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Wie ein Engel fliegen




Manchmal passieren Dinge, die man nie vorhersehen kann. Das ein geliebter Mensch aus dem Leben gerissen wird ohne dass man dies verhindern kann. Einzig und allein die schönen Momente die wir miteinander geteilt hatten, sind geblieben. Die schmerzlichen Erinnerungen, die einen quälen. Während man einfach nur da steht und ins Leere sieht.




Prolog



Ich stand vor seinem Grab und blickte hinab.
Der Regen prasselte auf mich nieder und Blitze zuckten über mir am Himmel vorüber.
Aber das war mir alles egal.
Mein Blick war ganz starr.
Nichts nahm ich noch so richtig wahr.
Nur allein der schwarze Grabstein schien meinen Blick aufzufangen.
In einer weißgeschnörkelten Schrift stand sein Name und das Datum seines Geburtstages, wie auch der Todestag drauf.
Es war nicht lange her, da hatte ich ihn noch fest in meinen Armen gehalten.
Nun war er nicht mehr da.
Manchmal fragte ich mich, warum ich ihn nicht begleitet hatte.
Noch immer war ich unfähig zu begreifen, wie das alles überhaupt geschehen konnte.
Ich hatte ihn geliebt. So unendlich tief geliebt.
Wie hatte es nur zu diesem Unfall kommen können?
Bis heute wusste ich keine Antwort auf diese Frage.
Wieso er? Wieso musste mein Julien nur gehen?
Wir hatten doch erst zueinander gefunden.
Zwei gemeinsame Jahre, die uns verbanden.
Wenn wir auch erst seit letztem Winter zusammen gekommen waren.
Ich hatte lange gebraucht um zu begreifen, dass er der Mensch in meinem Leben war.
Doch jetzt war alles vorbei.
Es tat so unglaublich weh.
Einzelne Tränen liefen an meinen Wangen hinab und tropften leise auf das Grab.
Immer wieder versuchte ich ruhig weiter zu Atmen, Luft zu bekommen.
Ich fühlte mich, als würde ich jeden Moment ersticken.
Mein Herz fühlte sich so verdammt schwer an.
Es war, als wäre etwas in mir zerbrochen.
Langsam sank ich zu Boden und klammerte mich Hilflos an dem schwarzen Stein fest, unter dem mein Freund begraben lag.
„Wieso?“, schrie ich schluchzend und ballte meine Hände zu Fäusten. „Warum nur bist du gegangen?“
Ein leichter Zitteranfall überkam mich als ich in den Himmel auf sah, der schwarz und voller grauer Wolken war.
Regen tropfte auf meine nackte Haut und durchnässte mich bis auf die Knochen.
Aber das war mir egal.
„Du hast immer gesagt, du bleibst bei mir, doch nun hast du mich allein gelassen! Du hast immer gesagt, nichts kann uns jemals trennen, doch du hast dich geirrt! Wie oft hast du mir schon gesagt, dass wir ein Leben lang zusammen bleiben würden, diese schönen Momente zwischen uns niemals Enden würden? Doch nun bist du von uns gegangen. All diese Versprechen hast du gebrochen. Du hast uns alle verlassen. Aber vor allem mich!“, wimmerte ich leise und versuchte mir den Kummer von der Seele zu reden. „Jeden verdammten Tag denke ich an dich, an die gemeinsame Zeit zurück. Es tut so unglaublich weh, zu wissen, dass du nicht mehr da bist, dass ich dich nie wieder spüren werde. Deine Wärme fehlt mir. Ich weiß, dass du bei mir bist, trotzdem bleibst du mir immer fern. Du wirst niemals wieder für mich erreichbar sein.“
Ich machte eine kurze Pause um wieder zu Atem zu kommen.
In meiner Brust verspürte ich ein unglaubliches Stechen und es war, als würde irgendetwas meine Lungenflügel zusammen drücken.
Doch dieser Schmerz war nichts, im Vergleich zu meinem Verlust.
Ich trauerte noch immer Julien hinterher, auch wenn schon Monate vergangen waren „Ich vermisse es in deinen Armen zu liegen“, flüsterte ich heiser, „vermisse es, wie du mich immer zärtlich an dich gedrückt hast, nur um mir mit sanfter, leiser Stimme ins Ohr zu sagen, wie sehr du mich doch liebtest. Und auch wenn du jetzt nicht mehr bei mir bist, so werde ich nie vergessen, was ich einst mit dir hatte. Ich werde mein Versprechen dir gegenüber halten und dich für immer lieben. Nur dich allein! Du wirst für immer in meinem Herzen weiter leben. Es wird niemals einen anderen für mich geben. Egal wie viel Zeit vergehen wird. Du bist meine große Liebe! Vergiss das niemals!“
Mit diesen letzten Worten stand ich vom Boden auf, ehe ich mich einfach umdrehte und davon ging.
Ich blickte nicht mehr zurück.


