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Die Vampirjägerin




Fortsetzung...



Das einzige tröstende daran war, dass Raise bei mir war und mit mir zusammen kämpfen würde.
Er ließ nicht zu, dass mir etwas geschieht.
Da war ich mir ganz sicher.
Eher würde er sterben.
Raise ließ mich los und drehte sich mit dem Rücken zu mir, sodass ich jetzt direkt hinter ihm stand.
Sein ganzer Körper spannte sich an und ein Knurren kam aus seiner Kehle.
Wütend fletschte er die Zähne.
Raise Augen verdunkelten sich, bis sie ganz schwarz waren.
Alles an ihm erinnerte an ein Raubtier, dass sie für den Angriff bereit machte.
‚Er will mich beschützen’, dachte ich sofort.
‚Aber was ist, wenn ihm etwas passiert?’, erklang eine ängstliche Stimme in mir.
Die Vampire um uns herum wichen vor ihm zurück.
Sie spürten, dass Raise ihnen überlegen war, denn ihr Instinkt verriet ihnen das.
„Gib uns die Vampirjägerin“, verlangte einer der Vampire. „Sie hat viele von uns getötet. Das müsstest auch du wissen Vampir. Gib sie uns und wir werden in Frieden gehen. Du bist einer von uns, also werden wir dir nichts tun.“
„Niemals! Ich bin nicht wie ihr. Ein Vampir, aber kein Mörder. Ihr besudelt euch mit dem Blut der Menschen. Ihr habt es nicht anders verdient, als zu sterben. Ich werde euch die Vampirjägerin nicht überlassen. Sie gehört mir, denn sie ist meine Gefährtin. Wenn ihr sie haben wollt, dann müsst ihr erst an mir vorbei. Und wenn es sein muss, dann werde ich sie mit meinem Leben beschützen!“
„Sei doch nicht dumm Vampir. Noch hast du die Chance da heil raus zu kommen. Niemals wird ein Mensch der Gefährte eines Vampirs. Das ist einfach nicht möglich! Mach dich also nicht unglücklich. Außerdem ist sie eine Vampirjägerin, willst du etwa sterben. Sie wird dich genau so töten, wie jeden anderen Vampir auch!“
Raise gab ein verächtliches Lachen von sich, bevor er wieder ernst wurde.
„Lass das mal meine Sorge sein! Ihr bekommt sie nämlich nicht!“, knurrte er hasserfüllt. „Ich werde euch Emily nicht geben. Lieber sterbe ich!“
„Wie du willst. Ich hab dich ja gewarnt, aber wenn du lieber stur bist, dann musst du mit den Konsequenzen leben. Wir töten euch dann eben beide. Liebe ist manchmal echt grausam.“
Und dann stürzten sich vier von ihnen auf Raise und die anderen auf mich.
Geschickt wehrte ich sie ab, doch einer von ihnen riss mich zu Boden.
Keuchend stieß ich die Vampire von mir und tötete einen nach dem anderen bis nur noch einer übrig war.
Es war der Vampir, der eben gesprochen hatte.
Seine Augen waren kleine Schlitze und er knurrte bedrohlich und dann stürzte er sich auf mich, da ich noch auf dem Boden lag.
Erschöpft sah ich, wie er auf mich zusprang und ich wusste, ich würde ihn nicht abwehren können, denn ich hatte keine Kraft mehr.
‚Ich werde sterben’, ging es mir durch den Kopf.
Ich blickte dem Vampir entschlossen in die Augen und bereitete mich auf meinen Tod vor.
Der Vampir hätte mich auch um ein Haar getötet, wenn nicht Raise plötzlich aufgetaucht und mir zur Hilfe gekommen wäre.
Kraftlos blieb ich auf dem Boden liegen und stand erst einmal nicht mehr auf.
Ich brauchte dringend eine Atempause.
Noch immer etwas erschrocken.
Bis eben hatte ich noch meinem Tod in die Augen gesehen und doch lebte ich noch.
