Früher hatte man kleinen Kindern beigebracht, dass die Prinzen nur dann zum Vorschein kamen, wenn man einen Frosch küsste. Aber man hatte ihnen nie beigebracht, dass dies alles nur eine gekonnte Lüge war. – Eine Lüge, die sich Erwachsene ausgedacht haben um Kinder leichter in den Schlaf zu wiegen. Mit der Zeit jedoch wurde man reifer.
Die Naivität verschwand und machte dem Verstand endlich Platz. So mussten die Kinder, die nun zu jungen Frauen heran wuchsen, feststellen, dass die Welt doch anders war, als es ihnen ihre Eltern immer erzählt hatten. Das Leben war grausamer und weniger schön, wie in den ganzen schönen Geschichten, die man ihnen vorgelesen hatte.
‚Schluss mit den Männern!’, dachte sie sich und schlug mit aller Kraft ihre Wohnungstür zu, kaum das sie ins Warme getreten war. Es gab einen lauten Knall, welcher die junge Frau zusammen zucken ließ. Tränen rangen über ihre Wangen. Ein leiser Schluchzer entkam ihrem Mund. Immer wieder wischte sie sich über das feuchte Gesicht. Sie wollte sich nichts anmerken lassen. Niemand sollte sehen, wie verletzt sie eigentlich war.
Seit Mary denken konnte, hatte sie nur Pech mit den Männern. Ihr Ex-Freund hatte sie erneut hintergangen, nachdem sie ihm wieder einmal verziehen hatte.
Ihre Naivität hatte sie schon wieder einmal dazu gezwungen seinen miserablen Lügen Glauben zu schenken. Nicht nur das er sie mehrfach belogen hatte, da hatte er sie auch noch eiskalt mit dieser Schlampe betrogen. Vor ihren Augen hatte er sie geküsst, mit ihr rumgemacht und war in ihr gemeinsames Bett gehüpft. Es war ein Fehler gewesen, wieder bei ihm eingezogen zu sein. Sie hätte auf ihre beiden besten Freundinnen hören sollen, die sie mehrmals davor gewarnt hatten. Er würde sich eben niemals ändern. Aber nun war endgültig Schluss. Mary würde einen Schlussstrich zwischen ihrem Ex-Freund David und ihre machen.
Sie konnte und wollte einfach nicht mehr. Es war besser, wenn sie ihn vergessen würde.
Endlich aufhören würde sich einzureden, dass er sich jemals ändern würde.
Ihr Herz konnte eine weitere Enttäuschung nicht mehr verkraften.
So oft wurde es ihr schon aus der Brust gerissen, nur um es in ganz viele winzig kleine Stücke zu zerreißen und es ihr dann so wieder zu geben. Sie musste endlich aufhören, sich noch Hoffnungen zu machen und ihren Märchenprinzen zu suchen.
Mary war eine hoffnungslose Träumerin und liebte diese kitschigen Bücher in denen es immer ein Happy End gab.
Die Mädchen in den Büchern fanden immer ihren Märchenprinzen, doch so war sie nicht.
Für sie gab es so ein Happy End nicht.
Das musste sie endlich mal einsehen.
Zu groß war der Schmerz, der nun in ihr saß.
Langsam zerfraß es sie von innen heraus.
Ihr Körper zitterte und sie musste sich an der Wand abstützen um nicht zu fallen.
Hektisch versuchte sie Luft zu bekommen.
Sie merkte, wie in ihr alles hochstieg und sich ein Weinkrampf ankündigte.
Mary wollte das alles nicht.
Wollte nicht wegen diesem Arsch weinen.
Er hatte es nicht verdient.
Doch konnte sie nicht anders.
Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln an, ehe sie dann lautlos über ihre Wangen liefen.
Es wurden immer mehr und mehr.
Immer wieder schluchzte sie auf und verkrampfte sich dabei.
Ihre Beine gaben unter ihr nach, sodass sie langsam an der Wand zu Boden rutschte und dort mit angewinkelten Beinen saß.
Sie hoffte nur, dass ihre beiden Mitbewohnerinnen nicht da waren.
Die junge Frau wusste, wenn ihre besten Freundinnen sie jetzt so sehen würden, dann würde das alles noch in einem Desaster enden.
Müde ließ sie ihren Kopf auf die angewinkelten Knie fallen.
Sie hoffte nur, dass der Schmerz bald ein Ende nehmen würde und nichts als Leere in ihrem Körper zurück bleiben würde.
Die Erinnerungen an die schönen Momente sollten ebenfalls verschwinden.
Es würde es schließlich nicht leichter machen, wenn sie immer wieder an ihn erinnert werden würde.
David war für sie endgültig gestorben.
Langsam richtet Mary sich wieder vom Boden auf und schlürfte niedergeschlagen ins Wohnzimmer, wo sie sich geschafft aufs Sofa fallen ließ.
„Was ist denn mit dir passiert?“, hörte sie eine nur zu bekannte weibliche Stimme fragen.
„Nichts“, murmelte die junge Frau nur.
Sie hatte jetzt nicht die Kraft ihrer besten Freundin zu verraten, was eben vorgefallen war.
Wenn sie ihr nämlich sagen würde, dass ihr Ex sie erneut verarscht hatte, dann würde Jessica an die Decke gehen und ihre Wohnung stürmen.
Schließlich hatte sie noch immer den Schlüssel für das gemeinsame Apartment in dem er wohl noch immer mit dieser Schlampe zugange war.
Schon wie sie ausgesehen hatte.
Sie war dunkelhäutig, hatte schwarze Rasterlocken, die ihr Gesicht zum Teil bedeckt hatten.
Dann diese dunklen, fast schwarzen Augen.
Nichts an dieser Frau war besonders hübsch gewesen.
Zudem war sie auch noch pummelig gewesen.
Man könnte sogar behaupten, dass sie Kleidergröße XXL trug.
Mary konnte David echt nicht verstehen, warum er es ausgerechnet mit so einem Flitchen treiben musste.
„Mary, was ist mit dir?“, kreischte eine fast schon panische Frauenstimme und fing an den zierlichen Körper der jungen Frau durchzuschütteln.
Benommen schüttelte sie den Kopf und versuchte ihre trüben Gedanken abzuschütteln.
Träge sah sie aus ihren haselnussbraunen Augen, an dessen Rand ein kleiner Grünstich war, den man jedoch nur wage erkennen konnte, nach oben und begegnete so dem Blick ihrer besorgten Freundin Jessica.
„Es… ist nichts“, brachte sie mühsam heraus und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.
„Du hast doch nicht etwa geweint?“, erwiderte Jess geschockt und strich ihrer Freundin mit dem Daumen über die Wange.
„Was hat der Kerl dieses Mal gemacht?“, kam die Frage aus dem Flur, ehe Cathy im Türrahmen auftauchte.
Mit verschränkten Armen musterte ihre Freundin sie.
„Ich dachte ihr beide seit nicht da“, antwortete Mary nur nüchtern. „Wolltet ihr euch nicht heute mit euren Lovern treffen?“
„Doch, aber erst heute Abend. Aber verrate du uns doch mal, was du eigentlich hier machst und dazu auch noch total verheult!“, entgegnete Jess mit ernstem Blick.
„Wir haben uns gestritten!“, log sie ihre besten Freundinnen an.
Sie tat es nicht gerne, aber sie konnte ihnen die Wahrheit nicht sagen.
Es tat weh überhaupt dieses Wissen zu kennen.
Zu gerne hätte Mary auf diesen Anblick verzichten können.
Verletzt senkte sie ihren Blick und starrte stattdessen ihre ineinander verschränkten Hände an.
„Du glaubst doch jetzt nicht wirklich, dass ich dir das abkaufe?“, erwiderte Jess kopfschüttelnd und ließ sich neben Mary fallen.
„Du bist eine miserable Lügnerin. Es wird sich auch nie etwas daran ändern!“, fügte Cathy noch hinzu und ließ sich auf der anderen Seite neben Mary nieder.
Schwer atmete sie ein und ließ die Luft dann wieder zischend entweichen.
Sie hätte wissen müssen, dass die beiden Frauen sie durchschauen würden.
Immerhin kannten sie sich schon seit klein auf.
Die drei waren praktisch zusammen groß geworden.
Aber wieso fiel es ihr dann so schwer, ihnen zu sagen was los war?
Lag es daran, dass sie es noch immer nicht so richtig fassen konnte?
Sie hatte bis vor kurzem ihren Ex mit einer anderen im Bett erwischt.
Und das einzige was sie getan hatte, war sich schweigend umzudrehen und fluchtartig aus der Wohnung zu rennen.
Nicht ein Laut war über ihre Lippen gekommen.
Nicht ein einziger Schrei.
Nichts war da gewesen.
Sie war einfach nur gegangen.
Dabei wusste sie nicht einmal, ob David sie gesehen hatte, wie sie ihn mit ihr erwischt hatte.
Aber wenn doch, was interessierte es sie noch.
Es war endgültig vorbei.
„Er…er…“, versuchte Mary es ihren besten Freundinnen zu erklären, doch so richtig wollten die Worte nicht über ihre Lippen.
Sie schluckte schwer und sah die beiden nur hilflos an.
Tränen liefen erneut aus ihren Augen, während ihre Brust sich zittrig hob und senkte.
„Ssch, ganz ruhig meine Süße“, erwiderten beide gleichzeitig und nahmen ihre weinende Freundin in den Arm.
Normalerweise würden sie über so etwas lachen, doch diese Situation war wirklich nicht zum Lachen.
Halte suchend schmiegte Mary sich in die Umarmung.
In solchen Momenten war sie erneut froh die beiden zu haben.
„Was hat er gemacht? So schlimm kann es doch nicht sein oder?“, fragte Jess erneut.
„Doch. Es ist sogar noch schlimmer“, antwortete Mary leise. „Er hat mich… betrogen!“
Nun war es raus! Jetzt wussten auch ihre Freundinnen Bescheid. Geschockt sahen die beiden Frauen sie nur an. Mit großen Augen und einem aufgerissenen Mund.
„Dieses Arschloch!“, kreischte Jess nun auf, die um einiges temperamentvoller war, als die beiden anderen zusammen.
Sie sagte immer, was sie dachte. Egal ob es überhaupt angebracht war.
„Wie konnte er nur? Ich hab dir ja gleich gesagt dass sich dieser Idiot niemals ändern würde. Aber jetzt ist er wirklich zu weit gegangen. Niemand bricht meiner Mary einfach das Herz!“
„Beruhig dich erst einmal wieder!“, versuchte die junge Frau ihre Freundin zu besänftigen.
Sie war erschrocken über den Wutausbruch, auch wenn sie es von Jess schon zu gut kannte.
„Ich kann mich nicht beruhigen! Nicht nachdem ich das erfahren musste!“
„Du kannst daran nichts ändern. Es ist nun einmal passiert. Was bringt dir das also, wenn du hier den ganzen Häuserblock zusammen schreist?“
„Wir fahren zu ihm.“
„Wozu?“, fragte nun auch Cathy irritiert.