1. Die Feier



Ich stand vor dem großen Spiegel und betrachte mich eingehend.
Irgendwie fühlte ich mich unwohl in meiner Haut.
Am liebsten würde ich einfach weg sehen.
Bis jetzt hatte ich mich noch nie besonders hübsch gefunden.
Eigentlich gab es auch nichts an mir, dass ich als hübsch oder schön bezeichnen konnte.
Auch wenn ich ziemlich schlank war, einen beträchtlichen Busen hatte und mir viele Männer hinterher pfiffen, konnte ich dennoch nicht aus meiner Haut heraus.
Ich war eben nicht schön.
Egal was andere dazu sagten.
Auf die Jungs konnte ich ohne hin nicht hören, denn die nahmen doch eh alles was zwei Beine hatte, weiblich war und bei drei noch nicht auf dem Baum saß.
Doch als ich nun in den Spiegel sah, musste ich doch ziemlich scharf die Luft einziehen.
Ungläubig starrte ich mich an und fuhr sanft mit dem Finger über meine olivfarbene Haut, nur um festzustellen, dass ich nicht träumte.
Dieses Mädchen, welches mich nun aus diesen mandelförmigen Augen ansah, konnte unmöglich ich sein.
Sie war so wunderschön und hatte nichts an sich, was man mit mir vergleichen könnte.
Ihre Augen leuchteten und sahen mich voller Erwartung an.
Das Braun in ihnen war noch intensiver und tiefgründiger.
Es schien so undurchdringlich.
Etwas Geheimnisvolles ging von diesem Mädchen aus.
Schüchtern und verspielt, doch auch wiederrum auf eine verdrehte Weise interessant.
Langsam drehte ich mich im Spiegel und betrachtete mich aufmerksam.
Das fast bodenlange Kleid schmiegte sich an meine Figur und umschmeichelte meine Beine bei jeder einzelnen Bewegung die ich machte.
Es hatte die Farbe von Blut.
Dunkel und düster.
Und doch war es auch schön.
Irgendwie hatte es etwas an sich.
Zum ersten Mal in meinem Leben trug ich doch tatsächlich ein Kleid.
Ich persönlich fand ja immer, dass mir diese Dinger nicht standen, aber leider war meine Freundin Jenifer da anderer Meinung.
Sie konnte es auch einfach nicht lassen mich immer wieder von Neuem zu so etwas zu zwingen.
Entweder schminkte sie mich und betonte dabei besonderes meine Augen, die ja so wunderschön sein sollten.
‚Ja, zum verlieben!‘, ging es mir sarkastisch durch den Kopf.
Aber nicht nur, dass ich schon das Kleid anziehen musste, da hatte sie doch tatsächlich darauf bestanden, dass ich nun auch noch extrem hohe High-Heels dazu anzog, die ebenfalls in dem selben Rotton waren.
Innerlich verfluchte ich sie dafür.
„Und gefällt dir was du siehst?“, riss sie mich auch schon aus meinen Gedanken und lächelte dabei siegessicher.
„Es geht“, wich ich ihrer Frage aus und senkte meinen Blick, nur um nicht durch den Spiegel in ihre Augen blicken zu müssen.
„Du bist eine schlechte Lügnerin“, lächelte meine Freundin mich verschmitzt an.
„Okay“, sagte ich nach kurzem Zögern geschlagen. „Es gefällt mir. Ich könnte sogar sagen, es ist schon mehr, als das es mir nur gefällt. Ich erkenne mich kaum wieder. Du hast gute Arbeit geleistet. Nur weiß ich nicht, ob ich wirklich so zu deinem Geburtstag gehen kann.“
Mit einer Handbewegung zeigte ich an mir herunter und drehte mich langsam im Kreis.
Das Kleid war wirklich wunderschön und so elegant.
Es passte überhaupt nicht zu mir.
Trotzdem fühlte ich mich auf seltsame Weise wohl darin, als hätte man es allein für mich schneidern lassen.
Das Kleidungsstück gehörte nicht mir.
Zumindest hatte es nicht mir gehört, doch Jenifer hatte es mir einfach geschenkt.
Ihre Eltern waren nicht gerade Arm.
Um ehrlich zu sein, besaßen sie viel Geld.
Jenifers Vater gehörte das örtliche Krankenhaus ‚St. Jenster‘.
Es gehörte ihm nicht nur, sondern er war da auch leitender Chefarzt.
Hauptsächlich wurden in dem Krankenhaus Unfallopfer eingeliefert, welche schwere Verletzungen davon getragen hatten.
Ihr Vater leitete die Not-Ops und versuchte die Leben der Menschen zu retten.
Ich bewunderte ihn dafür und hatte großen Respekt vor dieser Arbeit.
„Natürlich kannst du es. Und zudem ist es auch schon zu spät um noch einen Rückzieher zu machen. Die ersten Gäste müssten jeden Moment an der Tür klingeln.“
Und wie auf ein Kommando erklang auch schon unten die Türklingel schrill, sodass ich erschrocken zusammen zuckte.
Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe rum, während mein Blick immer wieder unsicher zu Jenifer ging.
„Ich geh dann schon mal runter um meine Gäste zu begrüßen. Du kommst dann nach?“
Fragend hob sie eine Augenbraue.
Ich schüttelte daraufhin nur den Kopf.
Seufzend kam sie auf mich zu, nachdem sie sich schon halb von mir abgewandt hatte.
Sanft legte sie ihre Hände auf meine Schultern und drehte mich zu sich, sodass ich ihr direkt gegenüber stand.
