Die letzten Tage meines Lebens
Ein neuer Tag war angebrochen, doch ich war noch immer ziemlich fertig von der gestrigen Nacht.
Es war die schlimmste Nacht meines Lebens.
Ich hatte meinem Tod schon in die Augen gesehen.
Es war ein Wunder, dass ich überhaupt noch am Leben war.
Warum es so gekommen ist, wusste ich nicht.
Na ja, aber wenn man es genau nahm, lebte ich nur noch drei Tage.
Wer oder was genau gestern in meinem Zimmer war, wusste ich nicht.
Genauso wenig, wie es durch ein verschlossenes Fenster kommen konnte.
Ich hatte große Angst gehabt.
Aber sie war doch eigentlich unbegründet oder nicht?
Der Fremde hatte mir schließlich nichts getan.
Seine Stimme war so wunderschön gewesen, dass ich ihr am liebsten die ganze Nacht zugehört hätte.
Ich weiß nicht warum, aber ich glaube dieses Wesen wollte mich gar nicht töten.
Es hätte schließlich nicht gezögert, wenn es das wirklich vor hatte oder etwa nicht?
Es war falsch sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
In drei Tagen war mein Leben zu Ende, da er wieder kommen würde.
So hatte er es angekündigt.
Die meisten Menschen würden sich fürchten und versuchen davon zu laufen. - Sich in Sicherheit zu bringen.
Ich war so dumm und wartete seelenruhig auf meinen Tod, anstatt die Flucht zu ergreifen.
Aber vielleicht wusste ich einfach zu gut, dass ich nicht davon laufen konnte.
Es würde mich finden.
Egal wo ich bin.
Schließlich war es nicht menschlich.
Oder irrte ich mich etwa in dieser Annahme?
Ich weiß es nicht und es war mir letztlich egal.
Er konnte ruhig kommen, denn ich hatte keine Angst mehr vor ihm.
Die Angst war in jener Nacht einfach erloschen, als ich so auf dem Bett saß und er mit mir sprach.
Sei es in Gedanken oder Wort wörtlich.
Er hatte mit mir gesprochen, mich sanft und fast schon zärtlich berührt.
Ich wusste nicht einmal warum er so gehandelt hatte.
Genauso wenig wie ich wusste, warum er sich für einen Mörder hielt und Menschen tötete.
Es war seltsam, dass ich so ruhig darüber nachdenken konnte ohne angewidert von ihm oder mir selbst zu sein.
Aber seit letzte Nacht hatte ich genügend Zeit um über alles nachzudenken, was geschehen ist.
Ich wusste um so mehr, dass ich mein Leben schätzen sollte und dafür dankbar war, dass ich überhaupt noch am Leben war.
Es war alles so seltsam.
Dieser Fremde hatte mich verwirrt und mir genügend Zeit zum nachdenken gegeben.
War das etwa seine Absicht gewesen, als er mir noch drei Tage meines ach so schönen Lebens gegeben hatte?
Aber mittlerweile glaubte ich nicht mehr daran, dass er mich töten würde.
In genau drei Tagen würde er genauso wie gestern auftauchen und genau darauf freute ich mich.
Ich wusste nicht einmal warum es so war, doch ich sehnte mich regelrecht nach dem Fremden.
Diese Sehnsucht in mir verwirrte und irritierte mich sehr.
Was es auch immer war, dass mich dies fühlen ließ, ich wollte unbedingt mehr über ihn wissen.
So viele Fragen hatte ich an ihn, die nur er mir beantworten konnte.
Wie sollte es auch anderes sein?
Schließlich kannte ich ihn nicht.
Ich wusste weder wie er hieß, noch wie er aussah.
Es war immerhin finstere Nacht gewesen.
Genau der Richtige Zeitpunkt, um einem Albträume zu bereiten, doch das blieb komischerweise bei mir aus.
Der seltsame Fremde hatte mir zu Anfang große Angst gemacht, da ich wusste jemand war da, doch sehen konnte ich ihn nicht.
Ich sollte nicht länger darüber nachdenken, schließlich hatte ich heute noch Schule.
Mein Wecker klingelte auf dem Nachttisch und ich stand noch etwas verschlafen und erschöpft auf.
Die letzte nacht hatte ich wirklich kaum Schlaf bekommen.
