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Marshal Logan und der Pferdedieb

U.S. Marshal Bill Logan

Band 99

Marshal Logan und der Pferdedieb

Western von Pete Hackett

 

U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht.

 

 

 

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© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Matt Shannon trat vor das niedrige Ranchhaus und beschattete seine Augen mit der flachen Hand. Trappelnde Hufgeräusche brandeten heran. Der Smallrancher sah das kleine Rudel über den Hügel nördlich der Ranch kommen. Es waren ein Dutzend Pferde. Ein Reiter trieb sie. Ihre Hufe rissen kleine Staubfahnen in die klare Abendluft.

Der Reiter zügelte sein Pferd. Die kleine Herde kam zum Stehen und die Tiere fingen an zu grasen. Dann trieb der Fremde sein Tier wieder an und ritt auf den Ranchhof. Er tippte an die Krempe seines verbeulten Hutes. Matt Shannon sah ein bärtiges Gesicht mit kleinen, dunklen Augen, die tief in den Höhlen lagen.

»Mein Name ist Ben Anderson. Ich bin Pferdehändler und auf dem Weg nach Lubbock.«

»In einer Stunde ist es finster«, sagte Matt Shannon. »Wenn Sie wollen, können Sie die Nacht gerne auf der Ranch verbringen.«

»Ein freundliches Angebot. Vielen Dank. Ich werde darüber nachdenken. – Als ich vor einem Jahr in der Gegend war, gab es diese Ranch noch nicht.«

Andersons Pferd trat auf der Stelle, schnaubte mit geblähten Nüstern und peitschte mit dem Schweif. Anderson hielt die Zügel straff. Sein Gesicht lag im Schatten der Hutkrempe. Dieser Mann gefiel Matt Shannon nicht. Etwas an ihm störte den Smallrancher. Dennoch wollte er die Gesetze der Gastfreundschaft achten. »Ich bin vor zehn Monaten am Blue Creek angekommen und hängen geblieben«, erklärte er. »Die Ranch ist noch im Aufbau begriffen. Ich will Pferde züchten.«

»Besitzen Sie schon Pferde für die Aufzucht? Ich könnte Ihnen ein Dutzend erstklassiger Tiere anbieten.« Anderson grinste breit. Die Zähne blitzten in dem braungebrannten Gesicht. »Die Gäule habe ich auf der Hackknife Ranch erworben. Für fünfzig Dollar pro Pferd würde ich Ihnen die Herde überlassen.«

Misstrauen wallte in Shannon hoch. Er legte den Kopf schief. »Haben Sie auch Kaufpapiere?«

Anderson lachte. »Natürlich.« Er griff in die Innentasche seiner Weste und holte ein Blatt Papier hervor. Dann stieg er vom Pferd, ging auf Shannon zu und reichte ihm das Dokument.

Shannon faltete es auseinander und las. Dann nickte er und gab Anderson das Papier zurück. »Scheint in Ordnung zu sein.« Er schaute versonnen drein, dann murmelte er: »Sechshundert Dollar. Meine Ersparnisse würden draufgehen. Aber …«

Er setzte sich in Bewegung.

Anderson folgte ihm mit wiegenden Schritten.

Shannon erreichte das Rudel Pferde und begutachtete einige der Tiere, prüfte die Gebisse und Hufe und sagte schließlich: »Einverstanden. Ich kaufe Ihnen die Herde für sechshundert Dollar ab.«

»Sie werden es gewiss nicht bereuen«, grinste Anderson.

 

*

 

Wie ein Vorbote von Untergang und Verderben rollten die Hufschläge in den Ranchhof. Es war die die Zeit des Sonnenunterganges. Rötlicher Schein lag auf dem Land. Von Norden färbte sich der Himmel violett und von Osten her schob sich die Abenddämmerung ins Land.

Es waren ein halbes Dutzend Reiter, die eine wallende Staubfahne hinter sich herzogen und nun ihre Pferde auf den Ranchhof lenkten. Zehn Schritte vor dem flachen Ranchhaus rissen sie die Tiere in den Stand.

