Die entscheidende Nacht
Das Licht brannte in meinem Zimmer, während ich auf meinem Bett saß und darauf wartete, dass der Eindringling endlich auftauchen würde.
Meine Augen starrten zum Fenster, wo er sicher wieder herein kommen würde.
Draußen war es dunkel und nebelig, sodass man die eigene Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte.
'Die perfekte Nacht um zu sterben!', dachte ich sarkastisch.
Ich wartete eine halbe Stunde, doch nichts geschah.
Er kam einfach nicht.
'Warum?', fragte ich mich. 'Warum kam er nicht? Was war nur los?'
Es machte mich traurig, dass der Fremde hier nicht auftauchte, obwohl ich nicht einmal wusste warum es so war.
Schließlich würde er mir den Tod bringen und doch glaubte ich nicht daran.
Ich war mir sicher, dass er noch kommen würde.
Er würde seine Drohung war machen und hier wieder auftauchen.
Darauf wartete ich.
Doch je mehr Zeit verging, um so nervöser wurde ich.
Mein Verhalten war einfach nicht normal.
Warum freute ich mich so darauf, den Fremden wieder zu sehen? Warum nur?
Schließlich wollte er mich doch töten, warum freute ich mich also?
Ich kannte keine Antwort darauf und eigentlich war es doch auch egal, denn ich würde noch in dieser Nacht sterben.
Doch wenn ich so darüber nachdachte, dann glaubte ich nicht mehr daran, dass der Fremde mir mein Leben nehmen würde.
Es war einfach zu unwahrscheinlich, dass er es diese Nacht tun würde.
Ich meine, wenn er mich wirklich töten wollte, dann hätte er es doch in jener Nacht gemacht, an der er das erste Mal hier war oder etwa nicht?
Sein Verhalten war ziemlich seltsam und ich konnte es auch nicht verstehen.
Das einzige was ich über ihn sagen konnte war, dass er auf keinen Fall menschlich war, sonst hätte ihn ein geschlossenes Fenster davon abgehalten in mein Zimmer einzudringen und mir schreckliche Angst einzujagen.
Und er wäre außerdem auch nicht hier nach oben gekommen mein Zimmer lag schließlich im ersten Stock und somit fünf Meter über dem Boden.
Es ist unmöglich ohne Leiter hoch zu kommen und ein Baum gab es auch nicht, wo er hätte hochklettern können.
Ich frage mich nur, was er war und vor allem was er wirklich von mir wollte.
Mein Tot war nicht das, was er wirklich wollte.
Da war ich mir ganz sicher.
Etwas anderes, viel größeres, hatte ihn zu mir geführt.
Aber es war egal, was es war, denn für mich war es ohne Bedeutung.
Viel mehr interessierte es mich, ob der fremde Unbekannte überhaupt auftauchen würde.
Ich wartete nun schon über zwei Stunden und noch immer hatte sich nichts getan.
Müdigkeit überkam mich, je länger ich auf ihn wartete.
Nur mühsam schaffte ich es, meine Augen offen zu halten, doch im nächsten Moment war ich einfach eingeschlafen.
Der Schlaf dauerte nicht lange an, denn schon bald wurde ich wie in jener Nacht vor drei Tagen von einem leisen Geräusch geweckt.
Verschlafen öffnete ich die Augen, als ich plötzlich eine gefährliche Präsens wahr nahm.
Und da wusste ich, dass er endlich gekommen war.
Ich wusste selber nicht, warum ich mich so darüber freute, schließlich würde er mich wohl möglich töten, so wie er es gesagt hatte.
Es fiel mir schwer zu hoffen, dass er es nicht tun würde.
Noch etwas benommen richtete ich mich in meinem Bett auf und vernahm gleich darauf einen starken Windzug, der mein kupferfarbenes, taillenlanges Haar aufwirbelte und mir ins Gesicht wehte, sodass ich nichts mehr sehen konnte.
Mit leicht zittrigen Händen strich ich es mir hinters Ohr.
Ich hatte keine Angst, doch ich war dennoch nervös und fragte mich, was diese Nacht wohl bedeuten würde.
Er wollte seine Drohung also wahr machen, sonst wäre er unmöglich wieder gekommen.
Soviel stand schon einmal fest.
Es gab kein Zweifel und doch konnte ich keine Angst mehr verspüren.
Dieser Fremde löste eine Sehnsucht in mir aus, die ich selber nicht verstand.
Ich versuchte ihn in der Dunkelheit auszumachen, doch es war für meine Augen einfach zu unmöglich ihn zu erkennen, wenn er sich nicht bewegte.
Also seufzte ich nur ergeben und schloss meine Augen.
„Du bist also gekommen“, flüsterte ich leise und wartete darauf, dass er mir antwortete.
‚Ja, meine Schönheit. Ich bin gekommen um dich wieder zusehen’, erklang seine Antwort in meinem Kopf.
‚Wohl eher um mich zu töten!’, dachte ich sarkastisch und verdrehte meine Augen, obwohl ich sie geschlossen hatte.