Wieder einmal verdankte ich Raise mein Leben.
„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Raise besorgt und kniete sich neben mir nieder.
„Ja. Danke.“
Er hob mich vom Boden hoch und hielt mich in seinen Armen.
Einige Minuten hielt er mich einfach nur so fest und sah mir tief in die Augen.
Seine hatten wieder die normale Farbe blausilbern angenommen.
„Wie geht es dir?“, erkundigte er sich noch immer besorgt.
„Besser. Du kannst mich wieder runter lassen. Wo ist eigentlich Linda?“
„Sie wird in wenigen Minuten hier sein. Ich kann sie schon hören und vor allem riechen. Ich sollte jetzt lieber gehen. Wir sehen uns dann heute Abende wieder.“
Und dann verschwand Raise so schnell, wie er erschienen war.
„Emily?“, rief Linda panisch. „Emily, wo bist du?”
„Hier drüben“, antwortete ich ihr und hob meine Hand zum Zeichen.
„Geht es dir gut?“, fragte sie, kaum das sie mich erreicht hatte.
„Ja. Lass uns jetzt aber Heim fahren. Ich bin total erschöpft und würde mich gerne etwas hinlegen.“
„Und was ist mit den Vampiren. Die leben noch. Wir können erst fahren, wenn wir alle getötete haben.“
„Wie viele hast du denn von ihnen getötet?“, fragte ich jetzt.
„Zwei.“
„Ich hab die restlichen getötet. Dann sind wir hier wohl fertig.“
Erstaunt sah Linda mich an, doch sie sagte nichts weiter.
Wir machten uns auf den Weg zum Wagen und fuhren zurück zur Organisation.
Die Sonne ging langsam am Horizont auf.
Wir kamen nach wenigen Minuten in der Organisation an und schweigend stieg ich aus dem Wagen.
Ich sah, wie Kevin gelassen an seinem Schreibtisch saß und mir zulächelte.
Wie ich ihn mit jedem verdammten Tag mehr hasste!
Er war nichts weiter als ein mieser Mistkerl, der sich als Freund ausgab.
Wut stieg in mir auf.
Ich ging an ihm vorbei, ignorierte ihn und würdigte ihn keines Blickes.
‚Ich hasse dich!’, schrie ich ihm in Gedanken zu, nur das er es leide nicht hören konnte.
Plötzlich stand er auf und hielt mich am Arm zurück.
‚Was wollte er jetzt schon wieder von mir?’, fragte ich mich gereizt. ‚Kann er mich nicht einfach zufrieden lassen? Verstand er es nicht, dass ich nach seinem Verhalten in den letzten Tagen, so wenig wie möglich mit ihm zutun haben wollte?’
„Was willst du?“, fragte ich sauer und gereizt.
„Was ist passiert?“, fragte er stattdessen und musterte mich skeptisch.
Ich sah an mir herab.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass mein Anzug so ziemlich was abbekommen hatte, als mich diese verfluchten Vampire fast getötet hatten.
Tiefe Kratzer und große Risse zeichneten sich auf meiner Brust ab, doch mir war nichts weiter passiert.
Meine Haut war wie durch ein Wundern unversehrt geblieben.
Und auch die Hose hatte kleine Löcher und Schlammflecken abbekommen.
„Es ist gar nichts passiert!“
„Das sieht man ja gerade!“, erwiderte Kevin höhnisch.
„Wir waren auf einer Mission. Linda und ich hätten deine Hilfe gebrauchen können, aber nein, du bist ja lieber mit dem Nachttrupp unterwegs. Meinetwegen kannst du da auch gerne bleiben, denn wir kommen ganz gut ohne dich klar. Was wir eben bewiesen haben!“
„Ja, es stimmt. Ich war mit dem Nachttrupp unterwegs, aber nur um den Vampir aufzuspüren, der dir entwischt ist!“
„Na schön, dann such ihn doch. Aber ich sage dir gleich, dass es nur Zeitverschwendung ist.“
Herausfordernd Blickte ich ihn an, bevor ich dann auf mein Handgelenk starrte, dass er noch immer fest umklammerte.