Matt Shannon stand am Fenster und beobachtete unter zusammengeschobenen Brauen hervor das Rudel. Die Männer waren gekleidet wie Cowboys. Aufgewirbelter Staub senkte sich auf den Boden zurück. Die Pferde stampften und prusteten. Zwei der Reiter sprangen aus den Sätteln und liefen zu den Corral, in dem Shannon die Pferde, die er von Anderson kaufte, untergebracht hatte. Sie stiegen durch das Gatter und besahen sich die Tiere, dann kamen sie zurück.

Shannon nagte an seiner Unterlippe. Er hatte kein gutes Gefühl. Er wusste nicht, worauf sich dies bezog, aber das Gefühl war da und ließ sich nicht verdrängen. Shannon holte sein Gewehr, repetierte es und wandte sich zur Tür. Da erklang auch schon eine raue, staubheisere Stimme: »He, Ranch!«

Shannon öffnete die Tür und trat ins Freie. Die Reiter bildeten eine Reihe. Einer, er hatte die Arme auf das Sattelhorn gestemmt, rief: »Mein Name ist James Lancer. Ich bin Vormann auf der Hackknife Ranch.«

»Ich bin Matt Shannon. Was kann ich für euch tun?«

»Du bist ein verdammter Pferdedieb, Shannon.«

Matt Shannons Miene verkniff sich. Seine düsteren Ahnungen bestätigten sich. Grollend sagte er: »Eine schwerwiegende Anschuldigung. Aber sie erfolgt zu Unrecht. Ich habe die Pferde ordnungsgemäß erworben und sechshundert Dollar dafür bezahlt.«

»Sie wurden der Hackknife Ranch gestohlen«, knurrte Lancer.

»Ich besitze einen Vertrag«, versetzte Shannon. »Danach hat Anderson die Tiere gekauft.«

Lancer lachte klirrend auf. »Einen solchen Vertrag gibt es nicht. Und wenn doch, dann ist das Papier gefälscht. Ich glaube dir kein Wort, Shannon. Du weißt, was in diesem Land mit Pferdedieben geschieht?«

»Ich habe die Pferde nicht gestohlen!«, presste Shannon hervor und richtete das Gewehr auf Shannon. »Verschwindet. Wenn ihr der Meinung seid …«

Einer der Cowboys griff zum Revolver.

Das Gewehr in Shannons Fäusten ruckte herum. Der Schuss peitschte. Der Cowboy kippte rücklings vom Pferd und schlug hart am Boden auf. Das Tier tänzelte zur Seite. Der Klang des Schusses verhallte. Ein Pferd wieherte. Die Männer von der Hackknife Ranch trieben die Pferde auseinander und griffen nach den Waffen.

Shannon wirbelte herum und lief ins Haus, warf die Tür zu und verriegelte sie. Dann baute er sich neben dem Fenster auf. Mechanisch repetierte er. Seine Kiefer mahlten.

Die Cowboys von der Hackknife waren hinter den Schuppen in Deckung gegangen. Nur noch aufgewirbelter Staub, der sich wie ein Schleier auf die Erde senkte, verriet ihre Anwesenheit. Der Mann, den Shannon vom Pferd geschossen hatte, lag auf dem Rücken und rührte sich nicht.

Shannon spürte Trockenheit im Hals. Mit Macht stürmte es auf ihn ein. Gegen dieses raubeinige, falkenäugige Rudel hatte er keine Chance. Sie glaubten ihm kein Wort. Für sie war er ein Pferdedieb, und obendrein hatte er einen von ihnen erschossen. Sie würden mit ihm keine Gnade und kein Erbarmen kennen.

Ein eisiger Schauer rann Shannon den Rücken hinunter, als er daran dachte, dass ihn diese Kerle hängen würden, wenn er ihnen in die Hände fiel. Er schluckte krampfhaft. Den Kloß, der sich in seiner Kehle gebildet hatte, vermochte er jedoch nicht hinunterzuwürgen.

Eine brechende Stimme erklang: »Gib auf, Shannon. Du hast keine Chance. Wenn du innerhalb einer Minute nicht waffenlos und mit erhobenen Armen aus dem Haus kommst, räuchern wir dich aus.«

»Zur Hölle mit euch! Ich habe die Pferde von einem Mann namens Ben Anderson gekauft.«

»Schon klar, dass du den Diebstahl nicht zugibst, Shannon. Aber die Spur der Herde führt auf deine Ranch.«

»Natürlich. Anderson kam gestern Abend auf der Ranch an. Ich …«

Schüsse krachten. Die Hackknife-Reiter waren Worten nicht zugänglich. Querschläger jaulten. Und ebenso schlagartig, wie das Feuer eingesetzt hatte, verstummte es wieder.

