U.S. Marshal Bill Logan
Band 96
Das harte Gesetz der Wildnis
Western von Pete Hackett
U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht.
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Es war ein warmer Tag im Mai. Milton Luster lenkte das Gespann vor den Store und hielt es an. Neben ihm auf dem Bock saß Mary Jane, seine achtzehnjährige Tochter. Mary Jane war ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen, das die Blicke der jungen Burschen auf den Gehsteigen auf sich zog.
Milton Luster wickelte die Zügel um den Bremshebel des leichten Fuhrwerks und sprang vom Bock. Auch Mary Jane stieg hinunter. »Okay, Mary Jane«, sagte der Heimstätter grollend. »Du gibst Osborne die Liste, die Mutter aufgeschrieben hat. Er soll alles vorbereiten. Ich trinke in der Zwischenzeit ein Bier.«
»In Ordnung, Dad«, sagte die junge Frau mit klarer Stimme. »Ich gebe Mr Osborne die Liste, dann komme ich in den Saloon.«
Milton Luster marschierte davon. Er ahnte nicht, dass er direkt dem Verdruss entgegenschritt.
Er war personifiziert in der Gestalt von vier Männern, die im Saloon am Tresen standen. Es handelte sich um Cowboys der M-im-Kreis Ranch. Als Milton Luster den Schankraum betrat, wandten sie sich ihm zu. Der Heimstätter stockte einen Moment im Schritt, als er die vier Kerle sah. Wahrscheinlich wäre er gar nicht in den Saloon gegangen, wenn die Pferde der vier am Hitchrack gestanden hätten. Aber sie hatten die Tiere im Mietstall abgestellt.
Es gab immer wieder Ärger zwischen der M-im-Kreis und den Siedlern an den Flüssen. Nicht selten arteten die Zwistigkeiten in gewaltsame Auseinandersetzungen aus.
Milton Luster schluckte krampfhaft. Am liebsten wäre er auf der Stelle umgekehrt. Aber das ließ sein Stolz nicht zu. Mochte es auch falscher Stolz sein – vernichtender Stolz. Er gab sich einen Ruck, ging zu einem der leeren Tische und setzte sich. An zwei anderen Tischen saßen insgesamt fünf Männer aus der Stadt. Sie nickten ihm freundlich zu, dann nahmen sie ihre Gespräche wieder auf.
Die Cowboys von der M-im-Kreis fixierten ihn mit stechenden Blicken. Einer der Kerle begann zu grinsen. Das Grinsen war anzüglich und absolut nicht freundlich. Zwar bildeten sich um seine Augen unzählige Lachfalten, aber die Augen selbst lachten nicht mit. Sie blickten kalt. »Sieh an. Ich glaube, wir bekommen Abwechslung.«
»Was darf ich dir bringen, Milt?«, fragte der Keeper.
»Ein Bier.«
Die Weidereiter tuschelten miteinander. Ihre Blicke huschten immer wieder in Lusters Richtung. Als der Keeper mit dem Krug voll Bier um das Ende des Tresens ging, setzte sich einer der Cowboys in Bewegung und schnitt ihm den Weg zum Tisch des Heimstätters ab.
»Ich bringe ihm das Bier, Burl.« Ein hartes Grinsen bahnte sich in seine Miene.
Burl Haggan, der Keeper, verzog das Gesicht. »Mach keinen Ärger, Rufus. Lass Luster in Ruhe sein Bier trinken und …«
»Ich will ihm doch nur das Bier bringen, Burl«, unterbrach ihn der Cowboy. »Was ist schon dabei? Also gib mir den Krug. Du willst uns doch den Spaß nicht verderben?«
Diese letzte Frage kam drohend, in den Augen des Weidereiters zeigte sich ein kaltes Flirren, in seinen Mundwinkeln hatte sich ein unduldsamer Zug eingekerbt. Burl Haggan zog den Kopf zwischen die Schultern. Er warf Milton Luster einen um Entschuldigung heischenden Blick zu. Dann überließ er Rufus Hadley den Bierkrug.
Als der Cowboy auf seinen Tisch zusteuerte, stemmte sich Milton Luster schwerfällig in die Höhe. Er verriet Unsicherheit. Unbehaglich zog er die Schultern an. Sein Blick war ruhelos und huschte immer wieder hilfesuchend zu den Tischen mit den Stadtbewohnern hin. Wenn sich sein Blick mit ihren Blicken kreuzte, schauten sie schnell weg. Niemand wollte sich mit den Leuten von der M-im-Kreis anlegen.