„Was ist nur los mit dir, Cassy? Ich weiß ja, dass du solche Veranstaltungen nicht magst und dich lieber in deinem Loch verkriechst, aber ich finde, du solltest mehr aus dir heraus kommen, einfach ein bisschen offener werden. Versuch einen Schritt auf die Menschen zu zumachen. Du würdest es dann um so vieles leichter haben.“
Bedrückt wandte ich meine Augen von ihr ab.
Ich wusste, dass sie Recht hatte, aber ich konnte das einfach nicht.
So war ich nun einmal nicht.
Cassandra Haningfield war nun einmal ein schüchternes und zurückhaltendes Mädchen.
„Ich kann das nicht“, flüsterte ich hilflos und meine Stimme bebte leicht.
Ein Kloß saß in meiner Kehle, sodass ich mehrmals schwer schluckte.
„Wieso? Ich dachte wir waren uns einig gewesen, dass du mit mir gemeinsam meinen achtzehnten Geburtstag feiern würdest, komme was wolle.“
„Ja, ich weiß“, gab ich kleinlaut zu. „Aber ich kann das einfach nicht. Diese Welt ist nichts für mich. Deine ganzen Freunde, Verwandten und Bekannten sind reich, während meine Familie gerade mal so über die Runden kommt. Die werden mich alle bestimmt mit diesem verachtenden Blick würdigen.“
„So ein Unsinn, Cassandra. Du hast eindeutig eine zu blühende Phantasie. Sie werden dich alle schnell ins Herz geschlossen haben, sowie ich es auch getan habe. Bei uns ist es egal, ob man reich oder arm, beliebt oder ein Außenseiter ist. Die Leute werden dich mögen, einfach weil du, du selbst bist.“
„Ich bin unbedeutend. Meine Familie ist, im Gegensatz zu deiner, arm. Wir können uns diesen ganzen Luxus nicht leisten. Wir haben gerade so viel, dass es fürs überleben reicht“, erwiderte ich verzweifelt.
„Das alles hier“, erzählte ich weiter und machte dabei eine ausschweifende Handbewegung, „dass würden wir uns alles gar nicht leisten können. Selbst dieses Kleid wäre schon mehr, als was ich hätte bezahlen können. Sie werden mich verachten sobald sie wissen, wer ich wirklich bin.“
„Nein, das werden sie nicht. Meine Familie beurteilt nicht nach Wohlstand. Meine Familie urteilt nach Herz“, versuchte Jenifer meine Zweifel zu besänftigen.
„Überlegt doch mal Jen. Ich wohne in einer kleinen Bruchbude, während du es dir hier in deiner Villa gut gehen lässt. Ihr habt Putzfrauen, die täglich das Haus säubern, Köche, die euch das Essen kochen, sogar Kellner, welche euch das Essen servieren und anschließend den Tisch wieder abräumen. Euer Garten wird von Gärtnern gepflegt und erstrahlt in einer wunderschönen Blumenpracht. Einfach alles ist gepflegt und in Ordnung gehalten. Ich dagegen habe nichts. Ich teile mit meiner Mutter eine Einzimmerwohnung. Die Räume sind so klein, dass die Möbel da kaum Platz finden. Zuhause kochen wir selbst unsere Gerichte. Und meine Kleidung ist schon mehr als nur abgetragen, während deine makellos ist. Und nun sag mir noch einmal, dass ich wirklich hier her passen werde. Sag mir, dass mich diese Gesellschaft wirklich so akzeptieren wird, wie ich bin. Ich schäme mich ja sogar schon dafür, dass du mir dieses wunderschöne Kleid geschenkt hast. Niemals in meinem gesamten Leben, hätte ich mir so etwas leisten können. Dafür hätte ich jahrelang sparen müssen. Es fällt mir ja sogar schwer es überhaupt erst anzunehmen, aber ich weiß, dass du mir ohne hin keine andere Wahl lassen würdest!“
„Sieh mich an!“, forderte Jenifer mich auf einmal streng auf, sodass ich gehorchte und ihr direkt in die Augen sah.
Sie lächelte mich mitfühlend an.
Ihre Augen strahlten so viel Wärme aus, welche sie mir entgegen brachte.
„Ich hab dir schon einmal gesagt, dass in unseren Kreisen kein Unterschied zwischen reich und arm gemacht wird. Wir sind keine Monster Cassy. Auch uns ging es nicht immer gut. Würde mein Vater nicht der Chef von St. Jenster sein, dann würden wir auch nicht im Geld schwimmen. Ich bin mit dir befreundet, weil ich dich unglaublich gern habe. Du bist meine beste Freundin und ich hab dich in mein Herz geschlossen. Du bist aufrichtig, ehrlich, hast ein gutes Herz und bist immer hilfsbereit. Genau das liebe ich an dir und ich bin mir sicher, dass es die anderen auch tun werden.
„Meinst du wirklich?“
„Ich bin mir sicher.“
Freundschaftlich nahm sie mich in den Arm und drücke mich fest an sich.
„Jenifer, deine Gäste sind da!“, rief eine weibliche Stimme von unten.
„Ich komme Mom“, entgegnete meine Freundin zurück.
Schnell verließ sie das Zimmer und ließ mich allein zurück.
Unschlüssig stand ich einfach nur da und starrte die offene Tür an.
‚Sollte ich wirklich nach unten gehen?‘, kam mir die Frage in den Sinn.
Ich hatte es Jen versprochen.
Also musste ich es nun auch halten.
Tief atmete ich durch, schluckte noch einmal schwer und machte mich dann langsam auf den Weg nach unten.
In genau diesem Moment fühlte ich mich, wie ein Schaf, das gerade auf die Schlachtbank geführt wurde.