„Damit ich ihm ein paar rein hauen kann. Vielleicht wird er dann lernen, dass er so nicht mit uns Frauen umgehen kann!“
„Nein!“, kreischte Mary panisch los.
„Wieso denn nicht?“
„Weil seine Schlampe noch bei ihm ist und ich nicht vor habe seinem Flitchen zu begegnen.“ „Sie ist noch bei ihm?“, fragten beide verwirrt nach.
„JA. Ich hab die beiden vor einer halben Stunde in unserem gemeinsamen Bett erwischt. Deswegen ist das alles noch viel schlimmer für mich zu verkraften.“
„Jetzt fahren wir erst recht dort hin. Dann werde ich diesem Luder auch noch ein paar Takte trällern!“
Ehe Mary noch protestieren konnte, wurde sie vom Sofa hoch gezogen und durch die halbe Wohnung geschleift.
Sie wollte nicht noch einmal in diese Wohnung zurück.
Nicht dort wo sie ihn mit ihr erwischt hatte.
Die junge Frau wollte nicht noch einmal daran erinnert werden, was sie gesehen hatte.
Noch weniger wollte sie, dass der Schmerz zurück kam, der nur noch dumpf in ihrer Brust pochte.
Aber sie war machtlos gegen ihre sture Freundin.
Mit allem hatte sie ja gerechnet, aber nicht damit.
Sie hätte nichts sagen sollen, dann wäre sie nicht in diese Situation geraten.
Unsanft wurde sie an ihrem Handgelenk aus der Wohnungstür gezerrt und die einzelnen Treppen nach unten bis zu ihrem Wagen.
Wutentbrannt standen die drei vor der Wohnung des vermeintlichen Ex-Freundes und warteten darauf dass er ihnen die Tür öffnete, nachdem sie schon zum dritten Mal geklingelt hatten.
‚Alle guten Dinge sind drei!’, dachte Mary verbittert und ballte die Fäuste zusammen.
Sie wollte nicht hier sein und doch musste sie.
Aus ihrer eigenen Wohnung hatte man sie gezerrt.
Ihre beiden Freundinnen Jessica und Cathy zwangen sie dazu ihrem Ex erneut gegenüber zu treten.
‚Aber konnte ich das überhaupt? Würde ich mich beherrschen können? War ich stark genug meine Tränen zurück zuhalten? Und vor allem, würde ich mich noch im Griff haben, wenn ich diesem Flitchen gegenüber stand?’
So viele Fragen gingen ihr durch den Kopf.
Plötzlich öffnete sich die Tür und ein genervter David stand vor ihnen.
Als er jedoch Mary sah, erhellte sich sein Blick und ein gekünsteltes Lächeln trat auf seine Lippen.
Seine blonden, etwas längeren Haare hatte er wie immer sträng nach hinten gekämmt, während er ein weißes T-Shirt trug, welches seine Brustmuskeln wie auch Bauchmuskeln deutlich betonte.
Die langen Beine steckten in einer lässigen Sporthose, die etwas ausgeweiteter war.
Überrascht funkelten seine grünlichen Augen auf und musterten Mary von Kopf bis Fuß.
„Hallo David“, begrüßte sie ihn steif.
Die junge Frau fühlte sich sichtlich unwohl, was wohl auch daran lag, dass er sie so aufmerksam und eingehend musterte.
„Hallo mein Schatz“, sagte er sofort und wollte sie umarmen, ehe sich Jessica dazwischen stellte und im letzten Moment verhinderte, dass er seine schmierigen Finger um die junge Freundin legen konnte.
Verwundert zog er die Augenbrauen zusammen und sah die Brünette aus zusammen gekniffenen Augen böse an.
„Wage es nicht, sie noch einmal anzufassen du mieses Arschloch!“, zischte Jess zornig. „Am liebsten würde ich dir dafür eine rein hauen, aber leider ist Mary dagegen!“
„Beruhige dich Jess“, erwiderte die junge Frau schon fast flüsternd und blickte dann ihrem Ex direkt in die Augen.
Sie musste einmal schwer Schlucken, bevor sie überhaupt die Wörter über die Lippen bekam.
Doch noch ehe sie ein Wort sagen konnte, kam er ihr schon zuvor.
„Ich hab dir doch schon so oft gesagt, dass du deine beiden Freundinnen nicht hier her bringen sollst. Ich mag sie nicht, da sie ein total schlechter Umgang für dich sind. Ich will doch nur das Beste für dich mein Liebling“, sagte er tonlos und schob Jessi grob zur Seite, sodass er ihr nun direkt gegenüber stand.
Gerade wollte er Mary einen Kuss geben, als ein lautes Klatschen zu hören war.
Vor Wut und Schmerz hatte sie ihre Hand gehoben und zu einem kräftigen Schlag ausgeholt.
Schweigen breitete sich über die Viere aus und keiner wagte es für den Moment auch nur irgendetwas zu sagen.
Erstaunt sahen Cathy und Jessica zu ihrer Freundin rüber und konnten nicht glauben, dass sie das gerade wirklich getan hatte.
Noch nie hatten die beiden erlebt, dass ihre sonst so zurückhaltende Freundin jemals die Beherrschung verlieren würde.
David dagegen hielt sich nur seine schmerzende Wange, auf der sich ein rötlicher Handabdruck abgebildet hatte.
„Nenn mich nie wieder Schatz oder Liebling!“, fauchte Mary aufgebracht. „Und behaupte auch nie wieder, dass du nur das Beste für mich willst!“
„Aber Mary…“, versuchte David die ganze Situation zu begreifen.
„Nichts aber Mary“, unterbrach sie ihn wütend. „Du verdammter Mistkerl hast mich betrogen und glaubst nun so tun zu müssen, als wäre nichts gewesen. Werde doch glücklich mit deiner kleinen Schlampe!“
Zornig ballte sie ihre Hände noch mehr zu Fäusten, sodass sogar schon die Knöchel weiß hervor traten.
„Ich bin nur hier um meine Sachen abzuholen und dann siehst du mich auch nie wieder“, fügte sie dann noch trocken hinzu.
„Lass uns doch noch mal darüber reden“, versuchte er es jetzt schon fast verzweifelt.
„Ich wüsste nicht, was wir da noch groß bereden sollten.“
Mit diesen Worten ging sie an ihm vorbei, in die damals von ihnen gemeinsame Wohnung.
Das Atmen viel ihr nun sichtlich schwerer. Ein Kloß saß in ihrem Hals und ließ sie schwer schlucken. Alles hier drin erinnerte sie an die gemeinsame Zeit mit ihm.
Sie durfte aber nicht daran denken. Es war falsch, denn es würde ihr nur weh tun.
Mary wollte nicht an ihn oder an das alles erinnert werden, denn es fiel ihr schwer, dann los zu lassen. Alles was die junge Frau wollte, war mit ihrer Vergangenheit abzuschließen und der Männerwelt aus dem Weg zu gehen.
Ihr Ex hatte ihr nur wieder einmal bewiesen, was für Arschlöcher Männer doch manchmal waren. Sie konnte zwar nicht mit Sicherheit sagen, dass alle männlichen Geschöpfe gleich waren, aber wenn sie sich selber gegenüber ehrlich war, dann wollte sie es auch gar nicht erst heraus finden. Fürs Erste hatte sie erst einmal genug von Liebe und Beziehungen.
Sie war einfach nicht dafür geschaffen auch einmal in der Hinsicht Glück zu haben.
Langsam packte Mary ihre Sachen zusammen.
Es waren nicht besonders viele gewesen, da sie erst seit gut zwei Wochen hier gewohnt hatte, nachdem man sie trotz allem gewarnt hatte.
Tränen stiegen in ihre Augen und sie versuchte sie krampfhaft zurück zu halten.
‚Bloß nicht weinen!’, ermahnte sie sich selber und blinzelte die Tränen stur weg.
Mit gesenktem Kopf kramte sie noch nach und nach die restlichen Sachen aus dem Kleiderschrank und warf sie in die Sporttasche auf dem Bett.
Ihre Freundinnen sahen sie dabei mitleidig an und es tat ihnen leid, dass es Mary so schlecht ging. Wenn sie gekonnt hätten, dann würden sie ihr das alles ersparen.
„Sollen wir dir helfen?“, fragte Cathy mitfühlend und ging ein paar Schritte auf die blonde Frau zu, die nur traurig den Kopf schüttelte.
„Es geht schon“, schniefte sie leise und eine einzelne Träne tropfte zu Boden.
Jetzt weinte sie doch, obwohl sie sich innerlich geschworen hatte dies nicht vor ihm zu tun, der dicht hinter Jessica stand, die ihn nur böse ansah.
Seine Augen waren auf Mary gerichtet und sein Blick war ganz glasig, als würde er mit den Gedanken weit weg sein.
Er konnte noch immer nicht ganz begreifen, was hier eigentlich gerade passierte.
Noch immer fragte er sich, wie sie von seiner Affäre erfahren konnte.
‚Hatte Louisiana irgendetwas gesagt?‘, überlegte er still. ‚Aber woher sollte sie überhaupt von seiner Beziehung zu Mary erfahren haben, wenn er dies mit Absicht geheim gehalten hatte?‘
Das alles machte irgendwie überhaupt keinen Sinn für ihn.
Stumm beobachtet er die Blondine, dessen Haare in leichten Wellen über ihren Rücken fielen und ihr Gesicht zur Hälfte bedeckten.
Dennoch konnte er die Tränen in ihren Augen schimmern sehen und er verfluchte sich in diesem Augenblick dafür, dass er der Grund war.
Nun war er sich nicht mehr im Klaren darüber, warum er sie eigentlich betrogen hatte.
Mary war eine klasse Frau mit Stil.
Sie war klein, schlank, hatte ein wunderschönes Gesicht und war dazu auch noch ziemlich intelligent.
Eigentlich hatte dieses Geschöpf alles, was ein Mann sich nur wünschen konnte.
Einfühlsam, ehrlich und dazu immer gutmütig.
Mary war im Stande alles zu verzeihen, doch dass war wohl mehr, als sie verkraften konnte.
David konnte verstehen warum sie so reagierte, aber tief in seinem Inneren erhoffte er sich noch immer, dass sie ihm die Sache irgendwann verzeihen würde.
Irgendwann, wenn der Schmerz vorüber war und sie sich wieder beruhigt hatte.
Aber für den Augenblick musste er sie gehen lassen.
Wenn er gekonnt hätte, dann würde er sie nie wieder aus dieser Wohnung gehen lassen.
Er musste nun mit der Angst leben sie nie wieder zu sehen. David wusste nur zu gut, dass er um sie kämpfen musste. Dafür sorgen musste, dass sie zu ihm zurück kehrte.
„Mary?“, sagte er leise und blickte sie dabei mit diesem flehenden Blick an, der sie fast erweichen ließ.
