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1. Das Hotel




1. Das Hotel


Ich gehe durch einen tiefen Wald. Alles was ich sehe ist dichter Nebel. Die Luft ist stickig, das Gras unter meinen Füßen nass und zu hoch. Es ist dunkel, und der Nebel trübt meine Sicht. Der matschige Boden lässt mich mit meinen hohen Schuhen versinken. Mit meinen Händen taste ich mich nach vorne, halte an und lausche, aber ich höre nichts. Nur das Rascheln der Bäume. Langsam bewege ich mich weiter, Zentimeter für Zentimeter. Von weit weg zirpt eine Grille.
Es ist November, die Luft ist kalt und bläst mir meine langen braunen Haare ins Gesicht. Ich habe überall Gänsehaut und zittere. Mein dünner Schal hält mich nicht warm. Notdürftig schlang ich ihn mir über die Schultern. Jetzt bereue ich es, dass ich so dünn angezogen bin. Ich hätte auf meine Eltern hören sollen, mich wärmer anziehen sollen, doch vor allem hätte ich nicht alleine zu Tahira gehen sollen. Jetzt bin ich hier und kann mich an nichts mehr erinnern. .Ich frage mich wo ich bin. Schon die ganze Zeit über. Wie bin ich hierhergekommen? Ich weiß es nicht, und werde es höchst wahrscheinlich auch nie erfahren.
Ich habe Angst, schreckliche Angst. Was, wenn ich nie wieder zurück finde und hier sterbe? Wie lange wandere ich schon? Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Mein Zuhause. Mein geliebtes Zuhause.
Tränen kullern mir über die Wangen. Ich will einfach nur nach Hause. Soll ich doch Hausarrest bekommen, mir egal. Hauptsache nach Hause. Ich werde auch immer brav sein, werde alles tun was man von mir verlangt. Bitte lieber Gott, lass mich nach Hause!
Ich sollte schon längst dort sein, bei meiner kleinen Schwester. Sie suchen mich bestimmt schon, machen sich sorgen, oder sind stinksauer das ich noch immer nicht da bin
Gedankenversunken gehe ich weiter, als ich plötzlich ein grelles Licht sehe. Ich kneife meine Augen zusammen, um wenigstens etwas sehen zu können. Es ist ein Hotel, indem nur der zweite und der dritte Stock hell beleuchtet sind. Meine Rettung! Ich werfe all meine guten Vorsätze über Bord und renne, so gut es mit den hohen Schuhen im Matsch möglich ist, hin. Doch das Hotel sieht schäbig und heruntergekommen aus, im Moment ist mir das jedoch vollkommen egal. Ich will nur ins Warme, meine Eltern anrufen und eine Nacht hier verbringen.
Bevor ich die große Tür aufmache, spähe ich durch die Glasfenster hinein. Es ist dunkel, nur einzelne Kerzen spenden Licht. Von Draußen kann ich nichts erkennen.
Schweigend trete ich in die Lobby ein. Es herrscht toten stille. Ein paar Sekunden stehe ich unschlüssig da und weiß nicht was ich machen soll. Hier ist es nicht viel wärmer als Draußen. Erst jetzt spüre ich, wie meine Füße schmerzen. Um meine High Heels auszuziehen, bücke ich mich. Schon habe ich sie in der Hand und meine Füße fühlen sich viel befreiter an.
Nach einiger Zeit haben sich meine Augen an die Finsternis gewöhnt und ich kann die Umrisse der Möbel sehen. Die Lobby ist ziemlich groß. Niemand ist hier, glaube ich. Ich kann keine Menschenseele erkennen, geschweige denn hören. Mir kommt es so vor, als könnte ich die Kerzen flackern hören.
"Brauchst du ein Zimmer für die Nacht?" höre ich eine Stimme direkt hinter mir. Unwillkürlich zucke ich zusammen, fahre herum und sehe einen älteren Mann, der in einem Buch blättert. "Also brauchst du ein Zimmer?"
"Ja", antworte ich ihm, denn Draußen ist es schon stockdüster.
Mit der Kerze scheint er mich an und meint: "Du siehst erschöpft aus. Komm ich mache dir ein Zimmer fertig." Meiner Meinung nach scheint er nett zu sein. Doch der erste Eindruck kann, wie gewöhnlich täuschen.