Ein leises Lachen erklang im Raum und es hörte sich so unglaublich schön an, dass ich es am liebsten die ganze Zeit hören würde.
Doch dann entsann ich mich wieder und dachte daran, dass er doch gekommen war um mich zu töten.
„Bring es endlich hinter dich und verschwinde dann wieder!“, zischte ich dann in die Dunkelheit und öffnete meine Augen in der Hoffnung ihn jetzt auszumachen.
‚Was soll ich endlich hinter mich bringen?“, fragte er noch immer in meinem Kopf.
„Töte mich endlich, so wie es doch die ganze Zeit deine Absicht gewesen ist!“
„Willst du so unbedingt sterben?“, erklangen seine Worte direkt an meinem Ohr und dann erkannte ich eine dunkel Gestallt vor mir.
„Hab ich eine andere Wahl, als es zu akzeptieren. Du hast doch selbst gesagt, dass du mich töten wirst. Warum also tust du es nicht einfach? Hör auf mich zu quälen und tu weswegen du wirklich hier bist!“
Langsam beugte der Fremde sich über mich und drückte mich sanft, aber bestimmend in die Kissen zurück und sah mir dabei tief in die Augen, dass konnte ich spüren.
Ich jedoch sah sein Gesicht, so wie seine Augen nicht, da es einfach zu dunkel war.
Sein Atem kitzelte an meiner Haut und mein Herz fing an zu rasen, doch nicht vor angst.
Es war etwas ganz anderes.
Der unbekannte Eindringling war mir so nahe - viel zu nahe.
Ganz leicht spürte ich sein Gewicht auf mir.
Sein Knie ruhte zwischen meinen Beinen und mit einer Hand hielt er meine Beiden Handgelenke über dem Kopf.
„Ich will nicht das du stirbst Melina!“, hörte ich ihn traurig flüstern.
„Warum?“
„Es wäre schade, wenn ein so wunderschönes Mädchen sterben müsste. Ich hab es zu Anfang gewollt, weil du meine Gier entfacht hast durch deinen so intensiven und sehr verlockenden Duft, doch jetzt will ich etwas anderes von dir. Etwas was noch reizvoller ist, als dein Blut!“
‚Was?’, dachte ich entsetzt. ‚Was meint er damit?’
Mit großen, geschockten Augen sah ich ihn an und verstand nicht so recht.
‚Hab keine Angst!’, erklang seine Stimme wieder einmal in meinem Kopf. ‚Ich werde dir nichts tun. Ich verspreche es dir!’
Langsam kamen seine Lippen den meinen näher, strichen zärtlich über sie, ehe sich der Kuss vertiefte, inniger und leidenschaftlicher wurde.
Verzweifelt versuchte ich ihn von mir zu schieben, indem ich unter ihm zappelte und mit den Füßen nach ihm zu treten versuchte.
Doch es war zwecklos, er war einfach zu stark für mich.
Also fügte ich mich meinem Schicksal und erwiderte seinen Kuss.
Ich schloss meine Augen und spürte, wie mir heiße Tränen über die Wange liefen, ehe sie im Kissen verschwanden.
Es war zum verrückt werden, denn obwohl ich es eigentlich nicht zulassen durfte, den Kuss nicht genießen durfte weil es falsch war, tat ich es dennoch.
Leidenschaftlich und voller Hingabe erwiderte ich den Kuss des Fremden und genoss es, wie seine weichen, kühlen Lippen sich auf den meinen Bewegten und in mir erwachte mein ganzes Verlangen nach ihm, nach seiner Nähe, seinem Körper und ich wusste ich hatte mich schon lange danach gesehnt, dass mich jemand so berührte, mich so küsste und mir das Gefühl gab, richtig begehrt zu werden.
‚Du bist wunderschön Melina!’, hörte ich ihn in meinem Kopf. ‚Es wäre schade, wenn ich dein Leben auslösche. Und doch müsste ich es eigentlich tun. Schließlich bin ich ein Monster, eine abscheuliche Bestie, die den Tod bringt!’
„Nein!“, flüsterte ich an seinen Lippen. „Nein, dass bist du nicht. Wehre dich dagegen, wenn du das nicht sein willst, wofür du dich hältst. Du kannst es schaffen, wenn du es wirklich willst.“
Sanft löste ich mich aus seinem Griff und strich ihm mit der einen Hand über die Wange.