Dem hartbeinigen Quartett hatte er nichts entgegenzusetzen. Die drei Burschen, die am Tresen lehnten, grinsten hämisch.
Rufus Hadley blieb auf der anderen Seite des Tisches stehen. »Ich bringe dir das Bier, Schollenbrecher. Was sagst du dazu? Ist das nicht nett von mir?«
»Ich will keinen Ärger«, murmelte Milton Luster. Er fühlte die Blicke aller im Saloon Anwesenden auf sich gerichtet. Und er spürte Beklemmung, um nicht zu sagen Angst. »Darum gehe ich jetzt wieder.« Er griff in die Tasche und holte einige Münzen heraus, nahm ein Fünfcentstück und legte es auf den Tisch. »Für das Bier, Burl.« Er wollte sich abwenden.
Da schüttete ihm Rufus Hadley mit einer wilden, unbeherrschten Bewegung den Inhalt des Kruges ins Gesicht. »Damit du das Bier nicht umsonst bezahlt hast«, stieß der Cowboy hervor und zeigte die Zähne. Es erinnerte an das Zähnefletschen eines Wolfes.
Milton Luster nahm sein Halstuch ab und trocknete sich damit das Gesicht ab. Dann sagte er dumpf: »Ich gehe jetzt. Ihr hattet euren Spaß.« Er wollte sich abwenden.
»So billig kommst du nicht weg, Maulwurf«, stieß Rufus Hadley hervor. Er stellte den Krug ab, machte zwei schnelle Schritte und verbaute Luster den Weg zur Tür. »Der richtige Spaß kommt erst noch.« Mit dem letzten Wort schlug er zu. Er traf den Heimstätter in den Magen und Milton Lusters Oberkörper pendelte nach vorn. Ein dumpfer Laut brach aus seiner Kehle. Der Schlag nahm ihm die Luft und die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Ehe er sich erholen konnte, versetzte ihm Rufus Hadley mit der flachen Hand einen klatschenden Schlag auf die Wange. Lusters Kopf wurde herumgerissen. Er taumelte einen Schritt zurück und stieß gegen den Tisch. Der Atem des Heimstätters ging stoßweise. In seinem Gesicht arbeitete es. Rot zeichneten sich die fünf Finger des Cowboys auf seiner Wange ab.
»Okay«, grollte Luster. Er hatte zwar Angst, aber demütigen lassen wollte er sich nicht. »Du willst den Kampf und sollst ihn haben. Werden sich deine Kumpane heraushalten?«
»Ich brauche sie nicht, Schollenbrecher. Dich mache ich mit links fertig. Komm schon, komm her! Ich werde die rechte Hand in die Tasche schieben. Worauf wartest du, Schollenbrecher?«
Seine Worte waren genauso herausfordernd wie die ganze Haltung des Cowboys.
Luster hob die Fäuste und ging langsam auf den Cowboy zu. Dieser schob natürlich die rechte Hand nicht in die Tasche. In seinen Augen glomm ein böses Licht voll Verschlagenheit. Als Luster nahe genug war, zuckte Hadleys Bein hoch. Er traf den Heimstätter in den Leib und Luster krümmte sich nach vorn, genau in Hadleys Schwinger hinein. Lusters Hut flog davon. Der Schlag richtete den Heimstätter auf, er wankte rückwärts, ruderte haltsuchend mit den Armen und hatte den Mund wie zu einem stummen Schrei aufgerissen. Hadley setzte nach, ließ seine Fäuste fliegen und traf zweimal. Aus Lusters aufgeplatzter Lippe rann Blut über sein Kinn.
Der Heimstätter versetzte Hadley einen derben Stoß und konnte sich so von ihm freimachen. Als der Cowboy wieder angriff, warf sich ihm Milton Luster entgegen. Er schmetterte Hadley die Faust an den Kopf und die andere in den Magen. Ein Keuchton entrang sich dem Cowboy. Ein weit aus der Hüfte gezogener Haken stellte ihn auf die Zehenspitzen. Und dann traf ihn wieder ein Schwinger in den Bauch und er vollführte eine unfreiwillige Verbeugung. Luster donnerte ihm die Faust in den Nacken und der Weidereiter fiel auf das Gesicht.
