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Die Schattengruft Teil 2 von 3

von Alfred Bekker

 

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Kapitel 1

Dichter Nebel war in der zweiten Nachthälfte von der Themse her aufgestiegen und hatte ganz London einen grauen Schleier übergeworfen.

Nur ab und zu drang noch das verwaschene Licht des Mondes durch die Wolken hindurch und warf sein fahles Licht auf das graue Gemäuer des Mausoleums.

Mit einem Knarren wurde das gusseiserne, beinahe durchgerostete Gittertor geöffnet, dessen Schloss schon seit Dutzenden von Jahren nicht mehr funktionierte. Ein dürrer, hochgewachsener Mann trat ins Freie und blickte sich suchend um.

Ihm folgten noch einige weitere Gestalten.

Ein dumpfes Knurren, fast wie von einem Tier, ließ sie alle zusammenzucken.

Die Augen des dürren Mannes wurden schmal.

Er starrte in den Nebel hinein. In seinem Gesicht stand die Verzweiflung, während er vorsichtig ein paar Schritte nach vorne machte. Fast geräuschlos trat er durch das hohe, feuchte Gras dieses ziemlich verwilderten Grundstücks. Als dunkle Umrisse hoben sich Bäume und Büsche gegen das Grau des Nebels ab.

"Er muss hier irgendwo sein", flüsterte der dürre Mann, in dessen Gesicht ein Muskel oberhalb des linken Wangenknochens unruhig zuckte.

Er atmete heftig.

Kalter Angstschweiß stand ihm auf der Stirn, obwohl die Nacht allein schon kühl genug war, um einen frösteln zu lassen.

"Wir hätten es nicht tun sollen", sagte jetzt einer der anderen. "Pamelas Schicksal hätte uns eine Warnung sein sollen!"

"Pamela war eine Närrin!", erwiderte der dürre Mann kalt und seine blutleer wirkenden Lippen wurden danach zu einem schmalen, geraden Strich.

Er ging voran und kümmerte sich dabei nicht weiter darum, ob die anderen ihm folgten.

"Warte!", rief ihm jemand hinterher.

Der dürre Mann drehte sich nicht um.

"Wir dürfen ihn nicht gehen lassen", murmelten seine Lippen fast tonlos und wie automatisch. Sein Blick studierte aufmerksam die Umgebung, registrierte jede Bewegung, jeden dunklen Fleck in den wabernden Nebelschwaden.

Die anderen hatten ihn inzwischen eingeholt.

Wieder war ein knurrender Laut zu hören, diesmal leiser und verhaltener.

Der dürre Mann schluckte.

Sein Blick hing starr an einer ganz bestimmten Stelle neben einem großen und etwas verwilderten Busch. Dort hob sich ein Schatten gegen den Nebel ab.

Der Schatten bewegte sich, erhob sich aus einer kauernden Haltung richtete sich zu ganzer Größe auf.

"Quarma'an", flüsterte der dürre Mann in einer Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken.

Er streckte beschwörend die Hand in Richtung des Düsteren aus. Mit heiserer, brüchiger Stimme murmelte der dürre Mann einige Worte in einer fremden Sprache, die er immerzu wiederholte...

Der Schatten hielt einen Moment lang inne, schien den monströsen Kopf ein wenig zur Seite zu wenden und hob eine der riesenhaften Hände...

Dann ertönte ein dumpfer, fauchender Laut.

Dem dürren Mann lief es kalt den Rücken hinunter. Seine Stimme wurde schriller und in seine Beschwörungsformeln schien sich ein Unterton von Verzweiflung hineinzumischen...

"Es hat keinen Sinn", sagte einer der anderen.

"Schweig!", zischte der dürre Mann.

Währenddessen setzte sich der Schatten in Bewegung. Ohnmächtig sah der dürre Mann ihm nach, wie er in Richtung der hohen Mauer rannte, die dieses Grundstück von der Umgebung abgrenzte.

"Nein!", rief der dürre Mann und machte ein paar schnelle Schritte vorwärts. Beinahe stolperte er dabei, als er in eine Vertiefung hineintrat.

Er atmete schwer, während er beobachtete, wie der Schatten verschwand. Es schien gerade so, als würde er durch den grauen Stein der Mauer hindurchlaufen, ohne dass diese ein Hindernis für ihn bedeutet hätte.

Der dürre Mann schüttelte stumm den Kopf und ein Gefühl grenzenloser Ohnmacht überkam ihn.

Er ist frei, ging es ihm schaudernd durch den Kopf. Quarma'an ist frei...

 

 

Kapitel 2

Als am Morgen der Wecker schrillte, glaubte ich, gerade erst ins Bett gegangen zu sein. Tatsächlich hatte ich auch kaum mehr als drei Stunden Schlaf hinter mir. Gemeinsam mit Tante Marge hatte ich in ihrem Archiv recherchiert, in der Hoffnung irgend einen Hinweis auf die Bedeutung jenes Namens zu finden, der mir einfach nicht mehr aus dem Sinn gehen wollte. Quarma'an...

Ich hatte Tante Marge inzwischen von meinem Traum erzählt und sie teilte meine Ansicht, diese Angelegenheit sehr ernst zu nehmen.

"Wenn ich nur wüsste, was für eine Gefahr von Quarma'an ausgeht, Tante Marge!"

"Ich habe nicht die geringste Ahnung, Jenny!"

"In dem Traum spielte auch ein Buch eine Rolle. Und wenn ich mich nicht irre, waren auf dem Deckel arabische Schriftzeichen... Hilft dir das nicht weiter?"

"Jenny! Wir suchen eine Nadel in einem Heuhaufen! Und es kann durchaus sein, dass wir uns sogar im falschen Heuhaufen befinden!"

Als ich am Morgen aufstand und mich anzog, klangen diese Wortwechsel aus der vergangenen Nacht noch einmal in mir wider. Es schien, als hätten Tante Marge und ich uns die Nacht umsonst um die Ohren geschlagen, denn wir hatten nicht das geringste über jene mysteriöse Gefahr herausfinden vermocht, von der Pamela Green gesprochen hatte.

Ich gähnte, als ich die Küche im Erdgeschoss betrat. Tante Marge war längst hellwach und auf den Beinen. Und sie hatte das Frühstück fertig.

"Mein Gott, ich frage mich, wie du das machst", meinte ich.

"In meinem Alter braucht man nicht mehr viel Schlaf", meinte sie, während sie den Tee eingoss. Dann deutete sie mit der Hand auf einen Zeitungsausschnitt, den sie neben mein Gedeck platziert hatte. "Hier, das habe ich gefunden", meinte sie dazu. "Es ist nicht viel, und ich bin mir auch nicht sicher, ob es dir überhaupt weiterhilft, aber..." Der Artikel war ungefähr zehn Jahre alt. Als erstes blickte ich auf das grobkörnige Foto, auf dem ein Friedhof in Cambridge zu sehen war. Einige der Grabsteine waren

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alfred Bekker, CassiopeiaPress
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 24.09.2014
ISBN: 978-3-7368-4206-9

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