Während wir gehen schaue ich ihn mir genauer an,. Seine grauen Haare hängen ihm fettig ins Gesicht. Er hat viele Falten im Gesicht und sieht alt aus. Seine Haare haben an Glanz verloren, lediglich die fettigen Strähnen lassen es glänzen. Mir fällt auch auf, dass er schielt. Wann hatte er seine letzte Dusche hinter sich? Unhygienisch! Mir soll's egal sein. Morgen bin ich sowieso schon wieder weg. Eine Nacht ist nicht so tragisch. Ich werde es schon überleben. Sein Schweißgeruch wird mich nicht davon abhalten können hier eine ungemütliche Nacht zu verbringen, die schlimmste, unhygienischste, dunkelste, furchteinflößendste Nacht meines Lebens.
"Hier entlang", sagt er und ich komme aus meinen Gedanken. "Nicht trödeln!"
Nach einiger Zeit erklärt er: "Ach übrigens, ich bin Achaz. Und du?"
Kurz und knapp antworte ich: "Zoey."
"Hübscher Name", er reicht mir seine Hand. Nach kurzem zögern erwidere ich diese nette Geste und merke, dass seine Hände rau, kalt und faltig sind. Faltig wie sein Gesicht. Dieser Händedruck ist mir etwas unangenehm. Ich habe ein komisches Gefühl bei dieser ganzen Sache hier, doch dieses schiebe ich beiseite, denn mir ist noch immer kalt und ich bin hundemüde.
"Ich muss sagen, wir bekommen nicht oft Gäste um diese Uhrzeit" Ach echt! Wieso wohl?

Wir kommen an einer Art Gefängnistür vorbei, sie ist mit Gittern und einem Schloss versehen. Achaz geht weiter, doch ich bleibe stehen und schaue mir diese Tür genauer an.
"Hast du dich etwa verirrt?" Mittlerweile hat er sich mit gerunzelter Stirn umgedreht und einen merkwürdigen Blick, den ich nicht deuten kann, in den Augen. "Na komm schon! Ich beiße nicht." Seine Gesichtszüge glätten sich wieder und er lacht. Sein Lachen klingt nicht melancholisch, eher gruselig. Es jagt mir einen Schauer über den Rücken. "Oder bist du vielleicht sogar irre..." Wieder lacht er. Irre? Ich und irre? Da sollte er sich lieber erst mal selber angucken, bevor er mich irre nennt.
Mein Zimmer ist direkt neben dem Gefängniszimmer. Ich war noch nie alleine in einem Hotel, besonders nicht in so einem schäbigen und bei Nacht. Immer wieder frage ich mich, was wohl hinter dieser Tür ist. Ein Gefangener? Ein Häftling? Ich weiß es nicht. Doch ich werde es herausfinden! Da bin ich mir ganz sicher.
Knarrend öffne ich die Tür zu meinem Zimmer und Achaz erklärt: "So, das hier ist dein Zimmer. Fühl dich wie Zuhause." Wird schwer werden, antworte ich ihm in Gedanken.
Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hat, will ich mich umziehen. Bloß raus aus diesen dreckigen Klamotten. Ich schlüpfe aus meinen Sachen, stehe, mitten im Zimmer, nur in Unterwäsche da und weiß nicht was ich anziehen soll. Unerwartet wird die Tür quietschend einen Spalt breit geöffnet und Achaz Gesicht schiebt sich dazwischen: "Ich wünsche dir eine gute Nacht... Die wirst du brauchen." Hastig schnappe ich mir mein Top und bedecke mich notdürftig damit. Noch nie was von anklopfen gehört?
Noch immer peinlich berührt werfe ich einen Blick in den leeren Kleiderschrank. Keine einzigen Sachen hier. Pech gehabt! Sowas muss ja auch immer mir passieren. Völlig niedergeschlagen ziehe ich mir wieder meine alten verschwitzten Sachen an und schaue mich mit gerunzelter Stirn um. Über dem Metall-Bett hängt ein Bild von einem posierenden felllosen Tier.
"Wie hässlich", flüstere ich in die Dunkelheit hinein. Die Wände sind traurig, grau und schmutzig. Alles sieht so leer aus. Sieht eher aus wie ein Friedhof ohne Leichen.
Die Atmosphäre ist deprimierend. Aus der grünen Bettdecke ist die Farbe schon langsam verblichen. Es ist noch immer kalt, und mich lässt mein beunruhigendes Gefühl noch immer nicht los. Jetzt wünsche ich mir mehr als je zuvor Zuhause zu sein.
Müde lege ich mich, ohne nachzusehen ob es überhaupt sauber ist, ins Bett, falle in einen tiefen Schlaf und beginne zu träumen...