„Was willst du?“, zischte sie schon fast und musste ihre ganze Wut im Zaum halten.
„Könnte ich dich noch einmal kurz sprechen. Allein?“
„Ich wüsste nicht was es da noch zu besprechen gebe. Und vor allem nichts, was Cathy und Jessica nicht auch hören dürfen!“
„Bitte!“, erwiderte David eindringlich und ließ sich nicht davon beirren, dass ihn alle drei Frauen mit demselben mörderischen Blick ansahen.
„Na gut“, seufzte Mary geschlagen. „Aber ich gebe dir nur eine Minute, dann bin ich von hier verschwunden und du siehst mich dann nie wieder!“
Demonstrativ nahm die junge Frau ihre Tasche und schlang sie über ihre rechte Schulter, ehe sie ihren Ex nun abwartend ansah. Ihr Blick war kühl. Keine einzige Gefühlsregung.
Jessica und Cathy verließen mit schnellen Schritten den Raum und steuerten stattdessen das Wohnzimmer an, wo sie sich auf einem der Sofas fallen ließen und die Beine wartend übereinander schlugen.
„Also, ich höre“, sagte Mary düster und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie sah unheilvoll aus, wie sie da so stand und ihn mit diesen bösen, aber zugleich auch Schmerz erfüllten Augen ansah.
„Ich weiß, es ist unverzeihlich was ich getan habe, aber lass es mich doch wenigstens erklären. Ich will dich einfach nicht verlieren Mary!“
„Das hättest du dir früher überlegen sollen, bevor du diese Schlampe flach gelegt hast“, knurrte sie aufgebracht.
„Ja, ich bereue es, dich betrogen zu haben. Aber du musst mich auch verstehen. Du hast so viel um die Ohren mit der Arbeit als Sekretärin der wohl größten Firma in ganz Dendeva. Dauernd bist du nicht zu Hause. Ich habe mich einfach einsam gefühlt. So oft wollte ich dich bei mir haben, doch du warst nie da. Ich habe mich danach gesehnt Zärtlichkeit mit dir auszutauschen. Nie hattest du Zeit für mich. Dann lernte ich durch Zufall Louisiana kennen. Und dann ist das von einem auf den anderen einfach passiert. Es war ein Ausrutscher!“
Mit geweiteten Augen sah Mary ihren Ex Freund sprachlos an.
‚Wie kann er es wagen, dies alles auf einen Ausrutscher abzuschieben und mir zudem auch noch die Schuld an dem ganzen geben zu wollen?‘, fragte sie sich nun geschockt und konnte ihre Fassungslosigkeit nicht mehr verbergen.
„Wie kannst du es wagen?“, schrie die junge Frau plötzlich los, sodass David leicht zusammen zuckte.
Mit einem derartigen Ausbruch ihrerseits hatte er nicht gerechnet.
„Beruhige dich wieder!“, versuchte er sanft auf sie einzureden.
„Ich soll mich beruhigen?“, schrie sie nun weiter. „Du verdammtes Arschloch hast mich betrogen und sagst mir nun das es ein Ausrutscher war! Wer garantiert mir, dass du es nicht wieder und wieder mit dieser Schlampe getrieben hast?“
Tränen liefen ihr über die Wangen und ihr Körper zitterte. Sie konnte und wollte sich nicht mehr beruhigen. Das alles war einfach zu viel für sie geworden.
Sie musste aus dieser Wohnung, ehe sie noch völlig den Verstand verlor.
„Du bist an allem Schuld. Du allein bist Schuld, dass unsere Beziehung in die Brüche gegangen ist. Ich hatte zwar viel zutun, aber das war sicher nicht der Grund dafür mir fremd zu gehen. Ich hab alles für dich getan. War immer da um dir bei zu stehen. Das hab ich echt nicht verdient. Ich hab so etwas einfach nicht verdient!“
Schluchzend verbarg Mary ihr Gesicht vor ihren Händen. Nun fing sie an zu weinen.
Verbittert schüttelte sie dabei immer wieder fassungslos den Kopf. Noch immer wollte sie das Ganze nicht glauben.
‚Wieso nur?‘, dachte sie gequält. ‚Wieso denn nur ich?‘
„Es tut mir leid!“, entgegnete David reumütig und sah die junge Frau aus traurigen Augen an.
Er liebte sie und doch hatte er einen Fehler gemacht. Nur zu gut wusste er auch, dass sie Recht hatte.
Er war Schuld und zudem hatte er nicht nur einmal mit Louisiana geschlafen, sondern es wieder und wieder mit ihr getrieben und dass manchmal bis in die Nacht hinein, wenn er nur zu genau wusste, dass Mary auf der Arbeit sein würde und auch nicht so schnell zurück kam. Er hatte es ausgenutzt, wenn sie gemeinsam mit ihrem Chef eine nachschicht eingelegt hatte um Präsentationen für den nächsten Tag fertig zu machen. Dabei hätte er sich schlecht fühlen müssen, sie so hintergangen zu haben. Am Ende hatte er es nicht bereuen können. Nur ihre Tränen jetzt zu sehen zerrissen ihm das Herz.
Nun jedoch fragte er sich, ob es das alles wirklich wert gewesen ist, wenn er nun dafür Mary verlor. Die Frau die er eigentlich liebte.
„Du kannst dir dein ‚Es tut mir leid‘ sonst wohin stecken“, zischte Jess direkt hinter ihm und stieß ihn wütend zur Seite, ehe sie dann auf die total aufgelöste Mary zueilte.
„Hey Süße“, flüsterte die Brünette leise und nahm ihre beste Freundin einfach in die Arme.
Aufmunternd strich sie ihr immer wieder über den Rücken.
„Es wird alles wieder gut!“
„Komm“, fügte sie dann noch hinzu und zog Mary sanft mit sich.
„Cathy, nimm doch bitte die Tasche mit!“, bat sie die schwarzhaarige und ging dann weiter auf die Tür zu.
‚Es ist ein Fehler gewesen Mary hier her zu bringen‘, musste sich Jess eingestehen.
Eigentlich hatte sie gehofft, dass alles etwas anders ablaufen würde. Sie hätte aber wissen müssen, dass ihre Sensible Freundin in Tränen zusammen brechen würde.
Unter den dreien war sie eben einfach das Träumerlein, das in einer strahlenden Welt lebte, wo es nur lauter Happy Ends gab.
„Du hast riesen großen Mist gebaut David“, erwiderte Cathy beim vorbeigehen, als sie sich gerade die Tasche über die Schultern warf. „Irgendwie hatte ich dich wirklich gemocht gehabt, auch wenn ich schon immer wusste, dass du ein schlechter Umgang für sie warst. Aber nun bin auch ich zu tiefst enttäuscht von dir und rate dir nur eins. Halt dich fern von Mary und auch fern aus ihrem Leben!“
Mit diesen letzten Worten folgte die kleine Schwarzhaarige den anderen beiden Freundinnen und zog hinter sich noch leise die Tür zu.
„Vergiss den Kerl“, versuchte Jess ihre beste Freundin Mary auf andere Gedanken zu bringen.
Seitdem sie wieder in die Wohnung zurück gekehrt sind, konnte sie an nichts anderes mehr denken.
Es ging der jungen Frau nicht gut.
Immer wieder war sie mit den Gedanken weit weg.
Sie konnte dabei nicht einmal verhindern, dass sie immer wieder diese Szene vor Augen hatte.
Ihre Augen sahen dieses Bild immer wieder, wie David diese Frau in seine Arme geschlossen hatte, nachdem sie ihn so verführerisch angelächelt hatte.
Dabei hatte er eigentlich immer sie so in die Arme genommen.
Es war nichts Attraktives an dieser Frau gewesen und doch hatte er sie in diesem Augenblick gewollt, mehr als alles andere.
Das sie in der Wohnung gestanden hatte und geschockt zusehen musste, wie er mit ihr ins Schlafzimmer verschwunden war, hatte ihr einen solchen Stich versetzt, dass sie sich zusammen reißen musste um nicht schon da weinend im Flur zusammen zu brechen.
Es hatte verdammt weh getan.
Schon da hatte Mary es kaum glauben können und war ihnen leise gefolgt.
Mit einem flüchtigen Blick hatte sie ins Schlafzimmer gesehen und konnte nicht fassen was sie da gesehen hatte.
Genüsslich und mit einem unwiderstehlichen Lächeln hatte er sie vergnügt Stück für Stück ausgezogen, sowie sie es auch ohne Scheu bei ihm getan hatte.
„Nein!“, schrie sie plötzlich laut los, sodass Cathy und Jess erschrocken zusammen zuckten und fasst die Teetassen fallen ließen, die sie mit ihren Händen umschlungen hielten.
Es war draußen schließlich kühler geworden.
Die ersten Herbstblätter fielen schon.
Nicht mehr lange und der Winter stand dann vor der Tür.
„Was ist?“, fragten beide gleichzeitig und sahen dabei Mary mit ängstlichen Augen an.
Diese jedoch hielt sich nur beide Hände an den Kopf und schüttelte immer wieder unter Tränen die Gedanken davon.
Sie wollte es nicht mehr sehen.
Es war zu viel für ihr kleines Herz, das am Bluten war.
„Es soll aufhören!“, wimmerte sie leise und wiegte sich hin unter her, während ihr Körper sich zu einer kleinen Kugel zusammen rollte. „Macht dass es aufhört!“
Sofort stellten ihre Freundinnen die Teetassen auf den Tisch und nahmen ihre weinende Mary in den Arm.
„Ssch Kleines“, flüsterte Cathy leise in ihr Ohr.
Sie war die ruhigere von beiden und behielt in solchen Situationen immer die Nerven, während Jessica eher die war, die gleich aussprach was sie dachte und sich vollkommen von ihren Rachegedanken steuern ließ.
Aber in diesem Moment brauchte Mary einfach eine Schulter an die sie sich anlehnen konnte.
Sie brauchte Trost und eine Person zum Reden.
Alle drei wussten, dass Cathy die einzig geeignete von ihnen war.
„Es ist okay wenn du weinst“, versuchte sie sanft auf die junge Frau einzureden. „Lass den Schmerz raus und friss es nicht in dich!“
Halt suchend klammerte sich Mary an ihre Freundin und versuchte sich langsam wieder zu beruhigen.
Sie wusste selber nicht, warum es sie so mitnahm.
Eigentlich wollte sie nicht weinen.
Keiner sollte sie so sehen müssen.
Auch wenn sie eine Träumerin war, so war sie die Stärkere der dreien.
Noch nie hatte sie eine Träne vergossen.
Nicht einmal, als ihre Eltern beide vor einem Jahr bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen.
Sie war traurig gewesen und am Boden zerstört.
Dennoch hatte sie keine Träne vergossen.
Schweigend hatte sie an ihrem Grab gestanden und sich die Predigt des Pfarrers angehört, als man den Sarg langsam in das Loch hinunter ließ.