Als sich Hadley mit beiden Armen in die Höhe stemmen wollte, stellte ihm Luster den Fuß zwischen die Schulterblätter. Hadleys Arme knickten ein wie morsche Zaunlatten, erneut fiel er auf das Gesicht. Benommenheit brandete gegen sein Bewusstsein an. Vor seinen Augen wallten dichte Nebel. Er begriff auf schmerzliche Art und Weise, dass er den Mund wohl etwas zu voll genommen hatte. Sein Atem rasselte.
Schnelle Schritte hämmerten auf den Dielen, Sporen klirrten, Milton Luster drehte den Kopf. Die drei anderen Cowboys kamen. Ehe der Heimstätter richtig zum Denken kam, hatten ihn zwei gepackt. Die Arme wurden ihm schmerzhaft auf den Rücken gebogen. Er machte das Kreuz hohl, um dem Schmerz in seinen Schultergelenken entgegenzuwirken. Der dritte der Cowboys half Rufus Hadley auf die Beine. Die Augen des Cowboys schwammen in Tränen. Seine Zähne knirschten, hart traten die Backenknochen in seinem Gesicht hervor. Er hatte seine Benommenheit überwunden. Etwas Unheilvolles ging von ihm aus. Jeder Zug in seinem Gesicht verriet Gehässigkeit und böse Entschlossenheit. »Jetzt kriegst du es, Schollenbrecher«, keuchte er, und dann schlug er zu.
In dem Moment betrat Mary Jane den Saloon. Mit einem Blick erfasste sie, was sich abspielte. »Ihr gemeinen Schufte!«, schrie sie, packte einen Stuhl, schwang ihn hoch und ging damit auf die Weidereiter los. Ehe sich Rufus Hadley versah, zerschmetterte das Mädchen auf ihm den Stuhl. Der Cowboy ging in die Knie und schrie vor Wut und Schmerz auf. Mary Jane bückte sich nach einem Stuhlbein. Aber da war schon einer der Kerle bei ihr, packte sie an den Haaren und schleuderte sie herum. Mary Jane stürzte aufschreiend zwischen Tische und Stühle, kam aber sofort wieder hoch und machte Anstalten, sich auf den Burschen, der ihr Schmerz zugefügt hatte, zu stürzen.
Da schrie Burl Haggan überschnappend: »Schluss jetzt!« Er hielt ein Schrotgewehr in den Händen. Die Doppelläufe pendelten sowohl über die Cowboys als auch über Mary Jane und ihren Vater hinweg. Das Mädchen stand geduckt da, in ihren Augen irrlichterte der Zorn. Es sah aus, als würde Mary Jane im nächsten Moment dem nächstbesten der Weidereiter an die Kehle gehen.
»Milt«, rief Burl Haggan, der Keeper, grollend, »es ist besser, wenn ihr jetzt geht.« Seine Stimme duldete keinen Widerspruch.
Milton Luster nickte, hob seinen Hut auf und sagte: »Komm, Mary Jane. Komm, wir gehen. Es ist wohl wirklich besser.«
Mary Jane entspannte sich. Sie ging zu ihrem Vater. »Haben Sie dir wehgetan, Dad?«
»Wegen des Schlages mit dem Stuhl unterhalten wir uns noch, du kleines Luder!«, drohte Rufus Hadley mit hassgetränkter Stimme. Er dehnte die Worte auf eine Art, die in ihrer Unmissverständlichkeit erschreckend war.
Milton Luster legte den Arm um Mary Janes schmale Schultern, dann verließen sie den Saloon. Quietschend und knarrend schlugen hinter ihnen die Türpendel aus.
*
Milton Luster kniete bei einem Wassertrog und wusch sich das Blut aus dem Gesicht.
»Diese niederträchtigen Halunken«, schimpfte Mary Jane. »Wenn ich ein Mann wäre …«
»Du bist aber kein Mann«, sagte hinter ihr eine dunkle, sonore Stimme.
Unbemerkt hatte sich Sheriff John Warner genähert. Das Mädchen drehte sich zu ihm herum. »Verhaften sie die vier Schufte, Sheriff. Sie waren drauf und dran, Dad niederzuschlagen. Vier gegen einen. Es sind feige Coyoten.«
»Wer hat versucht, dich niederzuschlagen, Milt?«, fragte der Sheriff.