»Die Minute läuft, Shannon!«

Matt Shannon war klar, dass er sich hier nicht halten konnte. Dem Fegefeuer seiner Gedanken ausgesetzt lief er in den Nebenraum. Hier stand sein Bett. Der Blendladen vor dem glaslosen Fenster war geschlossen. Shannon stieß ihn auf und kletterte ins Freie. Anspannung erfüllte ihn bis in die letzte Faser seines Körpers. Wenn sich einer der Kerle auf der Rückseite des Ranchhauses postiert hatte, war es um ihn geschehen.

Da wurde er auch schon angerufen: »Lass das Gewehr fallen und nimm die Hände hoch!«

Shannon sah den Sprecher neben einem Busch stehen und schoss. Der Mann brach zusammen. Shannon hetzte los. Hinter dem Strauch stand auch das Pferd des Cowboys. Die Zügel hingen lose zu Boden. Der Mann, den Shannon niedergeschossen hatte, röchelte. Mit einem kraftvollen Satz kam Shannon in den Sattel. Er zerrte das Pferd herum, dann gab er dem Tier den Kopf frei und drosch ihm die Absätze in die Seiten. Es war ein Rotbrauner. Er streckte sich. Shannon stob auf die Hügel zu. Dahinter erhoben sich bizarre Felsen.

Ehe er zwischen die Hügel ritt, schaute Shannon sich um. Vier Reiter folgten ihm in halsbrecherischem Galopp. Der Reitwind stellte die Krempen ihrer Hüte auf und ließ ihre Halstücher flattern.

Der Tod hatte die knöcherne Klaue erhoben und streckte sich nach Matt Shannon aus. Er spürte es mit der Intensität eines Mannes, der mit einem Bein bereits im Grab stand.

 

*

 

Jetzt galt es für Matt Shannon nur noch, seine Haut zu retten. Er war kein Pferdedieb und wollte sich auch nicht als solcher von den Cowboys aufknüpfen lassen.

Er drückte dem Pferd die Absätze in die Seiten. Tief duckte er sich auf dem Pferderücken. Die Gegend schien an Shannon vorbeizufliegen. Gras und Dreck spritzten unter den wirbelnden Hufen nach hinten.

»Schneller! Schneller!«, hetzte es über Shannons Lippen. Vor ihm dehnte sich die Ebene, an deren Südrand sich die Hügel erhoben.

Die Pferdehufe hämmerten in wildem Stakkato. Matt Shannon stellte sich in den Steigbügeln auf und verlagerte sein Gewicht nach vorn. So bot er dem Pferd die einzige erdenkliche Erleichterung. Denn von der Schnelligkeit und Ausdauer des Tieres hing nun alles ab. Matt Shannon machte sich keine falschen Hoffnungen. Sie würden ihn hetzen wie die Bluthunde, und er würde den Sattel heißreiten müssen, um ihnen zu entkommen. Nur im Gewirr der Hügel und Felsen hatte er eine Chance, den Revolvern der Hackknife-Crew zu entgehen.

Das Pferd, das Shannon ritt, war ein guter Renner, hochbeinig und mit einer breiten Brust, was kräftige und strapazierfähige Lungen verriet. Mit unverminderter Geschwindigkeit donnerte es dahin.

Die Hügel rückten näher, schienen aber immer noch endlos weit entfernt. Dahinter erhoben sich die schroffen Felsen. Wieder schaute Matt Shannon zurück.

In einer breiten Front kamen die vier Cowboys der Hackknife Ranch hinter ihm her gejagt. Ihre Pferde flogen förmlich über das Gras. Gewiss hatten auch sie zähe, schnelle und ausdauernde Tiere. Das dumpfe Tosen und Brausen des rasenden Hufschlags holte Matt Shannon ein und mutete ihn an wie ein Gruß aus der Hölle.

Die Gebäude seiner Ranch versanken im abendlichen Dunst. Er starrte wieder nach vorn.