Mit langsamen Schritten ging ich auf die Treppe zu.
Meine fuchsbraunen Haare, welche einen leichten Dunkelrotton hatten, waren zu kleinen Locken gekringelt worden und wippten bei jedem meiner Schritte mit.
Sie waren gestuft und reichten mir bis hin zur Brust.
Jenifer hatte sie leicht nach oben gesteckt, sodass sie mein Gesicht enthüllten.
Nur der Pony, welcher glatt war, fiel mir Strähnen weise über die Augen.
Am Treppenabsatz blieb ich stehen und holte noch einmal tief Luft.
„Entspann dich!“, versuchte ich mir flüsternd Mut zu zureden. „Du schaffst das!“
Langsam und möglichst drauf bedacht elegant auszusehen, schritt ich die Treppen runter.
Meine Hände ließ ich dabei am Geländer hinuntergleiten um nicht zu fallen.
Ich hatte keine Übung auf so hohen Absätzen zu laufen, daher war ich auch ziemlich überrascht, dass ich mich nicht schon lange den Hals gebrochen hatte.
Plötzlich wurde ich etwas abgelenkt, als ich sah, dass jemand am Fußende der Treppe stand.
Meine Aufmerksamkeit galt ganz ihm, sodass ich über meine eigenen Füße stolperte.
Erschrocken darüber verlor ich mein Gleichgewicht.
„Ah!“, kam ein entsetzter Schrei von mir.
Panisch ruderte ich mit meinen Armen, da ich dachte so vielleicht wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Doch es war schon zu spät.
Ich stürzte die letzten Treppenstufen runter, doch ehe ich schmerzhaft aufkommen konnte, wurde ich schon aufgefangen.
Der Fremde bewahrte mich damit vor einem gefährlichen Sturz.
„Danke“, flüsterte ich noch etwas benommen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte der Unbekannte wissen.
Langsam blickte ich zu ihm auf, was sich als großer Fehler heraus stellte.
Seine Bernsteinfarbenen Augen nahmen mich sofort gefangen.
Sie waren außergewöhnlich und hatten noch einen kleinen Grünstich, an den Rändern.
Solche Augen hatte ich wirklich noch nie gesehen.
Augenblicklich hielt ich die Luft an, ohne es jedoch richtig zu realisieren.
Ich war unfähig meinen Blick von ihm abzuwenden.
Charmant lächelte er mich an und zog fragend eine Augenbraue nach oben.
Erst da erinnerte ich mich wieder daran, dass er mich eben etwas gefragt hatte.
Schüchtern wand ich meinen Blick von ihm ab und lief rot an.
„I-i-ich denke schon“, stotterte ich verlegen.
„Das war wirklich knapp gewesen. Pass bitte das nächste Mal besser auf dich auf“, erwiderte er sanft. „Es wäre schließlich schade um ein so hübsches Mädchen gewesen.“
Bei seinen Worten lief ich noch roter an.
Etwas umständlich befreite ich mich aus seiner Umarmung und er stellte mich wieder auf meine Beine zurück.
„Normalerweise bin ich vorsichtiger, aber ich war etwas abgelenkt“, antwortete ich verlegen und starrte auf den Boden.
„Von was denn?“, hackte er neugierig nach.
‚Was sollte ich denn nun darauf sagen?‘, fragte ich mich fieberhaft. ‚Ich kann ihm doch schlecht sagen, dass ich von seinem Anblick so abgelenkt war.‘
Ich hob meinen Blick etwas und musterte ihn vorsichtig.
Er war fast zwei Köpfe größer als ich, trotz dass ich gerade in diesem Augenblick High-Heels trug.
Sein Oberkörper war muskulös und zudem schien er auch noch ziemlich schlank zu sein.
An ihm war nicht ein Gramm Fett zu sein. - Alles nur durchtrainierte Muskeln.
Selbst seine Oberarme waren beeindruckend.
Das Haar war dunkelblond, hatte jedoch einen leichten Braunstich.
Er trug sie etwas länger und ließ sie mit Gel in alle möglichen Richtungen abstehen.
‚Als hätte er eben erst in eine Steckdose gefast.‘
Bei diesem Gedanken musste ich lächeln.
Erst da bemerkte ich auch, dass der Fremde mich die ganze Zeit beobachtet hatte und nun auch wusste, dass ich ihn eben eingehend gemustert hatte.
Dafür hätte ich mir am liebsten eine schallende Ohrfeige verpasst.
‚Dumm muss man sein!‘, dachte ich kopfschüttelnd.
Grinsend sah er mich mit diesen strahlenden Augen an.
Wir strahlten eine unglaubliche Ruhe und Wärme aus, dass ich mich in seiner Nähe irgendwie geborgen fühlte.
Doch es durfte nicht sein.
Es durfte mir nicht gefallen bei ihm zu sein.
Das wäre ein großer Fehler, denn am Ende würde ich wieder nur verletzt werden.
Dies war nämlich eines der Dinge, die ich nie verstehen würde.
Die Liebe, sie kam und ging wie es ihr gerade passte, doch was sie damit anrichtete das war ihr dann egal.
Wenn ich anfangen würde Gefallen an ihm zu finden, dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis ich mich in diesen Kerl verlieben würde.
Ich kann mich zwar nicht mehr genau daran erinnern, was geschehen war, nur das ich sehr verletzt wurde.
Schon seit Jahren hatte ich aufgehört jemanden zu lieben und zu vertrauen.