„Du hast mich verschont und das zeigt doch, dass du nicht so schlecht sein kannst, wie du es selber zu glauben scheinst!“
„Hast du denn überhaupt keine Angst vor mir?“
„Nein! Du hast sie mir genommen, genauso wie du sie mir verursacht hattest. Ich wusste schon in der ersten Nacht bevor du verschwunden bist, dass du mich niemals töten würdest.“
„Du solltest aber Angst vor mir haben, denn auch wenn ich dich in jener Nacht verschont habe, hat es nichts daran geändert, dass ich dich töten muss. Es wiederstrebt mir selber.“
„Warum dann der Kuss und diese ständig sanften Berührungen von dir, wenn ich am Ende trotzdem durch deine Hand sterbe. Ich hatte wirklich gedacht, dass du kein Monster bist, aber ich habe mich wohl geirrt. Du bist eines!“
„Mach es mir nicht noch schwerer als es ohne hin schon für mich ist Melina!“
„Es ist nicht schwer für dich. Schließlich kannst du mich ohne weiteres einfach umbringen ohne das es dir etwas ausmacht. Ich hasse dich vom ersten Tag an und ich hatte wirklich gedacht, dass du anderes bist. Mir Hoffnungen gemacht, sogar Freude verspürt zu wissen, das ich dich wieder sehe. – Dich meinen vermeidlichen Mörder!“
„Du solltest mich auch hassen.“
„Das tue ich und nun bring es endlich hinter dich.“
‚Es tut mir leid meine Schönheit, aber ich kann nicht. Du bist etwas besonderes.’
„Warum? Du hast schon so viele Menschen getötet und wie du schon sagtest ich bin nur einer von vielen auf dieser Welt. Ich bin unbedeutend. So war es doch!“, zischte ich ihn an.
Der Griff an meinen Handgelenken verschwand plötzlich und ich spürte, wie sich der Fremde von mir entfernte.
Überrascht sah ich zu der dunklen Gestallt die in meine Zimmer auf und ab tigerte und sich die Haare raufte, ehe er sich mir zuwand.
„Du bist etwas ganz besonders Melina. Menschen wie dich trifft man nicht oft. Du hast etwas in mir entfacht, was ich geglaubt habe, nicht mehr zu fühlen, seitdem ich zu diesem Monster geworden bin, dass nun Nacht für Nacht dein Haus aufsucht. Nie hast du etwas davon gewusst bis vor drei Nächten. Und ich wollte, dass du von mir etwas mitbekommst. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee gewesen ist.“
„Und das wäre?“, fragte ich gereizt und wünschte mir, dass er aus meinem Leben verschwinden würde.
‚Sag es und verschwinde dann’, dachte ich wütend. ‚Ich wünschte du wärest nie in mein Leben getreten!’
Mit einem Mal war er bei mir und beugte sich über mich.
‚Sag das nicht’, knurrte er. ‚Wenn ich nicht hier wäre, dann wärst du schon längst tot! Ich bin nur einer von vielen meiner Art. Sie hätten dich ohne zu Zögern getötet. Sie hätten dich qualvoll sterben lassen. Lass es dir gesagt sein!’
‚Ach und du nicht?’, fragte ich sarkastisch. ‚Du willst mich doch auch töten. Also wo ist da bitte der Unterschied?’
‚Ich werde dir einen schnellen Tod bringen!’
Und damit trafen seine Lippen erneut auf meine.
Der Kuss war verzweifelt und ziemlich drängend, was ich nicht verstand.
Seine Hände strichen zärtlich über meine Wange, den Hals hinab, ehe sich da ruhen blieben.
Doch nur für einen kurzen Augenblick, den ich spürte, wie sie langsam zu meiner Taille wanderten und dann unter meinem Nachthemd verschwanden.
Ich genoss die Berührung und hoffte, dass es niemals enden würde, doch ich wusste, dass es nicht so sein würde.
Denn heute Nacht würde ich noch durch seine Hand sterben und konnte nur hoffen, dass es ein angenehmer Tod sein würde.
Plötzlich brach der Mond durch die Wolken und erhellt ein kleines bisschen mein Zimmer und auch das Gesicht des Fremden.
Was ich dort sah, versetzte mir einen regelrechten Schock.
Meine Augen waren vor Angst aufgerissen und sahen ihn starr an.
Seine Augen leuchteten in einem seltsamen Grün und scharfe, ziemlich lange Eckzähne ragten aus seinem Kiefer.
‚Er war ein Vampir!’, schrie alles in mir und mein Körper versteifte sich, kaum dass mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss.
Und ehe ich groß nachdenken konnte, entkam meiner Kehle ein entsetzlicher Aufschrei.
Der Fremde sprang vom Bett und sah mich zornig an.
Die grünen Augen verengten sich zu Schlitzen und sahen mich mörderisch an.
„Hör auf zu schreien!“, zischte er mir plötzlich ins Ohr und umschlang mich von hinten.
Eine Hand legte sich auf meinen Mund und erstickte den Schrei.
„Du wirst noch alle wecken. Und dass solltest du lieber sein lassen, es seiden du willst mich bis aufs äußerste reizen meine Kleine.“
Ich schüttelte nur den Kopf und Tränen liefen aus meinen Augen.
Er lehnte sich zu mir, bog meinen Kopf zur Seite und entblößte somit meinen Hals, doch ehe er seine Fangzähne in meine Haut stoßen konnte, ging im Flur das Licht an und Schritte näherten sich meinem Zimmer.
Doch bevor sie den Raum betreten konnten, war der Fremde schon durchs Fenster verschwunden und ließ mich verwirrt und total geschockt zurück.
Texte: Copyright by me
Tag der Veröffentlichung: 15.12.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich witme die meinen treuen lesern, die meine Bücher gerne lesen