„Und jetzt lass mich los!“, zischte ich ihn an. „Unsere Unterhaltung ist hiermit beendet.“
„Was ist nur los mit dir? Du bist auf einmal so ganz anders. Wo ist die Emily von früher geblieben? Das kleine Mädchen, das nie gezögert hätte einen Vampir zu töten. Du hast immerhin einen genauso guten Grund alle Vampire zu hassen, wie alle anderen auch hier. Sie haben deine Familie getötet.“
Er beugte sich zu mir, sodass seine Lippen an meinem Ohr waren. „So also auch den Vampir, der in deinem Zimmer war“, flüsterte er mir dann zu.
„Du hast doch keine Ahnung Kevin!“, sagte ich verächtlich und stieß ihn von mir weg. „Du weißt gar nichts über meine Vergangenheit, also solltest du auch nicht darüber reden. Sie haben vielleicht meine Eltern getötet, das stimmt schon, aber dennoch weißt du gar nichts über mich. Und jetzt lass endlich meinen Arm los. Ich will in mein Zimmer und mich ein wenig ausruhen!“
„Nein! Sag mir endlich was mit dir los ist!“, beharrte er.
„Lass Emily in ruhe“, mischte Linda sich jetzt ein. „Wenn sie es dir nicht sagen will, dann ist es eben so. Kann man nichts machen.“
„Schon gut Linda“, sagte ich beruhigend. „Er soll es ruhig wissen, wenn es ihm so wichtig ist.“
Ich blickte Kevin in seine Augen und mein Blick verfinsterte sich sofort.
„Stimmt. Ich bin anders geworden. Du solltest wissen, dass ich schon lange nicht mehr das kleine Mädchen von damals bin. Ich bin erwachsen geworden. Jetzt zufrieden?“
Ich entriss Kevin meinen Arm und ging dann ruhig und entspannt die Treppe zu meinem Zimmer hoch.
Es war ein sehr anstrengender Tag.
Langsam betrat ich mein Zimmer und schloss die Tür leise hinter mir.
Noch immer etwas sauer lehnte ich mich gegen sie und schloss meine Augen.
Ich atmete tief durch, um den Ärger runter zu schlucken, der noch immer in mir saß.
Mit der rechten Hand tastete ich nach dem Schlüssel hinter mir und drehte ihn im Schloss um, damit auch niemand herein kommen konnte.
Im Moment wollte ich einfach nur meine Ruhe haben und von keinem der anderen gestört werden.
Langsam stützte ich mich von der Tür ab und ging zum Fenster.
Ich öffnete es und sogleich wehte mir frischer Wind entgegen, der mir dabei half mich wieder zu beruhigen.
Es dauerte seine Zeit bis ich mich vom Fenster abwenden konnte und dann zu meinem Bett ging, um mich einwenig von der Mission zu erholen.
Ich drehte mich mit dem Rücken zum Fenster, als ein weiterer Windzug hindurchwehte und ich dann einen nur all zu vertrauten Duft wahr nahm.
Überrascht öffnete ich meine Augen.
„Ärger dich nicht über ihn Kleines. Er ist es nicht wehrt, denn er ist nur ein dummer Mensch, der sich Sorgen um meine Prinzessin macht. Dumm weil er glaubt dein Herz für sich erobern zu können.“
‚Was?’, dachte ich. ‚Kevin war verliebt in mich?’
Unglauben spiegelte sich in meinem Gesicht wieder.
„Ist dir das noch nie aufgefallen? Jeder Blinde mit dem Krückstock könnte sehen, dass er in dich verliebt ist. Das erklärt auch, warum er mich unbedingt tot sehen will. Er erträgt es nicht mich in deiner Nähe zu sehen.“
Darauf konnte ich nichts erwidern.
So überrascht war ich über seine Worte.