Es war schon kurz nach drei gewesen, als der Fremde verschwand und ich in einen traumlosen Schlaf sank.
Mein Wecker zeigt jetzt 6 Uhr an.
Schnell suchte ich meine Sachen zusammen und tapste lustlos ins Badezimmer direkt unter die Dusche.
Ich brauchte das, um wach zu werden.
Das warme Wasser ließ mich sogar für einen Moment den Fremden vergessen.
Mein Kopf war leer und entspannt ließ ich das Wasser auf meinen Körper prasseln.
Gedankenverloren streckte ich mein Gesicht dem Strahl entgegen.
Es dauerte nicht lange, da war ich angezogen, geschminkt und bereit zur Schule zu gehen.
Ich mochte die Schule eigentlich sehr gerne.
Meine Noten waren gut und ich hatte sehr viele Freunde.
Wenn man es genau nimmt, dann war ich einer der beliebtesten Mitschülerinnen meiner Schule.
Aber es war nicht so, als würde ich das groß ausnutzen.
Mir war es recht egal, dass ich für die anderen ein großes Vorbild war.
Ich wollte einfach so sein, wie ich nun mal bin. Einfach ich!
Selbst die Lehrer mochten mich sehr gern, weil ich eine aufmerksame, hilfsbereite und eine sehr angagierte Mitschülerin war.
Ich war selbstbewusst und zeigte niemals meine Schwäche offen.
Es machte einen Schwach und verletzlich, wenn man dies so offensichtlich zeigte.
Vielleicht liebte man mich deshalb so sehr, weil ich immer stark wirkte, obwohl ich es doch nicht immer war.
Ich schnappte mir meine Tasche und lief in die Küche, wo meine Eltern gemütlich am Tisch saßen und frühstückten.
Wir hatten eine kleine Wohnung für uns drei, da ich ansonsten keine weiteren Geschwister hatte.
Ich war ein Einzelkind.
Manchmal fühlte ich mich deshalb einsam.
Eine Zeit lang hatte ich mir immer eine kleine Schwester gewünscht, der ich alles bei bringen konnte.- Für die ich ein Vorbild sein wollte.
Doch nichts geschah.
Meine Eltern wollten kein weiteres Kind haben, also gab ich die Hoffnungen an ein kleines Geschwisterchen auf.
Langsam betrat ich die Küche, die nur von einer Kleinen Tecke vom Wohnzimmer abgetrennt wurde.
"Guten Morgen", begrüßte ich meine Eltern und setzte mich zu ihnen an den Tisch.
"Guten Morgen Melina", sagte meine Mutter mit warmer Stimme und goss mir eine Tasse Kaffee ein.
Ich brauchte das ebenfalls um richtig wach zu werden.
Schließlich war ich schon siebzehn und somit fast Erwachsen.
"Wie hast du geschlafen?", fragte mein Vater neben mir und musterte mich mit schmalen Augen.
"Nicht besonders gut", antwortete ich auf seine Frage. "Habe nur sehr wenig geschlafen!"
"Das sieht man! Du siehst gar nicht gut aus!"
"Es geht mir aber gut. Sehr gut sogar, außer der Tatsache, dass ich nicht genügend Schlaf bekommen habe!" '- und das ich bald sterben würde', fügte ich in Gedanken noch hinzu.
Ich trank meinen Kaffee in großen Zügen aus und stand dann schnell vom Tisch auf.
Es war schon kurz vor sieben und meine Freunde würden bestimmt schon vor der Schule auf mich warten.
"Ich muss dann mal zur Schule", sagte ich zum Abschied gab meiner Mutter und meinem Vater einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verschwand rasch aus unserer Wohnung, die übrigens im zweiten Stock war.
Ich lief die Treppen runter und eilte zu meinem Auto, da ich schon ein Führerschein hatte und meine Eltern mir als kleine Überraschung ein schwarzes Cabrio gekauft hatten.
Geschmeidig leicht ließ ich mich auf den Sitz gleiten und gab dann sofort Gas.
Die Reifen quietschten und das Cabrio fuhr mit einer hohen Geschwindigkeit vom Parkplatz.
Ich brauchte nicht ganze fünfzehn Minuten bis ich an meiner Schule ankam.
Die anderen warteten schon auf mich.
