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Und der Teufel schlug den Takt

 

Western von Pete Hackett

 

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

 

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author www.Haberl-Peter.de

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

 

Joshua Kincaids Augen glühten zornig auf, ein gefährliches Licht begann in ihnen zu lodern. Zwischen den Zahnen knirschte er: "Sie haben also Big Jack die Schuldverschreibungen verkauft, Francis. Sie wissen doch, was das für mich bedeutet. Warum haben Sie das getan?"

In seiner Stimme schwang zuletzt ein drohender Unterton mit.

Sid Francis erwiderte seinen Blick kalt und gelassen. In seinem feisten Gesicht zuckte kein Muskel. Wie ein Berg Fleisch in einem dunklen Anzug saß er hinter seinem Schreibtisch. Seine Hände lagen auf der polierten Platte, seine wulstigen, feuchten Lippen sprangen auseinander. Er stieß hervor:

"Ihre Schulden bei der Bank würden ins Unermessliche wachsen, Kincaid. Sie aber sind niemals in der Lage, auch nur einen einzigen rostigen Cent zurückzuzahlen. Sie kommen nie auf einen grünen Zweig mit Ihrer Ranch.“ Er verlieh seiner Stimme einen energischen Tonfall. „Die Bank will ihr Geld sehen. Gestern ist Ihre Hypothek abgelaufen. Sie waren nicht mal in der Lage, die angefallenen Zinsen zu zahlen. Was wollen Sie denn, Kincaid? Sie haben Ihre Ranch in Grund und Boden gewirtschaftet und brauchen sich nun gar nicht zu beklagen."

"Sie sind ein dreckiger Hundesohn, Francis!", zischte Joshua Kincaid und sein Gesicht verwandelte sich in eine zuckende Fratze des Hasses. Er beugte sich vor und stemmte sich mit beiden Armen auf die Schreibtischplatte. Wie flüssiges Blei tropften die weiteren Worte von seinen Lippen: "Tausendfünfhundert Dollar. Das ist lächerlich. Die Ranch ist gut und gerne das Zehnfache wert ...“

„Tausendfünfhundert Dollar plus fünf Prozent Zins und Zinseszins auf eine Laufzeit von drei Jahren“, verbesserte ihn Francis ungerührt. „Das macht“ - er warf einen schnellen Blick auf die Abrechnung, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag -, „1736 Dollar und 40 Cents.“

Kincaid winkte ungeduldig ab. „Big Jack wird Logan und mich von der Ranch jagen. Er hat das Recht dazu, und Sie haben ihm dazu verholfen. Glauben Sie nur nicht, dass ich das hinnehme. Ich lasse mich nicht fertigmachen. Von niemand. Weder von Ihnen, noch von Jack Turner. Sie werden Ihren Entschluss, ihm meine Schuldverschreibungen zu verkaufen, noch bitter bereuen."

"Wollen Sie mir drohen, Kincaid?", brauste der Bankier auf und knallte seine flache Hand auf den Schreibtisch, dass es klatschte. Zorn rötete sein fleischiges Gesicht. Seine Wangen begannen zu zittern, als eine Welle des Zorns sein Gemüt überschwemmte. Er wuchtete seine Massen in die Höhe. "Verlassen Sie auf der Stelle die Bank, Kincaid! Ich bin fertig mit Ihnen. Wenden Sie sich an Big Jack. Vielleicht gewährt er Ihnen Zahlungsaufschub. Mir aber gehen Sie jetzt aus den Augen. Sonst lasse ich Sie von meinen Leuten auf die Straße werfen."

"Yeah, ich gehe", hechelte Kincaid gehässig. "Fertig aber, Francis, fertig sind wir beide noch lange nicht miteinander."

Joshua Kincaid richtete sich abrupt auf, eine böse, unheilvolle Verheißung ging von ihm aus - etwas, das in dem Bankier trotz aller zur Schau getragenen Autorität und Unbeugsamkeit ein unbehagliches Gefühl verursachte. Es war wie ein Hauch des Bösen, ein giftiger Atem, den Joshua Kincaid verströmte.

