Mein Retter, der Vampir
Die Luft war sehr kühl geworden und die Nacht brach herein, als ich durch die Straßen von New Jersey ging.
Hinter mir hörte ich leise Schritte näher kommen.
Irgendetwas oder Irgendjemand verfolgte mich unauffällig.
Ich blieb stehen und drehte mich mit angstgeweiteten Augen um, doch hinter mir war niemand zu sehen.
Eine gewisse Unruhe erfüllte mich und ich ging schneller.
Kaum hatte ich mich in Bewegung gesetzt, ertönten wieder die Schritte hinter mir.
Kalter Schweiß lief mir über den Rücken und ich fing heftig zu zittern an.
Ich ging weiter entlang der Straße und hoffte, die Schritte hinter mir würden verstummen.
Die glatte Panik ergriff mich, sodass ich mich zwingen musste, nicht loszulaufen.
Meine Angst wuchs mit jedem Schritt mehr.
Ich ging immer weiter, bis ich plötzlich auf ein verlassenes Geländer kam.
Meine Beine waren schon ganz taub und ich war außer Atem.
Langsam sackte ich nach vorne auf die Knie und stützte mich mit meinen Händen am Boden ab. Der Schweiß tropfte von meiner Stirn runter.
Ich keuchte und versuchte wieder zu Atem zu kommen.
Die Schritte wurden jetzt lauter, doch sie waren nicht hinter mir, sowie ich dachte.
Nein! Sie waren direkt vor mir.
Erschrocken blickte ich auf und sah eine schwarze Gestallt auf mich zukommen.
Vor Schreck rappelte ich mich vom Boden auf und wich vor der Gestallt zurück.
Er kam immer näher und näher.
Er schob seine Lippe zurück und scharfe, spitze, lange Eckzähne kamen zum Vorschein.
Sie glänzten selbst in der Dunkelheit.
Ich sah ihn ängstlich an und wusste jetzt was er war.
Er war ein skrupelloser Vampir, der jagd auf Menschen machte.
Als ich daran dachte, lief mir ein eiskalter Schauer den Rücken runter.
Das Entsetzen stand mir ins Gesicht geschrieben und ich wusste, ich musste jetzt sterben.
Der Vampir kam mit schnellen, anmutigen Schritten auf mich zu.
Er lächelte mich gefährlich an, sodass er seine weißen Zähne nur noch mehr zum Vorschein brachte.
Ich hatte große Angst, doch ich konnte ihm einfach nicht entkommen, egal was ich tun würde.
Mit einer blitzschnellen Bewegung, die meine menschlichen Augen nicht erfassten, packte er meine Kehle.
Er war so groß, dass der Boden unter meinen Füßen verschwand.
Meine Beine baumelten in der Luft und ich versuchte mich mit meiner letzten Kraft aus seinem eisernen Griff zu befreien.
Es war aussichtslos.
Mein Bewusstsein schwand und mir wurde ganz schwarz vor Auge, also schloss ich sie einfach.
Es war zu Ende und mein Leben beendet.
Doch plötzlich fiel ich zu Boden und der Griff an meiner Kehle verschwand.
Ein lautes Krachen war zu hören.
Ich konnte wieder Luft holen.
Meine Hand wanderte zu meinem Hals.
Verwundert und erschrocken von dem Lärm, öffnete ich meine Augen ein klein wenig und sah jemanden vor mir stehen.
Er war atemberaubend schön und auch ein Vampir.
Die blasse Haut, die Schönheit und dann auch noch die Stärke mit der er den anderen Vampir von mir gestoßen hat und mir somit für einen Moment das Leben gerettet hat.
Aber ob er wirklich eine Chance gegen dieses Monster hatte?
Mutig und ohne jegliche Furcht stellte er sich einfach so dem blutrünstigen Jäger, um gegen ihn zu kämpften.
Ich konnte es nicht mit ansehen, denn ich hatte aus unerklärlichen Gründen Angst. Angst, dass meinem Retter etwas passieren könnte.