Denn wem ich die Macht gab, mir näher zu kommen, dem gab ich auch die Macht mich zu verletzen.
„Wie heißt du eigentlich?“, wollte er plötzlich von mir wissen.
Verlegen blickte ich ihn an, wusste nicht was genau ich nun sagen sollte.
Es war eine so einfache Frage und doch war es für mich schon zu viel.
Das Kennenlernen war der erste Schritt, der einen ins Unglück stürzen konnte.
‚Konnte ich es wirklich wagen?‘
Unsicher sah ich ihn an und kaute unruhig auf meiner Unterlippe.
Meine Augen sahen ihn wie ein verschrecktes Reh an.
Ich schluckte etwas schwer, ehe ich ihm meine Hand hin hielt.
„Ich bin Cassandra Haningfield“, stellte ich mich mit zittriger Stimme vor.
Mein Herz klopfte unaufhörlich gegen meinen Brustkorb und ich dachte schon, es würde jeden Moment aus heraus springen.
Diese Worte waren mir nur schwer über die Lippen gekommen.
Ich hoffte nur, dass es kein Fehler werden würde.
Denn Fehler machte ich schon mehr als genug.
Gerade wollte der Fremde sich auch vorstellen, als Jenifer plötzlich hinter ihm auftauchte und ihn sanft auf die Schulter klopfte.
Sie gesellte sich zu uns und legte ihren Arm auf seine Schultern.
„Das hier ist mein Cousin Julien Corone. Totaler Mädchenschwarm sag ich dir“, grinste sie mich zweideutig an.
Sie schien gemerkt zu haben, dass er mir gefiel.
Meine Freundin kannte meinen Jungengeschmack auch einfach zu gut.
Er war total mein Fall.
Jedenfalls was das Äußere anging.
Von dem inneren Kern konnte ich noch nicht viel sagen.
Deswegen war ich mir auch nicht sicher, ob es richtig war, ihn näher kennen lernen zu wollen.
‚Sollte ich besser die Finger von ihm lassen?‘
Wenn er ein Mädchenschwarm war, da hatte eine wie ich eh keine Chancen.
„Er studiert gerade in New York und ist zurzeit zu Besuch bei uns in Hamburg. Zudem ist sein Studium in Amerika ohnehin bald zu Ende und dann kommt er auch wieder nach Deutschland“, erwiderte meine Freundin stolz. „Und ich dachte mir, wenn er doch sowieso hier ist, dann kann er auch gleich zu meiner Geburtstagsfeier kommen.“
Misstrauisch blickte ich Jen an, denn irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass noch mehr dahinter steckte.
„Verstehe“, gab ich resigniert wieder.
„Ganz toll, Jenni“, gab Julien kopfschüttelnd wieder. „Das du immer gleich meine ganze Lebensgeschichte erzählen musst.“
„Was denn? Ich denke, dass wird sie wohl ruhig wissen dürfen. Ist schließlich kein Geheimnis, oder?“
„Das mit dem Mädchenschwarm hätte aber echt nicht sein müssen“, erwiderte Julien grinsend.
„Ach komm, dass dich alle Mädchen heiß finden, wirst du schlecht leugnen können. Sie laufen dir doch Haufenweise hinterher.“
Bevor er antworten konnte, ging ich dazwischen, da ich mehr als genug gehört hatte.
Jetzt wusste ich mit Sicherheit, dass ich keine Chance bei ihm gehabt hätte.
Nicht einmal wenn ich es wirklich wollte.
„Bitte entschuldigt mich eben“, sagte ich mit erstickter Stimme und flüchtete regelrecht vor den beiden.
Ich wusste, dass sich die ganzen Gäste im großen Tanzsaal zusammen finden würden, daher steuerte ich einen ganz anderen Raum an.
Verwundert sahen Jennifers Eltern mich an, als ich an ihnen vorbei lief.
„Wo willst du denn hin, Cassandra?“, rief ihr Vater mir hinterher, als ich den Flur immer weiter geradeaus lief.
„Die Feier findet im großen Saal statt“, fügte ihre Mutter noch hinzu.
„Ich weiß“, schrie ich zurück. „Ich komme da gleich hin!“
Und mit diesen Worten bog ich um die Ecke.
Der Flur kam mir unendlich vor, ehe ich endlich in die nächste Tür abbog, die mich in ein kleines Zimmer führte, das man als Wohnzimmer bezeichnen konnte.
In diesem Raum hielt sich kaum jemand auf, da im vorderen Teil der Villa das eigentliche Wohnzimmer aufzufinden war.
Aber um wirklich ungestört zu sein, hatte ich mir extra dieses Zimmer ausgesucht.
Tief atmete ich durch und schritt leise zum Fenster um hinaus zu blicken.
Regentropfen bedeckte die Fensterscheiben.
Der Wind jagte durch die Baumkronen und ließ sie unter seiner Kraft erschüttern.
Obwohl Sommer war, entsprach das jetzige Wetter eher dem Frühling oder Herbst.
Trübsinnig starrte ich durch das Glas und sah einfach nur in die Ferne, ohne jedoch wirklich etwas erkennen zu können.
Seufzend setzte ich mich auf die Fensterbank und passte dabei auf, dass mein Kleid nicht zerknitterte.
Eine Weile starrte ich einfach nur nach draußen, ehe ich meine Augen schloss und meinen Kopf gegen die kühle Scheibe lehnte.
Irgendwie hatte es mich hart getroffen, zu erfahren, dass er ein totaler Mädchenschwarm war.
Dabei hätte es mir egal sein müssen.