»Rufus Hadley und drei andere Cowboys der M-im-Kreis. Es war mein Fehler. Ich hätte den Saloon sofort wieder verlassen sollen, als ich sie sah.«
»So weit käme es noch«, knurrte der Sheriff, »dass ein unbescholtener Bürger nicht in einen Saloon gehen dürfte, ohne befürchten zu müssen, von irgendwelchen Rabauken niedergeschlagen zu werden. Ich werde mir die Kerle kaufen.«
Der Sheriff rückte seinen Revolvergurt zurecht. Eine Schrotflinte trug er in der linken Hand am langen Arm. Er schaute grimmig drein. Warner versah erst seit kurzem das Amt in Stratford und wollte den Menschen hier beweisen, dass er seinen Job ernst nahm.
Unter seinen Sohlen mahlte der feine Staub. Langbeinig marschierte er zum Saloon. John Warner war fast eins neunzig groß und schlank. Er trug einen dunklen Anzug. Auf seinem Kopf saß ein breitrandiger Stetson mit flacher Krone. Er war verheiratet und hatte fünf Kinder.
Knarrend und quietschend pendelten die Türflügel. Zwei Schritte hinter der Tür blieb er stehen. »Rufus Hadley!«
Die Weidereiter an der Theke drehten sich um.
»Aaah, Sheriff«, dehnte Hadley. »Hat sich der Schollenbrecher etwa bei dir beschwert?«
»Das war nicht nötig. Körperverletzung und Störung des öffentlichen Friedens sind Delikte, die das Gesetz von sich aus verfolgt. Jeder von euch zahlt entweder zehn Dollar Ordnungsgeld, oder ihr wandert für fünf Tage in den Knast.«
Das Grinsen in den Gesichtern gerann. »Bist du plötzlich übergeschnappt, Sheriff?«, blaffte Rufus Hadley. »Verleitet dich das Stück Blech an der Brust zum Größenwahn?«
»Weder – noch. Entweder ihr zahlt, oder ihr wandert hinter Gitter.« Der Sheriff klemmte sich den Kolben der Shotgun unter die rechte Achsel. »Ich zähle bis drei, dann müsst ihr euch entschieden haben.«
»Du großspuriger Hundesohn!«, fauchte Hadley. »Denkst du denn, dass wir vor dem Stück Blech an deiner Jacke Respekt haben. Wir werden es dir herunterreißen und auf dich spucken.«
»Worauf wartest du, Hadley?«, versetzte der Sheriff kalt.
»Glaubst du wirklich, Trevor Johnson lässt zu, dass du uns fünf Tage einsperrst?«, schnappte einer der anderen Weidereiter.
»Dann zahlt zehn Dollar. Damit könnt ihr euch sozusagen freikaufen. Im Übrigen ist Trevor Jackson nicht mein Boss. Ich möchte fast wetten, dass er es nicht gutheißt, wenn er hört, wie ihr euch aufgeführt habt.«
»Es war doch nur ein Spaß, Sheriff«, knurrte Hadley einlenkend.
»Ja, ich hab's gesehen. Milton Luster sitzt draußen auf dem Tränketrog und lacht sich halbtot. Na schön. Die Zeit ist um. Ihr scheint euch entschieden zu haben. Schnallt eure Revolver ab und legt sie auf den Tresen. Und dann schwingt die Hufe in Richtung Gefängnis. Den Weg kennt ihr ja.«
Die Hände der vier Weidereiter legten sich wie auf ein geheimes Kommando auf die Knäufe ihrer Revolver. »Ich glaube, wir müssen dich auf deine richtige Größe zurechtstutzen, Warner. Du scheinst etwas zu verkennen. Die Stadt lebt im Schatten der M-im-Kreis und der Bar-H Ranch. Du bist nur geduldet. Es gelten nach wie vor die Gesetze, die Trevor Jackson diktiert.«
Der Sheriff setzte sich in Bewegung. Die Doppelläufe der Schrotflinte waren auf die Cowboys gerichtet. Einen halben Schritt vor Rufus Hadley hielt er an. »Die Zeit, in der jemand seine eigenen Gesetze schreiben durfte, ist vorbei«, grollte Warner. Dann schlug er zu. Hadley bekam die Doppelläufe schräg über das Gesicht und schrie auf. Blut schoss aus seiner Nase. Seine Gefährten wollten die Revolver herausreißen, aber da deuteten schon wieder die Mündungen auf sie. Warner spannte die Hähne. Sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug.