Das einzige was sie noch zurück gelassen hatte, war eine einsame Rose, die für ewige Liebe und unvergesslich stehen sollte.
„Vergiss den Kerl“, riss Jess sie unsanft aus den Gedanken. „Er hat dich nicht verdient. Schließ einfach damit ab. Wann hast du jemals wegen einem Mann geweint? Du willst doch jetzt nicht etwa damit anfangen oder?“
Wütend und mit blitzenden Augen sah Jessica zu ihrer Freundin nach unten.
„So ungern ich das auch zugeben möchte, aber Jess hat in diesem Punkt ausnahmsweise mal recht“, gab Cathy ihre widerwillige Zustimmung und hielt Mary leicht von sich.
„Du solltest aufhören zu weinen“, sagte sie noch aufmunternd und wischte ihr mit den Damen über die feuchte Wange.
„Ihr habt Recht!“, schniefte Mary und zwang sich dazu ein Lächeln aufzusetzen, nachdem sie ihre beiden Freundinnen mit diesen haselnussbraunen Augen ansah.
„Er ist es nicht wert, dass ich wegen ihm weine“, fügte sie dann noch schwach hinzu, ehe sie vorsichtig mit ihren Handflächen die letzten Spuren der Tränen weg wischte.
„Kommst du heute mit?“, fragte Jess plötzlich, kaum dass sie auf die Uhr schaute.
„Wohin?“, fragte Mary irritiert und blickte ihre braunhaarige Freundin abwartend an.
„Na die Jungs holen uns doch später ab und wollen mit uns gemeinsam Essen gehen und vielleicht anschließend dann ins Kino, wenn es nicht zu spät werden sollte.“
„Der Abend wird zu fünft sicher lustig werden“, sprang Cathy für Jess ein. „Sag bitte ‚Ja‘!“
Mit flehenden Augen blickte die Schwarzhaarige Mary an, diese jedoch brachte nur ein Lächeln zu Stande, ehe sie dann traurig und resigniert den Kopf schüttelte.
„Ich bin dafür nicht in Stimmung. Macht ihr beiden euch ein schönes Partnerdate und amüsiert euch.“
„Wir wollen dich aber dabei haben!“, warf Cathy ein und nahm Marys Hände in ihre. „BITTE!“
„Nein, ich kann nicht. Ich will euch nicht den Spaß verderben. Wenn ich mitkommen würde, dann wäre die ganze gute Stimmung weg. Das will ich euch nicht antun. Ich komme schon alleine klar meine Süßen. Heute gibt es für mich einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher.“
„Das ist doch nicht wirklich dein Ernst?“, beschwerte sich Jessica lautstark und funkelte die Blondine wütend an. „Mein Gott, dass dein Kerl dich betrogen hat, ist doch noch nicht der Weltuntergang. Auch andere Mütter haben hübsche Söhne. Klammer dich doch nicht jetzt an den einen. Und dass du hier rum sitzen wirst und Trübsal bläst, macht dass alles nun auch nicht wirklich besser. Aber wenn du meinst eine von diesen ganzen Frauen zu sein, die daraus ein Drama machen müssen, schön!“
Damit rauschte Jess wütend davon und ließ tatsächlich kurz darauf ihre Zimmertür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen.
Leicht zuckte Mary bei dem Knall zusammen und seufzte nur leise auf.
Ihre Freundin war schon immer sehr temperamentvoll gewesen.
„Nimm es ihr nicht übel Mary. Du weißt ja wie unsere Jess immer drauf ist.“
Ein zustimmendes Nicken.
„Ich mach mir deswegen keinen Kopf. Die wird sich auch wieder beruhigen“, sagte die junge Frau zur Antwort. „Wir sind alle heute etwas durch den Wind und ich bin mir sicher, dass es auch nicht mehr lange anhalten wird, bis ich darüber einigermaßen hinweg bin. Jetzt werde ich erst einmal das Wochenende genießen und mich dann umso mehr auf Montag freuen, wenn es wieder zur Arbeit geht, da kann ich mich wenigstens von allem ablenken.“
„Bist du sicher, dass du in deinem derzeitigen Zustand dazu in der Lage bist?“, fragte Cathy wenig überzeugt von ihren Worten.
„Cat“, erwiderte Mary sanft. „Ich bin nicht krank. Man hat mir nur das Herz zerbrochen. Es ist also nichts, was mich in irgendeiner Weise von der Arbeit abhalten könnte.“
„Ich mach mir doch nur Sorgen um dich Marylein“, entgegnete Cathy und sah sie dabei aus ihren grünen Augen so tadelnd an, dass es Mary fast wieder leid tat, dass sie ihrer Freundin solche Sorgen bereitete.
„Ich weiß, aber das brauchst du wirklich nicht. Es geht mir gut.“
Fraglich zog die Dunkelhaarige eine Augenbraue nach oben und musterte die Blondine eingehend.
„Na, ich weiß nicht“, gab sie dann irgendwann ihre Bedenken preis.
„Geht euch amüsieren. Ich komme schon klar. An einem zerbrochenen Herzen werde ich schon nicht sterben“, erwiderte Mary nun mit einem gekünstelten Lächeln. „Und nun hör auf mich so anzusehen, als würde ich schwer krank sein und jeden Moment an meinem Elend verrecken!“
„Bist du dir sicher?“, fragte Cat noch immer nicht besonders überzeugt.
„Ja und nun verschwinde“, erwidert Mary grinsend und gibt ihrer Freundin einen leichten Schubs, der sie dazu zwingt vom Sofa aufzustehen.
„Ist ja gut“, erwiderte Cathy lächelnd. „Bin schon weg!“
„Solltest du auch sein. Du hast nicht mehr viel Zeit, bis dein Schatzy hier auftauchen wird.“
Erschrocken sah die schwarzhaarige Frau auf die Uhr und stöhnte erschrocken auf, ehe sie davon eilte und hektisch ihre ganzen Sachen zusammen suchte, bevor sie dann mit allem im Badezimmer verschwunden war.
Seufzend ließ Mary sich tiefer in das Sofa sinken und musste zugeben, dass sie ihre beiden Freundinnen darum beneidete.
Sie hatten so viel Glück in Sachen Beziehung, während sie sich immer für die falschen entschied.
„Und da sagt einer mal, dass Märchen wahr werden!“, grummelte sie missmutig.
‚Warum kann ich nicht auch mal so ein verdammtes Glück haben?‘
Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass die beiden Mädels nur noch knapp eine halbe Stunde hatten, als es dann plötzlich an der Tür klingelte.
Etwas überrascht darüber stand Mary vom Sofa auf und schlenderte langsam zur Wohnungstür um nachzusehen, wer um diese Zeit klingelte.
‚Ob Jivan und Danyel eher gekommen sind und nun hier geklingelt hatten?‘, fragte sich Mary noch immer sichtlich irritiert.
Es war selten, dass sie um diese Zeit Besuch empfingen, außer es war besprochen gewesen oder aber es sollte eine Überraschung der männlichen Geschöpfe sein, welche nun mal mit ihren beiden besten Freundinnen zusammen waren.
„Hey Jungs“, begrüßte die junge Frau die beiden Männer, die gerade die Treppe hoch gelaufen kamen.
Sie versuchte sich dabei nichts anmerken zu lassen.
„Hey Mary, wo sind unsere Mädels?“, begrüßte Danyel sie fröhlich, ehe er sie in eine starke Umarmung nahm.
Er war der größere der beiden und hatte dazu dunkelbraunes, leicht verstrubeltes Haar, das wild von seinem Kopf abstand.
Sein Körper war breit und muskulös.
War aber auch kein Wunder, wenn man den Kerl jeden zweiten Tag im Fitnessstudio sah.
Danyel überragte Mary um gut einen Kopf, sodass er sich leicht vor beugen musste, um ihr in die Augen zu sehen.
Seine Augen waren in einem intensiven blau, als er Mary leicht musterte und ihm sofort auffiel, dass sie irgendwie niedergeschlagen wirkte, trotz ihres Lächelns.
Jedoch ging er nicht weiter darauf ein.
Vielleicht würde ihm Jess später sagen, was eigentlich los war.
Er bekam das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.
„Eure Mädels machen sich gerade fertig. Aber sie müsste auch gleich fertig sein“, erwiderte sie leicht lächelnd.
„Wie geht es dir?“, fragte sie plötzlich Jivan, der die junge Frau kurz darauf ebenfalls in eine feste Umarmung schloss.
Er war nicht ganz so groß, dennoch überragte er die kleine Frau.
Sein Körper war nicht ganz so breit und auch nicht ganz so sehr bemuskelt, dennoch war auch er nicht gerade verachtenswert.
Seine Haare waren rötlich braun und lockten sich leicht auf seinem Kopf.
Die Farbe seiner Augen hatte graugrün.
„Kommt doch rein!“, bat die Blondine die beiden herein und trat leicht zur Seite.
Sie hatte nicht die Absicht auf die Frage zu antworten.
‚Wie sollte es mir auch gehen?‘, dachte Mary nur verbittert und ihr Herz fing bei dem Gedanken an ihn wieder an zu schmerzen.
Langsam traten die beiden Jungs ein, sodass die junge Frau direkt hinter ihnen die Tür zumachen konnte.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und spazierte wieder ins Wohnzimmer, wo sie sich auf das Sofa fallen ließ.
„Macht es euch bequem“, sagte Mary dann. „Es könnte noch eine Weile dauern bis die beiden fertig sind.“
Ein zustimmendes Nicken der beiden und dann ließen sie sich auch schon gegenüber der Blondine fallen.
„Warum kommst du eigentlich nicht mit uns?“, fragte Jivan plötzlich. „Zu sechst würde es sicher lustig werden. Frag doch David ob er mitkommen möchte.“
Bei dem Namen ihres Ex zuckte Mary sichtlich zusammen und fing an zu zittern.
Ihr Körper verkrampfte sich und sie versuchte ruhig Luft zu bekommen.
Der Schmerz war wieder da, durchbohrte ihr Herz.
„Hey, was ist denn los Mary?“, fragte Danyel erschrocken und stand vom Sofa auf, nur um die junge Frau zu trösten.
„Es… nichts…“, erwiderte die blonde Frau und zwang sich zu einem kläglichen Lächeln. „Es geht mir gut. Ich bin okay.“
„Komm erzähl doch keinen Stuss“, gab Danyel abfällig zurück. „Was ist also wirklich los? Raus mit der Sprache!“
„Das mit mir und…“, fing sie an, musste dabei aber schwer schlucken.
Dann unterbrach sie sich selber, da sie seinen Namen einfach nicht aussprechen konnte.
Er war für sie gestorben, wenn es auch noch immer so verdammt weh tat.
Aber dieser Arsch war es nicht wert, dass sie auch nur einen Gedanken an ihn verschwendete, geschweige denn eine Träne für ihn vergoss.
„Es ist vorbei. Ich bin seit heute wieder Single!“, antwortete die junge Frau dann mit kalter, abweisender und total gleichgültiger Stimme.