Jäh machte der Smallrancher kehrt. Hart hämmerten seine Absätze auf den Fußbodendielen. Die Tür flog krachend hinter ihm zu.

Sid Francis atmete auf. Er wischte sich über die Stirn und bemerkte, dass er leicht schwitzte. Nervös saugte er die Unterlippe zwischen seine Zähne.

Joshua Kincaids Schritte verklangen.

 

*

 

Die Ranch war heruntergewirtschaftet und schien dem Verfall preisgegeben zu sein. Im Korral stand eine Milchkuh. Einige Hühner scharrten im Sand. Im Sta1l meckerte eine Ziege. Mörderische Hitze lagerte über dem Hof. Die Hitze sog Mensch und Tier regelrecht das Mark aus den Knochen.

Joshua Kincaid lenkte seinen Braunen zwischen zwei verwitterten Schuppen hindurch in den staubigen Hof. Die Pferdehufe rissen Staubwolken in die glühende Luft. Schweiß rann dem Smallrancher in Bächen über das Gesicht. Unter den Achseln und auf dem Rücken zeigten dunkle Flecken auf seinem Hemd an, wie sehr er schwitzte. Das Pferd ging mit hängendem Kopf und zog die Hufe mühsam über den Boden.

Kincaids Miene war Spiegelbild seiner Empfindungen. Es waren böse, finstere Gedanken, die er wälzte. Immer wieder kam der Hass in heißen, giftigen Wogen. Er fühlte sich betrogen, aufs Kreuz gelegt.

Er war fertig. Nichts mehr hier gehörte ihm. Die Schuld dafür gab er Gott und der Welt - nur bei sich selbst suchte er sie nicht. Big Jack Turner würde seine Männer schicken, und dann...

Yeah, sie würden ihn und Logan von Haus und Hof fortjagen. Als Bettler würden sie das Land verlassen müssen.

Es nagte und fraß in Joshua Kincaid wie ein unersättliches Tier.

Logan trat aus dem flachen Wohngebäude. Er war siebzehn Jahre alt. Tausendmal schon hatte er seinen Vater seiner Spielleidenschaft und seiner Trunksucht wegen verdammt. Er hatte ihn angefleht, ihn beschworen, ihm gedroht, bei Nacht und Nebel davonzulaufen. Nichts aber konnte bei Joshua Kincaid eine Änderung bewirken.

Mit schwermütigem Blick musterte Logan seinen Vater. Er fürchtete, dass er wieder getrunken hatte. Aber seine Augen blickten heute klar, waren nicht gerötet und wässrig. Allerdings war da war etwas anderes, das Beklemmung in dem Jungen hervorrief. Dunkle Ahnungen kamen auf Logan zu, tief in ihm regte sich eine jähe Angst. Was dieses Gefühl in ihm auslöste, entzog sich jedoch noch seinem Verstand.

Joshua parierte das Pferd, legte seine Hände über dem Sattelknopf zusammen und verlagerte das Gewicht seines Oberkörpers auf die ausgestreckten Arme. Seine Stimme klang misstönend wie eine gesprungene Glocke, als er hervorstieß: "Die Aasgeier haben begonnen, uns das letzte Fleisch von den Knochen zu reißen, Junge. Es ist aus. Die Ranch gehört seit gestern Big Jack Turner. Wir stehen vor dem Nichts."

Logan senkte das Gesicht und starrte in den Staub. Seine Schultern erbebten, seine Züge erschlafften, wirkten plötzlich müde und um Jahre gealtert.

Irgendwie hatte er es schon lange erwartet. Ihnen stand das Wasser bis zum Hals, seit er denken konnte. Sein Vater taugte nichts. Seine Mutter war daran zerbrochen. Bis zu ihrem Tod war ihr Leben ein fortwährender Daseinskampf gewesen. Auch sie hatte es nicht geschafft, Joshua zu ändern oder zu verlassen. Er hielt eisern und unerbittlich fest, was ihm gehörte.