Aber ich glaubte Raise, denn er hatte keinen Grund zu lügen.
Er hatte immerhin selbst gesagt, dass er all die Jahre immer in meiner Nähe war und gesehen hatte, wie ich aufwuchs.
Ich merkte wie Raise immer näher kam, doch ich drehte mich nicht zu ihm um, gespannt darauf, was er wohl als nächstes sagen oder tun würde.
„Du bist wie immer wunderschön“, flüsterte er leise, sodass ich mir Mühe geben musste, um ihn zu verstehen.
Liebevoll strich er mir durch mein blondbraunes Haar und seine Lippen berührten unmerklich meinen Hals.
Eine kleine Gänsehaut überkam mich.
Ich drehte mich zu Raise um und lächelte ihn zärtlich an.
„Hallo mein wunderschöner Vampirengel.“
Ganz leicht richtete ich mich auf und gab ihm einen zarten, innigen Kuss.
Sofort erwiderte er den Kuss.
Raise löste sich wieder von mir und blickte mich an.
„Du solltest ein wenig schlafen Emily. Du bist völlig erschöpft.“
„Nein. Ich will nicht schlafen.“
„Warum?“
„Du wirst wieder gehen und mich alleine lassen.“
„Nein, du Dummerchen. Ich bleibe natürlich. Es ist wohltuend dich in den Armen zu halten, während du schläfst. Wie ruhig und friedlich du dann immer bist. Bei so einem Anblick würde man gar nicht denken, dass du wie eine Katze deine Krallen ausfährst und Vampire tötest. Mit einer Ausnahme.“
„Richtig. Eine Ausnahme. Wobei ich es mir vielleicht noch mal überlegen sollte.“
Ich grinste ihn breit an.
„Bloß nicht. Ich ergebe mich ja schon so. Da brauchst du nicht auch noch die Waffe auf mich zu richten. Na ja selbst wenn, dann würdest du mich trotzdem nicht erschießen.“
„Stimmt. Du ließt mir jeden Wunsch von den Lippen ab und du bist mein Beschützer. Was will ich mehr? Ich kann dich wirklich nicht töten, was natürlich zum Problem werden kann, wenn die anderen davon mitbekommen.“
„Außerdem liebe ich dich“, fügte ich dann noch hinzu.
„Ich liebe dich ebenfalls.“
Ich rutschte ein Stück von ihm Weg, damit er sich neben mich legen konnte.
Ohne zu zögern kam er der Aufforderung nach und nahm mich fest in die Arme.
Lächelnd schmiegte ich mich an ihn und schlief mit dem Kopf auf seine Brust gelegt ein.
Wie lange ich in seinen Armen geschlafen hatte wusste ich nicht.
Es war aber auch egal, denn er war da. Raise, der wunderschöne Vampirengel.
Er war die ganze Zeit bei mir geblieben.
Ich kuschelte mich glücklich an ihn und schlang meinen Arm um seine Brust.
Noch etwas verschlafen öffnete ich dann meine Augen und sah in sein bezauberndes Gesicht.
„Na ausgeschlafen Kleines?“
„Ja.“
„Na, dann solltest du dich fertig machen.“
Fragend blickte ich in an.
„Warum?“
„Schon vergessen? Wir machen einen Ausflug, wie ich es dir versprochen hatte. Ich möchte eine ganze Nacht mit dir alleine verbringen. Aber vorher müssen wir bei Kainah und Lexes vorbeischauen, da sie darauf bestanden haben dich kennen zu lernen.“
Ich stöhnte auf und sah ihn entsetzt an.
Natürlich freute ich mich auf ein Date nur mit ihm allein, aber die Aussicht, die beiden anderen Vampire kennen zu lernen, machte mir doch etwas zu schaffen.