„Wieso denn das?“, fragte Jivan total verwundert, während Danyel die blonde Frau nur misstrauisch musterte.
„Was hat der Kerl angestellt?“, kam dann auch schon seine Frage.
Bei dieser Frage schluckte Mary sichtlich schwer.
Plötzlich saß ein dicker Kloß in ihrer Kehle und hinderte sie daran die vernichtenden Worte auszusprechen.
Sie öffnete den Mund um zu antworten, doch heraus kam nur ein unangenehmes Krätzen.
„Was ist denn los mit dir Mary?“, fragte Danyel sichtlich verwundert.
So kannte er die blonde Frau überhaupt nicht.
Eigentlich war sie immer ziemlich gefast.
Er kannte sie als lebensfrohe, selbstbewusste Frau, welche immer ein wunderschönes, verführerisches Lächeln auf den Lippen hatte.
„Manchmal frage ich mich echt wo du eigentlich deinen Kopf hast“, erwiderte Jessica neckisch, sodass sich alle überrascht zu ihr umdrehten.
Sie lächelte scharmant und schritt langsam auf ihren Liebsten zu.
In ihren Augen jedoch loderte etwas Teuflisches auf.
Danyel wusste, was dieses Funkeln bedeutete.
Und er wusste, dass es nichts Gutes war.
‚Irgendetwas stimmte nicht‘, mit dem Gedanken hatte er genau richtig gelegen.
„Der ach so tolle David hat ihr das Herz zerbrochen. Wieder einmal!“, sagte Jessica so, als wäre das schon der tägliche Alltag.
Dieses Mal war es nur ein bisschen anderes.
Schließlich hatte dieses Arschloch ihre Freundin betrogen.
‚Fahr zur Hölle du mieser Flachwichser‘, dachte Jess verbittert und ein düsteres Lächeln legte sich auf ihre Lippen, was jedoch die Augen bei weitem nicht erreichte, denn die waren so voller Hass.
Sie war selber über ihren Gedankengang überrascht.
Eigentlich müsste sie gefasster sein und Mary sollte eher diejenige von beiden sein, welche einen solchen Gedanken in sich trug.
Aber es machte Jess so unglaublich sauer.
Oft hatte sie die junge Freundin gewarnt und trotzdem hatte sie Mary nicht vor diesem Schmerz bewahren können.
„Was hat er denn so schlimmes gemacht?“, mischte sich nun auch Jivan in das Gespräch ein.
„Er hat sie betrogen!“, antwortet Jess trocken.
Reflexartig ballte Mary ihre Hände zu Fäusten.
„Es reicht!“, schrie die Blondine plötzlich auf, sodass alle Anwesenden zusammen zuckten. „Ich hab die Schnauze gestrichen voll es immer und immer wieder hören zu müssen. Ich hab es mittlerweile auch begriffen.“
Zornig schweifte ihr Blick durch den Raum, bis er irgendwann an Jessica hängen blieb, die Mary nur sprachlos ansehen konnte. Das war sie sicher nicht gewohnt.
Zum ersten Mal kam es vor, dass einer der Anwesenden Marys Wutausbrüche miterlebte.
„Ich will es einfach nicht mehr hören. Okay? Ich weiß, dass er mich betrogen hat. Hab es schließlich mit eigenen Augen gesehen und bin einfach gegangen. Wenn es schon alle Welt wissen muss, dann redet darüber, wenn ich nicht anwesend bin. Es zerreißt mich dauernd daran erinnert zu werden Jess. Bitte hört endlich auf mir noch mehr Leid zuzufügen. Ich will ab sofort kein einziges Wort mehr darüber hören. Verstanden?“
Aufmerksam blickte Mary ihre sprachlose Freundin an und wartete ruhig auf eine Antwort, diese jedoch nickte nur zustimmend, da sie einfach keinen Ton mehr heraus brachte.
Sie war einfach irritiert von Marys plötzlichen Launen.
Ohne ein weiteres Wort stand die blonde Frau vom Sofa auf und verließ mit den Worten „Viel Spaß heute Abend“, das Wohnzimmer und sperrte sich kurze Zeit später in ihrem eigenen Zimmer ein.
Ein lautes Rumpeln gefolgt von einem lauten Schrei war aus dem Raum zu vernehmen, welcher die anderen erschrocken zusammen zucken ließ.
Langsam ging Danyel auf seine versteinerte Freundin zu und nahm sie beruhigen in die Arme.
Jess klammerte sich sofort an ihrem Freund fest, als würde sie nach Halt suchen.
„Ich verstehe nicht, was mit ihr los ist. So hab ich sie wirklich noch nie erlebt. Seit all den Jahren die wir schon befreundet sind, hat sie sich nie so eigenartig und verstört benommen.“
„David hat ihr einfach viel bedeutet. Lass ihr Zeit um alles zu verdauen. Das wissen, dass er sie betrogen hat, ist schließlich noch nicht so lange her oder?“
„Nein“, flüsterte Jess leise. „Es ist gerade mal ein paar Stunden her.“
Verwundert über den Lärm, der aus Marys Zimmer kam, schritt Cathy in den Flur.
„Was ist denn hier los?“, fragte sie auch gleich in die Runde, kaum dass sie die drei im Wohnzimmer erblickt hatte.
„Erwähne das Wort David und alles was damit zu tun hat nie wieder in Marys Gegenwart“, erwiderten alle drei fast zeitgleich.
„Wieso?“, fragte Cathy verwirrt.
„Das bringt das arme Ding nur völlig durcheinander und sie explodiert dann wie eine tickende Zeitbombe“, meinte Jess nur auf die gestellte Frage.
„Können wir nun gehen oder bis du noch nicht fertig?“, fragte die Brünette an Cat gewandt und zog dabei fragend eine Augenbraue in die Höhe.
„Aber wir können Mary hier doch nicht einfach so zurück lassen“, äußert Cathy ihre bedenken und blickt auch gleich in die Richtung der verschlossenen Tür.
„Willst du sie da vielleicht mit Gewalt raus holen?“, fragte die Brünette schnippisch.
„Lass ihr ihre Ruhe, mein Schatz“, entgegnete Jivan sanft und schloss seine Freundin in eine feste Umarmung, bevor er sie dann auch schon küsste.
„Aber…“, versuchte Cathy zu protestieren.
„Nichts aber“, säuselte ihr Freund zärtlich an ihren Lippen.
„Wir können sie nicht zwingen mit uns zu kommen. Sie wird sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, wenn wir sie jetzt aus ihrem Zimmer schleifen“, warnte Jess ihre Freundin trocken und ihr Blick zeigte keine einzige Gefühlsregung.
„Wir sollten nun los gehen und Mary erst mal alleine lassen, damit sie ihre Gedanken wieder ordnen kann“, erklärte Danyel ruhig und schob seine Freundin, ohne ihre Antwort überhaupt abzuwarten, in den Flur und schließlich zur Tür hinaus.
Die anderen beiden folgten ihnen schweigend. Kurz darauf fiel die Haustür leise ins Schloss.
Erleichtert seufzte die junge Frau auf, als sie hörte wie die Schritte sich entfernten und die Haustür dann ins Schloss viel. Endlich war sie alleine.
Sie hatte ihre Freundin nicht so anschreien wollen, aber das war ihr einfach alles zu viel geworden. Diese ganze Sache belastete sie so sehr, dass schon allein der Gedanke daran, es ihr unmöglich machte nicht die Nerven zu verlieren.
Eine einzelne Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel, ehe weitere Tränen folgten.
Leise fing sie an zu schluchzen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
Nun konnte sie ihren Kummer, den Schmerz, das Leid und auch die Wut einfach hinaus lassen. Es gab niemanden, der sie hören würde, oder ihr Elend sehen würde.
Sie war ganz allein. Und so fühlte sie sich nun auch. Verlassen stand sie da.
Betrogen und belogen von dem Mann, den sie über alles geliebt hatte.
Jetzt? Jetzt verspürte sie nur noch Wut. – Abgrundtiefe Wut, die sie im Zaum zu halten versuchte.
‚Mistkerl!‘, fluchte sie wieder in Gedanken. ‚Elender Mistkerl!‘
Zornig ballte sie die Hände so fest zusammen, dass sich sogar schon ihre spitzen Fingernägel in die weiche Haut ihrer Handflächen bohrten.
Einzelne Bluttropen quollen aus der offenen Wunde und tropften leise zu Boden.
Fasziniert betrachtete Mary, wie das Blut sich seinen Weg über ihre Haut bahnte und dann in einem Rinnsal zu Boden fiel. Wieder einmal gingen ihr die Bilder durch den Kopf.
Diese Frau und er, dessen Namen sie nie wieder aussprechen würde, küssten sich stürmisch im Flur und verschwanden daraufhin in das gemeinsame Schlafzimmer.
Keiner der beiden hatte sie gesehen. Dafür hatte sie aber alles ganz genau mitbekommen.
‚Womit hatte ich das nur verdient?‘, fragte sie sich kläglich. ‚Bin ich ein so schlechter Mensch gewesen, dass Gott mich nun bestraffen musste?‘
Seufzend rieb sie sich über die müden Augen, die rot und durch das Weinen geschwollen waren.
„Ich hätte damals auf die anderen hören sollen“, murmelte Mary abwesend vor sich hin und erhob sich von ihrem Bett. Langsam verließ sie ihr Zimmer und ging ins Wohnzimmer um sich dort auf die Couch zu setzen.
Sie würde sich einfach einen schönen Abend allein vor dem Fernseher machen. Die junge Frau brauchte niemanden um glücklich zu sein oder sich zu amüsieren.
Leise schlenderte sie zum Fernseher und warf eine DVD in den Rekorder.
Mary hatte keine Ahnung welchen der vielen Filme es war, aber ehrlich gesagt war es ihr auch egal. Hauptsache es würde sie von ihren trüben Gedanken ablenken.
Sie machte es sich gemütlich auf dem Sofa, nahm sich eine Decke und ein paar Kissen welche sie um sich herum verteilte.
Die Decke legte sie einfach über sich und kuschelte sich in den warmen Stoff.
Langsam begann der Vorspann und die junge Frau befürchtete schon jetzt, dass es eine dumme Liebesschnulze werden würde.
Eigentlich liebte sie so etwas, aber ihre dumme Träumerei und die Naivität hatten sie erst dazu gebracht, wieder einmal auf den Idioten David herein zufallen, trotz dass alle sie gewarnt hatten.
Wütend über sich selbst biss sie die Zähne fest aufeinander und knirschte leicht.
‚Ich war so dumm!‘, durchfuhr sie der Gedanke. ‚So unglaublich dumm!‘
Sie versuchte sich auf den Film zu konzentrieren, doch als sie dann auch noch zusehen musste, wie die beiden Hauptcharaktere sich küssten, da brannten erneut die Sicherungen bei ihr durch.
„Nie wieder!“, fauchte sie wütend und sprang vom Sofa auf, blieb jedoch in der Decke hängen und machte eine unsanfte Bauchlandung in Richtung Fußboden.
