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Für meine Lieben Gildis aus Bona,

die mich erst auf diese tolle Idee gebracht haben.

 

Es verlangt viel Mut, sich seinen Ängsten zu stellen und gegen seinen größten Feind zu kämpfen.

Doch noch mehr Mut verlangt es von einem, sich vor die zu stellen, die man liebt, selbst wenn es bedeutet das man sich selbst dafür opfern muss!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

- Prolog -

 

Du bist ein grausamer Bastard Izlae. Ich verabscheue dich!“

Grimmig blickte die Rothaarige den Höllendämon an. Glühende Flammen stiegen empor und umkreiste sie wie einen Feuersturm. Wütend schlug die Kriegerin nach dem dunklen Geschöpf das vor ihr stand. Eigentlich hatte dieses Monster es nicht verdient am Leben zu sein. Sterben sollte diese Kreatur. Doch war dies schon fast unmöglich, denn Izlae war nicht irgendwer, sondern der Gott der Hölle. Meister über die Untoten und Dämonen, welche aus den Schatten entstiegen.

Nichts menschliches war an dem Höllengott. Kein Gefühl, kein Herzschlag, einfach nichts. Kälte umgab seine feurige Präsenz, welche einen das Fürchten lehrte.

Pass auf was du sagst!“, knurrte der Dämon verärgert und verpasste der Rothaarigen eine kräftigen Hieb, sodass sie mit einem lauten Aufprall gegen die Felswand donnerte. Die Wucht war so stark, dass der zierlichen Frau für einen Moment die Luft weg blieb.

Du vergisst, dass du immer noch ein Teil von mir bist und somit für immer an mich gebunden.“

Mag sein, dass du mich mit in die Verdammnis gezerrt hast, als Mutter dich damals in dieses Verlies gesperrt hat, jedoch wird mein Körper nicht ewig hier bleiben. Irgendwann bin ich frei!“

Nein!“, knurrte Izlae und ein gefährliches Funkeln trat in seine Augen, ehe ein teuflisches Lächeln auf seine Züge trat. Das Rot seiner Augen leuchtete Gefährlich in der Dunkelheit. Die Flammen der Rothaarigen spiegelten sich darin wieder und waren das einzige, das fähig war Licht zu spenden.

Du hast eine genau so dunkle Seele wie ich, deswegen hat dich der Fluch gemeinsam mit mir in die Finsternis befördert.“

Trotzig schüttelte die junge Frau den Kopf. Sie wusste es besser.

Ich bin nicht wie du. Meine Seele mag dunkel sein, doch hab ich auch Herz. Ich bin ein Kind des Lichts und der Dunkelheit. Mutter hat mir ihre Kraft und Fähigkeiten geschenkt. Ich gehe am Rande des Lichts. Die Dunkelheit kann mir nichts anhaben.“

Noch ehe Izlae etwas erwidern konnte, erklang ein lauter Knall. Die Erde begann zu beben und der Boden unter ihren Füßen zitterte. Risse durchdrangen den Stein und dann war für den Moment alles ruhig. Leise hörte man, wie immer tiefere Krater in den Fels gehauen wurden. Wie die Wände instabil wurden und das Tor zu wackeln begann.

Überrascht weiteten sich die Augen der Frau, als sie begriff, was gerade geschah.

Erneut ging ein Beben durch das Verlies. Ein Donnergrollen und dann plötzlich zersprang das Siegel, welches Izlae so lange Zeit unter Verschluss gehalten hatte. Steine bröckelten von der Decke und verfehlten die Rothaarige nur um wenige Millimeter, als das große Tor auch schon mit einem lauten Krachen aufsprang und Licht in die Dunkelheit fiel.

Nein!“, kam es entsetzt aus dem Mund der Göttin. „Das kann nicht sein!“

Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie unfassbar auf die weite Öffnung, die den Dämon in die Freiheit entlassen würde. Sie konnte nicht begreifen, wie das geschehen konnte. Das Siegel hätte niemals zerbrechen sollen. Die Kraft der Urmutter hatte es so viele Jahrhunderte verschlossen gehalten.

Endlich!“, schnurrte Izlae begeistert. Mit schweren Schritten ging er der Freiheit entgegen.

Meine Rache wird grausam sein!“

6000 Jahre hatte das Siegel gehalten und nun war er endlich erwacht. Brüllen und Feuer spuckend erhob er sich aus dem Verlies. Die Welt würde schon bald seinen ganzen Zorn zu spüren bekommen. All die Jahre, die man ihm gestohlen hatte, würde er sich nun mit Gewalt zurück holen.

 

 

- 1 -

 

Im Schutz der Wolken, weit oben über dem Himmel von einer großen Felswand abgeschottet, lag das Königreich der sieben Himmelsrichtungen, welches von der Urmutter der Götter beherrscht wurde, bis einst ein Nachfolger gefunden war. Kein menschliches Auge hatte je das Schloss wahrnehmen können, da es nur für die Götter allein bestimmt war. Im Konferenzraum herrschte reges Treiben. Die Urmutter hatte alle Götter zusammen rufen lassen, denn die Zeit des Handelns war gekommen.

Es ist eine ernstzunehmende Lage in der wir uns befinden!“, erhob Meisterin Ryu ihre Stimme als erste. Im Raum wurde es still und das Gemurmel endete abrupt. Aufmerksam blickte sie in die Runde und sah jeden einzelnen von ihnen an. Das war das erste Mal das die Götter der Erde ihr begegneten. Sie waren gekommen, denn es stand schlecht um Muttererde.

Sie selbst war die Göttin des Lichts. Sie schenkte der Erde den Tag und die Sonne. Ihr blondes Haar, welches von Locken geziert war, trug sie zu einer eleganten, kunstvollen Hochsteckfrisur. Ihr Körper war in ein dünnes, hauchzartes Kleid gesteckt, welches von einem cremigen weiß war.

Ich hab euch rufen lassen, weil die Erde langsam stirbt. Der Baum des Lebens wurde vergiftet und alles Leben um ihn ist bereits erloschen. Die Natur stirbt. Die Bäume und Tiere sterben. Wir müssen etwas unternehmen, ehe die dunklen Schatten sich noch weiter ausbreiten können!“

Was schlagt Ihr vor?“, fragte Nensu, der Gott der Kühnheit und Stärke. Ihm gehörte das Volk der Krieger an. „Wir befinden uns bereits im Krieg. Mein Volk kämpft ums Überleben. Die Erde gleicht einem Friedhof. Wie stellt Ihr es euch vor, dass wir uns nun auch mit dem Tod der Erde befassen, wenn es doch schon längst begonnen hat!“

Nensu ist außer sich vor Zorn. Seine Augen sprühten Funken und missmutig ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Lange ist es her, dass die Götter sich zusammen gesetzt hatten. Seit den Unstimmigkeiten vor mehr als 3000 Jahren, gab es kein friedliches Zusammenkommen mehr. Die Götter hatten das Vertrauen einander gegenüber verloren. Viele ihrer Kinder mussten schon sterben.

Wenn ihr Krieger nicht so eitel gewesen wärt, dann hätte es wohl möglich keinen Krieg gegeben!“, zischte Erisa, die Göttin der Magie, aufgebracht. „Ihr strebt nach Macht und Habgier, so dass euch das Wohl aller anderen egal ist. Ihr verschließt die Augen vor der Wahrheit!“

Du Hexe bist nicht besser. Auch in deinen Augen sehe ich das Glimmen nach Macht. Auch dir würde es gefallen, wenn du dir die uralte Kraft unter den Nagel reißen würdest und Herrscherin über das Schloss der sieben Himmelsrichtungen werden würdest!“, fauchte Faynia wütend und erhob sich von ihrem Stuhl. Ihr Gesicht war zu einer ausdruckslosen Maske verzogen. Nur ihre Augen verrieten, was in ihrem Innersten vor sich ging. Sie war die Göttin der Schnelligkeit und Grausamkeit. Kein Volk verstand es besser mit Dolchen und Wurfsternen umzugehen, als das ihre. Faynia war noch nie Geduldig im Umgang mit anderen gewesen. Man konnte sie schnell aus der Fassung bringen. In ihrem Innersten brodelte ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte. So nun auch jetzt.

Schluss jetzt!“, donnerte Amra lautstark und ihre Hand landete krachend auf dem Tisch. „Es reicht. Dieser ewige Streit führt doch zu nichts. Die Gier nach Macht hat euch den Verstand zerfressen und euch unüberlegt handeln lassen. Der Krieg zwischen unseren Völkern hat schon viel zu lange angedauert.“

Betretene Stille herrschte und betroffen blickten alle die Göttin der Weisheit an, ehe jeder seinen Blick senkte um nicht das wehleidige Gesicht von Amra sehen zu müssen. Die Götter wussten, dass sie recht hatte. Am meisten hatte es sie und ihr Volk getroffen. Denn viele der Heiler starben im Kampf, als sie versucht hatten Leben zu retten, anstatt sie zu nehmen. Das Herz der Göttin war so rein und voller Wärme, dass es jeder in ihrer Umgebung spüren konnte. Doch jetzt war es von Schmerz und Kummer erfüllt. Der Verlust der Toten hatte sie schwer getroffen. Dabei dachte sie nicht nur an ihr Volk, sondern auch an die anderen.

Langsam erhob sich Amra und blickte die anderen Strafend an. Ihr Gesicht war ernst. Sie mussten alle endlich zur Vernunft kommen.

Ich werde nicht länger zusehen wie sich die Erde in ein Schlachtfeld verwandet und meinem Volk den Tod bringt. Wir sind da um Leben zu retten und nicht um sie zu nehmen. Doch stattdessen muss ich zusehen wie meine Kinder im Krieg sterben!“

Tief atmete die Göttin der Weisheit und Hoffnung ein. Es viel ihr schwer, sich noch einmal den Verlust der Toten vor Augen zu rufen.

Viele von uns mussten sterben, dabei sind wir doch Völker mit verschiedenen Fähigkeiten, die sich gut ergänzen würden.“

Und was schlägst du nun vor?“, erhob Nensu die Stimme. Kalt kamen die Worte aus seinem Mund. Er war noch wütender, als je zuvor. Wie konnte diese Heilerin es wagen ihnen Vernunft einprägen zu wollen? Natürlich hatte sie Recht mit ihren Worten, doch er war nicht bereit das Feld zu räumen und kampflos das Königreich der sieben Himmel seinen Rivalen zu überlassen. Er war schließlich der Gott der Kühnheit und Stärke. Sein Volk war unerschrocken und bestand aus mutigen Kriegern einer mächtigen Rase.

Sollen wir nun dir das Königreich überlassen? Ist das dein Wunsch?“, mischte sich nun auch Faynia ein und musterte ihre Rivalin wütend. Ihre Augen sprühten Funken und am liebsten hätte sie ihr einen Dolch mitten durchs Herz gerammt. So blickte sie sie nur an, die Hände fest um die Tischplatte geklammert, um sich zu beherrschen. Noch immer stand sie, denn das stille Sitzen behagte ihr nicht sonderlich. Amra schüttelte nur den Kopf. Die Götter wollten es einfach nicht verstehen.

Nein!“, flüsterte sie die Antwort schon fast. „Nein, mein Wunsch ist es, dass dieser Krieg endlich aufhört und Frieden wieder einkehrt.“

Pah, Frieden? Das ich nicht lache!“, erwiderte Faynia verächtlich und schnaubte. „Für den Frieden ist es längst zu spät. Es wird so etwas wie Frieden nicht mehr geben. Dafür mussten schon zu viele sterben. Wenn wir nun die Waffen nieder legen, dann wäre die Zahl der Opfer umsonst gewesen.“

Gequält schloss die Göttin der Weisheit die Augen. Sie konnte nicht noch mehr Schmerz und Leid ertragen.

Mach dir nichts draus Amra. Mit den dreien kannst du nicht vernünftig reden“, meinte nun Elaine mit tonloser Stimme. Sie hatte bis eben zu dem Streit geschwiegen. Es brachte nichts darüber zu diskutieren. Die drei würden ihren Standpunkt nicht fallen lassen. Keiner der drei wollte auf die uralte Macht verzichten. Ihr Volk hatte auch Opfer bringen müssen. Viele ihrer Kinder starben. Genauso wie die Natur und die Tiere, die sie so liebte. Auch ihr war der Krieg zuwider, doch konnte sie die Waffen nicht niederlegen, wenn es den Tod bedeuten sollte. Sie war die Göttin der Natur und Tiere. Ihr Volk war mit der Armbrust und dem Bogen vertraut.

Was mischt du dich nun eigentlich ein?“, fragte Erisia gehässig, die sich noch nie besonders gut mit Elaine vertragen hatte. Auch ihr war die uralte Kraft nicht egal. Mit ihr würde ihre Magie ins unermessliche steigen und ihr unendliche Macht versprechen.

Ihr werdet euren Krieg vergessen müssen. Wir haben andere Sorgen als eure Gier nach Macht!“, donnerte eine dunkle Stimme durch den Saal, sodass es augenblicklich still wurde. Wachsam blickten die Götter zur Tür. Niemand wagte es auch nur ein Wort zu sagen. Keiner wollte den Zorn des dunklen Gottes herauf beschwören. Eragon, der Gott der Dunkelheit trat durch die Tür und steuerte direkt auf seine Frau Ryu zu. Während sie für den Tag und die Sonne verantwortlich war, so war Eragon für die Nacht und den Mond verantwortlich. Er war demzufolge der Urvater aller Götter.