„Keine Angst. Sie werden sich benehmen.“
„Wissen sie was ich bin?“
„Ja. Ich hab ihnen gesagt, dass du eine Vampirjägerin bist und dass du deine Waffe nicht gegen sie erheben wirst, da du bis jetzt nur Vampire mit blutroten Augen gejagt hast, was sie ja nicht sind.“
„Das heißt, sie sind so wie du?“
Raise nickte. „So ist es.“
„Das heißt wir werden den Abend mit ihnen verbringen?“, fragte ich traurig, da ich mich darauf gefreut hatte mit ihm alleine sein zu können.
„Nein. Ich werde dich ihnen nur vorstellen und dann werden wir auch schon wieder gehen. Ich hatte dir ein Abend versprochen. Nur wir beide. Du wirst diese Nacht nie vergessen, dass verspreche ich dir.“
Er lächelte mich verführerisch an und küsste mich dann zärtlich.
„Na schön. Ich werde mich umziehen gehen“, sagte ich zwischen seinen Küssen hindurch.
Ich löste mich nur ungern von ihm, aber immerhin musste ich mich noch fertig machen.
Widerwillig stand ich vom Bett auf und ging in Richtung Badezimmer.
„Ich werde dir eine halbe Stunde geben. Meinst du, du schaffst es dann fertig zu sein?“
Raise erhob sich vom Bett und kam zu mir.
„Ich denke schon. Warum?“
„Ich müsste noch mal kurz weg. Ich kann ja schlecht in diesen alten Sachen mit dir Essen gehen!“
Er lächelte mich mit einem schiefen Lächeln an und schloss mich in seine Arme, wie er es in der letzten Zeit immer tat.
Ich sah ihn an.
Raise trug wie immer eine ganz normale, schlichte, schwarze Jeans und dazu ein schwarzes Hemd, worunter sich seine Brustmuskeln dieses Mal deutlich abzeichneten.
Er sah trotz allem noch immer unglaublich attraktiv aus und ich wurde das Gefühl nicht los, dass Raise in allem, was er trug gut aussah.
„Wir gehen also wirklich Essen?“, fragte ich vorsichtig.
„Ja, so ist es.“
„Aber... ich meine... na ja...du wirst doch nichts essen... du bist doch...“, stotterte ich.
„Ein Vampir“, beendete er den Satz. „Das heißt aber nicht, dass ich nicht mit dir Essen gehen kann meine Schöne.“
„Aber Vampire essen doch nichts.“
„Wir werden sehen.“
Er ließ mich wieder los und verschwand dann wieder einmal durchs Fenster ohne, dass ich seine Bewegungen wirklich wahr nehmen konnte.
Ich setzte mich wieder in Bewegung und tapste ins Badezimmer um mich für unser Date fertig zu machen.
Nervosität und Vorfreude breiteten sich in mir aus.
Das war meine aller erste Verabredung.
Noch nie war ich so glücklich.
Mich hatte nie ein Junge zum Essen oder ins Kino eingeladen.
Na ja, wie auch, wenn ich als Vampirjägerin arbeitete und auf eine spezielle Schule gegangen war, wo ich alles in innerhalb der wenigen Jahre gelernt hatte.
Lesen, schreiben, rechnen und was sonst so alles noch dazu kam, konnte ich sehr gut.
Es fiel mir noch nie schwer so etwas zu lernen.
Vor dem Spiegel schminkte ich mich und zog mir dann ein bodenlanges, rotes Kleid an, das an beiden Seiten jeweils Schlitze bis zu den Knieknöcheln hatte.
Dazu silbernrote High Hills.
Auch heute war es das erste Mal, dass ich so ein elegantes Kleid anzog, obwohl fiele davon in meinem Schrank hingen.
Aber ich hatte nie eines davon anziehen wollen, da ich immer bereit sein musste, für den Fall, dass wieder einmal Vampire angreifen würden.
Daher versteckte ich unter dem Kleid zur Sicherheit meine Waffe.
‚Für alle Fälle`, sagte ich mir. ‚Ist sicherer.’
Meine blondbraunen Haare trug ich offen.
Sie gingen mir bis zur Taille.