Yard um Yard flog unter den wirbelnden Hufen dahin. Aber bis zu den Bergen galt es noch eine ganze Menge Yards zurückzulegen.

Das Tier lief mit monotoner Gleichmäßigkeit. Unerreichbar muteten Shannon die Hügel an. Vor den Nüstern des Rotbraunen bildeten sich Schaumflocken. Besorgt fragte Matt Shannon sich, wie lange das Tier wohl dieses Höllentempo noch durchhalten konnte. Irgendwann würde sich der rasende Hufewirbel verlangsamen. Zunächst kaum merklich, dann immer rascher, immer deutlicher. Aber noch erlahmten die Muskeln und Sehnen des Pferdes nicht.

Als Matt Shannon wieder einmal nach hinten schaute, waren die Verfolger ungefähr hundert Yards hinter ihm. Sie ließen sich nicht abschütteln. Matt Shannon konnte auf diese Entfernung ihre Gesichter erkennen. Geduckt saßen sie auf den Pferden, bearbeiteten sie mit den Zügelenden, den Sporen und Fäusten. Noch steckten ihre Colts in den Futteralen, die Gewehre in den Sattelschuhen. Matt Shannon bot ein viel zu unsicheres Ziel, und jeder Schuss hätte nur vergeudete Munition bedeutet.

Ihre Oberkörper bewegten sich im rhythmischen Galopp auf und ab.

Der Abstand zu dem Gejagten veränderte sich nicht. Die Hufe der sehnigen Cowboypferde schienen kaum den Boden zu berühren.

Unruhe und Rastlosigkeit befielen Shannon. Und plötzlich dachte er daran, was sein würde, wenn der Rotbraune in einen der zahlreichen Präriehundbauten trat.

Alles in ihm lehnte sich dagegen auf, sich auszumalen, was sie mit ihm anstellen würden. Also verdrängte er das Dunkle, Unheilvolle, das am Ende dieses Gedankens stand.

Greifbar nahe schien das hügelige Terrain, das Rettung versprach, zu sein. Dicht vor Shannons Augen wehte die Pferdemähne. Schaumflocken trieben gegen seine Beine. Die Verfolger begannen jetzt zu schießen. Jedoch ließ das Auf und Ab der wilden Karriere keinen sicheren Schuss zu. Keine der Kugeln gefährdete Shannon. Es war jedoch nicht auszuschließen, dass einer seiner Verfolger auf die Idee kam, sein Pferd anzuhalten, um ihn mit einem gezielten Schuss aus dem Sattel zu holen.

Das Wummern der Detonationen vermischte sich wieder und wieder mit dem Stampfen und Dröhnen der wirbelnden Hufe. »Vorwärts – vorwärts!«, krächzte Shannon heiser. Und der Rotbraune raffte sich zu einer letzten Kraftprobe auf, als spürte das Tier, dass es an ihm lag, Shannons Leben zu retten. Es war, als steigerte diese letzte, verzweifelt anmutende Anstrengung sein Tempo.

Die Reiter fielen zurück, das Pochen hinter Shannon schien leiser zu werden. Zwei, drei Minuten stob das Tier wie ein Pfeil dahin, Minuten, die den gehetzten Mann wie eine Ewigkeit erschienen. Die Männer von der Hackknife hatten aufgehört zu feuern.

Nun wurde der Rotbraune langsamer. »Nicht nachlassen!«, schrie Shannon neben seinem Ohr, und der Reitwind riss ihm die Worte von den Lippen, trug sie davon. Der Schaum von den Pferdenüstern hatte seine Hosenbeine durchnässt. Unangenehm klebten sie auf der Haut.

Die Verfolger waren auf ungefähr hundertfünfzig Yards zurückgefallen. Shannons Pferd prustete und röhrte, und Shannon verspürte einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend, weil er gezwungen war, zum ersten Mal in seinem Leben ein Pferd zuschanden zu reiten. Unwillkürlich ruckte er am Zügel und verminderte das Tempo. Er musste dem Rotbraunen eine Verschnaufpause gönnen, denn es war möglich, dass er noch einmal seine letzten Reserven mobilisieren musste.