Schon immer hatte ich mich von solcher Art von Jungs fern gehalten.
Die würden mir am Ende eh nur Kummer bereiten, sowie es gerade der Fall war.
‚Was hab ich aber auch erwartet? Dass er mich in den Arm schließt, mich küsst und sagt, dass ich ab jetzt die einzige bin?‘
Immerhin hat er mir ein Kompliment gemacht und mich als hübsch bezeichnet.
In solchen Dingen bin ich einfach zu dumm und naiv.
Das alles ist nichts für eine Träumerin, die hofft irgendwann einmal ihrem Traumprinzen zu begegnen, der die Ewigkeit mit ihr verbringen will.
Frustriert fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht, achtete aber darauf, dass ich die Schminke nicht verwischte.
Plötzlich öffnete sich die Zimmertür, sodass ich etwas überrascht meinen Kopf hob.
Verwundert zog ich meine Augenbraue zusammen, als ich Julien im Türrahmen erblickte.
„Hier steckst du also“, entgegnete er freundlich und kam auf mich zu.
„Ja“, gab ich einsilbig wieder.
‚Wieso war er hier und nicht auf der Feier, die sicher schon im vollen Gange war?‘
„Wieso bist du nicht bei den anderen?“, wollte er von mir wissen.
„Ich hab nachgedacht“, wich ich seiner Frage aus.
„Was ist es wirklich?“
Fragend zog ich meine Augenbraue in die Höge.
„Du sagst nicht die Wahrheit“, erklärte er mir sachlich.
„Das alles ist einfach nichts für mich. Ich gehöre nicht in diesen Kreis der Gesellschaft. Ihr seid alle so unglaublich reich, während ich mir mit meiner Mutter gerade mal eine Einzimmerwohnung leisten kann. Ich hatte zwar zugestimmt und Jenifer versprochen auf ihre Geburtstagsfeier zu kommen, aber auch nur weil sie meine aller beste Freundin ist. Sie ist immer für mich da. Wir haben schon so viel zusammen erlebt. Aber nun graut es mir davor alle anderen kennen zu lernen. Die Blicke, die sie mir schenken werden, werden sicher verachtend sein.“
„Mir ist es egal Cassandra“, flüsterte er beruhigend und stellte sich vor mich.
Seine Arme stützte er am Fenster ab.
Eindringlich blickte er mir in seinen Augen.
Ich war zwischen ihm und dem Fenster gefangen.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, das Blut rauschte in meinen Ohren, während ich ihn unsicher aus meinen schüchternen Augen ansah.
„Wieso?“, schluckte ich schwer.
„Weil es für mich keine Rolle spielt. Ich mag dich so wie du bist. Es ist mir egal ob du reich bist oder nicht. Solange du, du selbst bleibst, brauchst du keine Angst zu haben, dass ich dich nicht mögen würde. Ich hab dich irgendwie gern. Du scheinst anderes zu sein. Deine Art gefällt mir. Schüchtern und geheimnisvoll zugleich.“
Zärtlich strich er mir mit den Fingerspitzen einzelne Strähnen meines Ponys aus dem Gesicht, eher sein Daumen weich über meine Wange strich.
Seine Finger waren rau und doch war diese Berührung angenehm, sodass ich mich am liebsten an ihn gelehnt hätte.
Ich musste mich zusammen reisen, verkniff mir ein wohliges Seufzen, was mich wohl möglich verraten hätte.
„Ich möchte noch so viel mehr über dich erfahren, mehr über dich wissen. Einfach alles. Es drängt mich danach, dieses außergewöhnliche Mädchen kennen zu lernen, das so anderes ist, als jedes, dass ich bis jetzt kennen lernen durfte.“
Verlegen wandte ich meinen Blick ab und starrte zu Boden.
‚Was machte er nur mit mir?‘, dachte ich hoffnungslos verloren.
Sachte, ja schon fast liebevoll umschloss er mein Kinn und zwang mich dazu ihn anzusehen.
Verschreckt und scheu, wie ein junges Reh, blickte ich zu ihm auf, da er ja größer als ich war.
Ich wollte mich dagegen wehren, meinen Blick einfach abwenden, nur konnte ich es einfach nicht, denn sobald ich ihm wieder in diese bernsteinfarbenen Augen blickte, war es um mich geschehen.
Gebannt blickte ich ihn an, gespannt darauf, was wohl als nächstes geschehen würde.
Ich wurde in die Tiefe seiner Augen gerissen und es war, als würde ich auf den Grund seiner Seele blicken können.
Die Zeit schien für den Augenblick still zu stehen.
Ein unwiderstehliches Lächeln legte sich auf seine Lippen, das nur für mich bestimmt zu sein schien.
„Ich fühl mich zu dir hingezogen“, murmelte er plötzlich ganz dich an meinem Ohr, sodass ich fassungslos die Augen aufriss.
Seine Lippen streiften meine Ohrmuschel, ehe sie zu meiner Wange wanderten und mir einen Kuss drauf hauchten.
Sie waren weich und sinnlich.
In diesem Moment schrie alles in mir.
‚Küss mich!‘, kreischte mein Verstand verlangend. ‚Küss mich endlich!‘
Doch er tat es nicht.
„Wir sollten zu den anderen gehen. Jenni wartet sicher schon“, sagte er dann gefasster und blickte mich aus seinen Augen liebevoll an.
Benommen nickte ich und ließ mich von ihm mitziehen.