Eragon hat recht. Die Welt wird sterben, wenn wir nicht bald etwas unternehmen“, versuchte Ryu sich erneut Gehör zu verschaffen und hoffte, dass sich ihre Kinder endlich einmal am Riemen reißen würden. Sie hatte bis eben schweigend dem Streit gelauscht. Sie wollte sich da nicht einmischen. Irgendwann würden sie es begreifen, in welcher Lage sie sich befanden. „Ein Fluch sucht unser Land heim. Der Baum des Lebens ist krank!“

Wie konnte das geschehen?“, wollte Elaine wissen.

Izlae!“, knurrte Eragon, als wäre das Erklärung genug.

Geschockt starrten ihn alle an. Keiner konnte es fassen. Entsetzen machte sich in den Gesichtern der Götter breit. Ihr Feind war wieder zurück und wollte Rache für die verlorenen Jahre der Gefangenschaft.

Seid ihr Euch sicher?“, wollte Elaine vorsichtig wissen.

Ja, das Siegel, das ihn unter Verschluss gehalten hat, ist zerbrochen.“

Und was sollen wir jetzt tun? Wir sind zu wenige um es mit ihm aufzunehmen.“

Wir haben nur eine einzige Chance“, mutmaßte Erisia, Göttin von Donner, Feuer und Eis. Große Macht, aber auch Dunkelheit ging von ihr aus.

Und welche?“, knurrte Nensu grimmig.

Denk doch mal nach. Es ist dieselbe Antwort, wie damals vor 6000 Jahren, als Aeria noch lebte und über uns Götter wachte.“

Spuck es aus du Hexe, oder ich mache Kleinholz aus dir!“, polterte der Krieger los, der so überhaupt keine Lust auf diese Spielchen hatte. Mit einem Satz war er von seinem Stuhl aufgesprungen und schoss auf die Magierin zu. Doch noch ehe er sie erreicht hatte, erstarrte er in seiner Bewegung. Der Stuhl krachte lautstark zu Boden, während der Krieger in einem magischen Bann gefangen war, der ihm jegliche Bewegung raubte.

Du solltest aufpassen mit wem du es zu tun hast, Bruder!“, zischte die schwarzhaarige Schönheit verächtlich. Es ist lange her, dass sie einander wie Geschwister ansahen oder gar zu erkennen gaben jemals blutsverwandt zu sein.

Zornig Blickte der Krieger seine Schwester an. Seine Augen waren hasserfüllt auf sie gerichtet. Die Harmonie untereinander war lange nicht mehr da gewesen. Sie würde auch nie wieder zurück kehren. Dafür war einfach zu viel geschehen.

Langsam schritt Erisia auf Nensu zu und blieb direkt vor ihm stehen. Ihre Augen leuchteten kurz blau auf als sie ein paar wenige Worte murmelte. „Beru si lazus barus!“ Mit diesen Worten verschwand der Bann und der Krieger fiel polternd zu Boden.

Finde die verlorene Träne von Aeria und wir sind das Problem Izlae los!“, erklärte sie ihrem Bruder dann noch gelangweilt und setzte sich wieder auf ihren Platz zurück. Mühsam erhob sich Nensu vom Boden und blickte sie noch immer hasserfüllt an.

Und wie, wenn sie seit tausenden von Jahren vor aller Augen verborgen lag?“, wandte Faynia fraglich ein und betrachtete ihre Schwester skeptisch. „Niemand kennt den Ort dieser Träne. Niemand weiß wo sie zu finden ist. Und wenn doch, dann hat es nie jemand überlebt!“

Betretendes Schweigen legte sich über den Raum. Die Götter hingen ihren Gedanken nach. Jeder versuchte für sich einen Weg zu finden, um den Feind zu vernichten. Doch je mehr Zeit verging, umso mehr sank die Hoffnung auf Erlösung. Die Welt würde untergehen. Und das Königreich gleich mit.

Ich denke ich könnte euch da weiterhelfen“, erklang eine sanfte Stimme und eine junge, zierliche Frau trat aus den Schatten. Ihr Haar leuchtete in einem dunklen Rot, während ihre Augen die Farbe von einem kräftigen Grün hatten, welches mit einem weichen blaugrau vermischt war. Weiche Gesichtszüge und sinnliche Lippen rundeten das ganze Bild noch ab. Sie war jung. Sehr jung sogar. Ihre Gestalt war in einen schwarzen Umhang gehüllt und verbarg ihren Körper komplett, wenn man ihr nicht ins Gesicht sah, würde man nicht einmal erahnen können, dass hinter diesem Wesen eine Frau steckte.

Wie will ein so junges Ding wie du wissen wo die verlorene Träne von Aeria zu finden ist?“, wollte Eragon skeptisch wissen und musterte die fremde Frau vor sich genau. Ihr Gesicht kam ihm bekannt vor, dennoch war er sich sicher, dass er sie noch niemals zuvor gesehen hatte. Ein wissendes Lächeln stahl sich auf die Lippen der Rothaarigen. Die grünen Augen leuchteten verräterisch auf. Eine Aura umgab den zierlichen Körper. Eine Aura von unglaublicher Macht. Der Raum begann unter den Schwingungen, die von ihr ausgingen zu erzittern. Wind wirbelte durch den Saal. Der schwarze Umhang flackerte, als blaues Licht aus ihrem Körper entwich. Ein Drache in Form einer Schlange schoss durch den Raum. Lautes Brüllen war zu hören und dann verschwand er auch schon wieder. Verblasste, ehe seine Gestalt komplett verschwand.

Überrascht und doch auch etwas erschrocken, starrten die sieben Götter die junge Frau an.

Wer seid Ihr?“, wollte Ryu erschüttert wissen und trat langsam auf das fremde Mädchen zu.

Ich bin die letzte Tochter von Aeria. Göttin des ewigen Lebens und Hüterin der verlorenen Träne. Mein Aussehen sagt nichts über mein Alter aus. Ich bin doppelt so alt wie ihr alle zusammen. Meine Mutter gab ihr Leben, um das ihrer Kinder zu retten. Sie versiegelte den Kerker des Höllendämon Izlae um uns alle zu retten. Euer Krieg hat dafür gesorgt, dass das Siegel zerbrochen ist. Euretwegen wird die Erde untergehen!“, erzürnte die Frau. Ihre Stimme war schneidend und voller Verachtung. Erneut begannen die Wände des Saals zu erzittern unter der Wut der Rothaarigen.

Wie ist Euer Name Kriegerin?“, wollte nun Nensu wissen, der sichtlich gefesselt von dem Anblick dieser schönen Frau war.

Mein Name ist Nuria !“

Ein Raunen ging durch den Raum. Alle Augen waren auf die Kriegerin gerichtet. Überraschung und Unglauben spiegelten sich in den Gesichtern wieder.

Du bist niemals die Kriegerin aus den alten Legenden!“, widersprach Erisia ungläubig. „Sie soll damals im Kampf gegen Izlae gestorben sein!“

Nein. Das ließ man euch glauben. Wie du siehst lebe ich noch. Ich war schwer angeschlagen und von seinem Fluch gesegnet, doch habe ich trotzdem überlebt!“

Wenn du die Hüterin der Träne bist, warum hast du sie dann nicht gleich her gebracht?“, wollte Faynia mit einem falschen Lächeln wissen.

Weil ich nicht die einzige Hüterin dieser Träne bin. Es gibt noch vier weitere Beschützer. Um genau zu sein meine Schwestern. Doch es ist nicht so leicht es zu erklären. Auch sie wurden vom Fluch getroffen und unterstehen dem Zauber von Izael. Wo wir nun beim eigentlichen Problem wären.“

Erneut ging ein Raunen durch den Raum. Murmelnd sahen sich die Götter gegenseitig an, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf MayLing richteten.

Was schlägst du nun vor, Ria?“, wollte Ryu sanft wissen.

Ich brauche zehn der mutigsten Krieger, die ihr finden könnt. Krieger die sich tapfer ihrem Kampf stellen und bereit sind mit mir gemeinsam loszuziehen um die verlorene Träne von Aeria nach Apolitan zu holen!“

 

 

- 2 -

 

Können wir ihr wirklich trauen?“, wollte Erisia unsicher wissen. Der Streit von eben war vergessen. Das Auftauchen der Nachfahrin von Aeria hatte alle Götter nachdenklich gemacht. Im Saal herrschte Stille, jeder war in seine Gedanken vertieft und dachte über die Worte von Nuria nach. Auch Erisia hatte es zum nachdenken gebracht. Schon eine ganze Weile gingen ihr seltsame Gedanken durch den Kopf, wenn sie nur an den Auftritt von dieser Nuria dachte. Irgendetwas passte da nicht zusammen. Sie wusste nur noch nicht genau was. Die Geschichte die diese Frau erzählt hatte, entsprach nicht ganz der Wahrheit. Nur wusste Erisia noch nicht, was davon der Lüge am nächsten kam. Der Göttin der Magie behagte die ganze Sache nicht. Doch wie sollte sie ihre Bedenken äußern, wenn sie dafür keine plausible Erklärung fand? Das plötzliche Auftauchen dieser Kriegerin war mehr als seltsam gewesen. Warum fiel es den anderen Göttern nicht auf? Dass sie einfach so aus den Schatten getreten war, beunruhigte die Göttin noch mehr. Diese Frau war komplett mit der Dunkelheit verschmolzen, als wäre sie ein Teil von ihr. Das war keine gewöhnliche Fähigkeit und diese beherrschten die Götter zudem nicht. Nur dunkle Wesen und Dämonen waren dazu in der Lage. Bei diesem Gedanken riss Erisia die Augen weit auf und Entsetzen spiegelte sich in ihrem Gesicht. Starr saß sie auf ihrem Stuhl, ihre Augen glasig und zu keiner richtigen Reaktion mehr fähig.

Konnte das sein? Gehörte sie vielleicht auch der dunklen Seite an? War sie hier um alle in die Irre zu führen? Nun war sie sich sicher, dass es wohl ein Fehler sein würde, wenn man dieser Nuria traute. Denn eins stand fest, sie war keine gewöhnliche Göttin, sowie sie es allen weiß machen wollte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Da war sich Erisia nun hundertprozentig sicher.

Wir haben keine andere Wahl!“, erwiderte Faynia achselzuckend und riss damit alle aus ihren Gedanken. „Wir müssen auf ihr Urteil setzen. Oder hast du vielleicht eine bessere Idee?“

Bedauernd schüttelte die Magierin den Kopf. Und ärgerte sich sogleich darüber. Sie waren ohne diese Hüterin aufgeschmissen. Sie war die einzige, die den Ort der verlorenen Träne kannte. Doch wollte sie nicht so leicht aufgeben. Sie würde sich nicht einfach beugen und die Zukunft von Apolitan dieser fremden Frau in die Hände legen.

Man kann dieser Frau nicht trauen!“, entgegnete Erisia in einem ernsten Ton und ihre Augen waren mit einem Schlag wachsam. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Plötzlich hatte sie das Gefühl beobachtet zu werden. Sie konnte sich nicht einmal erklären warum. Suchend blickte die Magierin sich im Zimmer um, als würde sie damit rechnen, dass Nuria gleich wieder aus dem Nichts auftauchen würde, doch es blieb ruhig. Die Schatten waren unbewegt, genauso wie die Dunkelheit der Ecken still dalag.

Mach dich nicht lächerlich, Schwester“, meinte Nensu sarkastisch und ein belustigtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er war alles andere als begeistert darüber, dass man so über die letzte Nachfahrin von Aeria sprach.

Doch lag es weniger daran, dass er Aeria besonderes gut gekannt hatte, sondern viel mehr daran, dass diese Frau etwas an sich hatte, das ihn sofort fasziniert hatte. Wenn es nach ihm ginge, dann würde er sie nur zu gerne in sein Bett einladen und wilde Dinge mit ihr anstellen. Er würde sie lieben, so oft und so lange, bis sie seinen Namen irgendwann schreien und sich immer an ihn erinnern würde. Sie war eine der wenigen Frauen, die er ganz sicher nicht von der Bettkante stoßen würde.

Von wegen lächerlich!“, zischte die Göttin der Magie wütend. „Nur weil du gerade mit deinem Schwanz denken musst und alles andere um dich herum ausblendest, heißt es nicht, dass ich blind auf diese Frau setze und ihr unser aller Leben in die Hand lege. Sie ist gefährlich. Niemand von uns weiß etwas über sie. Eigentlich müsste sie schon seit 6000 Jahren tot sein!“

Und was schlägst du Hexe vor? Das wir hier tatenlos herum sitzen und zusehen, wie die Erde langsam ausgelöscht wird und unsere Existenz ebenfalls bedroht wird. Ich für meinen Teil werde es nicht zulassen. Lieber setze ich auf eine fremde Frau, als Schuld daran zu sein, dass es bald kein Leben mehr auf Apolitan geben wird!“

Begreifst du denn nicht, dass sie die Dunkelheit verkörpert? Ihre Macht ist groß. Vielleicht sogar größer als unsere zusammen. Sie kann für uns den Untergang bedeuten!“, versuchte Erisia ihren Bruder zur Vernunft zu bringen. Er war von der Schönheit dieser Frau geblendet. Sie sah das kleine Glimmern in seinen Augen, das nichts Gutes verheißen würde. Er hatte Blut geleckt. Sie sah, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis er anfing seinen Charme spielen zu lassen und die Rothaarige zu umgarnen. Er wollte sie. Das konnte die Magierin deutlich in seinen Augen ablesen. Sie war nicht nur gefährlich für die Götter, sondern besonders gefährlich für ihren Bruder, der dem Zauber schon längst erlegen ist.