Wir, die beliebten Schüler hatten jeder einen eigenen Parkplatz, so also auch ich.
Daher musste ich nicht lange suchen, bis ich ein Parkplatz für mein Cabrio gefunden hatte.
Es war erst zwanzig nach sieben, also hatten wir noch gut vierzig Minuten Zeit bis der Unterricht begann.
Ich stieg aus dem Auto und ging sofort auf unsere Clique zu, die mich schon freudig begrüßten.
Meine aller beste Freundin Carina.
Sie war unglaublich hübsch, so wie ihr Name es schon sagte.
Ihr Haar war rotblond und fiel ihr in Korkenzieherlocken auf den Rücken.
Carina war schlank, ein Meter sechsundsechzig groß und ihr Gesicht war schmal und hatte irgendwie etwas kindliches an sich.
Alle beneideten sie um ihre Schönheit und die Jungs standen nur Schlange bei ihr.
Doch mehr als ein bisschen spielen und Spaß haben gab es bei ihr nicht.
Ich erwiderte ihre Umarmung.
Es war schön eine Freundin wie sie zu haben, denn sie war immer für mich da.
Egal ob bei Tag oder bei Nacht.
Ich konnte mit ihr immer über alles reden.
Als nächstes umarmte mich Katie mit der ich schon sehr lange befreundet war, wenn auch nicht so lange wie mit Carina.
Wir verstanden uns gut und gingen gemeinsam in eine Klasse. Sie hatte schwarzes, sehr kurzes Haar, das sie sich mit Gel zu kleinen Stacheln hoch gelte.
Auch sie war mit ihrer Art und ihrer Schönheit sehr begehrt bei den Jungs, obwohl sie nicht besonders groß war. Katie war sogar kleiner als ich.
Wobei ich mich mit meinen ein Meter sechzig nicht besonders groß fand.
Dann gab es da noch Amanda, Teya und die fünf Jungs Calm, Twin, Garon, Kären und nicht zu vergessen Blake, der schon seit Wochen hinter mir her rennt, weil er etwas von mir will, doch ich halte mich grundsätzlich von Jungs fern.
Na ja nicht ganz.
Sagen wir mal so.
Ich gehe keine Beziehung mit ihnen ein.
Sie machen nur Ärger und das ist mir schon sehr früh aufgefallen.
Es ist mir egal, dass ich eine der wenigen bin, die Single ist.
Wir verbrachten nun die restliche Zeit, bevor der unterricht begann an unserem Stammplatz.
Auf dem Schulhof unter den schattigen Bäumen auf einer Sitzbank.
Ich erzählte meinen Freunden lieber nichts von meiner gestrigen Nacht und ließ mir daher auch nichts anmerken.
Es war nicht schwer den fremden Unbekannten in meinem Zimmer für den Moment zu vergessen und mich auf die Schule zu konzentrieren.
Meine Freunde halfen mir dabei, auch wenn sie selber nichts davon ahnten.
Es lenkte mich etwas ab mit ihnen abzuhängen und mich über sinnlose Dinge zu unterhalten. Der Schultag verging schnell, genauso wie die restlichen drei Tage, die ich noch zum Leben hatte.
Ich hatte die Zeit mit meinen Freunden verbracht und viel Spaß gehabt.
Es blieb daher auch nicht viel Zeit darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn der Fremde wieder bei mir auftauchte.
Wie es weiter gehen sollte und ob ich etwas gegen ihn ausrichten konnte!
Jetzt war es zu spät dafür.
Es war mittlerweile Freitag, der letzte Tag.
Und doch verspürte ich keine Angst, denn ich wusste, mir würde nichts passieren.
Er würde mich nicht töten.
Ich vertraute auf mein inneres Gefühl.
Und das sagte mir, er würde mich am Leben lassen.
Wenn er das nämlich wirklich vor gehabt hätte, mich zu töten meine ich, dann hätte er es schon in jener Nacht getan, als er das erste Mal in meinem Zimmer aufgetaucht war!
Es war Mitternach und ich wartete ruhig und gelassen auf meinem Bett darauf, dass der Fremde wieder kommen würde, so wie er es angekündigt hatte.
Texte: Copyright by Cassedy
Tag der Veröffentlichung: 13.06.2010
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