Langsam gingen wir den Flur entlang.
Er hatte meine Finger mit seinen umschlossen.
Wie ein Liebespaar liefen wir händchenhaltend in den großen Tanzsaal.
Alle Augenpaare lagen auf uns und musterten mich neugierig.
Jennifer dagegen lächelte nur zufrieden, kaum dass sie uns erblickt hatte.
„Ich dachte schon du hast das Weite gesucht“, schmunzelte meine Freundin.
„Nein. Ich hab es dir versprochen hier mit dir gemeinsam deinen Geburtstag zu feiern und dieses Versprechen werde ich auch einhalten.“
„Gut, gut“, klatschte sie freudig in die Hände, lief auf mich und Julien zu, ehe sie mich dann einfach von ihm fort riss.
Entschuldigend blickte ich ihn an, er jedoch lächelte nur und schenkte mir ein kleines Augenzwinkern.
„So ich stell dir eben alle vor“, sagte Jenni gut gelaunt und wir liefen zu jedem einzelnen der Gäste.
Dabei hatte ich die meisten Namen eh wieder vergessen.
„Und das hier ist übrigens Nele, meine Cousine“, kamen wir endlich bei dem letzten Gast an.
„Sie ist die Schwerster von deinem Julien!“, fügte sie dann noch augenzwinkernd hinzu.
„Er ist nicht mein Julien“, korrigierte ich sie.
Doch dann schenkte ich meine Aufmerksamkeit der wunderschönen Frau, welche mich freundlich anlächelte.
„Hallo“, erwiderte ich schüchtern und reichte ihr meine Hand. „Ich bin Cassandra, Jennifers beste Freundin.
Sie hatte ebenfalls bernsteinfarbene Augen, jedoch fehlte bei ihr der Grünstich an den Rändern.
Ihr Haar war sehr lang und in einem wunderschönen Braun, was ihr in Wellen über die Schultern fiel.
Das Gesicht war irgendwie kindlich und man sah ihr überhaupt nicht das Alter an.
Ich glaubte sogar, dass sie noch etwas jünger als ich war.
Dafür war sie aber ein kleines Bisschen größer als ich und ebenfalls schlank.
Sie trug ein schwarzes knielanges Kleid, das eng an ihrem Körper anlag.
Es stand ihr wirklich gut und sie darin elegant und wunderschön aus.
Irgendwie beneidete ich sie, obwohl ich das gar nicht brauchte, da ich gerade ebenfalls in einem Kleid steckte, welches von einer unglaublichen Schönheit war.
„Freut mich dich kennen zu lernen. Seit ihr beiden eigentlich zusammen?“, wollte Nele von mir wissen.
„Äh… wen genau meinst du mir ihr?“, fragte ich verwirrt nach.
„Na du und mein Bruder“, sagte sie, als wäre es gleich ganz klar gewesen.
„Nein! Ich kenne ihn überhaupt nicht. Das ist heute das erste Mal, dass ich ihn zu Gesicht bekomme.“
„Das hat eben aber anderes ausgesehen“, entgegnete sie grinsend.
Sofort lief ich rot an und sah verlegen zu Boden, ehe ich wieder aussah.
„Ihr würdet sicher ein gutes Paar abgeben“, fügte Jen dann noch hinzu.
Misstrauisch sah ich meine Freundin von der Seite an.
Sie sah mich aus ihren grünen Augen unschuldig an und zuckte nur die Schultern.
Ihr kurzes braunrotes Haar reichte ihr gerade knapp bis zu den Schultern und war dazu auch noch glatt.
Sie hatte sich heute einfach nur eine kleine Spange in die Haare geklemmt, um sich die Haare aus dem Gesicht zu halten.
Ihre Figur war genauso, wie meine auch, schlank.
Zudem war sie auch noch genauso groß wie ich.
Für den heutigen Anlass hatte sie ein cremefarbenes Kleid an, dass bis knapp zu den Knien ging und auf der rechten Seite einen kleinen Schlitz besaß, der ihr das Gehen darin erleichtern sollte.
„Was hast du vor?“, wollte ich misstrauisch wissen. „Du willst mich doch nicht etwa mit deinem Cousin verkuppeln oder?“
„Wäre das ein so abfälliger Gedanke, wenn du und Julien ein Paar werden würdet?“
„Du weißt, dass ich diesen Schritt nicht gehen kann!“, warnte ich sie leise.
„Vergiss endlich, was die anderen Kerle dir angetan haben. Er ist nicht so!“
„Wenn dass alles nur so leicht wäre, wie du es dir gerade vorstellst, dann hätte ich es schon lange gemacht.“
„Es ist einfach! Man muss es nur wollen!“, zischte Jen mich böse an.
„Mädels streitet euch nicht“, ging Nele dazwischen und legte jeder von uns eine Hand auf die Schulter. „Das ist gerade nicht der richtige Augenblick um das auszudiskutieren.“
„Du hast recht“, erwiderten wir beide wie aus einem Mund.
Lachend umarmten wir uns und gaben uns einen versöhnenden Kuss auf den Mund, sowie wir es immer machten.
Es war schließlich nur ein kleiner Schmatzer, nichts besonderes.
„Bekomme ich auch einen“, hörte ich hinter mir jemanden amüsiert fragen.
Seine Stimme jagte mir einen warmen Schauer über den Rücken.
Eine Gänsehaut legte sich über meine Haut und zudem fühlte ich, wie die Schmetterlinge in meinem Bauch plötzlich zum Leben erwachten.
Es kribbelte überall und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer.
Unsicher drehte ich mich zu ihm um und schenkte ihm ein kleines Lächeln.
„Vielleicht, irgendwann“, gab ich geheimnisvoll zurück und war selbst überrascht über meine eigenen Worte.
Im Traum hätte ich niemals daran gedacht, das jemals zu sagen.
Sogar Jennifer sah mich erstaunt und etwas ungläubig an.
Julien hingegen lächelte nur und etwas blitzte in seinen Augen auf.
Behutsam umschloss er mich mit seinen Armen von hinten und zog mich somit an seine Brust.
Ohne groß zu überlegen lehnte ich mich an ihm.
„Bist du sicher, dass ihr nicht ein Paar seid?“, wollte Nele nun verblüfft wissen, da wir uns gerade wirklich schon wie ein Paar verhielten.
Ein paar wenige Blicke lagen auf mir und ich konnte sehen, wie die Mädchen zum Teil ihre Augen verbittert zusammen kniffen und mich hasserfüllt ansahen.
Aber das alles war mir in diesem Moment egal.
Julien war bei mir und zeigte mir, dass ich diejenige war, die er wollte.
Selbst wenn es nur für diesen Moment sein würde.
Ich wollte diese Zeit mit ihm genießen, so gut ich es konnte.
„Würdest du mir den ersten Tanz erweisen?“
Zaghaft nickte ich.
Sanft nahm er meine Hand in seine und führte mich langsam auf die Tanzfläche.
Mit einer kurzen Handbewegung bedeutete er dem DJ die Musik zu eröffnen.
Wir mussten nicht lange warten, da erklangen auch schon die ersten Töne.
Ich kannte das Lied zwar nicht, dennoch gefiel es mir gut.