Was weißt du denn schon von der Dunkelheit. In dir schlummert auch eine dunkle Seite. Deine Seele ist so schwarz, wie der Tod selbst. Und dein Herz kalt wie Eis!“, warf Nensu seiner Schwester vor. „Du bist nicht fähig irgendetwas zu empfinden. In deinen Augen sieht man nichts als blanken Hass. Es muss schwer sein, wenn man die Dunkelheit willkommen geheißen hat und in einer Spirale aus Nichts umherirrt!“

Es wurde ganz still im Raum. Nicht einmal Erisia hatte auf diese Worte eine passende Antwort parat. Sie wusste genau, dass er recht hatte. Sie hatte ihre Seele dem Teufel verkauft, nur um an mehr Macht zu kommen. So etwas wie Gefühle waren ihr meistens fremd.

Geht das schon wieder los?“, wollte Eragon wütend von seinen Kindern wissen und durchbrach damit das Schweigen. „Wir befinden uns im Krieg und ihr habt nichts Besseres zu tun, als euch ewig zu streiten und an die Gurgel zu gehen!“

Seine Stimme war schneidend, und so voller unterdrücktem Zorn. Er war es leid, sich die dauernden Hasstiraden anhören zu müssen.

Erisia hat recht“, warf Elaine ein, nur damit das Schweigen endlich ein Ende nahm. Sie mussten zu einer Entscheidung kommen, denn die Zeit rannte ihnen davon.

Etwas Dunkles geht von Ria aus und dennoch wird sie von so viel Licht umgeben, dass sie fast komplett in einer leuchtenden Aura verschwindet.“

Unsere einzige Möglichkeit ist es unser ganzes Vertrauen in Nuria zu legen und zu hoffen, dass sie uns nicht hintergehen wird“, gab Amra zu verstehen. Sie war bereit, der jungen Frau eine Chance zu geben. Auch wenn sie sie nicht kannte, so spürte sie, dass sie der Rothaarigen ruhig ihr Vertrauen schenken konnte. Sie hatte ein reines Herz. Wieso also nicht darauf vertrauen, wenn es ihr den richtigen Weg weisen wollte? Vielleicht würden ihre Geschwister ja am selben Strang ziehen, wenn sie den Anfang machte.

Ich weiß zwar nicht, ob wir Nuria wirklich trauen können, aber ich für meinen Teil werde ihr eine Chance geben. Ich werde noch heute zwei meiner mächtigsten Heiler zu mir rufen lassen, um ihnen mitzuteilen, dass sie sich auf eine gefährliche Mission begeben werden, die von unglaublicher Wichtigkeit ist. Ich kann dann nur hoffen, dass meine Kinder wohlbehalten zu mir zurück kehren werden. Doch wenn ich sie nicht losschicke, so werden wir alle sterben!“

Entschlossen blickte Amra in die Runde und sah jedem Einzelnen von ihnen tief in die Augen. Dann erhob sie sich von ihrem Stuhl und verließ den Raum.

Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig als dem Beispiel voran zu gehen und uns Amras Entscheidung anzuschließen“, meinte Faynia mit kühler Stimme und erhob sich ebenfalls von ihrem Stuhl. „Auch ich werde zwei meiner stärksten und schnellsten Kriegerinnen und Krieger losschicken um die Erde zu retten.“

Damit verließ auch sie den Raum, um die letzten Vorkehrungen zu treffen. Ihr war ebenfalls nicht ganz wohl bei der Sache, doch blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich dem Schicksal dieses Mal zu fügen.

Scheint so, als würden wir uns den beiden anschließen müssen!“, erwiderte Nensu zufrieden und blickte Erisia schadenfroh an, die aussah, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Ihr ganzer Körper bebte vor unterdrückter Wut. Am liebsten hätte sie jetzt auf etwas eingeschlagen. Im bestem Falle auf ihren Bruder, dem sie nur zu gerne dieses siegesgewisse Lächeln aus dem Gesicht geschlagen hätte.

So dann werde ich mich nun auch auf den Weg machen“, meinte Elaine lächelnd und huschte geräuschlos aus dem Raum, dicht gefolgt von ihren beiden Geschwistern.

Wir können nur hoffen, dass es uns gelingen wird die verlorene Träne von Aeria zu finden“, sagte Ryu an ihren Mann gewandt. Ihre Stimme klang dabei besorgt. Die Augen waren mit Kummer erfüllt. Doch blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihre Kinder loszuschicken, die in der sterblichen Welt bestehen können. Denn die Götter waren machtlos. Sie konnten zwar auf die Erde zurück kehren, doch währte dies nur für einen kleinen Augenblick. Nicht genug Zeit um die verlorene Träne zu finden. Nuria hingegen, verstand es, sich auf der Erde weitaus länger fortzubewegen. Sie war schließlich eine Halbgöttin. Ein Teil von ihr war menschlich. Und trotzdem hatte sie mehr macht, als sie alle zusammen.

 

 

- 3 -

 

Schritte erklangen hinter der Hüterin, als sie den verlassenen Korridor entlang ging. Verwundert drehte sie sich halb nach hinten, nur um zu sehen, wer ihr gefolgt war. Nensu, der Gott der Kühnheit und Stärke kam direkt auf sie zu. Seine Schritte waren sicher und von eleganter Bewegung. Die langen Beine waren in eine schwarze Lederhose gehüllt. Seine Muskeln spannten sich unter dem weißen Seidenhemd, welches er trug. Auf die Rüstung der Krieger hatte er verzichtet. Seine Augen waren dunkel und die ganze Zeit auf sie gerichtet. Entschlossen ging er auf die Göttin zu und blieb direkt vor ihr stehen. Auch sie hatte in ihrer Bewegung inne gehalten, sodass sie sich nun gegenüber standen.

Nuria könnte ich dich kurz sprechen?“, wollte Nensu lächelnd wissen. Seine Augen funkelten dabei so verräterisch, dass Ria misstrauisch die Augenbrauen zusammen zog. Irgendetwas verriet ihr, dass er alles andere als Reden wollte. Doch geduldig blieb sie stehen. Wachsam beobachtet sie ihn. Der Gott der Kühnheit und Stärke war ihr nicht ganz geheuer. Alles in ihr krümmte sich unter seinem intensiven Blick. Eiskalte Schauer liefen ihr über den Rücken, doch ließ sie sich nichts anmerken. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in der Magengegend aus, verursachte ihr Bauchschmerzen. Die Hüterin konnte noch nie besonders gut mit Männern umgehen. Die meisten von ihnen waren überheblich und von sich selbst sehr überzeugt. Auch Nensu schien da keine Ausnahme zu sein. Nuria überlegte fieberhaft wie sie diesen Gott schnell wieder los wurde, ohne jedoch dabei unhöflich zu wirken. Ihre Augen glitten über seine Gestalt, erkundeten jeden einzelnen Zentimeter. Schwarzes, etwas längeres Haar, welches in alle Himmelsrichtungen ab stand. Grüne, funkelnde Augen, mit einem bläulichen Rand um die Iris. Markante Gesichtszüge und sinnliche Lippen. Ein harter Zug war um seine Augen herum zu erkennen. Breite Schultern und ein Körper, welcher von Muskeln geprägt war. Nicht ein Gramm Fett war zu sehen. Alles in allem sah er gut aus. Das musste auch die Hüterin zugeben, nur würde sie es niemals laut äußern. Denn er wusste es sicher nur zu genau wie er auf Frauen wirkte. Er war ein gutaussehender Mann, aber auch ein genauso großer Macho. Ein Arschloch. Wenn man es genau nehmen wollte. Sie erkannte solche Kerle auf Anhieb, dabei brauchte sie nicht einmal ein Kennenlernen. Mit solchen Kerlen konnte sie beim besten Willen nichts anfangen.

Schade eigentlich‘, dachte sie seufzend. ‚Zu schade!‘.

Dann schaltete sie sich selber eine Närrin. Ganz vorsichtig schüttelte sie ihren Kopf, um wieder klar denken zu können. Ria musste es nach all den Jahren doch eigentlich besser wissen. An Männern wie Nensu würde sie sich nur die Finger verbrennen. Langsam ließ sie ihren Blick über seinen Körper wandern und sah ihm dann direkt in die Augen, welche sie wissend anschauten, als wüsste er genau, was gerade in ihrem hübschen Kopf vor sich ging.

Was kann ich für dich tun?“, wollte die Göttin höflich wissen, als er keine Anstalten machte weiter zu sprechen. Stumm sah sie ihn an. Abwartend und auffordernd blickten ihre Augen ihn an. Das Grün mit dem gemischten blaugrau leuchtete in dem schwachen Licht der Lampen. Wachsam war ihr Körper angespannt, bereit sich zu verteidigen. Doch eigentlich hatte sie keine Zeit für dieses Theater. Sie musste bald aufbrechen, mit oder auch ohne die Krieger.

Kannst du dir das nicht denken, schöne Ria?“, stellte Nensu eine Gegenfrage. Seine Augen funkelten schelmisch, während ein verführerisches Lächeln auf seine Lippen trat. Das Grün seiner Augen begann noch stärker zu leuchten und der blaue Rand der Iris glühte verräterisch. Leichte Schwingungen gingen von dem schwarzhaarigen Gott aus. Nuria konnte den Boden unter sich beben spüren.

Auf seine gestellte Frage konnte sie nur stumm den Kopf schütteln. Sie wollte gar nicht daran denken, was er damit meinen könnte.

Doch er verschonte sie nicht mit dieser Vorstellung. Sein nächster Satz ließen ihre Befürchtungen wahr werden.

Wir könnten viel Spaß zusammen haben“, flüsterte der Gott einladend. Weich kamen die Worte über seine Lippen. Gierig fuhr er mit seiner Zunge über genau diese, zeigte ihr deutlich, was er im Sinn hatte.

Ich bin in keinster Weise an dir interessiert!“, meinte sie nur trocken und musste dabei schwer schlucken. Unruhig hüpften ihre Pupillen auf und ab. Unsicher trat sie einen Schritt zurück, nur um mehr Abstand zwischen ihnen zu gewinnen.

Da haben deine Augen aber gerade etwas anderes gesagt“, erwiderte der Schwarzhaarige zufrieden. Ihm war ihre Reaktion keineswegs entgangen.

Und bekanntlich essen die Augen ja immer mit, nicht wahr?“, wollte er dann grinsend wissen. Er spielte mit ihr. Doch wusste sie nicht, wie sie sich ihm entziehen sollte.

Ich muss dich leider enttäuschen, aber du bist überhaupt nicht mein Typ!“, zischte sie abweisend. Wütend blickten ihre Augen ihn an.

Überhebliche Männer wie du beißen bei mir sofort auf Granit!“

„Ist das so?“, wollte er herausfordernd wissen und trat einen Schritt auf sie zu. Mit seinem Körper drängte Nensu sie zurück, bis sie irgendwann mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Nun gab es für sie kein Entkommen mehr.

Sanft beugte er sich vor, die Lippen an ihrem Ohr.

Ich liebe Herausforderungen“, säuselte er Ria zu. „Je widerspenstiger, umso besser!“

Du solltest mich besser nicht herausfordern!“, warnte sie ihn mit bedrohlichem Unterton. Ihr wurde das Spiel langsam zuwider. So etwas konnte sie gar nicht ausstehen. Und ihn noch weniger!

Was sonst? Wirst du mich töten?“, wollte er gelangweilt wissen. Darauf konnte sie nur den Kopf schütteln. Was sollte sie auch anderes tun?

Seien wir doch ehrlich zueinander. Du willst mich genauso wie ich dich. Warum sollten wir uns also den Spaß entgehen lassen?“

Sanft umschloss er ihr Kinn, seine Augen sahen in die ihre. Dann zog er sie einfach zu sich. Warm legten seine Lippen sich auf die ihre. Die Hüterin erstarrte in ihrer Bewegung. Es war, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Ihr Herz pochte wie wild. Raste und galoppierte davon, als wäre es fest entschlossen das Weite zu suchen. Eine schier endlose Ewigkeit geschah nichts, doch dann erwiderte sie den Kuss so leidenschaftlich, dass es sie selbst erschrak.

Stürmisch presste er sich noch enger an sie, bis selbst kein Blatt mehr zwischen ihre Körper passte. Noch immer wie in Trance legte sie ihre Arme um seinen Hals, schmiegte sich an seine kräftige Brust. Mit leichtem Druck zog sie ihn weiter zu sich heran. Sie wollte seine Lippen auf ihren spüren, wollte alles einfordern, was er bereit war zu geben. Es war wie ein Rausch. Eine Droge, welche durch ihren Körper raste. Viel zu lange war sie schon allein. Sie hatte vergessen, wie es ist, wenn ein Mann sie auf diese Weise begehrte oder sogar liebte. Hungrig biss Nuria in seine Unterlippe, zog sie zwischen ihre Zähne. Dann drängte sie sich noch fordernder an Nensu. Doch plötzlich machte es klick, und sie begriff, was sie da gerade taten. Etwas, das niemals sein durfte. Entsetzt löste sie sich von dem Gott und wich mit ihrem Gesicht zurück. Schwer atmend blickte sie ihn an. Konnte nicht glauben, was hier gerade geschah. Ihre Augen waren geweitet und ihre eigene Lust spiegelte sich darin wieder. Genau wie in seinen Augen. Ruckartig stieß sie den Mann von sich und verpasste ihm im nächsten Augenblick eine schallende Ohrfeige.

Ein roter Handabdruck zeichnete sich auf der blassen Haut des Gottes wieder, doch reagierte er darauf nicht. Seine Augen blickten einfach in die ihre. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Ihn schien das ganze mehr als zu amüsieren.

Ich steh auf kratzbürstig“, meinte er nur vergnügt. Mit einem Mal war er wieder bei ihr, drängte sie erneut gegen die Wand. Seine Hände packten grob die Handgelenke und drückten sie über ihrem Kopf gegen die Wand.

Wehr dich meine Schöne“, hauchte er erregt. Dann spürte sie es. Etwas regte sich bei ihm unten und drückte hart und fordernd gegen ihr Becken. Ein Zittern überkam ihren Körper, doch nun eher aus Furcht. Sie war nicht bereit soweit mit ihm zu gehen.