Als ich fertig war und zurück in mein Zimmer ging, war Raise schon da.
Er sah mich mit großen Augen an und stieß einen Pfiff aus.
„Du bist wunderschön“, stieß er hervor. „Wie ein Engel ohne Flügeln.“
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Er trug jetzt einen schwarzen Anzug, der einen starken Kontrast zu seiner blassen Haut bildete.
Ich konnte ihn nur anstarren.
Raise sah in dem Anzug noch attraktiver aus, als wenn er Jeans und ein Hemd trug.
Langsam kam er auf mich zu und schlang die Arme um mich.
„Ich hoffe du hast keine Höhenangst.“
Er grinste mich an und bevor ich fragen konnte, was er damit meinte, sprang er auch schon durch das offene Fenster.
Erschrocken keuchte ich auf, doch es kam kein Schrei aus meiner Kehle, was auch ganz gut war, da ich kein Aufsehen bei den anderen Vampirjägern erregen wollte.
Haltesuchend klammerte ich mich an Raise Brust und schloss die Augen.
Es war schon etwas beängstigend für mich, da ich noch nie mit einem Vampir durch den Nachthimmel geflogen bin.
Sterne leuchten am Himmel und erhellten seine bleiche Haut.
Er war schön, keine Frage und das schönste an allem war, er war mein. Für immer!
„Entspann dich“, flüsterte Raise mir ins Ohr und strich mir sanft über den Rücken.
Seine Berührung war beruhigend und sofort war die Angst wie weggeblasen.
„Dir wird schon nichts passieren. Ich pass auf dich auf.“
„Ich weiß Raise. Du hast mich alle die Jahre immer beschützen wollen und du bist der Grund, warum ich noch immer lebe und ein Mensch bin.“
Meine Augen waren noch immer geschlossen und ich lehnte mich zufrieden an Raise.
Ich atmete seinen Duft ein und genoss es in seiner Nähe zu sein.
Die Liebe, die ich für ihn empfand, war so schier überwältigend.
Noch immer konnte ich mein Glück nicht glauben.
Doch es gab leider auch schwere Zeiten und ich wusste, dass unsere Liebe eigentlich nicht sein durfte, doch ich hörte dieses Mal nicht auf meinen Verstand und die Vernunft, sondern auf mein Herz.
Während ich so darüber nach dachte, merkte ich plötzlich festen Boden unter mir und Raise lockerte langsam seine Umarmung, als hätte er Angst, ich könnte umfallen, wenn er mich ganz los ließ.
„Wir sind da meine Kleine“, sagte er leise.
Zögernd öffnete ich meine Augen und sah mich um.
Raise griff nach meiner Hand und führte mich in eine kleine Lagerhalle.
„Hier lebst du?“, fragte ich ganz leise.
„Nein“, antwortete er und schüttelte den Kopf. „Das ist nur unser Treffpunkt.“
Ich lächelte schüchtern, während ich ihm in die Lagerhalle folgte.
„Wo sind die anderen?“
„Die warten drin auf uns. Wie gesagt. Es ist nur ein Treffpunkt und wir verschwinden auch gleich wieder.“
Ich nickte nur und folgte ihm in die Lagerhalle.
Sie war dunkel, sodass ich nichts sehen konnte.
Verunsichert klammerte ich mich an Raise.
Er lachte leise und strich mir beruhigend über die Wange.
„Hab keine Angst“, flüsterte er mir dann ins Ohr. „Sie werden dir nichts tun.“
Und dann ging auch schon das Licht an und zwei wunderschöne Vampire standen vor uns.
„Du hast dir ja echt Zeit gelassen“, erwiderte das Mädchen und sah ihn grinsend an.
„So lange war ich auch wieder nicht weg Kainah.“
„Und das ist also Emily?“, fragte der Mann neben Kainah.
„Ja, dass ist meine Emily“, antwortete Raise und zog mich besitzergreifend an sich.