Einen Augenblick hasste Logan seinen Vater. "Wann müssen wir die Ranch verlassen?", fragte er bitter und resigniert.

Sein Vater lachte rasselnd auf. "Wir warten auf Big Jack. Er kommt. Das ist für mich so sicher, wie die Nacht dem Tage folgt. Wir erwarten ihn hier, und dann sehen wir weiter."

Er saß ab und führte das Pferd zum Brunnen. Logan rang die Hände. In seinem Gesicht zuckten die Nerven. Das irre Aufflackern in den Augen seines Vaters war ihm nicht verborgen geblieben. Er näherte sich ihm und fragte bang: „Was hast du vor? Willst du, dass Big Jack uns mit Gewalt fortjagt? Oder denkst du, du kannst ihn überreden, uns weiterhin hier zu dulden?"

"Ich werde mich mit ihm unterhalten", erwiderte Joshua grollend. "Aber in der Sprache, die er versteht. Wenn ich dieses Land verlasse, wird keiner über Joshua Kincaid triumphieren - keiner!"

"Du - du - willst ihn erschießen?“, stammelte der Junge. Es durchfuhr in wie ein Stromstoß. Er riss den Kopf hoch und fixierte Joshua entsetzt. "Big Jack wird mit seiner Mannschaft kommen. Sollen sie dich aufhängen, wenn du auf ihn schießt? Bitte, Dad, du...

"Lass mich nur machen!“, fauchte Joshua und trat vor Logan hin. Er legte ihm die Hände auf die zuckenden Schultern. "Ja, lass deinen Dad nur machen, Logan. Ich werde es diesen Bastarden zeigen.“ Seine Stimme sank herab zu einem eindringlichen, fanatischen Geflüster. "Vertrau mir, Logan-Junge, vertrau mir. Dein Dad weiß, was gut ist für uns."

Entgeistert starrte der Junge den Älteren an. Joshuas Züge waren erschreckend in ihrer unheimlichen Düsternis. Die triebhafte Gier in seinen kleinen, glitzernden Augen traf Logan wie ein eisiger Guss. Ein gnadenlos-brutaler Zug um seinen Mund ließ Logan erschauern.

 

*

 

Einsam und verlassen lag die Kincaid-Ranch vor dem Rudel Reiter. Big Jack Turner hatte ein halbes Dutzend Männer mitgebracht. Es war eine raue Cowboymannschaft. Wer auf Big Jacks Lohnliste gesetzt wurde, musste mit Colt und Gewehr ebenso gut umgehen können wie mit dem Lasso. Der Vormann dieser raubeinigen, falkenäugigen Mannschaft hieß Kenneth Riggs. Er war Big Jacks rechte Hand. Mit seinem Boss verhielt er Steigbügel an Steigbügel am Rand des Hofes. Hinter ihnen verharrten die fünf Reiter auf ihren Pferden. Sattelleder knarrte, Gebissketten klirrten, die Pferde stampften unruhig mit den Hufen und spielten mit den Ohren.

Es war die Zeit des Sonnenuntergangs. Die Berge im Westen schienen zu bluten. Rötlicher Schein lag über dem Land. Die Schatten waren lang, und je schneller sie wuchsen, umso schwächer wurden sie.

"Sicher wusste Kincaid, was die Stunde geschlagen hat, Boss", gab Kenneth Riggs zu verstehen. "Er hat die Konsequenzen gezogen. Schätzungsweise ist das Thema Kincaid für uns erledigt."

Der Rancher saß wuchtig und aufrecht auf seinem Rotfuchs. In seinem nackenlangen, grauen Haar spielte der Wind. Er hatte die Lider zusammengekniffen und schaute unentwegt in die Runde.

Die Milchkuh stand in ihrem kleinen Korral. Stumpfsinnig glotzte sie die Reiter an. Die Hühner badeten im heißen Staub. Die Haustür stand weit offen. Nichts rührte sich. Es war, als wäre auf der Kincaid-Ranch alles Leben erloschen.