Je mehr Widerstand du zeigst, desto aufregender wird dieses Spiel!“

Wütend funkelte Ria den Schwarzhaarigen vor sich an. Ihr Körper begann zu beben. Dunkle Kräfte sammelten sich in ihrem Körper. Nun konnte der Gott der Kühnheit und Stärke etwas erleben.

Mistkerl!“, zischte sie, hob ihr Knie an und donnerte es genau in seine Weichteile. Ein Keuchen entwich Nensu und leicht sank er in die Knie. Seine Hände ließen ihre Handgelenke los. Er hatte den Tritt nicht kommen sehen. Wind fegte plötzlich durch den Korridor, als Ria zu leuchten begann. Der Drache verließ in einem schimmernden Blausilber ihren Körper. Wie von selbst zog sie ihren Dolch aus der Scheide, welche an ihrem rechten Oberschenkel befestigt war. Schnell schoss die Hüterin nach vorne und verpasste dem Gott einen kräftigen Hieb mit der Klinge. Blut spritzte zur Seite und ein tiefer Schnitt prangte auf seiner Wange. Ein Blutrinnsal lief über die bleiche Haut. Doch damit war Nuria noch nicht zufrieden. Ein letzter Schlag. Langsam holte sie aus und versetzte ihm einen Kinnhaken, der sich gewaschen hatte. Nensus Kopf flog zur Seite und er taumelte von ihr weg. Erschöpft sank er auf die Knie. Diese Frau hatte es geschafft, dass er sich am Boden wiederfand. Sie faszinierte ihn. Jetzt noch viel mehr. Er war beeindruckt und sein Verlangen stieg. Er wollte diese Frau um jeden Preis haben. Keuchend kauerte Nensu vor der rothaarigen Frau. Schweiß bedeckte seine Haut. Der Körper war auf die Arme gestützt. Stolz wie eine Göttin nur sein konnte, stand sie vor ihm. Sein Blick glitt über ihren Körper. Sie war wirklich schön. Der dunkle Umhang war zur Seite gerutscht und entblößte ihren Körper komplett. Der Schwarzhaarige wünschte sich, dass sie nackt in voller Pracht, sowie Gott sie geschaffen hatte, vor ihm stand. Doch er wurde enttäuscht. Ihre Haut war blass, schon fast durchsichtig. Blau silberne Schriftzeichen waren in ihre Haut eingraviert und leuchteten hell. Der Drache schlängelte sich über ihren Körper. Tauchte auf und verschwand danach wieder, nur um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen. Ihre Brust wurde von einem schwarzen Panzer geschützt. Ein Panzer, der keinerlei Angriffsfläche bot. Kurze, knappe Ledershorts bedeckten ihren hübschen Hintern. Die Beine steckten in eleganten ledernen Stiefeln, welche einen hohen, sehr beeindruckenden Absatz hatten. Die Hände waren in schwarze Halblederhandschuhe gehüllt, welche an den Fingern zerschnitten waren und somit nur die Handfläche zu bedecken schienen.

In einigen Halterungen waren Wurfsterne und Dolche versteckt. Dunkelblau mit silbernen Zeichen auf den Griffen. Ihr Anblick war beeindruckend und ließ ihn gar nicht mehr die Augen von ihr wenden. NUria stand direkt vor dem Krieger, blickte auf ihn herab. Ihr Körper war in Angriffsstellung und zeigte gleichzeitig Abwehr. Sie war ihm weit überlegen, das wusste auch der Gott der Kühnheit und Stärke. Für den Moment gab er sich geschlagen und akzeptierte die Niederlage, doch ganz sicher würde er nicht aufgeben, diese Frau zu erobern.

Was ist hier los?“, durchbrach eine barsche Stimme den Raum und zerriss die Spannung, die zwischen den beiden Göttern herrschte. Wütend blickte Erisia abwechselnd zwischen den beiden hin und her. Wie aus dem Nichts war die Magierin aufgetaucht, hatte jedoch nicht mehr sehen können, was zwischen ihnen vorgefallen war.

Nachdenklich blickte sie ihren Bruder an und fragte sich, was er wohl dieses Mal wieder ausgefressen hatte. Dann waren ihre Augen wachsam auf Nuria gerichtet.

Ich höre!“, verlangte sie nachdrücklicher, als Erisia merkte, dass keiner der beiden zu sprechen begann.

Nichts!“, erwiderte die Rothaarige mit einem falschen Lächeln. Die Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.

Nensu und ich haben nur ein bisschen gespielt. Der Arme hat sich am Feuer verbrannt!“

Fragend hob die Göttin eine Augenbraue, obwohl sie sich schon ganz gut denken konnte, was hier eben geschehen war.

Wage es noch einmal mir so nahe zu kommen und ich schwöre dir, dass es das letzte Mal sein wird. Noch mal werde ich nicht so nett sein. Pass also auf, sonst bist du die längste Zeit ein Mann gewesen!“, fauchte Ria dann noch an den Schwarzhaarigen gewandt und stürmte mit schnellen Schritten den Gang entlang.

Ich brauch nicht fragen, was das gerade eben war, oder?“, wollte Erisia wissen.

Vergiss es!“, knurrte Nensu abweisend und rappelte sich vom Boden auf, nur um in die andere Richtung davon zu stürmen.

 

 

- 4 -

 

Dicker Nebel zog über das Schloss. Verdichtete sich, sodass man kaum die eigene Hand vor Augen sah. Die Luft war schwül. Wie Kaugummi breitete sich das Grau aus, verschlang alles in unmittelbarer Umgebung. Die Wolken verdichteten sich immer weiter, während der Himmel in einem Blutrot leuchtete und das Unheil verkündete, welches Apolitan heim suchte. Schwarze Schatten zogen am Horizont ihre Kreise, krochen über das Land und raubten der Erde das Leben.

Der Morgentau hing wie ein Dunstschleier über den Bäumen. Einzelne Wassertropfen lösten sich, perlten von den Blättern der Sträucher ab. Leises Plätschern war aus dem Bach in der Ferne zu hören, welcher von den Bäumen des Waldes abgeschirmt wurde. Das Leben hier in den Wolken fand statt, doch es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch hier das Grauen zuschlagen würde. Vögel zwitscherten furchtsam, als ahnten sie, dass die Welt bald untergehen würde. Ängstlich versteckten sich die Waldbewohner in ihren Höhlen und trauten sich kaum noch nach draußen. Furcht lag in der Luft. Spürbar und schon fast zum greifen nahe.

Während um Ria herum reges Treiben herrschte, schien das Schloss im Himmel still da zu liegen. Doch täuschte es. Es war nur eine billige Illusion, die leicht zu durchschauen war. Es würde alles andere als still sein. Der entscheidende Tag war gekommen. Die Krieger der Erde würden kommen. Bereit sich auf eine gefährliche Reise zu begeben. Anspannung lag in der Luft. Die Götter waren unruhig. Schienen die Entscheidung, ihre Kinder in den Kampf zu schicken, mit gemischten Gefühlen zu betrachten. Ungeduldig liefen sie im Aufenthaltsraum auf und ab, wie ein Tiger in seinem goldenen Käfig. Bald lag das alleinige Schicksal der Erde auf Nurias´s Schultern. Sie allein würden den Krieg entscheiden, würde dafür verantwortlich sein, welche Wendung die Geschichte nahm.

Es gefiel der Göttin nicht, doch nahm sie es wortlos hin. Sie stand nicht gerne im Vordergrund, jedoch hatte sie sich selber in diese Lage gebracht. Es war nicht ihr Kampf, trotzdem hatte sie sich da nun eingemischt. Die Götter waren egoistische, habgierige Wesen, blind von dem Streben nach Macht, deswegen hätten sie eigentlich den Tod verdient, doch wusste Ria auch, dass ihre Mutter Aeria dies niemals gewollt hätte. Nun war sie an der Reihe die Welt erneut zu retten. Doch war sich die Halbgöttin nicht sicher, ob es eine kluge Entscheidung war. Niemand kannte ihr dunkles Geheimnis. Es würde vor den Göttern verborgen bleiben. Eine Lüge war das einzig ratsame gewesen, denn keiner der Anwesenden hätte es verstanden. Doch darüber zerbrach sich die Halbgöttin gerade weniger den Kopf. Sie war nicht ganz bei der Sache. Ein fataler Fehler. Unachtsamkeit konnte tödlich sein. Eine falsche Bewegung und der Tod breitete seine Arme nach einem aus. Schon seit ein paar Tagen verbrachte sie schlaflose Nächte und wälzte sich unruhig in ihrem Bett. Eigentlich seit der Begegnung mit dem störrischen Gott, welcher wie ein Gewitter über ihr vorüber zog. Bilder flackerten vor ihren Augen auf. Gedanken rasten durch ihren Kopf. Der Kuss mit Nensu ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Genießerisch schloss Nuria ihre Augen, dachte an den Augenblick zurück, als sie in seinen Armen gelegen hatte. Wie verdammt nahe Nensu ihr dabei gewesen war. Sein männlicher Duft stieg ihr in die Nase und es war, als würde er erneut vor ihr stehen. Eine angenehme Wärme umgab sie. Tief zog sie die Luft in ihre Lungen. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Sehnsüchtig lehnte sie sich gegen den Baum, der in ihrem Rücken stand. Stützend lagen ihre Hände an der Baumrinde, ertasteten die rauen Rillen, fuhren die Zeichen nach. Sie spürte den Baum, das Leben welches durch ihn floss. Doch genauso sehr spürte sie auch die Angst, die in jeder Wurzel und in jedem einzelnen Blatt zu spüren war. Er war voller Energie, kämpfte darum am Leben bleiben zu können. Aber auch er würde bald dem Untergang ins Auge sehen müssen. Nicht mehr lange und die tödliche Substanz würde den Baum befallen. Plötzlich tauchten Nensus grüne Augen vor ihr auf, sahen sie herausfordernd an, als würden sie schreien 'trau dich'. Die Iris leuchtet dabei gefährlich auf, brachte das schimmernde Blau darin noch etwas deutlicher zum Vorschein. Ein unverschämtes Lächeln auf den Lippen, während seine weiche Stimme sie lockte.

Es wäre ein Fehler seinen Worten zu lauschen. Zu gerne hätte sie sich auf die Versuchung eingelassen, wäre auf ihn zugegangen. Die Sehnsucht war unerträglich. Sie sehnte sich so sehr nach Liebe und Zuneigung. Die Jahre hatten sie sehr einsam gemacht. Im Grund war es eine Befreiung wieder die Sonne auf der Haut zu spüren und den frischen Wind, der durch ihre Haare fuhr und ihren Körper streichelte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte mal so frei durchatmen konnte und sich nach dem Körper eines Mannes gesehnt hatte. Doch Nensu war alles andere als die Art von Mann, auf die man zugehen sollte. Wer sich auf ihn einließ spielte mit dem Feuer. Es war alles nur eine Illusion die der Verstand in ihr herbei sehnte. Nichts davon war wirklich echt. Weder die Gedanken an ihn, noch die tiefe Sehnsucht in ihr. Sie durfte dem nicht nachgeben. Die Gedanken spielten verrückt. Ria war kurz davor sich in den Gott zu verlieben. Aber gab es da ein ganz winziges Problem. Das ganze würde keine Zukunft haben. Sie würde gehen müssen, wenn ihr Auftrag erfüllt war. Sie war eine Hüterin. Wie ihre Mutter zuvor, musste auch sie die Erde beschützen und vor dem Untergang retten. Die Träne würde ihr dabei helfen. Was dann kommen würde, machte ihr Angst. Sie würde jedoch stark sein und ihren Weg gehen, welcher allein für sie bestimmt war. Es gab kein Schicksal das man beeinflussen konnte. Jedes Leben war längst geschrieben. Es gab keinen anderen Weg, als den einen. Noch ein letztes Mal versuchte sie sich an jenen Augenblick zu erinnern, der sich tief in ihr Innerstes gebrannt hatte. Starke Arme, die sie in Schach hielten. Weiche Lippen, die auf ihren lagen und eine muskulöse Brust, welche sich gegen ihren Busen drückte. Warmer Atem auf ihrem Gesicht, sowie der herbe Geruch nach Wald und Minze, der ihr in die Nase stieg. All das hatte ausgereicht um sie willenlos zu machen und sie geradewegs in seine Arme zu treiben. Er war ein Meister der Verführung und gefährlich für die Hüterin. Nuria schmeckte ihn noch immer auf ihrer Zunge. Dann schüttelte sie nur bedauernd den Kopf. Ihre Tagträume sollten nicht sein. Sie musste ganz schnell damit aufhören, ehe es komplett zu spät dafür war. Sie musste den Gott vergessen und sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrieren. Eine lange und schwere Reise stand ihr bevor. Müde öffnete sie ihre Augen wieder. Auch diese Nacht hatte sie kaum ein Auge zu bekommen. Es war frustrierend sich mit so vielen Gedanken auseinander zu setzen, ohne die Chance zu haben, sie irgendwie von sich abzuschütteln oder zu verdrängen.

Noch rechtzeitig hatte Ria die Augen geöffnet um zu sehen, wie die zehn Krieger auf die freie Wiese traten. Die Lichtung lag leicht Abseits vom Schloss und wurde von Bäumen und Wildblumen umgeben. Es war eine freie Fläche, von der aus man den Himmel gut beobachten konnte und die gleichzeitig keinen Schutz bot. Vorsichtig zog die Halbgöttin sich weiter in die Schatten zurück, möglichst darauf bedacht keine Geräusche zu verursachen. Sanft zog sie ihr Cape noch tiefer ins Gesicht damit sie eins mit der Dunkelheit wurde. Die Schatten umfingen sie, schmiegten sich an ihren Körper, hießen sie in ihrer Mitte willkommen. Sie wollte noch länger unentdeckt bleiben, nur um jeden einzelnen unbemerkt zu beobachten und sich selbst ein Bild zu machen. Sie war sich nicht sicher, ob sie dem Urteil der anderen Götter vertrauen wollte. Sie brauchte fähige Krieger. Jeder einzelne musste in der Lage sein, sich zu verteidigen und am Leben zu bleiben. Nuria spielte mit dem Gedanken die Krieger auf eine Probe zu stellen und ihre Reaktionsvermögen zu testen.