Mit jedem Schritt des Pferdes schienen sich die Konturen der hügeligen Einöde deutlicher vom blauen Hintergrund abzuheben. Das Gras wurde spärlicher, der Boden steiniger. Das Hufgeräusch veränderte sich und wurde heller.

Heißer Schreck durchflutete Shannon, als er wieder einmal einen Blick nach hinten warf. Die Verfolger hatten wieder aufgeholt. Es gelang Shannon nicht mehr, den Rotbraunen zu einer schnelleren Gangart zu bewegen. Das gepeinigte Tier hatte seine Grenzen erreicht und zeitweise sogar überschritten. Und nun war es am Ende.

Die ersten Hügel säumten den Weg. Mit weit aufgerissenem Maul und pumpenden Lungen stolperte das Pferd mehr, als es lief, zwischen sie. Der Hufschlag der Pferde seiner Jäger war wieder deutlich angeschwollen. Dornige Comas säumten den Weg, den Matt Shannon nahm. Die Hügel endeten und felsiges Terrain begann.

Verzweifelt trieb Shannon das Pferd durch das dornige Gestrüpp zwischen den haushohen Steinriesen. Immer tiefer ging es in das Felsgewirr hinein, immer unwirtlicher, halsbrecherischer und mühsamer wurde der Weg. Dann öffnete sich vor Shannon eine Schlucht.

Das Brausen, das die Annäherung seiner Verfolger überdeutlich werden ließ, quoll zwischen die Felsen und ließ den einsamen Mann erschauern. Und er spürte den Eishauch des Todes, der mit dem tackenden und klirrenden Tosen herantrieb …

 

*

 

Shannon trieb sein Pferd in einen Canyon hinein, ritt in eine Seitenschlucht und schwang sich aus dem Sattel, zog mit einem Ruck die Winchester aus dem Scabbard und repetierte.

Er versetzte dem Pferd mit der flachen Hand einen Schlag auf die Kruppe. Der ausgepumpte Rotbraune trottete mit hängendem Kopf und schleifendem Zügel zwischen die Felsen. Shannon rannte in den engen Canyon hinein, steifbeinig, geduckt und bis in den letzten Nerv angespannt. Fest umklammerten seine Hände Kolbenhals und Schaft des Gewehres.

Unaufhaltsam kam der Hufschlag seiner Verfolger näher. Er hallte von den Sandsteinwänden in vielfältigen Echos wider. Heisere Stimmen waren dazwischen zu hören, die mit dem klingenden Getrappel herantrieben. Sie verstummten, ertönten aufs Neue, brachen wieder ab …

Shannon atmete gepresst. Sein Blick hetzte in die Runde, flog über die Felsbarrieren, schnellte an den rauen Wänden in die Höhe, drang in die Düsternis schmaler Felsspalten und irrte wieder zurück zur Sohle des Canyons. Er lief am Fuß eines Geröllfeldes entlang und erreichte einen dichten Gürtel dorniger Comas, warf sich auf den Bauch und kroch eng an die Erde geschmiegt hindurch. Dornen zerkratzten ihm die Haut, scharfe Steinkanten rissen seine Handflächen auf und hinterließen stechende Schmerzen. Er ließ das mörderische Strauchwerk hinter sich und rollte in eine Felsrinne.

Aus dem Canyon ertönte ein scharfer Befehl, der Hufschlag brach jäh ab.

Shannons Atem wurde ruhiger. Angespannt lauschte er. Durch die Comas strich der Wind, Flugsand wehte in Shannons schwitzendes Gesicht und blieb kleben.

Von seinen Verfolgern war nichts mehr zu hören. Aber sie befanden sich in der Nähe, und er musste sich wie ein tödlich verwundetes Tier im unwegsamen Gelände verkriechen. Der Schatten der Comas fiel auf Shannon. Sonnenlicht flirrte dazwischen und zeichnete goldene Kringel auf seine Gestalt. Es war anstrengend, mit den Blicken das Zweig- und Blattwerk zu durchdringen.

Er lag in der Rinne wie in einem steinernen Grab.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alle Digitalrechte AlfredBekker/CassiopeiaPress, Postmaster@AlfredBekker.de
Bildmaterialien: Steve Mayer
Tag der Veröffentlichung: 11.01.2014
ISBN: 978-3-7309-7514-5

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