Dennoch war da etwas, das den Rancher warnte. Es war eine beschwörende Stimme tief in seinem Innern, die er nicht zum Schweigen bringen konnte. Big Jack knurrte: „Ich weiß nicht, Kenneth. Kincaid ist ein verschlagener und unberechenbarer Strolch, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er einfach das Feld geräumt hat.“

„Zu bedauern ist nur der Junge“, murmelte der Vormann. „Eines Tages reißt ihn der Alte mit sich ins Verderben. Schade um ihn. In dem Burschen steckt etwas. Aber der schlechte Einfluss des Alten ...“

Riggs brach achselzuckend ab.

„Ich kann auf Logan keine Rücksicht nehmen“, stieß Big Jack hervor und spürte das Unbehagen, das ihn befallen hatte, ganz deutlich. Abgehackt setzt er hinzu: „Er ist siebzehn, groß und stark und kerngesund. Er hätte dem jämmerlichen Leben an der Seite seines Vaters längst den Rücken kehren und sich mit seiner Hände Arbeit durchbringen können. Wahrscheinlich ist er im Kern nicht besser als Joshua. Lass es bei ihm nur erst einmal durchbrechen, dann ...“

Ein Schuss peitschte. Big Jack erhielt einen fürchterlichen Schlag gegen die Brust und sein Oberkörper pendelte nach hinten. Im selben Moment vollführte sein Pferd einen erschreckten Satz nach vorn. Der Rancher verlor das Gleichgewicht und krachte auf den Boden. Staub wallte unter ihm auseinander.

Die Detonation verrollte. Über einer Gruppe niedriger Felsen auf einem Hügel im Süden zerflatterte eine Pulverdampfwolke.

Die Cowboys trieben ihre Pferde auseinander. Sie glitten aus den Sätteln, hetzten in Deckung. Gewehre wurden mit metallischem Schnappen durchgeladen. Deutlich vernahmen sie den fernen, hämmernden Hufschlag, der sich schnell entfernte.

Kenneth Riggs fasste sich zuerst. „Jim, Bill, Larry, folgt ihm!“, brach es über seine blutleeren Lippen. Dann kniete er bei Big Jack ab.

Der Rancher lag auf dem Rücken. Der Blutfleck auf seiner Brust vergrößerte sich schnell. Ein dünner Blutfaden rann aus seinem linken Mundwinkel. Das Gesicht war vom Tod gezeichnet. Rasselnd und stoßweise ging Big Jacks Atem.

„Dieser Satan!“, röchelte Big Jack, plötzlich rollte sein Kopf zur Seite, eine grenzenlose Leere trat in seine glasigen Augen. Mit einem verlöschenden Atemzug starb er.

Kenneth Riggs war erschüttert. Seine Hand, mit der er dem Rancher die Augen schloss, zitterte. In seinem Blick drückte sich eine ganze Gefühlswelt aus. Er wollte einfach nicht akzeptieren, dass Big Jack Turner tot vor ihm lag. „Dieser Bastard“, knirschte er, und seine Stimmbänder wollten ihm kaum gehorchen.

Über den Hügeln verklang das Hufgetrappel. Mit einem Würgen im Hals sagte Kenneth Riggs: „Reite nach Mule Creek, Phil, und erstatte bei Sheriff Shaugnessy Anzeige. Du, Ben, schaffst den Boss auf die Ranch. Bahrt ihn dort auf. Und bestell James von mir, dass Joshua Kincaid für diesen niederträchtigen Mord bezahlen wird.“

Phil Baxter warf sich auf sein Pferd und jagte im gestreckten Galopp davon. Der Vormann und Ben Miller legten Big Jack auf sein Pferd und banden ihn fest. Mit dem Tier des ermordeten Ranchers an der Longe ritt Ben Miller gleich darauf davon.