Es ist unhöflich Leute zu belauschen, wenn man sich nicht einmal zu erkennen gibt“, säuselte eine kalte Stimme der Rothaarigen die Worte ins Ohr.

Erisia war dicht neben der Hüterin aufgetaucht. Ein leichter Schreck fuhr ihr durch die Glieder. Sie hatte die Magierin weder gesehen, noch näher kommen gehört. Man könnte meinen, sie habe sich lautlos genähert, doch war dies ein großer Irrtum. Die Hüterin hatte die Göttin nur deswegen nicht gehört, weniger weil sie leise gewesen war, sondern viel mehr, weil die Halbgöttin die Neuankömmlinge nicht einen Moment aus den Augen ließ.

Und du solltest gar nicht erst hier sein!“, erwiderte Nuria tonlos.

Fragend zog Erisia eine Augenbraue hoch und lächelte die Hüterin nur provozierend an.

Es ist wohl kaum verboten meinen Kindern gutes Gelingen zu wünschen und ihnen zu sagen, dass ich sie gerne wohlbehalten zurück erwarte.“

Der Blick der Hüterin verfinsterte sich zunehmend und Dampf stieg von ihrem Körper auf. Nur mühsam konnte sie den Zorn beherrschen. Das Feuer in ihr loderte und begann bereits zu kochen. Nicht mehr lange und es würde heraus brechen.

Als wenn du genug Herz besitzen würdest. Deine Kinder sind dir im Grunde egal. Es wäre für dich von wenig Bedeutung, wenn diese Reise scheitern würde“, gab Ria kalt zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Fingernägel gruben sich dabei fest in ihre Haut. Der Schmerz sollte sie davon abhalten der Magierin hier und jetzt ein schnelles Ende zu bereiten.

Ja. Vielleicht hast du recht. Aber wenigstens hab ich einen Platz wo ich hingehöre. Du im Gegensatz hast nichts. Deine Macht macht dich zugleich auch ziemlich einsam, nicht wahr? Eigentlich hättest du schon längst tot sein müssen, wenn man den Legenden glauben darf!“

Siegessicher lächelte Erisia die Hüterin an. Das war ein klarer Schlag unter die Gürtellinie. Aber die Göttin spielte nun mal nicht fair. Sie tat alles, wenn es darum ging ihr Ziel zu erreichen.

Nuria erwiderte darauf nichts. Stumm schüttelte sie den Kopf. Erisia war ein eiskaltes Biest. Soviel stand fest. Unberechenbar und zu allem fähig.

Ausdruckslos sah die Rothaarige der Magierin hinterher, wie sie langsam auf die Lichtung trat.

Die Halbgöttin spürte die aufkommende Dunkelheit in der schwarzhaarigen Schönheit. Nur deswegen war es der Hexe gelungen sie in den Schatten auszumachen. Ein Wesen, welches von reinem Licht umgeben war, konnte die Schattenwesen nicht wahrnehmen. Spüren, jedoch nicht sehen.

 

Aufmerksam und mit zusammengekniffenen Augen sah Nuria zur Lichtung, sah wie Erisia ihre beiden Kinder begrüßte. Sie verstand die Worte nur schwach, als würden sie durch eine Schicht aus Watte an ihr Ohr dringen. Doch hörte sie deutlich die Wärme aus den Sätzen heraus, weshalb sie verwirrt die Brauen zusammen zog. Seltsam irritiert beobachtete die Hüterin die Magierin noch genauer. Musterte sie eingehend. Ein kleines Lächeln lag auf den Lippen der Schwarzhaarigen. Wärme flackerte in ihren Augen auf, ehe sie wieder schwarz und eiskalt wurden. Tödlich blickte das Blau in die Richtung der Hüterin. Nur zu gut wusste die Hexe, dass man sie nicht aus den Augen ließ und jeder ihrer Bewegungen wachsam beobachtete. Wütend verengten sich die Augen der Hüterin noch mehr, bis es nur noch kleine Schlitze waren, die einer Katze Konkurrenzen machen würden. Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Sie konnte die Magierin beim besten Willen nicht ausstehen. Sie war eine falsche Schlange, welche sich mit dem Bösen vereint hatte. Man konnte Erisia nicht trauen. Es würde irgendwann ein böses Ende nehmen. Um Beherrschung bemüht, ballte Ria die Hände noch fester zu Fäusten, bis einzelne Bluttropfen aus der offenen Wunde zu Boden tropften. Die Fingernägel hatten sich schmerzhaft in ihre Haut gebohrt, da sie ausnahmsweise mal keine Handschuhe trug, doch kümmerte es sie wenig. Denn der Schmerz war gerade das einzige, dass sie davon abhielt auf die Hexe los zu gehen. Wut brodelte in ihr, ganz weit an der Oberfläche entflammte das Feuer, bereit sein Opfer zu verbrennen. Wind kam auf, der Boden bebte und versetzte die Bäume in Schwingungen. Die Erde riss ein und Wurzeln wurden aus dem Boden gerissen. Überrascht blickten die Krieger in Rias Richtung, doch konnten ihre Augen nicht mehr ausmachen, als die blaue Aura, die wie ein Flammenmeer zum Himmel hinauf stieg. Ihre grünen Augen begannen gespenstisch zu leuchten. Der blaue Drache umschlang ihren Körper, hüllte sie ein und schien sie in sich zu verschlingen. Ein kleines Lächeln trat auf ihre Lippen und zeigte von Entschlossenheit. Etwas auf der Lichtung weckte die Aufmerksamkeit der Hüterin. Blitzartig waren ihre Augen auf einen Punkt gerichtet. In Mitten aller Krieger stand er, ein Kerl, dessen Blick nicht überheblicher sein konnte. Sein schwarzes Haar flatterte im Wind. Ein selbstsicheres Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Ein Lächeln, das sicher schon reihenweise Frauenherzen zum schmelzen gebracht hatte. Dieser Krieger war das Ebenbild eines Frauenhelden. Doch ob er genauso gut mit seiner Waffe umzugehen vermochte, wie das Herz einer Frau zu erobern, bezweifelte die Halbgöttin ganz stark.

Sie brauchte starke Krieger, die keine Angst besaßen und sich im Kampf behaupten konnten. Doch dieser Krieger war alles andere als das. Er mochte großgewachsen sein und Unmengen an Muskel besitzen, doch machte ihn diese Tatsache noch lange nicht zu einem furchtlosen Krieger. Ria schüttelte den Kopf. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?

Am besten sie stellte diesen Hünen einfach mal auf die Probe. Ein kleiner Test, um mit Gewissheit sagen zu können, dass er der Reise gewachsen war. Sie würde aus dem Hinterhalt angreifen und schauen, wie seine Reaktion darauf sein würde. Es war zwar nicht ihre Art, doch störte sie das selbstgefällige Lächeln, als würde sich der Mittelpunkt der Erde ganz allein um ihn drehen. Die grünen Augen mit der blau umrandeten Iris schienen sich in ihre zu brennen. An irgendjemanden erinnerte Ria dieser intensive Blick. Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Wieso war es ihr nicht sofort aufgefallen? Wie konnte sie nur so dumm sein und es nicht sofort erkennen?

Vor ihr stand der Sohn von Nensu. Sein erstgeborenes Kind. Er war ein Halbgott, genau wie sie selbst. Er hatte ein Teil von dem Kriegergott geerbt. Scheinbar jedoch nur die schlechten Eigenschaften. Wütend über sich selbst, bohrte sie die Finger noch tiefer in die bereits offene Wunde, riss dabei ein tieferes Loch in ihre Handflächen. Die Haut kratzte immer weiter auf, bis dunkles Blut in einem Rinnsal an ihrer Handkante hinunter floss und das Gras unter ihren Füßen rot verfärbte. Sein Vater hatte es scheinbar mehrfach mit einer sterblichen getrieben!, dachte Ria verächtlich und kniff die Augen fest zusammen. Müde massierte sie sich den Nasenrücken und versuchte erst einmal tief durchzuatmen. Aus irgendeinem ihr unbekannten Grund schmerzte diese Tatsache. Sie wollte nicht darüber nachdenken, welche Frauen Nensu noch alles in sein Bett einlud. Es war der falsche Zeitpunkt. Ihr Blick ging von dem Halbgott weiter zu der Frau, die direkt neben ihm stand und ihm vertraut einen Arm auf die Schulter legte. Und schon jetzt wusste Ria, dass sie den Gedanken nicht wahr haben wollte, welcher sich gerade in ihrem Kopf ausbreitete. Denn auch sie war eine Tochter von Nensu. Sie war ebenso eine Halbgöttin, wie ihr Bruder. Ihre grünen Haare flattern im Wind, welcher durch Ria´s Wut aufgekommen war. Sie war klein, zierlich und mit einem kleinen Busen. Ihr kindliches Gesicht wurde von der langen Mähne umrahmt und verdeckte ihr hübsches Gesicht zum Teil. Die leichten Locken fielen zart über ihre Schultern. Mehrere Zöpfe wurden herein geflochten und von Silberringen gehalten. Auf ihrem Kopf war ebenfalls eine silberner Haarreif, welcher scheinbar ihre Haare aus der Stirn hielt. Sie war wirklich hübsche, doch wirkte sie so überhaupt nicht wie eine mutig Kriegerin, dafür wirkte sie zu zerbrechlich, doch durfte man sich niemals vom Äußeren täuschen lassen. Die Hüterin war der festen Überzeugung, dass diese Frau es faustdick hinter den Ohren hatte. Die langen Beine steckten in einem kurzen, cremefarbenen braunen Rock, an welchem metallene Ketten befestigt waren, welche ein eindringen von Waffen erschweren sollten. Die Brust wurde von einem ebenso braunen Brustpanzer geschützt, welcher vermutlich mit Bleiplatten verstärkt wurde und ihre Schultern mit umschloss. An der Seite, entlang der Rippen und unterhalb ihrer Brust zog sich eine geschnörkelte Schrift, die in einem leichten Weißsilber aufleuchtete. Es war die Sprache der Krieger. Und auch wenn normal nur ein einziges Volk sie lesen und entschlüsseln konnte, so wusste Nuria ganz genau, was dort stand. Unbesiegbar! Hauchten die Worte der Göttin entgegen.

Ihre Unterarme waren von einem silbernen Schutz umgebe, welcher sich wie eine Ranke um ihren Arm schloss und sich langsam in Richtung des Handgelenks weiter zu ihrer Hand schlängelte. Hier und da schimmerte ein Tattoo auf, doch das war ohne Bedeutung. An ihrer Hüfte war ein Scheide befestigt, in welcher sich ihr Schwert befand. Der Griff war geriffelt und mit kleinen Mustern verziert. Ihr Schild trug sie quer über dem Rücken. Immer griffbereit, wenn ein Angriff drohen sollte. Ihre Füße steckten in ledernen, kniehohen braunen Stiefeln.

Krampfhaft umschloss sie den Griff ihres Schwertes, als würde sie spüren, was Nuria vor hatte. Sie rechnete stets mit einem Angriff. Alles an ihr war angespannt. Jeder einzelne Muskel hart wie Stahl. Dann fing sie allmählich an sich zu entspannen, als auch Minuten später nichts geschah. Nur mit versteinerter Miene schaffte sie es, ihre Hand von der Waffe zu löse.

Misstrauisch beobachtete Nuria, wie die Kriegerin zärtlich über die Wange des Schwarzhaarigen fuhr und ihn dabei verliebt anlächelte.

Nun konnte Ria nichts mehr aufhalten. Der Zorn kochte in ihr über und brach endgültig an die Oberfläche. In ihr keimte der Gedanke an Rache auf. Wütend Zog die Hüterin mehrere Wurfsterne aus der Innentasche ihres Umhangs.

Lesto cadula di un fulmine!“, murmelte sie immer wieder leise vor sich hin und mit festem Nachdruck.

