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Der Kristall des Sehers Teil 2 von 3

von Alfred Bekker

 

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Kapitel 1

Als wir in Martin T. McLanes Büro hereinplatzten, trafen wir ihn gerade bei einem Telefongespräch an, bei dem er ziemlich herumpolterte. Ich wusste nicht, wer auf der anderen Seite der Leitung saß, aber ganz gleich, wer es auch sein mochte: Er hatte im Moment nichts zu lachen.

McLane ließ dann den Hörer auf die Gabel krachen. Sein Kopf war hochrot.

Die Ärmel hatte er wie meistens hochgekrempelt und die kräftigen, behaarten Unterarme gaben ihm etwas Zupackendes, Energiegeladenes.

Er tauchte hinter dem riesigen Manuskriptstapel hervor, der sich auf seinem Schreibtisch auftürmte und jederzeit einzustürzen drohte und stand mit gerunzelter Stirn auf.

"Was gibt es, Tessi? Beschweren Sie sich nicht darüber, dass ich aus Ihrem letzten Artikel ein Drittel herauskürzen musste! Das habe ich nach Rücksprache mit unserer Rechtsabteilung machen müssen! Sonst hätten wir uns gehörigen juristischen Ärger eingehandelt und..."

"Darum geht es nicht", unterbrach ich ihn. Er sah mich erstaunt an und hob die Augenbrauen.

"Worum es sonst auch immer gehen mag, ich hoffe Sie brauchen nicht allzu lange dafür, Tessi! Ich habe nämlich 'ne Menge zu tun!"

Es gab eigentlich kaum einen Augenblick, in dem McLane nicht eine Menge zu tun' hatte. Er war chronisch überarbeitet. Sein Leben hatte er dem London City Guardian gewidmet seiner Zeitung. Dafür setzte er alles ein. Sein Privatleben war dadurch natürlich äußerst eingeschränkt.

Da ich also wusste, dass ich nur wenig Zeit haben würde, sagte ich ihm knapp und ohne Umschweife, worum es ging. Sein Gesicht veränderte sich, als er mir zuhörte. Er umrundete seinen überquellenden Schreibtisch und ließ sogar das Telefon läuten, ohne dass er irgendwelche Anstalten machte, den Hörer abzunehmen.

"Urlaub wollen Sie?", murmelte er dann - sichtlich bewegt. Er schüttelte den Kopf. "Bekommen Sie nicht..."

"Aber..."

"Ich stelle Sie von allen anderen Aufgaben frei. Versuchen Sie herauszufinden, was mit Mrs. Pearson ist..." Er trat auf mich zu und deutete dann auf Tim. "Mr. Reilly wird Ihnen zur Seite stehen. Und denken Sie dabei nicht daran, wie man am Ende eine Story für den Guardian daraus machen kann. Es geht hier nur um Ihre Großtante..." Er atmete tief durch. "Wussten Sie, dass wir sogar mal ein Kreuzfahrt auf demselben Schiff unternommen haben? Damals war ihr Mann Franklin noch dabei und ich war nur stellvertretender Chefredakteur und konnte mir so etwas wie einen Urlaub noch leisten, ohne dabei graue Haare über der Frage zu bekommen, was meine Leute wohl alles in der Zwischenzeit falsch machen..."

Im Hintergrund hörte das Telefon genau in diesem Moment auf zu schrillen.

McLane schien es gar nicht mehr gehört zu haben. Er wirkte in sich gekehrt. Er atmete tief durch und fuhr dann nach einer kurzen Pause fort: "Ihre Großtante war besonders an allem interessiert, was irgendwie außergewöhnlich war, oder irre ich mich? Okkultismus, Geisterbeschwörung,

Parapsychologie..."

"Ja, das ist richtig."

"Auf diesem Gebiet tummeln sich doch jede Menge dubioser Gestalten. Obskure Sekten, Geheimorden und so weiter... Möglicherweise hat irgendwem die Forschungstätigkeit Ihrer Großtante missfallen, Tessi."

Ich nickte.

"Ja, dieser Verdacht ist mir auch schon gekommen."

"Und?" McLane hob die Augenbrauen. "Irgendein Anhaltspunkt?"

Ich musste passen und schüttelte den Kopf.

"Nein, nichts. Außerdem bilde ich mir ein, dass sie es mir erzählt hätte, wenn sie in letzter Zeit auf irgend etwas in der Art gestoßen wäre..."

"Und wenn sie gar nicht wusste, wem sie möglicherweise auf die Füße getreten ist?", mischte sich nun Tim ein. Ich zuckte die Schultern.

Und für einen winzigen Augenblick sah ich die Kristallkugel vor mir, die George Clifton mitgebracht hatte.

"Sie werden mich auf dem laufenden halten, ja?" Das war McLane. Ich spürte die leichte Berührung an der Schulter kaum. McLane mochte einem auf den ersten Blick wie ein grober Knochen erscheinen. Aber ich wusste, dass das nichts weiter als seine raue Schale war.

Eine Fassade, mit der er sich im harten Mediengeschäft zu schützen wusste.

In Wirklichkeit hatte er auch eine sehr väterliche, fast fürsorgliche Seite, die er jedoch zumeist erfolgreich verbarg.



Kapitel 2

Tim und ich fuhren zu Tante Kims Villa, denn wenn es irgendwo einen Hinweis auf ihr Verbleiben gab, dann musste er zweifellos hier zu finden sein.

An jenen Ort, an dem alles angefangen hatte.

Ich stellte meinen etwas antiquierten, aber gut erhaltenen roten Mercedes am Straßenrand ab. Tim Reilly parkte seine ziemlich verrostete Karosse direkt dahinter. Wir stiegen aus und dann fiel mir die dunkle Limousine auf, die in einiger Entfernung am Straßenrand stand.

Wir gingen zur Haustür und blieben dort stehen. Ich öffnete dann als erstes den Briefkasten, Mit zitternden Fingern ging ich die Post durch, immer in der Erwartung, dass vielleicht ein zusammengeklebter Brief dabei war... Ich atmete tief durch.

Nichts.

In diesem Moment war ich darüber paradoxerweise sogar ein wenig enttäuscht. Immerhin hätte ich dann wenigstens gewusst, was mit Tante Kim war und das sie noch lebte.

"Teresa, sieh mal da vorne..." hörte ich indessen Tims Stimme. Er stemmte die Arme in die Hüften, so dass sein abgewetztes Jackett, dessen Revers von seinen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alfred Bekker
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 24.09.2014
ISBN: 978-3-7368-4234-2

Alle Rechte vorbehalten

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