Kenneth Riggs folgte seinen Männern, die er Joshua Kincaid hinterher gejagt hatte. Ein mitleidloser Zug hatte sich Bahn in seine Züge gebrochen. Er spürte Hass, zügellosen, leidenschaftlichen Hass, der bald keinen Platz mehr für andere Empfindungen ließ.

 

*

 

Aufgewirbelter Staub markierte den Weg, den Joshua Kincaid genommen hatte. Von Osten schob sich die graue Wand der Abenddämmerung heran. Das Land war wild, öde und bizarr. Tafelberge und ruinenähnliche Felsgebilde wuchteten überall zum Himmel. In den Senken dazwischen wucherte von der Sonne verbranntes Gras. Kakteen, Comas, Mesquitesträucher und zerzauste Kiefern fristeten ein kärgliches Dasein.

Joshua Kincaid beobachtete die drei Reiter aus dem Schutz übereinander getürmter Felsklötze. Ein irrsinniges Grinsen kerbte seine Mundwinkel nach unten.

„Yeah, kommt nur näher“, hechelte er und kicherte. „Kommt schon, kommt ...“

Er hob das Gewehr an die Schulter, sein kaltes Auge starrte über Kimme und Korn auf den mittleren der drei Reiter. Joshua Kincaid hielt die Luft an und zog durch. Brüllend entlud sich die Henry Rifle. Die Detonation rollte auseinander, stieß die Hügelflanken hinauf und verebbte in vielfältigen Echos.

Kincaid hatte getroffen. Der Reiter warf die Arme in die Höhe, machte den Rücken hohl und stürzte vom Pferd. Seine Gefährten droschen gehetzt ihren Pferden die Sporen in die Seiten und stoben hinter einen Hügel.

Noch einmal feuerte Kincaid, aber sein Schuss fehlte. Ungerührt starrte er auf die reglose Gestalt in der Senke. Schließlich setzte er seine Flucht fort. Der Ausdruck eines dämonischen Triumphes lag in seinen faltigen Zügen, als er Logans Versteck erreichte. Er grinste faunisch, und die Schmutzschicht in seinem Gesicht zerbrach.

Die Sonne war längst hinter dem bizarren Horizont im Westen verschwunden. Das Abendrot verblasste.

"Komm, Junge", sagte Joshua Kincaid vom Sattel aus. "Es ist an der Zeit, dass wir von hier verschwinden." Er kicherte. "Big Jack bittet bereits beim Teufel um Einlass. In wenigen Stunden durchkämmen sie das ganze Gebiet nach uns. Wir setzen ihnen ein Zeichen. Und dann reiten wir dorthin, wo sie uns am wenigsten vermuten. In die Stadt nämlich. Ich muss noch Sid Francis eine höllische Rechnung präsentieren."

 

*

 

Sie waren wieder auf der Ranch. "Bleib im Sattel, Junge", gebot Joshua Kincaid. "Es dauert gewiss nicht lange."

Er lief in die Scheune. Das Tor ließ er offen. Logan ritt hinter das Haus und verhielt am Grab seiner Mutter. Aus brennenden Augen starrte er auf den flachen Grabhügel unter den beiden alten Kastanienbäumen. Ein einfaches Holzkreuz war in die Erde gerammt. In das Querbrett hatte Joshua Kincaid den Namen seiner Frau geschnitzt.

Prasseln und Knacken riss Logan aus der gedanklichen Versunkenheit. Aus dem Dach der Scheune schlugen Flammen. Das Fauchen des Feuers erreichte sein Gehör wie eine Botschaft von Untergang und Verhängnis. Er ritt in den Hof zurück. Gerade rannte Joshua Kincaid aus dem Wohnhaus. Hinter den Fenstern sah der Junge Feuerschein. Eine Gardine fing Feuer. Die Flammen fanden reichlich Nahrung in dem zundertrockenen Holz. Dichter Qualm quoll aus der Tür und hüllte alles ein. Brandgeruch erfüllte die Luft und ließ die Pferde erregt scharren und stampfen. Die Hühner flohen gackernd. Die Kuh kreiste im Korral. Logan ritt hin und öffnete das Gatter. Die Kuh fand den Ausgang und donnerte in die einsetzende Nacht hinein, von Panik und instinktivem Selbsterhaltungstrieb geleitet.