Singend erwachten die Klingen zum Leben. Heiß glühten sie in der Hand der Göttin. Sie war es so leid mit diesen Wesen zusammen arbeiten zu müssen. Dabei hatte sie jedoch keine andere Wahl. Sie war es Aeria schuldig. Nur sie allein war in der Lage die Menschheit zu retten und die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Und nun musste auch noch ihr Herz verrückt spielen. Ausgerechnet jetzt. Dabei war sie die letzten Jahrtausenden der festen Überzeugung gewesen, nicht einmal ein solches zu besitzen. Sie dachte, sie würde niemals wieder in der Lage sein, eine Gefühlsregung in ihrem Inneren zu empfinden. Damals hatte man sie verraten. Heute würde es sicher nicht anderes sein. So sehr hatte sie diesen einen Kerl geliebt. Der Kerl, welcher sie auf eine miese weise verraten hatte. Aber genug davon. Der Hass saß auch so schon tief genug. Mit ausdrucksloser Miene warf Ria die Wurfsterne. Surrend zerschnitten sie die kühle Luft. Wirbelten sie auf, bildeten kleine Orkane. Blaue, schimmernde Kreise, welche von beeindruckenden Lichtblitzen begleitet wurden. Das Metall würde den Krieger nicht gleich töten, dafür war der ausgesprochene Zauber zu schwach. Sie würden ihn höchsten verletzten und außer Gefecht setzen. Das war auch schon alles. Nuria war nicht daran interessiert Menschen zu Grabe zu bringen. Sie war mächtig, doch wusste sie ihre Fähigkeiten besser zu nutzen, als damit Leben zu nehmen. Es war ein hoher Preis den sie zahlte, wenn sie in Versuchung kam, ihre volle Kraft zu zeigen. Ein Preis, den sie nicht bereit war zu zahlen. Ein böses Lächeln trat auf ihre Züge, als sie das Schauspiel beobachtete. Überrascht und mit geweiteten Augen sah der Krieger wie die bedrohlichen Geschosse direkt auf ihn zuflogen. Für den Moment sah es fast schon so aus, als würden die Wurfsterne ihr Ziel nicht verfehlen, doch bevor sich das heiße Eisen in sein Fleisch bohren konnte, wich der Schwarzhaarige dem Angriff geschickt aus. Doch zum durchatmen war keine Zeit, denn ehe er sich versah, wechselten die Sterne ihre Richtung und kamen wie ein Bumerang zurück. Noch ehe der Halbgott reagieren konnte, hatte die zierliche Grünhaarige bereits ihr Schwert gezogen und wehrte damit das bedrohliche Geschoss ab. Das glühende Metall fiel in den Rasen und löste sich in Asche auf. Ein kleines Loch prangte auf der grünen Fläche, genau da, wo die Wurfsterne zu Boden fielen.

Wütend richteten sich die Augen des Kriegers auf Ria, ohne genau zu wissen wo sie stand oder gar zu wissen, was genau eben in diesem Augenblick passiert war. Seine Augen funkelten schwarz und ein kleines Feuer loderte in ihnen. Mit einem zornigen Aufschrei warf er die Axt nach der Hüterin. Schnell und mit Wucht schoss sie auf sie zu, doch hatte die Göttin den Angriff schon längst kommen sehen, noch bevor der Krieger selbst diesen Gedanken geformt hatte. Ria war zu alt, als das man sie noch überraschen konnte. Sie war keine Göttin, die man täuschen konnte. Ihre Sinne und Augen waren ausgeprägt, fast schon einem Raubtier gleich. Es hatte alles keinen besonderen Reiz mehr für sie. Die Halbgöttin war um Längen schneller als sie alle zusammen. Niemand konnte ihr das Wasser reichen. Geschickt sprang Nuria auf den über ihr hinausragenden Ast. Ihre Bewegung war schnell, doch präzise und von so einer Eleganz, dass man nur drüber staunen konnte. Nur knapp verfehlte die Axt sie und bohrte sich direkt unterhalb von ihr in die Rinde und ließ die Wurzeln unter dem Aufprall erbeben. Ein zittern ging durch Ria, so als hätte man sie getroffen, denn sie spürte den Schmerz genau, so als wäre es ihr eigener. Der Baum wurde von Qualen zerfressen und die Schrei die er aus sahnte, erschütterten die Rothaarige zutiefst. Sanft fuhr sie mit der Hand über die Rinde, versuchte das Leid zu lindern. Zärtlich liebkosten die Finger die Äste.

Dolore vita tibien ducam, et inter vos radix flora“, flüsterte Ria dem Baum beruhigend zu. Weich kamen die Worte über ihre Lippen. Eine heilende Kraft verließ ihren Körper. Blaue Wellen zogen über ihre Handfläche. Langsam umfing sie eine Aura, umschloss ihren Körper und steigerte die Kraft ihrer heilenden Fähigkeit. Immer höher schlugen die Wellen, zerrten an ihrem Haar und dann erlosch das Licht. Der Baum kam zu neuen Kräften und mit einem unüberhörbaren Knacken wurde die Axt aus der Rinde katapultiert und flog dem Krieger regelrecht entgegen um direkt vor seinen Füßen zu landen. Tief saß die Sichel in der Erde. Überrascht wich der schwarzhaarige Hüne der Waffe aus. Verärgert zogen seine Augenbrauen sich zusammen und der Zorn in seinem inneren wuchs mit jeder Minute weiter an.

Zeig dich du feiger Hund“, knurrte der Krieger aufgebracht und ging zielstrebig auf den Baum zu, seine Axt außer Acht lassend. Die Hände des Hünen ballten sich zu Fäusten und waren mehr als bereit sich mit dem Fremden anzulegen, von dem er nicht einmal wusste, wie er aussah.

`Noch mehr Leid sollten die Wurzeln dieses Baumes nicht erfahren!`, dachte Ria verbittert. Wütend loderten die Augen der Göttin und blickten den Schönling hasserfüllt an. Zeit die Gruppe etwas auf zu mischen. Elegant richtete sich die Hüterin auf. Egal ob es richtig oder falsch war sich von so tiefen Gefühlen leiten zu lassen, doch sie war gerade zum ersten Mal bereit sich auch von ihrer dunklen Macht zu bedienen. Sie war es Leid noch mehr Schmerz und Zerstörung ertragen zu müssen. Jedes Lebewesen auf diesem Planeten hatte das Recht leben zu dürfen. Rücksichtslose Krieger, wie der Hüne einer war, duldete Ria nicht länger. Sie mochte in die Fußstapfen ihrer Mutter treten, doch hatte sie nichts für die Menschen übrig. Denn im Gegensatz zu Aeria, war sie kein bisschen menschlich. Sie war eine Halbgöttin, doch weniger, weil sie nur zum Teil Göttlich war, sondern viel mehr, weil sie nicht aus reinem Licht bestand. Sie war dunkel, genau wie ihr Herz. Doch wenigstens hatte sie eines, dass ihr den richtigen Weg zeigen sollte.

Hast du etwa Angst, Fremder?“, hörte sie den Krieger erneut. Dieses Mal klang seine Stimme belustigt und abfällig, als würde er wissen, wen er sich gerade zum Feind machte.

So etwas wie Angst existiert nicht!“, erwiderte die Rothaarige kalt und sprang mit einem Satz aus dem Schutz der Blätter. Sie landete direkt in der Mitte der Lichtung. Überrascht starrten sie mehrere Augenpaare an, schienen nicht recht zu wissen, was sie von dem Auftauchen halten sollten. Mit einer schwungvollen Bewegung riss Nuria sich das Cape vom Kopf, sodass jeder Anwesende ihr ins Gesicht und in die Augen sehen konnte.

Ein Raunen ging durch die Reihen der Krieger, kaum das Nuria auf ihren Füßen gelandet war und sich endlich zu erkennen gab. Elegant und mit so viel Anmut stand sie in Mitten der ganzen Krieger. Ihr Kopf war erhoben, dass Gesicht dem Licht entgegen geneigt. In ihrem Blick lag so viel Stolz und Würde. Macht drang aus jeder Pore ihres Körpers. Mehrere Augenpaare lagen auf ihr. Leises Gemurmel drang an ihr Ohr. Sie glaubte immer wieder die Worte Kriegerin und Legende zu hören. Doch das war schon fast unmöglich. Innerlich spannte Ria sich an, versuchte nicht die Beherrschung zu verlieren. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, dass diese menschlichen Wesen die Legenden um den uralten Krieg kannten. Die Hüterin konnte sich nicht vorstellen, dass die Götter vor ihren Kindern oft darüber sprachen. Die meisten glaubten, dass sie tot sei und tatsächlich nur ein Mythos aus längst vergessener Zeit war. Trotzdem kam es der zierlichen Frau so vor, als würden alle ganz genau wissen, wen sie da vor sich stehen hatten. Mit glühenden Augen blickte sie kurz zu Erisia, bei der sich die Pupillen verdunkelten, kaum das sich ihre Blicke kreuzten. Misstrauisch verfolgten die Augen der Magierin das Handeln der Rothaarigen. Sie wusste nicht so recht, was sie von der ganzen Sache halten sollte, denn sie traute der Hüterin nicht über den Weg. Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass Nuria ihre letzte Hoffnung war. Ohne die seltsame Göttin würde es sonst vermutlich bald kein Leben mehr geben.

Grimmig wandte Ria den Blick von der Magierin ab und blickte stattdessen den Krieger vor sich an. Ihre Augen leuchteten gefährlich und das Grün nahm eine unheimliche Farbe an. Dunkle Flammen loderten in ihnen und das Blaugrau zog sich bis an den Rand zurück. Herausfordernd lockte sie den Krieger, provozierte ihn mit ihrer ruhigen Art, dabei war sie alles andere als gelassen. Ein kleines Lächeln lag auf ihren Zügen, welches jedoch ihre Augen nicht erreichte. Freudlos und fast schon gelangweilt starrte die Hüterin den Krieger an. Mit einem raubtierartigen Gang näherte er sich ihr und zog wie beiläufig die Axt aus dem Boden. Lässig schwang er die Waffe in seiner Hand, als Beweis dafür, dass er keine Angst vor der Göttin hatte. Er verstand die Bestürzung in den Gesichtern der anderen nicht.

Du hast vielleicht Nerven, Weib, dich mit einem mächtigen Krieger anzulegen. Ich werde dir beibringen dich zu fügen und zu unterwerfen“, knurrte er mit dunkler, rauer Stimme. Seine Augen waren komplett schwarz. Nichts deutete mehr auf das Grün hin, welches bis eben noch die Iris beherrscht hatte.

Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du vor mir auf die Knie gehen und nach Vergebung betteln!“

Bei diesen Worten fing Nuria laut an zu lachen. Die Göttin konnte sich gar nicht mehr ein kriegen. Die Worte erheiterten sie, allein nur deswegen, weil dieser Krieger keine Ahnung hatte welch Unheil ihn erwarten würde. Das Lachen, welches aus dem Mund der Rothaarigen kam, war jedoch keineswegs belustigt, sondern triefte vor Sarkasmus.

Du hast ein genauso lautes Mundwerk wie dein Vater!“, zischte die Göttin um Fassung beherrscht. „Du solltest besser Acht geben. nicht so dass dich das irgendwann deinen Kopf kosten wird!“

Vor dir hab ich keine Angst!“, kam es nur abfällig von dem Krieger. Und um seinen Worten Nachdruck zu schenken, verstärkte sich der Griff um seine Axt noch mehr. Seine Augen sprühten Funken. Hass loderte in ihnen. Sein Gesicht war ernst, die Lippen zu einem schmalen Strich verzogen. Die Gesichtszüge waren hart, unnachgiebig starrte er die Frau vor sich an. Seine Muskel spannten sich unter dem weißen Hemd, begannen ein gefährliches Spiel. Seine braune Lederhose knirschte, als sich selbst seine Beinmuskeln anspannten, sich bereit macht jeden Moment loszulaufen. Nuria wartete angespannt ab, was als nächstes geschehen würde. Sie rechnete fest damit, dass sich der Krieger vor ihr jeden Moment auf sie stürzen würde, um sie im nächsten Augenblick zu Boden zu stürzen. Breitbeinig stand er vor ihr. Die schweren, schwarzen Stiefel tief in den Boden gerahmt, als würde er glauben, dass ihm dies mehr Halt geben würde.

Göttinnen, wie du eine bist, hab ich schon unterworfen, noch bevor sie den Mund aufmachen konnten. Du bist keine Herausforderung für mich.“

Arrogant blickte er ihr tief in die Augen, was die Hüterin dazu veranlasste ihre Augen zu verdrehen. 'Er ist genau wie sein Vater', schnaubte Nuria abfällig, behielt diesen Gedanken jedoch für sich.“

Gut. Dann hast du ja nichts dagegen, wenn wir ein kleines Spiel spielen.“

Gerade wollte die Magierin etwas darauf erwidern, als Ria sie mit einer knappen Handbewegung zum Schweigen brachte.

Schweig Hexe, oder du wirst den Zorn der uralten Götter zu spüren bekommen!“

Dunkle Schatten tanzten auf der bleichen Haut der Halbgöttin. Schatten, die schwärzer als die Nacht waren. Der Umhang flackerte leicht, während dunkle Wolken sich am Himmel zusammen zogen und kleine Lichtblitze zu sehen waren. Immer wieder schlugen sie vor Nuria ein, doch schien es die zierliche Frau nicht zu stören. Es war, als wären sie eins. Roter Nebel stieg aus der Erde, umkreiste die Füße der Halbgöttin. Flammen kamen auf und brannten lichterloh und verschmolzen mit ihrem Körper, als wären sie ein Teil von ihr. Niemand begriff so richtig, was da gerade geschah. Alle starrten sie nur gespannt die dunkel gekleidete Göttin an, deren Haare im Wind flackerten.

Wütend schritt die Magierin auf die Hüterin zu. Noch nie hatte es jemand gewagt ihr das Wort abzuschneiden, bevor sie überhaupt nur einen Ton heraus gebracht hatte. Ihr Hass stieg ins unermessliche. Nun war ihr auch egal, dass sie diese Göttin brauchten, um das Überleben aller zu sichern. Sie war es Leid noch länger freundlich zu sein und sich zurück zu halten. Egal welches Schicksal sie erwarten mochte, aber nun war dieses Biest zu weit gegangen. Ihre Augen verfärbten sich violett. Ihr Körper spannte sich an, die Arme weit vom Körper gestreckt. Eine lila Aura umgab die Hexe, stieg wie ein Feuer empor. Donner grollen war zu hören, die Erde bebte unter ihren Füßen. Mit einem zornigen Aufschrei feuerte sie eine Kugel in Richtung der Rothaarigen. Dunkler Nebel kam auf, ließ das Geschoss noch beunruhigender wirken. Lächelnd blickte Nuria dem Angriff entgegen, ohne sich zu rühren. Die Magierin konnte ihr nichts anhaben. Und die Hüterin sollte Recht behalten. Mit einem zischenden Laut prallte die Kugel an ihrem Körper ab und verpuffte einfach, so als hätte es diesen Angriff nie gegeben.