Es dauerte nicht lange und dann war der Kampf auch schon beendet und mein unbekannter Retter hatte gewonnen
Mit langsamen und vorsichtigen Schritten kam er auf mich zu.
Meine Angst war verflogen und ich ging ihm entgegen.
Warum genau ich das tat wusste ich nicht.
Irgendetwas in mir verlangte einfach nach ihm und ließ mich die Angst von eben vergessen.
Mein Herz schlug schneller und mein Atem ging rau und hastig.
Wärme breitete sich in mir aus und meine Wangen röteten sich ganz leicht.
Was war nur plötzlich los mit mir.
Er war schließlich ein Fremder, der mich, zu meiner Ehrleichterung, gerettet hat.
Aber was ist, wenn er es nur getan hat, damit ich am Ende doch noch als sein Abendessen endete.
Schließlich ernährten sich Vampire doch von Blut. - Menschlichem Blut, um genau zu sein!
Und doch hatte ich keine Angst.
Direkt vor ihm blieb ich stehen und schlang meine Arme um seinen Hals.
Ich war überrascht, wie vertraut sich das doch für mich anfühlte.
„Danke“, flüsterte ich ihm ins Ohr. „Ich verdanke dir mein Leben Fremder!"
„Schon gut Anna“, sagte er und strich mir übers Haar.
Ich wich leicht zurück und sah ihn an.
Erschrocken darüber, dass er meinen Namen wusste, obwohl ich ihn doch eigentlich gar nicht kannte.
Würde ich jetzt vielleicht doch sterben müssen?
War er ein perverser Stalker, der mir seit Tagen hinterher schlich und nur verhindert hatte, dass mich der andere Vampir umbrachte, weil er sich selbst mit mir vergnügen wollte, bevor mein Herz seinen letzten Schlag tat?
Ich schämte mich ein wenig über diesen Gedankengang.
Wie konnte ich nur so etwas überhaupt von ihm denken?
Immerhin hatte er mich gerade gerettet und auch noch nicht versucht mir irgendwie an die Wäsche zu gehen.
Ich war die jenige, die sich ihm an den Hals geworfen hat, wobei ich noch nicht einmal wusste warum ich so reagierte.
Sicher lag es nicht daran, dass er mein Held war und mir einen qualvollen Tod erspart hatte.
Na ja, vielleicht ja ein wenig, aber was war dann der andere Grund?
Ich empfand doch nicht etwa etwas für diesen Fremden, den ich noch nie zuvor gesehen hatte oder?
Das konnte einfach nicht sein und doch sagte mein Gefühl mir, dass ich richtig lag.
Während ich so darüber nachdachte, musterte der Fremde mich besorgt.
Warscheinlich lag es an meiner Reaktion eben gerade und jetzt hatte er wohl Angst, dass ich gleich einen Schock bekam oder zusammen brach.
Das konnte ich ihm nicht verübeln.
Ich hatte selber gerade das Gefühl, dass ich gerade etwas neben mir stand.
Ist ja auch kein Wunder, wenn man bis eben noch der festen Überzeugung war, sterben zu müssen.
„Was ist mit dir?“, fragte er mich dann schließlich.
Sorge schwang in seiner Stimme mit.
Irgendwie doch süß, dass er sich Sorgen um mich machte oder etwa nicht?
Schließlich gibt es nur wenig von diesen Typen, die einen retten und sich dann rührend um einen kümmern.
„Woher... weißt du... wie ich... heiße?“, brachte ich nur stotternd heraus und meine Stimme hörte sich schon fast piepsig an.
„Ach“, fing er an und suchte nach den richtigen Worten.
Wahrscheinlich wollte er mich nicht wieder erschrecken oder so.
„Na ja, ich habe dich schon seit einiger Zeit beobachtet und wollte dich näher kennen lernen.“
Er zuckte mit den Schultern.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, sagte ich grimmig.