Traum


Ich stehe vor einem abgebrannten Haus und sehe nur den Rauch in den Himmel aufsteigen. Es ist Nacht. Ich kann den Mond, hell leuchten sehen. Die Sterne, die wie winzig kleine Punkte aussehen, die die Nacht erleuchten und den Himmel friedlicher erscheinen lassen. Der Himmel ist klar und die angenehme Nachtluft umschmiegt mich sanft wie ein Schleier.
Ich bin barfuß, und ein paar Steine piksen, ohne weh zu tun, in meine Füße. Meine Haare flattern im zarten Wind, dadurch spüre ich die Blume in meinem Haar. Vorsichtig nehme ich sie raus und muss feststellen, dass diese wunderschön ist. Ihre Farben blühen so prächtig rosa, rosa wie mein Kleid, das ich anhabe. Ein paarmal drehe ich sie zwischen meinen Fingern, dann stecke ich sie zurück in mein Haar.
Ich fühle mich eins mit der Natur, verbunden. Doch noch immer drängen sich die Fragen in mir: Wessen Haus ist das? Sind hier noch Leute? Was ist passiert? Und was hat das alles mit mir zutun?
Dieser Ort hier ist trostlos, dunkel und kalt. Das Feuer, das eben noch gebrannt hat, wärmt mich und schützt mich vor der Dunkelheit, die versucht mich zu verschlingen. Es wäre so schön, wäre da nicht die Tatsache, dass ein eben noch brennendes Haus hier, direkt vor meiner Nase gestanden hat. Es ist so traurig.
Wie ein Blitz kommt eine Gestalt vom Haus aus auf mich zu. Zuerst kann ich sie nicht erkennen, denn sie leuchtet zu hell und blendet mich. Dann höre ich eine Stimme: "Komm schon, gibs auf! Wirf alle Sorgen von dir!" Jetzt kann ich die Gestalt erkennen. Es ist ein kleiner Junge. Er ist blass, abgemagert und hat unzählige Narben im Gesicht.
"Hä? du bist nicht von hier. Hast du dich verirrt?" fragt er.
Mutig, wie sonst nie, will ich wissen: "Wer bist du und was ist hier passiert?"
"Ich bin William."
"Was ist hier passiert?" Wiederhole ich selbstsicher und standhaft meine Frage.
"Bis zum nächsten Traum."
"Halt warte. Was ist hier passiert?" Ich strecke meine Hände nach ihm aus, will das er bleibt und mir alles in Ruhe erklärt, doch er verschwindet, löst sich einfach in Luft auf. "Bitte bleib hier!" Verzweifelt weine ich und sinke zu Boden. Das Gras um mich herum fängt an zu brennen, die Blume fällt aus meinem Haar und verwelkt. Ein Albtraum!
In einem Moment wird der Himmel sternenklar, dann wird alles um mich herum schwarz. Der Schleier löst sich. Ich spüre die Hitze der Flammen, meinen Körper entlang gleiten und mich verschlingen.
Dann ist es vorbei.

Impressum

Texte: Ich natürlich...
Tag der Veröffentlichung: 18.03.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An die Leser =D

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