Schmerzvoll stöhnte sie und rappelte sich unbeholfen auf.
Zornig kniff sie ihre Augenbrauen zusammen und fixierte den Fernseher grimmig.
„Nie wieder werde ich auf euch scheiß Mistkerl herein fallen!“, fauchte sie zornig und besiegelte somit auch gleichzeitig ihren Schwur, den sie sich selber in genau diesem Moment gegeben hatte. „Ihr Männer seid alle für mich gestorben!“
Nur bei zwei würde sie eine Ausnahme machen. Vor denen hatte sie aber auch nichts zu befürchten. Die Männer ihrer beiden besten Freundinnen würden ihr niemals nah genug kommen, um sie verletzen zu können.
„Keine Liebe mehr!“, murrte sie böse. „Nie wieder!“
Wütend stapfte sie zum DVD-Player und nahm den Film heraus. Sie wollte nun irgendetwas anderes gucken. Gedankenverloren durchstöberte sie die riesige Filmsammlung, die sich über die Jahre vergrößert hatte.
Es musste etwas sein, was nichts mit Liebe zu tun hatte. Am besten etwas mit Action oder irgendein guter Horrorfilm. Irgendwie musste die junge Frau ja wieder runter kommen.
Und mit was konnte man sich besser abreagieren, als mit einem Film wo Menschen starben und nicht ihr Happy End fanden. Entschlossen griff sie einfach blind in den Schrank und zog die erstbeste DVD-Hülle heraus, nur um sie kurz darauf einzulegen und mit hängenden Schultern zurück zur Couch zu schlurfen. Müde ließ sie sich in die Polster sinken, legte die Decke wieder um sich und machte es sich in den Kissen gemütlich.
Als erneut der Abspann begann, entspannte Mary sich sichtlich, als sie merkte, dass es keine weitere Liebesschnulze war. Ein leises Seufzen entwich ihrer Kehle, dann folgte sie aufmerksam dem Film.
Ein blauer Ozean erschien auf dem Bildschirm, während eine Gruppe Jugendliche eine kleine Bootsparty veranstaltete. Es war dunkel und etwas Gefährliches lauerte in den dunklen Tiefen des Meeres. Die Melodie beschleunigte sich, bereitete den Zuschauer darauf vor, das jeden Moment etwas geschehen würde. Im nächsten Moment brach ein Hai aus dem Wasser und schnappte nach einem der Menschen.
Die blonde Frau schrie auf und riss reflexartig die Decke über den Kopf. Ihr Körper zitterte etwas und die Angst saß ihr im Nacken. Normalerweise hasste sie solche Filme, einfach weil sie nichts für ihre Nerven waren. Vor allem hasste sie sie, wenn sie alleine vor dem Fernseher saß. Doch anstatt ihn auszuschalten, sah sie einfach weiter gebannt auf den Bildschirm. Fest entschlossen den Film zu Ende zu sehen.
‚Es wird schon nicht so schlimm werden‘, dachte sie schmunzelnd und richtete ihren Blick aufmerksam auf das Geschehen des Films. Alles war besser als an ihn zu denken und das wusste Mary nur zu gut. Immer wieder kamen Stellen im Film bei denen sie zusammen zuckte, jedoch tapfer weiter der Handlung folgte. Irgendwann übermahnte sie die Müdigkeit und sie döste auf dem Sofa ein. Vielleicht war es ja besser so und die junge Frau konnte hoffen einen traumlosen Schlaf vor sich zu haben, der nichts als Erholung schenkte. Doch so viel erbarmen hatte das Schicksal nicht mit ihr, denn ihre Gedanken drifteten ab und nahmen eine falsche Wendung. Eine die sie niemals hätte sehen oder denken wollen.
„Komm her Honey, damit ich dich verwöhnen kann“, gurrte die dunkelhäutige Frau verführerisch. Ihre Augen blitzten schelmisch auf, als sie hüftschwingend auf ihn zuging, nur um ihn anschließend an der Taille noch enger an sich zu drücken. Dann ging sie vor dem Mann auf die Knie. Ihren Blick hob sie dabei an, um ihm noch immer ins Gesicht blicken zu können. Seine Lippen waren leicht geöffnet, die Augen glasig und geweitet vor Lust, während sein Glied wie eine eins zur Decke ragte. Er konnte es kaum noch erwarten, das Gefühl ihrer Zunge auf seiner Haut.
„Ich möchte dich schmecken“, grinste sie lüstern und wusste genau, dass ihm die Vorstellung gefiel. Ohne seine Zustimmung abzuwarten, nahm sie ihn in seiner ganzen Länge in ihrem Mund auf und begann wohlig zu seufzen, als sein Geschmack ihre Geschmacksknospen traf.
„Nein!“, kam ein greller Schrei des Schmerzes aus Marys Hals. Tränen liefen über ihre Wange und ein erstickter Schluchzer schüttelte ihren Körper. Sofort saß die junge Frau senkrecht auf dem Sofa und blickte irritiert an die Wand gegenüber. Dämmerlich empfing sie, hüllte ihren zerbrechlichen Körper ein. Schweiß benetzte ihre Haut. Ihr Körper zitterte, während sie mühsam nach Luft schnappte. Das Erlebnis saß noch immer tief in ihr drin und ließ ihre Adern gefrieren. Obwohl es warm in der Wohnung war, froh Mary und versuchte sich zu wärmen, indem sie die Arme fest um ihren Körper schlang, sich über die Arme rieb um die Durchblutung zu fördern. Ihr Herz schlug protestierend in ihrer Brust.
‚Was war das eben? Hab ich das wirklich aus meiner blühenden Phantasie herauf beschworen?‘, fragte sie sich verwundert und verärgert zu gleich. Sie war über sich selbst erschrocken. Das grenzte schon an Selbstzerstörung. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen alleine zuhause zu bleiben und dem Verstand die Gelegenheit zu geben, das vorhin Erlebte wieder und wieder zu durchleben. Sie schüttelte bedrückt den Kopf, versuchte die Bilder abzuschütteln, die durch ihre Gedanken jagten.
Das alles nahm sie wohl doch mehr mit, als sie sich selber eingestehen wollte. Sie konnte sich nicht mehr einreden, dass ihr Ex ihr nicht so viel bedeutet hatte. Sie liebte ihn. Mehr als ihr gut getan hatte. Und mehr als es ihr jetzt gut tun würde. Vielleicht sollte sie doch noch ausgehen und sich amüsieren um auf andere Gedanken zu kommen. Doch noch bevor sie den Gedanken zu Ende gesponnen hatte, verwarf sie die Idee auch schon wieder.
„Das ist nichts für mich“, murmelte sie betrübt. „Ich bin kein Party-Hase. War ich nie und werde ich auch nie sein!“
Erschöpft rieb sie sich mit der flachen Hand über das Gesicht und strich sich dabei vereinzelte Strähnen aus der Stirn.
Noch etwas verschlafen und benommen von dem wirren Traum sah sie sich im Wohnzimmer um. Sie lag noch immer auf der Couch. Und Stille erfasste sie, sodass sie wusste, dass die anderen definitiv noch unterwegs waren und somit nichts von all dem mitbekommen hatte. Was wohl auch besser so war.
Man hörte nur den Fernseher im Hintergrund. Der Film lief noch immer, neigte sich jedoch langsam dem Ende. Das hieß dann wohl, dass Mary nicht besonders lange geschlafen hatte. Doch nun saß ihr dafür die Müdigkeit bleiern in den Knochen. Das Bett rief nach ihr, forderte ihren Körper auf die Schlafstätte aufzusuchen.
Murrend befreite sich die blonde Frau aus der Decke, welche schon halb auf dem Boden lag.
‚Am besten ist es, wenn ich diesen Tag ganz schnell vergas und so tat, als hätte es ihn nie gegeben!‘, dachte sie verärgert und ihre Gefühle fuhren dabei Achterbahn. Sie wollte nichts lieber als zu vergessen, der Männerwelt den Rücken zu kehren.
Widerwillig schaltete sie den Fernseher aus, erhob sich von der Couch und stapfte auf direktem Weg in ihr Zimmer. Schnell machte sie sich bettfertig, bevor sie sich anschließend wohlig seufzend in ihre Decke kuschelte.
Ein lautes, protestierendes Hämmern lies die blonde Frau aus dem Schlaf hochschrecken. Verschlafen murrte sie irgendetwas, ehe sie sich auf die andere Seite drehte und wieder weiter schlief. Doch kaum hatte sie die Augen wieder geschlossen, wurde die Tür ihres Zimmers geöffnet und eine strahlende Cathy kam herein gestürmt. Überschwänglich ließ sie sich neben Mary auf das Bett fallen und strich der zierlichen Frau mütterlich über die Wange.
„Wie fühlst du dich heute?“, wollte die Schwarzhaarige mitfühlend wissen. Sie konnte ihrer Freundin nicht antworten. Sie wusste es ja selber nicht genau. Irgendwie fühlte sie sich leer. Etwas in ihr war zerbrochen. Ihr Herz tat weh, während ihr Verstand schon längst begonnen hatte alles zu verdrängen. Einerseits tat es weh, aber andererseits war da nur ein trostloses Nichts. Ein schwarzes Loch, das jeglichen Gedanken an gestern aufsaugte und verschwinden ließ.
„Ich weiß nicht genau“, murmelte die junge Frau verwirrt. „Wenn ich sagen würde, dass es mir gut geht, dann wäre es eine dicke Lüge. Aber so wirklich schlecht geht es mir nun auch nicht.“
Nachdenklich zog Mary die Augenbrauen zusammen und runzelte die Stirn. Seit gestern Abend hatte sie sich fest vor genommen nicht mehr länger an ihren Ex zu denken. Und nun wo ein neuer Tag herein gebrochen war, schien es ihr, als würde sie diesen Entschluss ohne weiteres einhalten können. Müde drehte sich die Blonde zu ihrer Freundin um und starrte sie seltsam an. Ein Lächeln umschmeichelten die zarten Lippen der schwarzhaarigen Frau. Ihre gute Laune war ihr sichtlich anzusehen. Dabei war es noch früher morgen. Cathy war eigentlich ein Morgenmuffel, genauso wie die anderen beiden Freundinnen. Vielleicht passten sie deswegen so gut zusammen. Denn normalerweise schliefen sie aus, ohne Angst geweckt zu werden. Nur heute schien eine Ausnahme zu sein.
„Was machst du überhaupt so früh auf den Beinen“, grummelte die Blonde und rieb sich verschlafen über die Augen. Ihr Blick ging zum Digitalwecker, der ihr verkündete, dass es gerade mal neun Uhr am frühen Morgen war.
„Hast du das etwa vergessen?“, fragte Cathy geschockt und sah sie sichtlich empört an. Dann erhob sie sich, schenkte der zierlichen Frau auf dem Bett nur ein böses Lächeln und dann zog sie auch schon an der Decke um ihre Freundin zum Aufstehen zu bewegen.
