. Näher und näher preschten sie heran. Der rechte verschwand aus Luisas Blickfeld. Luisa begriff: Von zwei Seiten wollten die beiden die Kutsche in die Zange nehmen.

Luisa griff nach ihrer ledernen Handtasche und öffnete sie. Ihre Augen tränten vom Pulverdampf. Ein Hustenanfall schüttelte die Frau neben ihr. In immer kürzer Abfolge krachten die Schüsse, und pfiffen die Kugeln der Verfolger an der Kutsche vorbei.

Plötzlich schrie der Geschäftsmann aus El Paso auf. Sein Gewehr polterte auf den Boden des Passagierraums. Der Mann schlug mit dem Kopf gegen die Tür, sein steifer Hut fiel zum Fenster hinaus. "Henry!" Seine Frau schrie hysterisch. "Henry...!" Sie warf sich über ihn.

Am rechten Fenster, etwa hundert Schritte von der Kutsche entfernt, tauchte ein Reiter auf - ein junger Bursche in grauem Mantel und mit rotem Halstuch. Die Zügel seines Rotfuchses zwischen den Zähnen zielte er mit einem Gewehr auf die Kutsche.

"Jesus!", stammelte die dickleibige Frau. Sie starrte auf den toten Geschäftsmann und dessen hysterisch schreiende Gattin. "Jesus, erbarme dich...!"

"Können Sie mit einem Gewehr umgehen!?" Hastig stopfte der Offizier Patronen in die Trommel seines Revolvers. Eine Kugel schlug im Fensterrahmen ein, Holzsplitter spritzten durch den Passagierraum.

Die betende Frau griff mit zitternden Händen nach dem Gewehr. Luisa zog den Kopf ein und rutschte vom Sitz in den Fußraum hinunter. Ihre Hand umschloss den Holzgriff ihrer Waffe - ein kleiner, kurzläufiger Revolver von Smith&Wesson. Sie spannte den Hahn.

Die Frau des Geschäftsmanns hörte auf zu schreien, von einem Augenblick auf den anderen. Luisa stemmte sich nach oben. Die Schüsse des Soldaten explodierten in kurzer Folge, ihre Trommelfelle schmerzte. Sie spähte über den Fensterrand.

Ein schnurrbärtiger Reiter in Felljacke und mit Pelzmütze jagte auf gleicher Höhe neben der Kutsche her, vielleicht vierzig Schritte entfernt. Auch er hielt die Zügel mit den Zähnen fest. Aus zwei Revolvern feuerte er auf die Kutsche. Direkt hinter ihm zweiter Reiter, ähnlich jung, wie der auf der anderen Seite. Das Gros der Bande schloss langsam auf.

Der junge Reiter hinter dem Schnauzbärtigen riss plötzlich die Arme hoch und stürzte vom Pferd. Der Offizier hatte ihn getroffen. Luisa ließ sich zurück auf den Boden fallen.

Die Dicke zielte mit dem Gewehr aus dem Fenster. Die Frau des Geschäftsmanns rührte sich nicht mehr. "Schieß endlich!", brüllte der Soldat Luisa an. "Benutz deine Waffe, sag ich dir!"

Luisa machte sich nichts vor - die Kutsche war verloren. Und Passagiere einschließlich Kutscher und Conductor auch - wenn man den üblen Gerüchten über die Looper-Bande glauben konnte. Den Gerüchten, nach denen Jeremy Looper niemals einen Zeugen am Leben ließ. Luisa glaubte sie. Und sie hatte keine Lust schon zu sterben...

Peitschen knallten, Schüsse krachten, die Dicke betete, während sie schoss. Der Conductor draußen auf dem Bock fluchte, und der Kutscher trieb die Pferde an. "Hoya! Hoya...!"

Luisa stemmte sich hoch, richtete die Waffe auf den Soldaten und drückte ab.

Der Waffenarm fiel im hinunter, ungläubig starrte er sie an. Dann rutschte ihm sein Revolver aus der Hand und schlug polternd im Fußraum auf. Er selbst kippte seitlich weg. Über die leblosen Körper des Paares aus El Paso hinweg glitt er vom Sitz.

Luisa warf sich gegen die Rückwand der Kutsche, um aus dem Schussfeld zu kommen. Hastig zerrte sie ein weißes Taschentuch aus ihrer Tasche. Sie streckte es zum Fenster hinaus und winkte. Dann drückte sie Tür auf.

Luisa Saragossa war eine kluge Frau - sie wusste, dass es lebensgefährlich war, was sie tat. Aber eine andere Chance sah sie nicht.

Die Tür öffnete sich nach vorn, Richtung Pferdegespann. Mit der Linken klammerte sie sich am Fensterrahmen fest. Sie setzte den Rechten Fuß auf das Trittbrett außerhalb der Kutsche und beugte sich heraus.

Ihr langes, blondes Haar flatterte im Fahrtwind, der roséfarbene Hut wurde ihr vom Kopf geblasen und pendelte an der Hutkordel auf ihrem Rücken hin und her. Ihr taubenblaues Winterkleid wehte um ihre Schenkel.

"Sind Sie übergeschnappt?!", brüllte der Conductor über ihr. "Bleiben Sie, wo Sie sind!"

Luisa legte die Rechte mit der Waffe auf dem unteren Fensterrahmen auf. Das Geholper der Kutsche machte das Zielen schwer. Doch der Conductor saß nur ein, zwei Meter über ihr. Schon der zweite Schuss traf ihn. Der arme Kerl hatte wahrscheinlich nicht einmal mehr Zeit zu begreifen, was eigentlich geschah.

Luisa schoss die Trommel leer. Sie schoss noch, als der Conductor vornüber auf den Rücken des rechten hintersten Pferdes stürzte. Sein Körper glitt ab und prallte gegen die offene Tür. Luisa wurde zurück in den Wagen geschleudert.

Die dicke Frau auf der anderen Seite betete und schoss noch immer. Sie hatte nichts gemerkt. Erleichtert registrierte Luisa, dass der Schusslärm nachließ. Ihre halsbrecherische Aktion hatte ihre Wirkung auf die Banditen nicht verfehlt.

"Her mit dem Gewehr!" Sie entriss der Frau die Waffe, lud sie und zielte nach oben auf die vordere Holzwand des Passagierraums, dahin, wo sie den Kutscher vermutete. Fassungslos sah die andere zu, wie sie abdrückte.

Drei Schüsse gab sie ab, dann sahen sie den Kutscher im spärlichen Gras aufschlagen. "Warum haben Sie das getan...?", flüsterte die Frau.

"Weil ich am Leben hänge!", schrie Luisa sie an.

Die Kutsche verlor an Fahrt. Reiter tauchten links und rechts von ihr auf. Ein Mann in einem Poncho sprang auf den Kutschbock. Kurz darauf hielt die Kutsche an...



5

Das Tor des Forts öffnete sich knarrend. Die Wachen auf den Türmen, und die Torwachen standen stramm und grüßten. Erik tippte lässig an seine Hutkrempe. Er lenkte seine weiße Stute an den Wachen vorbei. An der Spitze seiner Schwadron ritt er in Fort Worth ein.

Es war eine Schwadron des dritten US-Kavallerie-Regiments. Siebzig Männer von knapp achthundert, die derjenige kommandieren würde, der sich von General Taylor befördern und an die mexikanische Grenze schicken ließ. Nach Fort Clark Springs. Ans Ende der

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alfred Bekker, CassiopeiaPress
Bildmaterialien: Bekker
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2014
ISBN: 978-3-7368-4645-6

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