Die Flammen schlugen zum Himmel. Es knackte, prasselte und knirschte. Funken stoben, Asche wirbelte. Geisterhaft zuckte der Lichtschein über den Hof und floss über Logan und Joshua Kincaid hinweg. Ihre Gesichter wirkten maskenhaft starr. Die sengende Hitze erreichte sie.

"Reiten wir!", tönte Joshua Kincaid. Er sprach heiser und kratzend. "Reiten wir, Logan, und holen wir uns, was uns zusteht."

Sie zogen die Pferde herum und gaben ihnen die Köpfe frei. Als Kenneth Riggs und die beiden Cowboys von den hochlodernden Flammen angelockt auf der Ranch ankamen, waren Logan und sein Vater schon längst hinter den Hügeln untergetaucht.

Einer der Cowboys führte das Pferd, über dessen Rücken der Tote hing. Sie starrten betroffen auf das Bild sinnloser Zerstörung, das sich ihnen bot, und das vom Irrsinn eines hemmungslosen Hasses zeugte.

Das Feuer war auch auf die anderen windschiefen Hütten übergesprungen. Das Dach des Wohnhauses war eingestürzt. Aus den leeren Fensterhöhlen und der Tür stießen Feuerzungen. Jetzt krachte einer der Schuppen berstend zusammen...

Hier gab es nichts mehr zu retten.

"Er läuft Amok", entrang es sich Kenneth Riggs fast mühsam und schwerfällig. Er spürte Gänsehaut und fühlte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. "Wir müssen ihn jagen wie einen tollwütigen Hund, ehe er noch mehr Unheil anrichtet. Er hat den Verstand verloren."

"Shaugnessy muss ein Aufgebot zusammenstellen", meinte Jim O’Heaney. "Reiten wir nach Mule Creek und schließen wir uns dem Sheriff an.“

"Gnade ihm Gott, wenn wir ihn erwischen!", prophezeite Kenneth Riggs voll tödlicher Leidenschaft.

Sie trieben ihre Pferde an. Hinter ihnen sank die Kincaid Ranch endgültig in Schutt und Asche. Ein Werk des sinnlosen Vernichtungswillens. In den Herzen brannte der Hass, in den Gemütern wütete die Gier nach Vergeltung.

Joshua Kincaid und Logan wichen dem Aufgebot aus Mule Creek aus. Joshua Kincaid lachte zynisch auf, als die Reiter ein ganzes Stück von ihnen entfernt vorbeizogen, "Sie finden nur noch rauchende Trümmer!", rasselte seine Stimme. "Was werden diese Narren für Augen machen, wenn sie nach erfolgloser Jagd in die Stadt zurückkehren? Ich gäbe einiges darum, wenn ich ihre dummen Gesichter sehen könnte."

Mit der Geschwindigkeit eines Steppenbrandes war die Nachricht von der Ermordung Big Jacks durch den Ort gegangen. Jetzt war der Saloon gerammelt voll, und auf der Straße standen Männer und Frauen in Gruppen zusammen. Sie debattierten und gestikulierten und das Stimmengewirr sickerte wie das Gemurmel eines Flusses in die Gassen und Winkel Mule Creeks.

Bei einer Buschgruppe hielten Logan und sein Vater die Pferde an. Es war merklich kühler geworden. Den Jungen, der nur leicht bekleidet war, fröstelte. Sie versteckten ihre Pferde in dem Buschwerk.

"Wir warten, bis sie wieder von der Straße verschwunden sind", erklärte Joshua. "Und zwei Stunden

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alfred Bekker, CassiopeiaPress
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2014
ISBN: 978-3-7368-4657-9

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