Nun war sie an der Reihe. Sie hatte nur auf diesen Augenblick gewartet. Ein Vorwand um all die Beherrschung und guten Manieren fallen zu lassen.

Usted debe Ilegar a sentir mi ira. Mi fuego le mostrará lo que el dolor real.“

Laut sprach sie die Worte aus, als wären sie ein Fluch, der sich über jeden einzelnen legen würde. Lautes Krachen war zu hören, als sich unter ihren Füßen ein großer Spalt öffnete. Wind kam auf, eine richtige Böe entsandt, die sich wie ein schützender Mantel um Nuria legte, ihren Körper umhüllte. Flammen schlugen wild um sich, als die Halbgöttin plötzlich zu leuchten begann. Schwarze Schatten tanzten sichtbar auf ihrer Haut und die Aura um ihren Körper strömte in alle Himmelsrichtungen. Der Drache tief in ihrem Inneren erwachte zum Leben. Brüllend verließ er seine Ruhestätte, umschlang ihren zierlichen Körper und durchbrach die Barrieren. Helles Licht entwich und ein lauter Knall war zu hören, als er mit so viel Schwung mit dem Körper der Magierin zusammen prallte und sie mit Wucht zu Boden riss. Benommen versuchte die schwarzhaarige Schönheit nach Luft zu ringen. Es war, als läge etwas Schweres auf ihrer Brust und verhinderte ihr das atmen. Jeder Muskel tat ihr weh, während ihr Verstand versuchte zu begreifen, was da gerade eben geschehen war.

 

- 5 -

 

Plötzlich wurde es totenstill auf der Lichtung. Nicht einmal die Tiere trauten sich, auch nur ein Geräusch von sich zu geben. Die ganze Aufmerksamkeit lag auf Nuria, die langsam wieder ihre normale Gestalt annahm. Der Drache verschwand in ihrem Inneren. Die Schatten lösten sich in Luft auf und auch das Feuer und die Aura aus Licht zogen sich in ihren Körper zurück. Jetzt stand sie da, als wäre nichts von all dem geschehen. Nur das schwere Atmen und die mühsame Bewegung ihres Brustkorbes verrieten sie. Es war nicht ganz leicht gewesen. Schon allein deswegen, weil sie sich von der verbotenen Macht bedient hatte, um den anwesenden Kriegern und Kriegerinnen zu zeigen, welch große Macht ihre Seele beherrschte.

Ich hoffe das war dir eine Lehre gewesen, Erisia“, kam es leise von der Hüterin. Mit langsamen, eleganten Schritten trat sie auf die am Boden liegende Frau zu. Mit kalten, grünen Augen blickte sie in schwarze. Noch immer rang die Magierin um Fassung. Sie konnte es einfach nicht begreifen. Sie hatte doch tatsächlich diese Halbgöttin unterschätzt. Dabei hätte sie eigentlich wissen müssen, dass ihre Macht nicht ausreichte um es mit der Rothaarigen aufzunehmen.

Unsere nächste Auseinandersetzung dieser Art wird nicht so gut für dich verlaufen, Hexe. Also tu besser was für dich gesund ist und geh mir zukünftig aus dem Weg.“

Mit federleichten Schritten, schon fast engelsgleich schritt sie an allen Anwesenden vorbei, doch ehe sie die Lichtung verließ, drehte sie sich noch ein letztes Mal um.

Ach ja, ehe ich es vergesse. Misch dich nie wieder in meine Angelegenheiten ein!“

Es war mehr eine Warnung, als ein gut gemeinter Rat. Ihre Worte waren leise, doch mit so viel Nachdruck gesprochen, dass selbst die Magierin schlau genug war, nicht zu widersprechen. Dann ging Nurias Blick zu dem Krieger, der sie mit zusammen gezogenen Augenbrauen ansah. Er war sichtlich beeindruckt von ihr, jedoch sah sie deutlich in seinem Blick, dass er nichts dagegen hatte, sich ebenfalls mit ihr anzulegen. Denn er glaubte noch immer, dass sie ihm unterlegen war. Krieger konnten so stur und dickköpfig sein. Worüber die Hüterin nur den Kopf schütteln konnte. Diese Rasse würde es niemals lernen. Obwohl sie klug waren, begannen sie oft genug, große Dummheiten, die manchmal auch mit dem Leben bezahlt wurden.

Wir sprechen uns noch, Krieger“, richtete sie das Wort an den Hünen. Irgendwie war es schade. Sie hatte ihn ein bisschen auf die Probe stellen wollen, doch war dafür keine Zeit mehr. Zudem war ihr die Lust vergangen. Sie wollte nicht noch mehr ihrer Kräfte preis geben und das würde sie ohne weiteres, wenn sie nun auch noch dem Krieger ihre Macht präsentierte.

Hast du etwa Angst, dass du es mit mir nicht mehr aufnehmen kannst?“, kam es höhnisch von ihm. Seine Worte versuchten sie zu locken, verspotteten sie und kratzten an ihrem Stolz. Und obwohl die Halbgöttin versucht war wieder umzudrehen, blieb sie eisern. Ihr Wille war größer. Wenn sie nicht aufhörte, dann würde sie bald Blut vergießen. Die uralte Macht in ihr, die Mischung aus Licht und Dunkelheit, brodelte an der Oberfläche. Sollte Nuria nicht aufpassen, dann würde es aus ihr heraus brechen, ehe sie etwas dagegen tun konnte. Noch immer musste sie gegen das Dunkle in ihr ankämpfen, versuchen der Macht nicht nachzugeben. An einigen Tagen war es leichter, als an anderen.

Sei ruhig überheblich, Krieger. Und unterschätze weiterhin deine Feinde. Doch denk ja nicht, dass mich deine Worte reizen würden. Ich kann dich mit einem kurzen Schnippen meiner Finger außer Gefecht setzen.“

Bei diesen Worten drehte sich die zierliche Frau nicht einmal um. Sie wusste auch so, dass sie die volle Aufmerksamkeit des Kriegers auf sich hatte. Er brauchte nicht einmal die Worte auszusprechen und sie wusste schon, was er sagen wollte.

Sprich es gar nicht erst aus. Wir beide wissen, dass ich Recht behalten werde.“

Damit verließ sie endgültig die Lichtung und schritt auf das Schloss zu. Sie musste mit den anderen Göttern sprechen. Egal weswegen diese Wesen hier waren, doch die Wahl der Krieger war auf keinen Fall klug gewählt gewesen. Dieser Hüne war alles andere als ein fähiger Krieger, wenn er nicht einmal seine Feinde einzuschätzen vermochte.

Beeindruckend welch Fähigkeiten in dir stecken“, riss sie eine dunkle, sinnliche Stimme aus ihren Gedanken. Abrupt blieb sie stehen und sah sich suchend um. Doch sie konnte niemanden ausmachen. Sie war im begriff weiter zu gehen, jedoch hielt sie das Knacken, oberhalb ihres Kopfes davon ab weiter zu gehen. Rasch wand sie ihren Blick nach oben und erkannte sofort wer da auf dem Ast des Baumes saß.

Du? Wieso war mir sofort klar gewesen, dass du der erste sein würdest, der mir über den Weg läuft?“

Ihr Blick war distanziert und kühl. Nichts war in ihrem Gesicht zu sehen. Kein Gefühl war auszumachen. Es war, als wäre ihr Innerstes tief eingefroren. Und genau so fühlte sich die Göttin auch. Seid ihrer Begegnung in dem dunklen Flurkorridor war sie Nensu aus dem Weg gegangen. Sie hatte weitere Auseinandersetzungen mit ihm gemieden, hatte fortan einen weiten Bogen um ihn gemacht. Dieser Gott hatte sie durcheinander gebracht. Dinge geschafft und wieder zum Leben erweckt, von denen sie geglaubt hatte, dass sie für immer verloren waren. Sie konnte sich solche Arten von Ablenkung nicht leisten. Nuria musste bei vollem Verstand sein und klar denken können. Doch wenn dieser schwarzhaarige Hüne in ihrer Nähe war und sie mit solch intensiven Augen anblickte, da konnte sie einfach nicht anderes, als sich in irgendwelchen Phantasien zu verlieren.

Du hast meine Anwesenheit einfach gespürt, würde ich mal klar sagen. Außerdem wollte ich mir dieses Schauspiel nicht entgehen lassen.“

Müsstest du nicht eigentlich bei den anderen Göttern sein?“

Abwartend blickte Nuria in Nensus Gesicht und bereute schon jetzt ihre Worte, als sie das Funkeln in seinen Augen entdeckte. Ihr würde ganz sicher nicht gefallen, was der Gott nun sagen würde. Nur schwer konnte sie dem Drang widerstehen sich wie ein bockiges Kind die Ohren zu zuhalten und einfach weg zu hören, als würde sie die gesagten Worte nicht verstehen. Doch statt einer Antwort war nur Stille zu hören. Der Wind pfiff zwischen den Bäumen hindurch und die Blätter raschelten leise. Wiegten sich im Wind. Nur das gleichmäßige Atmen der beiden Götter schien sich aus den Geräuschen hervor zu heben. Mit einem Satz sprang Nensu vom Ast und landete direkt neben Nuria, die nicht einmal mit der Wimper zuckte. Dieser Gott konnte sie nicht beeindrucken.

Ich hatte einfach Sehnsucht nach dir, meine Hübsche“, säuselte er plötzlich dicht neben ihrem Ohr. Erschrocken zuckte sie leicht zurück. Warmer Atem traf ihre Haut, als er sich noch dichter zu ihr lehnte. Sie wurde sich seinem Körper deutlich bewusst, als seine muskulöse Brust sich gegen ihren Rücken drückte. Sein Arm umschlang sie sanft, zog sie noch dichter zu sich heran. Und ohne es zu merken, ließ sie es geschehen. Nuria wehrte sich nicht. Nein, sie genoss es. 'Nur ein einziges Mal', dachte Nuria wehmütig. Sie wollte nur noch ein einziges Mal seinen starken Körper an sich spüren, ehe sie in die Schlacht zogen. Denn sie wusste, dass auch Izlae keine ruhe geben würde. Auch er war scharf auf die letzte Träne. Der Dämon wusste nur zu gut, welche Macht hinter diesem Juwel steckte. Doch vor allem wusste er, dass man ihn mit dieser Träne zurück in die Hölle schicken würde.

Daran wollte sie jetzt jedoch nicht denken. In diesem Augenblick ließ sie die Welt verblassen und konzentrierte sich nur auf den Krieger. Sie spürte seine Nähe, die Wärme, welche durch seinen Körper strömte. Still stand sie da, die Augen geschlossen. Es tat ihr weh. Seine Nähe tat gut und doch war es die Hölle auf Erden für sie. Jede seiner Berührung bedeuteten Qualen für sie und doch auch Balsam für ihre geschundene Seele. Nie konnte Nuria sich daran erinnern, sich nur ein einziges Mal so lebendig gefühlt zu haben. Es wollte ihr nicht einfallen, wann sie das letzte Mal so die Nähe eines Mannes genossen hatte. Nachdem Verrat, hatte sie das Vertrauen verloren.

Was quält dich so“, wisperte er leise. Seine Stimme klang wie aus weiter Ferne. Die Göttin war nicht ganz da mit ihren Gedanken. Das schien auch der Gott zu bemerken. Schwach schüttelte sie den Kopf. Konnte sich kaum an seine Worte erinnern, obwohl er sie doch gerade erst ausgesprochen hatte. Sanft liebkosten seine Lippen ihren Hals, während seine Hände zärtlich über ihre Seiten fuhren. Seine Berührungen waren hauchzart, versuchten sie wieder in das Hier und Jetzt zu holen. Lautlos stöhnte sie auf, als seine Finger auf ihre Nackte haut trafen. Ihr Brustpanzer war verschwunden und durch ein enges Top ersetzt worden, welches nur im Brustbereich wirklich Schutz bot. Der Rest war elastisch und passte sich den Bewegungen ihres Körpers an. Verlangen durchströmte sie. Ihr Körper wandte sich in seinen Armen, glühte und verging unter der Hitze, die durch ihr Blut raste. Langsam bog sie ihren Kopf nach hinten, legte ihn auf seine Schulter und sah ihm dabei in die Augen, welche von einem hellen, intensiven Grün heim gesucht wurden.

Wieso sträubst du dich so sehr dagegen, meine Schöne. Ich spüre deutlich dein Verlangen und ich sehe es in deinen Augen. Du willst es auch. Du willst es genauso sehr wie ich.“

Flüsternd kamen die Worte über seine Lippen, während er sich noch dichter an sie schmiegte, sie fest in seinen Armen hielt.

Schlagartig verkrampfte die Hüterin sich in seinen Armen. Bilder fluteten ihren Kopf. Worte rauschten durch ihren Verstand. Worte die sie nie wieder hören wollte. Sie war für immer gezeichnet. Die Erinnerungen würden sie immer wieder einholen. Egal wie sehr sie es auch verdrängen würde, irgendwann würde es sie wieder einholen. Sie war nicht bereit sich ihm zu öffnen. Niemals sollte ihre Vergangenheit ans Licht kommen.

Ich kann nicht“, war das einzige das sie in diesem Moment noch über ihre Lippen brachte, ehe sie sich von ihm abwandte, damit er in ihren Augen nicht sehen konnte, was sie sicherlich verraten hätte.

Gequält schloss sie kurz darauf ihre Augen, ließ den Schmerz zu, denn nur das allein hielt sie davon ab, die Grenzen zu überschreiten und den Fehler zu begehen sich auf ihn einzulassen.

Was hindert dich daran? Wovor hast du solche Angst? Lass mich dich lieben!“

'Das hättest du wohl gerne!', dachte ein Teil in ihrem Inneren zynisch.