c-c-call the paramedic
cupid-cupid just shot me



Langsam gingen wir in die Tanzstellung.
Geschickt und mit einer solchen Leichtigkeit führte er mich gekonnt über das Parket.
Ich schmiegte mich an seine Brust und ließ mich von ihm führen.
Er strahlte eine unglaubliche Wärme aus, die mich einhüllte.
In seinen Armen fühlte ich mich sicher, aufgehoben, verstanden und vor allem geborgen.
Es war, als würde ich ihn schon mein Leben lang kennen, dabei wusste ich fast nichts über ihn.

It's the first of february,
and i can't get you outta my head



Aufmerksam lauschte ich dem Klang der Musik, welche uns umfing und uns zeigte, wie wir die Tanzschritte setzen mussten.
„Hab ich dir eigentlich schon gesagt wie wunderschön du aussiehst?“, nuschelte er in mein Haar und schmiegte seine Wange darauf.
„Nein?“, entgegnete ich unsicher und es klang mehr nach einer Frage, als nach einer Antwort.
„Du bist wunderschön Cassy“, machte er mir ein Kompliment. „Du hast doch sicher einen Freund?“
Ich schüttelte daraufhin nur den Kopf und schenkte ihm ein freudloses Lächeln.
„Warum nicht?“
„Weil mich keiner so will, wie ich gerne genommen werden möchte. Keiner sieht das in mir, was ich nicht aussprechen kann. Ich bin nicht mehr, als das Spielzeug eines Jungen, dass er nachdem es benutzt wurde, wieder wegwerfen kann.“
„Du bist so viel mehr. Du bist klug, hast Charakter und siehst dazu auch noch schön aus. Viele Mädchen müssten dich darum beneiden.“
„In diesem Moment werde ich wohl nur von den Mädchen darum beneidet, mit dem gutaussehendsten Kerl auf der ganzen Feier zu tanzen. Du bist eben doch wahrhaftig ein Mädchenschwarm“, gab ich schmunzelnd wieder.
Ihm gegenüber musste ich mich nicht verstecken.
Zum ersten Mal konnte ich offen sagen, was ich dachte, ohne Angst zu haben, das Falsche zu tun.
Er ließ mich ich selbst sein, obwohl er nichts machte.
Ihm gegenüber öffnete ich mich einfach.
Ich wusste, ich konnte ihm vertrauen.

i've spent a lot of time searching
for the one i wanna be with.
the prettiest girl i ever did see
didn't look good, but was she aiming at me?



Er schenkte mir ein belustigtes Lächeln und zog mich noch enger an sich, sodass sich die Augen vieler Mädchen noch ein bisschen mehr verdüsterten.
„Sie werden lernen müssen, dass sie mich nie haben können, denn ich suche nur die eine fürs Leben.“
„Und hast du sie schon gefunden?“, wollte ich neugierig wissen.
„Ich bin dabei es heraus zu finden“, hauchte er ganz dicht an meinen Lippen.
Nur wenige Millimeter trennten seine Lippen von meinen.
Für den Moment dachte ich sogar, dass er mich küssen würde, doch er tat es nicht.
Sattdessen klopfte mein Herz laut in der Brust und ich musste schwer schlucken.
Einen kurzen Augenblick schloss ich meine Augen um mich wieder zu beruhigen.
Mein Körper zitterte leicht und nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum.
„Ich werde dich nicht küssen“, versuchte er mich wohl zu beruhigen.
Überrascht über seine Worte öffnete ich meine Augen und sah in seine.
„Wieso nicht?“
„Weil ich warten werde.“
„Aber warum?“
„Du sollst den ersten Schritt machen. Außerdem wäre es zu früh. Ich werde dich nicht bedrängen, auch wenn es mir schwer fällt dir zu wiederstehen. Vor allem wenn du so verführerisch auf deiner Unterlippe herum kaust.
Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen, sagte dazu aber nichts.
„Ich mag dich wirklich Cassy. Vielleicht wird da auch irgendwann mehr sein. Aber dazu musst du erst bereit sein. Wenn du dich mir vollkommen geöffnet hast, dann werden wir weiter sehen.“
„Wieso nur bist du so?“, flüsterte ich sprachlos. „Keiner lässt mir die Zeit. Wieso du?“
„Weil es das einzig richtige ist!“
Ein aufrichtiges Lächeln umschmeichelte seine Lippen und er wirbelte mich einmal herum.
Dann zog er mich wieder zurück an seine Brust.

So many pretty faces,
but you are the special one



„Du bist irgendwie etwas Besonderes für mich. Ich hoffe das weißt du, meine Kleine.“
„Nein, das bin ich nicht. Es gibt nichts, was an mir in irgendeiner Weise besonderes sein könnte“, versuchte ich ihm zu widersprechen.
„Doch, du bist die eine.“
Mit offenem Mund starrte ich ihn an, konnte keinen Ton mehr heraus bringen.
Triumphierend beugte er sich zu mir und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange, der mich leicht erröten ließ.

i never wanna leave you
'cause i know how much i need you
i'm happy just to be around you, you



Das Lied neigte sich langsam dem Ende und ich dachte, dass Julien sich nun eine neue Tanzpartnerin suchen würde, doch so war es nicht.
Weiterhin hielt er mich fest in seinem Arm und ließ nicht zu, dass ich mich von ihm entfernen konnte.
Ein neues Lied erklang zudem wir beide ebenfalls tanzten.
Doch ich achtete dieses Mal nicht auf die Melodie.
Ich schloss meine Augen, ließ mich einfach von ihm führen und vertraute ihm.
Den ganzen Abend lang tanzten wir eng umschlungen.
Selbst als meine Beine anfingen weh zu tun, hörte ich nicht auf.
Zu sehr genoss ich seine Nähe.
Erschöpft lehnte ich mich an ihn, vergrub mein Gesicht an seiner Brust und seufzte zufrieden.
Meine Augen schlossen sich, da ich sie vor Müdigkeit gar nicht mehr offen halten konnte.
Selbst meine Beine drohten nun nach zugeben, doch Julien hielt mich aufrecht.
Behutsam zog er mich noch etwas enger an seinen Körper, ehe er mich dann einfach hoch hob.
Träge sah ich zu ihm hoch, mein Kopf hing schlaf an seinem Arm.
Ich sah noch, wie er mich anlächelte und mir liebevoll eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, welche sich aus der Haarspange gelöst hatte.
„Wo gehen wir hin?“, fragte ich schlaftrunken und versuchte mühsam meinen Blick zu heben.
„Du meine Kleine gehst erst einmal schlafen. Du kannst ja nicht einmal mehr auf deinen eigenen Beinen stehen.“
Ich nickte nur leicht, kuschelte mich dann an seine Brust und schlief so in seinen Armen ein.

Impressum

Texte: alle rechte liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 24.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich werde dich solange lieben, bis mein Herz aufgehört hat zu schlagen, denn ich bin nicht breit dich einfach aufzugeben und die Erinnerungen in mir zu erlöschen. dieses Buch witme ich all meinen Lesern... Danke das ihr immer so fleißig meine Werke lest und sie auch noch beherzt :)

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