„Sie scheint es dir ja richtig angetan zu haben, wenn du dich sogar mit den Vampirjägern anlegst und in ihr Lager eindringst nur um sie zu sehen.“
„Ich würde niemals zulassen, dass sie ihm etwas antun! Niemals!“
„Wie willst du das denn verhindern Emily?“, fragte Kainah. „Das ist unmöglich. Früher oder später werden sie auf ihn schießen und ihn töten und du wirst es nicht verhindern können!“
„Das wird nicht passieren“, entgegnete ich mit zittriger Stimme.
Alleine der Gedanke, dass sie recht hatte, tat mir im Herzen weh.
Aber sie hatte Recht.
Ich würde es nicht verhindern können.
„Raise scheint dir ja wirklich viel zu bedeuten“, bemerkte Lexes.
„Er bedeutet mir sehr viel. Ich liebe ihn!“, sprach ich die Wahrheit aus.
„Obwohl er ein Vampir ist?“, fragte er ungläubig.
„Es spielt für mich keine Rolle was er ist und es ist mir auch egal, dass ich ihn eigentlich töten müsste. Immerhin ist es meine Aufgabe als Vampirjägerin, aber ich könnte ihn niemals töten. Ich verdanke Raise mein Leben.“
Kainah und Lexes sahen mich mit großen Augen an.
„Wie habt ihr euch überhaupt kennen gelernt?“, fragte Kainah.
„Das ist eine lange Geschichte“, erwiderte ich nur.
„Erzähl sie uns“, bat sie stattdessen.
Hilfesuchend sah ich zu Raise, der mich nur aufmunternd anlächelte.
„Also gut“, gab ich mich geschlagen. „Ich werde sie euch erzählen.“
„Wir werden wohl doch etwas länger bleiben, wie es mir scheint“, sagte Raise neben mir und führte mich zu einem großen Sofa.
Es wunderte mich schon, dass es hier einen Tisch und Sitzgelegenheiten gab.
Wir waren schließlich in einer Lagerhalle, da brachte man so etwas doch nicht.
Aber andererseits war das ihr Treffpunkt.
Raise setzte sich und zog mich dann auf seinen Schoß.
Links und rechts von uns setzten Kainah und Laxes sich auf die Armlehnen und sahen mich abwartend an.
„Es begann alles vor ungefähr zehn Jahren. Ich war damals erst sechs gewesen, als wir von Vampiren angegriffen wurden. Sie töteten meine Eltern, Freunde und Bekannten. Und mich wollte er zu seines Gleichen machen. Also biss er mich und trank einen kleinen Teil meines Blutes und verabreichte mir sein Gift, das mich dann zum Vampir machen sollte. Ich hatte keine Angst vor dem Tod oder was auch immer mit mir geschah, denn ich wusste, dass ich alleine war. Niemand war übrig geblieben. Sie haben alle getötet. Da tauchte plötzlich Raise wie aus heiterem Himmel auf...“
„Ja, dass ist so seine Art“, sagte Kainah lächelnd und bedeutete mir weiter zu sprechen.
„Er rettete mich aus den Klauen dieses blutrünstigen Vampirs und brachte mich in Sicherheit.“
„Aber wenn er dir das Gift verabreicht hat, dann müsstest du doch jetzt eigentlich ein Vampir sein.“
„Das stimmt schon, aber es ist nicht geschehen weil... weil Raise das Gift aus mir heraus gesaugt hatte...“
Ich legte meine Hand auf die Stelle, wo die Narbe des Vampirbisses war.
Erstaunt sahen sie Raise an und dann wieder mich.