Das liegt doch auf der Hand!“, erwiderte sie dann laut, damit der Krieger sie verstand. Ihre Stimme klang gereizt und gepresst.

Für mich nicht!“

Abwartend zog er eine Augenbraue nach oben und ließ sie los. Trat einen Schritt zurück um sie schweigend zu mustern. Seine Hände waren vor seiner Brust verschränkt. Wie Nensu da so stand und sie anblickte, konnte Nuria ihre nächsten Worte selbst nicht glauben.

Du willst eine Frau für gewisse Stunden und das bin ich einfach nicht. Ich kann dir nicht geben, was du dir wünscht. Egal wie sehr ich es auch wollen sollte, aber ich kann nicht ohne Gefühl einem Mann meinen Körper und meine Seele schenken.“

Wer hat davon gesprochen, dass ich dich nur für eine Nacht will? Ich bin kein Mann, der sich reihenweise Frauen ins Bett holt. Auch ich habe meinen Stolz. Mag sein, dass es nicht wenige waren, doch nicht ich bin der Grund, warum sie wieder gegangen sind.“

Der Gott der Kühnheit und Stärke versuchte ruhig zu bleiben, sich seinen Zorn nicht anmerken zu lassen. Dieses reizende Geschöpf vor ihm, schien voller Hass auf die Männerwelt zu sein. Sich ihr Vertrauen zu gewinnen würde schwer werden. Sie war ganz anderes als die Frauen, die er bereits gehabt hatte. 'Ja', er gab es zu, dass er auch welche hatte, die mit ihm nur eine einzige Nacht verbracht hatten, jedoch war dies in beider Einverständnis abgelaufen. Doch nun war da diese Frau, welche ihn einfach nicht mehr losließ. Zum ersten Mal dachte er nicht nur daran, wie er sie am besten ins Bett bekommen würde, sondern er sorgte sich um sie. Sie wirkte in diesem Augenblick so verletzt und überhaupt nicht wie die starke Frau, die sie eigentlich war. Erneut trat er auf sie zu, zog sie rittlings in seine Arme, hielt sie dabei fest an sich gedrückt. Zuerst wehrte sie sich, versuchte seinen Griff von ihren Armen zu lösen, doch dann gab sie den Widerstand auf. Sie hatte keine Lust sich gegen ihn zu wehren. Egal wie sehr sie es sich auch einreden mochte, sie empfand irgendetwas für diesen Krieger. Nur wusste sie noch nicht was. Ihre Gefühle spielten verrückt und Nuria war komplett durcheinander. Sie wusste nicht was sie denken, geschweige denn fühlen sollte.

Seien wir doch ehrlich zueinander, Nensu. Du brauchst mir nichts vor zumachen. Jeder weiß, dass du es nicht lange bei ein und der selben Frau aushältst.“

Überrascht blickte der Krieger die Schönheit vor sich an. Und ehe er wusste was er tat zog er sie in seine Arme und hielt sie fest bei sich. Für den Moment wollte Nuria es zulassen, sich an ihn schmiegen, doch dann war ihre Vernunft stärker. Sanft aber bestimmend löste die Göttin sich aus seinem Griff und er ließ es sogar widerstandslos zu. So viele Dinge brannten ihr auf der Seele. Worte die sie am liebsten hinaus geschrien hätte, nur damit der Gott sie verstand.

Zudem wird nach dieser Mission alles anderes sein. Wenn meine Aufgabe erfüllt ist, dann werde ich...“, begann sie zu sprechen, unterbrach sich dann jedoch selbst. Schwer musste sie schlucken. Allein der Gedanke machte ihr Angst. Sie sollte es nicht sagen. Nicht ihm. Dazu war sie bei weitem noch nicht bereit und jetzt war auch der falsche Augenblick dafür. Ihr kleines Geheimnis blieb noch eine Weile sicher. Und Nuria musste dafür sorgen, dass es auch noch so bleiben würde. Sie sollte sich nicht länger von ihren Gefühlen leiten lassen, denn das war dumm und naiv. Die Hüterin wusste ja nicht einmal, ob sie dem Gott wirklich trauen konnte.

Was ist mit dir? Sprich weiter, Nuria!“, verlangte er energisch und griff im nächsten Moment nach ihrem Arm, um sie zu sich zu drehen. Tränen schimmerten in ihren Augen und Schmerz lag in ihrem Gesicht. Bei diesem Anblick zuckte Nensu zurück, als hätte man ihm eine Ohrfeige verpasst. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Sie so zu sehen, versetzte ihm einen Stich. Diese Frau ging ihm unter die Haut, mehr als es je bei einer anderen gewesen ist. Die Göttin berührte mehr in ihm, als nur das Verlangen sie zu besitzen.

Wir sollten die anderen Götter aufsuchen. Es wird langsam Zeit“, kam es tonlos von der Hüterin. Das Knistern zwischen ihnen verschwand und all die Wärme, die sie eben noch umgeben hatte. Ihre Stimme war kalt. Das Gesicht bewegungslos und die Augen kalt wie Eis. Nichts deutete mehr darauf hin, was eben noch in dieser Frau vor sich gegangen war. Jegliche Gefühle waren verschwunden und zurück blieb einfach nur die Leere. Stirn runzelnd betrachtete er die Rothaarige. Wurde einfach nicht schlau aus diesem Wesen. Dabei hatte er schon viele Frauen getroffen. Doch noch keine war so verschlossen und rätselhaft wie sie. Langsam ging er auf sie zu, egal welche Konsequenzen das für ihn haben würde. Sanft packte er sie bei den Armen, zwang sie dazu ihn anzusehen.

Warum sträubst du dich so sehr dagegen, dass zu sein, was du bist? Du bist nicht nur die Göttin des ewigen Lebens und Hüterin der verlorenen Träne. Sieh endlich ein, dass deine Bestimmung nicht nur darin liegt, in die Fußstapfen deiner Mutter zu treten und erneut die Welt zu retten!“ Ernst blickte Nensu die Halbgöttin vor sich an. Seine Augen blickten eindringlich in ihre, versuchten ihr Vernunft einzuflößen und endlich das zu sehen, was er in ihr sah. „Aeria war einst die Göttin der Liebe und Wärme. Sie schenkte uns Glück und Zuversicht. Sie war eine starke Frau, welche von allen respektiert wurde. Allein sie hatte dafür gesorgt, dass die Welt im Einklang war und die Götter friedlich zusammen leben konnten. Aeria hatte es vermocht uns zu zeigen wie man liebte. Doch seitdem sie weg ist, zerbrach alles. Die Liebe und Wärme verschwand und zurück blieb nichts. Wir Götter begannen uns zu Hassen und gegen einander Krieg zu führen, in der Hoffnung irgendwann ihren Platz einnehmen zu können. Doch eigentlich gehört uns der Thron nicht. Es ist deine Bestimmung die Uralte Macht zu bezwingen und zu beherrschen. Nur du kannst die Liebe in dieses Land zurück bringen. Du musst dafür sorgen, dass es wieder Frieden geben wird, denn wenn wir Götter nicht endlich mit dem Krieg aufhören, so wird es auch bald keine Nachkommen mehr geben und die Menschheit wird verloren sein.“

Nachdenklich sah die Göttin ihn an. Sie wusste, dass er recht hatte. Ihre Mutter war in der Tat eine starke und mutige Frau gewesen. Einst war sie die Königin unter den Göttern. Ihre Liebe und Wärme reichte für ein ganzes Volk. Doch nun wo sie weg war, blieb diese Aufgabe an Ria hängen. Das Problem war nur, dass Nuria nicht einmal mehr wusste, wie es sich eigentlich anfühlte zu lieben oder geliebt zu werden. Es war eine lange Zeit vergangen seitdem sie unter ihres Gleichen war. Doch sie konnte diesem Gott nicht die Wahrheit sagen über sich und ihr wirkliches Schicksal.

Du setzt deine Hoffnungen in die Falsche. Ich bin nicht die, für die du mich hältst. Ich habe weder ein Herz, noch genug Wärme, um sie euch und der Welt zu schenken. Niemals werde ich wieder fähig sein Gefühle zu empfinden. Ich bin erfroren in der Einsamkeit, die ich so viele Jahrhunderte ertragen musste.“

Darauf konnte Nensu nichts erwidern. Er musste einsehen, dass es nichts brachte auf die Hüterin einzureden. Sie verschloss ihr Herz vor der Wahrheit. Irgendetwas verbarg sich tief im Inneren ihrer Seele. Etwas Dunkles und Geheimnisvolles umgab sie. Doch vor allem Furcht war deutlich zu spüren. Furcht davor Gefühle wieder zuzulassen, als würde sie befürchten, dass es falsch war so was wie Wärme zu empfinden.

Weise Worte für jemanden, der noch nie ernsthaft geliebt hat“, kam es boshaft aus der Richtung des Schlosses.

Faynia stand in Mitten des Einganges auf den Steinstufen und betrachtete die beiden Götter misstrauisch. Auch ihr war es keinesfalls entgangen, dass ihr Bruder mehr Interesse an dieser Hüterin zeigte, als es Anfangs den Anschein gemacht hatte. Ihre Augen waren aufmerksam, dunkel und unnachgiebig. Ihr Mund war zu einem schmalen Strich verzogen, dennoch war ihr Gesicht ausdruckslos. Ließ nicht erkennen, was sie in diesem Augenblick dachte. Was auch immer zwischen den beiden vor sich ging, war beunruhigend. Keiner wusste mit welch großer Macht sie es zu tun hatten. Niemand konnte etwas über Nuria erzählen, außer das sie eigentlich seit mehreren tausend Jahren tot war und genau wie Aeria nur noch eine Legende sein dürfte, von der man seinen Kindern erzählte. Andererseits war sie die letzte Hoffnung, die der Erde blieb und eigentlich ging es Faynia auch nichts an, was zwischen den beiden war. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Erisia mischte sie sich nur ungern in die Angelegenheiten anderer ein. Nensu würde ohnehin nicht auf sie hören. Er hatte schon immer seinen eigenen Kopf gehabt. Wenn er etwas haben wollte, zögerte er nicht lange um sich genau das zu holen. Angespannt beobachtete die Göttin der Schnelligkeit und Grausamkeit das Szenario, blieb jedoch an Ort und Stelle stehen. Sie hatte ihr Vorhaben aufgegeben auf die Lichtung zu kehren und ihre Kinder zu begrüßen. Das würde sie auch morgen machen können, bevor sie aufbrechen würden. Denn das sie heute nicht mehr losziehen würden, war klar. Es gab noch viel zu besprechen. Details, welche man nicht einfach außer Acht lassen durfte.

Du solltest auf deine Schwester hören, Krieger“, riet Nuria plötzlich und ihre Worte hinterließen überraschte Gesichter bei den anderen beiden Göttern. Ihre Stimme klang tonlos und wie aus weiter Ferne. Sie legte nicht viel Wert darauf irgendwelche Gefühle in ihre Worte zu legen oder Wärme in ihre Stimme zu legen. Mit großen, schnellen Schritten kam Nuria auf Faynia zu, blieb kurz vor ihr stehen und warf ihr einen warnenden Blick zu.

Begehe nicht den selben Fehler, wie deine Schwester“, zischte sie der Göttin noch zu. Jedoch so leise, dass diese Worte nur allein für sie bestimmt waren. Dann ging sie weiter die steinernen Treppen hinauf und verschwand kurz darauf im Inneren des Schlosses. Sie wollte keine weiteren Diskussionen führen oder unnötig Zeit verschwenden, für Dinge die belanglos und ohne jegliche Bedeutung waren.

Du wirst es wohl nie lernen deine Finger von anderen Frauen zu lassen, Bruderherz. Ich kann nur hoffen, dass du dir nicht die Finger an ihr verbrennen wirst.“

Mitfühlend betrachtete die junge Frau den Mann vor sich. Egal wie viele Jahre des Krieges auch schon an ihnen vorbei gezogen waren, sie waren noch immer Geschwister. Und selbst ein Blinder konnte sehen, dass die Hüterin dem Gott nicht egal war. Nicht so wie er es allen glauben lassen wollte. Sie konnte nur hoffen, dass er wusste, was er da tat.

Lass das mal meine Sorge sein“, entgegnete er nur schroff und ignorierte die Warnung seiner Schwester. Mit großen Schritten folgte er Nuria nach drinnen. Ihm war klar, dass die Göttin der Schnelligkeit mehr gesehen hatte, als ihm selber lieb sein konnte. Sie ahnte was in ihm vor sich ging. Und genau diese Tatsache gefiel ihm überhaupt nicht. Mürrisch und mit zusammengekniffenen Lippen marschierte er den Korridor entlang, auf direktem Weg in die große Halle wo sich alle Götter zusammen finden würden, um den weiteren Verlauf zu besprechen.

 

 

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Impressum

Texte: alle Rechte des Buches liegen allein Bei mir
Bildmaterialien: Dieses Cover wurde von Glaux erstellt, Kopieren nicht erwünscht
Tag der Veröffentlichung: 17.01.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich in erster Linie allen meinen lieben Gildis aus Bona, weil ihr mich überhaupt erst auf diese Idee gebracht habe. Des weiteren widme ich das Buch jenen die immer an mich geglaubt haben und mich unterstützt haben egal worum es geht. Und dann sind da noch meine lieben Leser, die mir mit ihren frischen Kommentaren zu meinen Büchern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben. Ich danke euch, dass auch ihr mich immer so kräftig unterstützt habt. Dann wäre da auch noch die wunderbare Glaux, die mir dieses tolle Cover gestaltet hat, sodass es eine wahre Freude ist weiter an diesem Buch zu schreiben um dem schönen Cover gerecht zu werden und ein fertiges Werk in den Händen zu halten.

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