„Wir wollten shoppen gehen. Also steh endlich auf!“
„Es ist aber Sonntag!“, quengelte Mary und vergrub ihren Kopf unterm Kissen. Ihre Freundin hatte vielleicht Nerven sie an einem Sonntagmorgen um diese Zeit zu wecken.
„Na und. Wir wollten heute shoppen gehen!“, erwiderte Cathy schnippisch, als wäre es nichts besonderes.
„Die Läden sind heute geschlossen!“, erwiderte Mary gereizt und sah ihre Freundin anklagend an. Und für so etwas wurde sie geweckt.
„Du Dummerchen. Heute ist verkaufsoffener Sonntag. Die Läden haben bis fünfzehn Uhr auf. Und da du es mir versprochen hast, dachte ich, dass wir so früh wie möglich in die Stadt fahren. Solange die Straßen noch leer sind und die Geschäfte nicht überfüllt.“
„Muss das sein?“
„Mensch Mary, du hast es versprochen!“, schmollte die Schwarzhaarige und funkelte sie mit ihren moosgrünen Augen böse an.
Langsam stand Cathy vom Bett auf und ging gedankenverloren auf das Fenster zu. Dunkelrote Vorhänge waren davor gezogen und hinderten das Sonnenlicht daran ins Zimmer zu dringen. Ein Dämmerlicht umfing die beiden Frauen. Kurz entschlossen riss sie den Stoff fort, lies das Zimmer mit Licht durchfluten, sodass Mary gequält aufstöhnte, als das Licht ihre empfindlichen Augen drauf.
„Du bist grausam“, nörgelte Mary und blickte ihre Freundin schlechtgelaunt an.
„Steh endlich auf. Ann feiert heute ihren Junggesellinnenabschied und wir müssen dafür noch einkaufen gehen!“, erwiderte Cathy lächelnd und drehte sich zu der jungen Frau, die noch immer im Bett lag, um.
„Das ist heute?“, fragte die Blondine überflüssigerweise.
„Ja!“, kam die knappe Antwort.
Nachdenklich zog Mary Augenbrauen zusammen. Wann hatten sie das abgemacht gehabt? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Ehrlich gesagt hatte sie es wirklich vergessen. Natürlich nicht mit Absicht. Aber die letzten Tage waren einfach stressig gewesen. Die Zeit war ihr regelrecht durch die Finger entglitten. Nachdem feststand, dass sie nun den neuen Chef in die Firma integrieren wollten, wurden so viele Vorbereitungen getroffen bei denen sie einfach helfen musste. Immerhin war Mary schon fast ein Teil der Geschäftsführung. Zumindest kam es der jungen Frau so vor. Sie wusste besser über diese Firma und ihre Eigenarten Bescheid, als manch einer aus dem Vorstand. Immerhin war sie nicht nur eine langweilige Sekretärin. Sie war mehr. Man setzte sie in viele der Abteilung ein. Egal wo sie auch arbeitete, sie wusste ihr Handwerk zu nutzen. Mary machte die Arbeit großen Spaß und sie war gerne in der Firma angestellt. Deshalb hoffte sie sehr, dass ihr neuer Chef genauso umgänglich war, wie ihr jetziger. Zumindest hatte sie die Wahl. Wenn es nicht gut laufen würde, konnte sie immer noch zurück in ihr altes Büro. Aber aufgeben war nicht drin. Nicht solange sie alles versuchte um es dem Neffen ihres Chefs so angenehm wie möglich zu machen. Nur die Gerüchte, die in der Firma rumgingen, schienen ihr Unbehagen zu erwecken. Man sagte sich, er wäre ein arrogantes, selbstverliebtes Arschloch und der Teufel persönlich. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Aber besser war es nicht daran zu denken, sonst würde sie am Ende noch ihre Entscheidung anzweifeln, sich bereit erklärt zu haben ihn in die Firma und ihre Geheimnisse einzuweihen.
„Unser Mäuschen hat es vergessen“, zwitscherte Jess, riss Mary damit aus den Gedanken und wirbelte durchs Zimmer, bevor sie sich schwungvoll neben der Blonden aufs Bett fallen ließ. Übermütig umarmte die Brünette ihre Freundin und drückte sie einmal kurz an sich. Dann blickte sie ihr prüfend ins Gesicht.
Dann wand Jess sich an Cathy und fing an zu schmunzeln.
„Du kennst unser Küken doch. Wenn man sie nicht daran erinnert, vergisst sie es. Ein Wunder dass sie die Termine ihres Chefs im Kopf behält.“
Beide Freundinnen fingen an zu grinsen, während Mary die beiden nur grimmig anstarrte.
„Ja, ja. Immer auf die Kleinen. Aber schön, dass es euch so amüsiert. Und zu eurer Info. Es gibt so etwas das nennt sich Terminplaner. Spätestens wenn ich einen Blick rein geworfen hatte, wäre es mir wieder eingefallen!“, erwiderte die blonde Frau schnippisch und ihr Blick wurde noch eine Spur düsterer. Daraufhin brachen ihre Freundinnen in Gelächter aus.
„Du bist echt süß, wenn du dich vor uns rechtfertigst“, schmunzelte Jess und strich Mary liebevoll über die Wange.
„Ihr seid manchmal echt gemein, wisst ihr das?“
„Deswegen liebst du uns ja“, lächelte Jess zuckersüß und drückte der blonden ein Küsschen aufdie Wange.
„Und nun beweg dein hübschen Hintern aus dem Bett, damit wir endlich los können!“
„Muss das sein?“, murrte Mary und erhob sich langsam aus dem Bett. Natürlich musste das sein. Diese Frage brauchten sie nicht einmal laut zu beantworten, weil Mary die Antwort ja schon längst kannte. Sie streckte sich kurz, versuchte dabei ein Gähnen zu unterdrücken. Sie war noch müde und diese verrückten, aufgedrehten Hühner schmissen sie am frühen Morgen aus ihrem kuscheligen Bett. Und das an einem Sonntag!
Kopfschüttelnd verschwand die junge Frau im Badezimmer um sich fertig zu machen. Obwohl ihre Freundinnen sich vom Alter her weit von ihr entfernten, verstand Mary sich sehr gut mit ihnen. Sowohl Cathy als auch Jess näherten sich der dreißig. Mit ihren achtundzwanzig Jahren waren sie weit aus reifer und mitten im Leben, während Mary mit ihren dreiundzwanzig gerade Mal am Anfang stand und dabei war sich ihr Leben richtig aufzubauen. Vielleicht hatte es ja deswegen nicht mit David geklappt. Er war zu alt. Immerhin waren sie neun Jahre auseinander. Aber das hatte ihn scheinbar nicht gestört ihr die Jungfräulichkeit zu nehmen und ihr das Herz zu zerstören. Nur der Gedanken an ihn, ließ die Wut wieder hochkochen, sodass Mary wütend die Hände zu Faust ballte und sich verbot noch länger an ihn zu denken. Mühsam verdrängte sie die trüben Gedanken an ihren Ex und konzentrierte sich nur darauf sich fertig zu machen.
„Wer kommt auf die Idee an einem Sonntag feiern zu gehen!“, brummte Mary missmutig durch die geschlossene Badezimmertür.
„Du kennst doch Ann und ihre speziellen Vorlieben bezüglich des Feierns. Außerdem kam die Idee von ihrem Verlobten. Der wollte ihr scheinbar eine Freude machen, da nächstes Wochenende der Polterabend ist und die Woche darauf ist dann ja auch schon die Hochzeit!“, erklärte Cathy geduldig. Ihre Stimme dran nur gedämpft durch die Tür, dennoch verstand die blonde Frau alles.
‚Ja, sie kannte Ann.‘
Genauso verrückt und aufgedreht wie die anderen drei in dieser WG. Früher hatten sie noch gemeinsam in einer Vierer-WG gelebt. Bis sie ihren Freund getroffen hatte. Das war vor gut vier Monaten. Sie zog zu ihm und verbrachte die meiste Zeit in der gemeinsamen Wohnung. Hin und wieder kam sie natürlich auch zu Besuch. Immerhin vermisste Ann das gemeinsame Wohnen mit ihren besten Freundinnen. Und nun da sie scheinbar über beide Ohren verliebt waren, wollten sie sogar heiraten. Das war reiner Irrsinn, wie Mary persönlich fand. Woher wollte sie wissen, dass ihr Freund der richtige Mann in ihrem Leben war? Mary war es ein einziges Rätsel. Zumal, weil keiner der dreien diesen ominösen Freund besonders gut kannte. Mary war die einzige, die so überhaupt nichts von ihm wusste. Sie kannte weder den Namen, noch wusste sie, wie er eigentlich aussah. Das konnte noch etwas werden. ‚Vielleicht sollte sie Cathy und Jess über ihn ausfragen um sich auf diese Weise ein Bild von ihm machen zu können?‘, überlegte die kleine Blondine im Stillen.
Aber das hatte noch Zeit. Erst einmal musste sie sich für den Shopping-Wahnsinn fertig machen.
Seufzend stützte sie sich am Waschbeckenrand ab und blickte in den Spiegel. Sie sah furchtbar aus. Total übermüdet und verheult. So konnte sie unmöglich unter Menschen treten. Man würde sie für einen Zombie halten. Aber eigentlich blieb ihr nichts anderes übrig. Mit ein bisschen Make-Up würde sich sicher etwas machen lassen.
„Ich finde es trotzdem komisch an einem Sonntag feiern zu gehen“, sprach Mary ihre Bedenken aus, während sie sich das Gesicht wusch, eincremte und langsam das Make-Up auftrug.
„Wieso? Morgen ist ein bekannter Feiertag. Wir können also die ganze Nacht durchtanzen und morgen Früh ausschlafen.“
„Und was für ein Feiertag?“
Mary wusste es nicht. Ihr wollte einfach nicht einfallen, was für ein Tag morgen war. Eigentlich hatte sie ja fest damit gerechnet morgen wieder in die Firma zu müssen. Schließlich wollte sie sich für Mittwoch vorbereiten, damit nichts schief lief wenn ihr neuer Chef vorgestellt wurde. Sie wollte nichts falsch machen. Man zählte auf sie. Eine inkompetente Assistentin war alles andere als akzeptabel.
Ein ungeduldiges, demonstratives Klopfen an der Badezimmertür riss Mary aus ihren trüben Gedanken, holte sie wieder in das Hier und Jetzt zurück.
„Beeil dich. Wir wollen los!“, drängelte Jess.
„Ja, ja. Ist ja schon gut!“, murmelte die junge Frau, zog sich schnell an, überprüfte ihr Make-Up noch einmal und trat dann aus dem Badezimmer.
„Na endlich!“, kam es von den Wartenden und sie verließen mit eiligen Schritten die Wohnung.
„Wie ist Anns Freund denn eigentlich so?“, wollte Mary beiläufig wissen, während die Freundinnen ein Kleid nach dem anderen anprobierten und es sich gegenseitig präsentierten.