»Legt ab. Und dann gehen wir.«
Hadley presste seine Hand auf die Nase. Blut tropfte auf den Fußboden. »Dafür wirst du büßen, Sheriff.«
»Bedrohung eines Gesetzesbeamten«, versetzte John Warner kalt. »Das kostet dich weitere zehn Bucks oder insgesamt zehn Tage Knast.«
»Zahlen wir«, murmelte einer der Männer, die Hadley begleiteten.
»Woher soll ich zwanzig Dollar nehmen?«, schnaubte Hadley.
»Das ist dein Problem«, versetzte der Sheriff ungerührt.
»Ich verdiene am Tag einen Dollar«, begehrte der Cowboy noch einmal auf.
»Das hättest du dir vorher überlegen sollen«, erwiderte der Sheriff.
»Legen wir zusammen«, schlug einer der Cowboys vor.
Schließlich lagen fünfzig Dollar auf der Theke. »Wenn ihr wollt, kann ich euch Quittungen ausstellen«, erklärte Warner.
»Damit kannst du dir den Hintern abwischen«, stieß Hadley wütend hervor. »Kommt, wir gehen, Leute.«
»Vergesst nicht, eure Zeche zu bezahlen«, erinnerte sie Burl Haggan.
Zähneknirschend beglich sie die Rechnung. Als sie auf die Straße traten, fuhren Milton Luster und seine Tochter vorbei. Gehässige Blicke, die eine unheimliche Drohung zeigten, folgten den beiden.
*
Als die Sonne hinter dem westlichen Horizont versank, erreichten Mary Jane und ihr Vater die Heimstatt. Es handelte sich um ein flaches Wohnhaus mit zwei unverglasten Fenstern, abgedeckt mit dicken Grassoden, die auf eine Unterlage aus Brettern und Teerplane gelegt waren. Dazu kamen einige Schuppen, ein Stall und eine Scheune. In einem Pferch standen ein Dutzend Schafe und Ziegen, in einer Koppel weidete eine Milchkuh.
Carol Luster kam aus dem Wohnhaus. Sie blieb zwei Schritte vor der Tür stehen. Die untergehende Sonne legte dunkle Schatten in ihr Gesicht. Die Siebenundvierzigjährige sah vorzeitig gealtert und verbraucht aus. Ein herber Zug lag um ihren Mund. Ihr Dasein hier am Frisco Creek war ein einziger Überlebenskampf. Es hatte die geprägt und verbittert.
Das Rumpeln, Poltern und Quietschen des Wagens verklang, als Milton Luster das Pferd anhielt. Das Tier stampfte auf der Stelle und peitschte mit dem Schweif. Der Heimstätter und seine Tochter stiegen ab.
»Was ist mit deinem Gesicht?«, fragte Carol Luster.
Milton Lusters Hand tastete über den Bluterguss am Kinn und über die verschorfte Platzwunde an der Unterlippe. »Ich kam vier Reitern der M-im-Kreis in die Quere«, murmelte er. »Sie wollten es mir auf die raue Tour besorgen, aber dann kam Mary Jane. Sie zertrümmerte einen Stuhl auf Hadley. Dann war Burl Haggan mit seiner Shotgun zur Stelle.«
»Jetzt gehen sie also schon in aller Öffentlichkeit auf uns los«, murmelte die Frau. Ihr Gesicht war Spiegelbild ihrer Empfindungen. »Es reicht ihnen nicht mehr, dass sie unsere Zäune zerschneiden und Vieh auf unsere Felder treiben.«
»Mach dir keine Sorgen, Carol. Sie wollten sich nur einen rauen Spaß mit mir machen.«
Milton Luster und Mary Jane trugen die Vorräte, die sie besorgt hatten, ins Haus. Es waren Mehl, Salz, Zucker, Reis und eine Reihe weiterer Dinge, die hier draußen zum Überleben notwendig waren.
Die Schatten wurden lang und begannen zu verblassen. Mary Jane spannte das Pferd aus und führte es zur Tränke. Ihr Vater und ihre
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Alle Digitalrechte Alfred Bekker/CassiopeiaPress
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 11.01.2014
ISBN: 978-3-7309-7508-4
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