„Aber das ist unmöglich. Er hätte dich aus Blutgier töten müssen, da du damals nur ein kleines Mädchen gewesen bist und auch noch angeschlagen warst.“
„Selbst wenn er mich getötet hätte, es wäre ein angenehmer Tod gewesen.“
„Ich hatte mich unter Kontrolle“, entgegnete Raise ernst und sah die beiden Vampire an. „Ich war immerhin kein junger Vampir zu der Zeit gewesen. Wie ihr ja sicher wisst, lebe ich schon über fast zweitausend Jahren auf der Erde. Blut hat für mich keinen besonderen Reiz mehr. Natürlich hat Emilys Blut verführerisch gut geschmeckt. Es ist aber kein Grund sie gleich zu töten. Ich habe schon lange keine Menschen mehr getötet. Da es nicht mehr nötig ist. Früher waren die Menschen genauso wie die Organisation für die Emily arbeitet hinter Vampiren her, doch mit der Zeit wurden die Nachtwesen zu Mythen und kamen nur noch in Büchern vor.“
Mit großen Augen starrte ich ihn an.
Ich konnte nicht glauben, dass er schon so lange als Vampir lebte.
„Mit wie viel Jahren bist du gestorben?“, fragte ich ihn daher neugierig.
„Mit neunzehn. Warum?“.
„Das hat mich nur interessiert. Ich meine wir haben nie wirklich über dich gesprochen. Es gibt so vieles was ich nicht von dir weiß.“
„Du kannst mich alles fragen, was du willst. Ich werde es dir gerne beantworten.“
„Was ist mit deiner Familie? Hattest du Geschwister?“
„Meine Eltern sind schon seit langer Zeit tot. Sie haben nie erfahren, was aus mir geworden ist, denn es war besser so. Für sie und auch für mich. Ich wollte ihnen keine Sorgen machen, also hielt ich es für das Beste, wenn sie glaubten ich bin tot. Meine Geschwister leben wie ich auch, als Vampire.“
„Was ist mit ihnen passiert? Warum sind sie nicht bei dir?“
„Wir sind unsere eigenen Wege gegangen, aber wir sehen uns auch des öfteren. Sie haben beide Partner gefunden. Mein Bruder lebt mit seiner Gefährtin in Rumänien und meine kleine Schwester lebt mit ihrem Gefährten nicht all zu weit weg von hier.“
„Was ist aber mit dir? Warum hattest du all die Jahre keine Gefährtin?“
Lächelnd sah er mich an.
„Es gab niemanden zu dem ich mich wirklich hingezogen fühlte. Also blieb ich die Jahre alleine. Aber es scheint sich alles zu ändern. Seitdem ich dich getroffen habe, weiß ich, dass es von nun an anders sein wird. Ich will mein Leben mit dir verbringen.“
Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust.
„Ihr solltet jetzt gehen“, erwiderte Kainah freundlich. „Wenn ihr heute noch essen gehen wollt. Die Restaurants haben nicht die ganze Nacht offen.“
Raise erhob sich vom Sofa und hielt mich dabei in seinen Armen.
„Dann wollen wir mal.“
„Komm uns bald mal wieder besuchen“, sagte Kainah zum Abschied.
„Mach ich.“
Und dann lief Raise auch schon mit mir los und flog mit mir durch den Sternenhimmel über die Dächer der Stadt London.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn.
„Ich liebe dich“, sagte ich und strich ihm mit der rechten Hand liebevoll über die Wange.
„Bist du glücklich?“
„Ja. Sehr sogar.“
„Du gibst mir so viel Emily. Du weißt gar nicht, wie glücklich du mich machst. Ich hab noch nie so viel Liebe für irgendjemanden empfunden, nicht einmal für meine beiden Geschwister.“
„Du bist mir wichtiger, als mein Leben. Und sie hatten unrecht.“
„Wer?“
„Kainah und Lexes. Ich würde es verhindern, dass dich irgendjemand erschießt. Eher würde ich mich in den Schuss werfen, als das ich zusehen würde, wie dich diese Kugel trifft.“
„Es wird niemals soweit kommen.“
„Aber wenn es doch einmal so kommen würde, dann wäre ich die jenige, die dich vor dem Tod rettet.“
Raise sah mich nur an und dann lächelte er.

Impressum

Texte: Copyright by Cassedy
Tag der Veröffentlichung: 03.06.2010

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