„Darien ist ganz nett. Charmant und trägt unsere Ann auf Händen. Obendrein ist er auch noch steinreich. Du wirst ihn ja heute Abend kennen lernen und dir damit selbst ein Bild von ihm machen können.“
„Feiert man einen Junggesellinnenabschied eigentlich ohne den Verlobten?“, fragte die blonde Frau verwirrt und zog ihre Augenbrauen zusammen.
Es war seltsam, denn sie hatte noch nie erlebt, dass man seinen Verlobten mit dabei hatte. Eigentlich sollte der Junggesellinnenabschied dazu dienen, dass man noch einmal seine Freiheit genießt, ehe man sich für immer an den Bund der Ehe kettet und nur noch brav die Hausfrau spielt. Aber Ann musste selbst wissen was sie tat.
Schnell streifte sie sich das nächste Kleid über und trat dann aus der Umkleide um es ihren Freundinnen zu zeigen und das Urteil abzuwarten.
„Und wie findet ihr es?“, wollte die junge Frau neugierig wissen.
Das Kleid war aus einem Blutrot, an den Seiten nach oben geriefelt und ging ihr knapp über die Oberschenkel und Endete leicht über den Knien. Unter halb der Brust ging ein Silbernes Band um den Körper und eine kleine, silberne Schleife war daran befestigt mit Bändern die an ihrem Körper hinab hingen. An sich war das Kleid wirklich schön es war Elegant und doch auch schlicht. Es ließ Mary sexy wirken. Verspielt, doch auch schüchtern und unschuldig.
„Das Kleid ist perfekt“, riefen die beiden Freundinnen hektisch nickend aus.
„Nimm es. Die Kerle werden Augen machen, wenn sie dich in dem Kleid sehen!“, fügte Jess noch lächelnd hinzu.
„Ich will damit doch keine Kerle aufreißen, sondern einfach nur nicht wie der letzte Dorftrampel aussehen“, zischte die Blondine gereizt, da sie genug von den Männern hatte und getrost auf ein weiteres Arschloch verzichten konnte.
„Reg dich wieder ab“, beschwichtigte die Brünette und winkte leicht ab. Sie würden Mary schon einen anständigen Kerl finden, der zu ihr passte und sie auf Händen trug. Es gab schließlich mehr Männer als nur den Idioten David. Und wenn sie alle Hebel in Bewegung setzen mussten, würden sie es machen.
„Was könnt ihr mich sonst noch so über diesen mysteriösen Verlobten erzählen?“, wollte Mary wissen und lenkte geschickt von dem vorherigen Thema ab, nachdem sie die Gedanken ihrer Freundinnen erahnt hatte.
„Eigentlich nicht viel. Er hat wohl noch einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester. Sie müsste in deinem Alter sein. Na ja und sein Bruder soll wohl bald die Firma ihres Onkels übernehmen, nachdem Darien das Familienunternehme weiter leiten wird“, berichtete Cathy freundlich und schenkte der Blonden ein aufmunterndes Lächeln.
„Aha“, gab Mary wenig intelligent von sich. „Wie sind seine Geschwister denn so?“
Ein Achselzuckend war die Antwort.
„Wissen wir selber nicht“, erwiderte Jess gelangweilt. „Sie werden wohl heute Abend auch beide da sein.“
„Ein richtiges Familientreffen also“, murmelte Mary abwesend und wandte sich dann dem Spiegel vor sich zu. Schweigend betrachtete sie sich darin. Bestaunte das rote Seidenkleid, das sich perfekt an ihren zierlichen Körper schmiegte. Sie musste zugeben, dass sie darin unglaublich sexy aussah. Obwohl sie genau das eigentlich vermeiden wollte.
„Jetzt nimm endlich das Kleid, damit wir noch nach den richtigen Schuhen und Handtaschen suchen können“, murte Jessica ungeduldig und riss Mary damit aus ihren wirren Gedanken.
„Ist ja schon gut“, murmelte die blonde Frau und verschwand wieder in der Umkleidekabine, kam aber kurz darauf in ihrer eigenen Kleidung wieder heraus, das Kleid über ihren Arm gehängt. Widerworte wären zwecklos gewesen. Und im Nachhinein musste sie sich eingestehen, dass ihr das Kleid einfach zu gut gefiel, als es nicht gleich mitzunehmen.
Es würden sicher noch mehr Gelegenheiten kommen das Kleid zu tragen. Die ganzen Geschäftsessen, die sie zum Teil über sich hatte ergehen lassen müssen, erforderten eine genauste Kleiderordnung. Sie besaß eine große Auswahl an Abendgarderobe, da würde der zarte Seidenstoff perfekt hinein passen.
Langsam begaben sich die drei Frauen in den hinteren Bereich des Frauenmodeladens, genau dort wo sich die Schuhabteilung befand. Mary fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Nicht nur das sie Shoppen hasste, da musste sie sich hier seit Stunden mit der Anprobe ihrer Abendkleidung herum schlagen. Sie war sich fast sicher, dass es mit den Schuhen auch ewig dauern würde, bis sie sich alle einig waren und etwas gefunden hatten. Ihr graute es vor dem kommenden Abend, sie wusste nicht was auf sie zukommen würde. Sie hatte Angst, dass sie vielleicht sogar David gegenüber treten musste. Ann wusste nichts von der plötzlichen Trennung der beiden. Es konnte also gut sein, dass er dort ebenfalls auftauchen würde. Was sollte sie machen, wenn er tatsächlich dort war? Sollte sie sich ihm stellen? Sollte sie ihn ignorieren oder doch lieber die Flucht ergreifen? So viele Dinge schwirrten ihr durch den Kopf, als sie mit einem Mal unsanft an der Schulter angestoßen wurde.
„Träumst du etwa?“, fragte Cathy lächelnd und hielt ihr ein Paar silberne edle Plateau-Sandaletten High-Heels vor die Nase.
„Wie findest du die?“, wollte die Schwarzhaarige neugierig wissen.
„Hübsch“, murmelte Mary abwesend und fühlte sich überhaupt nicht wohl in ihrer Haut. Am liebsten würde sie der Freundin ihr Kleid in die Hand drücken und fluchtartig den Laden verlassen, nur um nicht länger den Qualen der Shoppingtour ausgesetzt zu sein.
„Sehr gut, denn die wirst du nun anprobieren. Ich bin mir sicher dass die Schuhe perfekt zum Kleid passen werden.“
Ohne auf den Protest der Blonden zu hören, drückte sie ihr die Schuhe in die Hand und bugsierte sie zu einem der Sitzmöglichkeiten, damit sie sich setzen und die Sandalen anprobieren konnte.
Murrend und mit einem bösen Blick, den sie ihrer Freundin zuwarf, streifte sie ihre Turnschuhe ab und die Sandalen über. Ein kurzer. Kritischer Blick auf ihre Füße, ließen sie überrascht nach Luft schnappen. Die High-Heels waren atemberauben schön, aber auch ziemlich hoch. Kleine, funkelnde Steine ließen die Sandalen elegant und gerade zu teuer erscheinen. Doch das Geld waren sie wird, auch wenn sie so ihre Zweifel hatte. Sie war noch nie auf Zehnzentimeterabsätzen gelaufen und befürchtete schon beinahe, dass sie sich heute Abend zum Gespött der Leute machen würde. Sie konnte nur hoffen dass alles gut gehen würde. Am Besten sie probte ihren Gang zuhause vor dem Spiegel, ehe sie sich auf den Weg in die Bar machen würden.
„Die Schuhe sind der Wahnsinn“, quietschte Cathy, die sich in genau dem Augenblick umdrehte, indem Mary vom Hocker aufstand und die Schuhe im Spiegel betrachtete, welcher seitlich von ihr an der Wand hing. Jess stimmte der Schwarzhaarigen zu.
„Du nimmst die Schuhe. Widerworte sind zwecklos.“
Verschwörerisch sahen sich die beiden Frauen an. Sie würden dafür sorgen, dass die Männer heute Abend kaum den Blick von Mary würden lösen können. Heute Nacht würden sie schon den richtigen Mann für ihre Freundin finden. Schließlich war sie nicht der Typ-Frau der gerne alleine zuhause hockte. Nur würde die blonde Frau das kaum zugeben.
„Hab ich eine andere Wahl?“, murmelte Mary niedergeschlagen.
„Nein!“, lächelte Jess siegessicher.
Auch die beiden anderen Frauen hatten die passenden Schuhe zu ihren Kleidern gefunden. Jess hatte sich für ein Türkises bodenlanges, schmales Kleid entschieden und würde dazu eine weiße Handtasche und die dazu passenden Schuhe tragen und Cathy hatte sich für ein schwarzes Kleid entschieden, das ihr bis knapp über die Knie reichte und wollte dazu schwarzes Sandalen High-Heels tragen und eine schwarze Handtasche. Zufrieden marschierten die drei auf die Kasse zu um ihre Ausbeutung zu bezahlen und auf direktem Weg ihre Wohnung ansteuern. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. Es war bereits fünfzehn Uhr und die Läden würden jeden Moment schließen.
Als Mary ihre Sachen auf dem Pult vor der Verkäuferin ausbreitete, sah diese sie lächelnd und wissend an, als würde sie ahnen, wie der Abend heute verlaufen würde. Schüchtern senkte die junge Frau den Kopf und lief leicht rot an.
„Möchten sie auch noch die passende Stola zu dem Kleid dazu haben?“, wollte die ältere Frau freundlich wissen. Sie hatte rötliches Haar, das sie kurz und in dichten, kleinen Locken trug. Ihren Augen sahen müde aus, während ihr Gesicht schon leichte Falten aufwies. Gerade wollte Mary den Kopf schütteln, als Jess dazwischen ging.
„Ja, die Stola nehmen wir gleich mit.“
Bevor Mary protestieren konnte, verschwand die ältere Dame und kam kurz darauf mit einer Roten Stola zurück, in welche kleine Silberne Steine eingearbeitet waren und sie leicht rotsilbern funkeln ließen.
Seufzend ergab sich die Blondine ihrem Schicksal und schob der Verkäuferin ihre Kreditkarte zu. Sie wollte einfach nur noch weg, bevor ihre beiden Freundinnen auf noch weitere dumme Ideen kamen und ihr weitere Sachen aufzwängten.
Mit einem „Auf Wiedersehen“, verabschiedete Mary sich und verließ fluchtartig den Laden, dicht gefolgt von ihren Freundinnen, die ihr nacheilen mussten um sie nicht zu verlieren.
Texte: By cassedy
Bildmaterialien: Cover von Glaux, ausschließlich für dieses Buch gedacht... kopieren oder klauen nicht erlaubt!!!
Tag der Veröffentlichung: 13.03.2012
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Widmung:
Ich witme dieses Buch all meinen Lesern, dafür dass sie immer alle so fleissig lesen, kommentieren und beherzen