„Wie gesagt. Ich wollte dich kennen lernen, also habe ich bisschen über dich recherchiert und ich hab gehört, wie die anderen dich bei diesem Namen nannten.“
„Warum das Ganze?“
„Ich mag dich sehr Anna. Schon vor langer Zeit bist du mir aufgefallen.“
„Aber warum ich?“, fragte ich uund versuchte zu begreifen, warum er ausgerechnet mich ausgewählt hatte.
„Du bist erstaunlich interessant für einen Menschen. Ich fühle mich sehr wohl in deiner Nähe. Es ist so, als würdest du mich magisch anziehen. Ich fühle mich sehr verbunden mit dir und das schon seit einigen Jahren. Ich kann es dir nicht erklären. Es ist einfach so.“
Ich sah ihn an, doch ich konnte nicht antworten.
Ich ließ meine Arme sinken und wich vor ihm zurück.
Erschrocken sah er mich an und schien darauf zu warten, dass ich etwas sagte.
Als ich nicht antwortete, ergriff er das Wort.
„Hab ich irgendetwas falsch gemacht Anna?“
Ich schaute zur Seite und blieb weiterhin still.
„Sag doch etwas“, bat er mich.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und drehte mich zu sich, sodass ich ihn ansehen musste.
„Lass mich bitte los!“, sagte ich verzweifelt.
„Erst wenn du mir sagst, was mit dir los ist. Hab ich irgendetwas falsch gemacht?“, fragte er noch einmal.
„Nein“, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Es ist nur... na ja... das was du gesagt hast... stimmt das?“
Ich versuchte seinem Blick auszuweichen, doch ohne Erfolg.
„Ja, natürlich, warum fragst du?“
Er sah mich neugierig an.
„Ich... ich kann nicht“, stotterte ich und wollte schon davon laufen.
Er ließ mein Gesicht los und griff nach meinem Arm.
Er zog mich zu sich heran und schlang seine Arme um mich.
Ich legte meinen Kopf an seine Brust und schloss die Augen.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich in die Stille.
„Wofür entschuldigst du dich?“, fragte er verwirrt.
„Dafür, dass ich einfach davon laufen wollte.“
„Willst du es denn immer noch?“
„Ja“, flüsterte ich ganz leise.
„Das musst du aber nicht oder fürchtest du dich so sehr vor mir?“
„Nein“, sagte ich entschlossen. „Ich habe nur vor dem Angst, was ich für dich fühle. Dieses Gefühl ist einfach so neu für mich.“
„Für mich auch, wenn es dich beruhigen sollte.“
„Das tut es in der tat.“
„Darf ich dir mal etwas erzählen?“, fragte er ganz leise an meinem Ohr.
Ich zitterte. „Ja“, hauchte ich dann.
„Du bist die erste, die versucht hat vor mir davon zu laufen, doch nicht weil sie Angst vor mir hat. Nein! Du wolltest davon laufen, weil du mehr für mich fühlst, als du dir eingestehen wolltest.“
Er machte eine kurze Pause.
„Aber dass du es versucht hast, zeigt mir, dass ich wohl jetzt noch besser aufpassen muss, dass du mir nicht davon läufst“, sagte er lachend. "Ich werde dich nie wieder gehen lassen mein kleiner Liebling!"
„Ich fühle mich ganz wohl in deiner Nähe, obwohl es nicht sein dürfte. Es kommt mir alles so vertraut vor, so als wäre ich schon eine Ewigkeit mit dir zusammen“, sagte ich und konnte nicht verhindern dabei rot zu werden.
Ich drehte mein Gesicht von ihm weg und starrte zur Seite.
„Was fühlst du für mich?“, wollte er wissen.
„Mehr als ich eigentlich sollte. Ich dürfte nicht so stark für dich empfinden und doch tu ich es.“
„Hast du Angst, vor dem was ich bin oder was ich dir antun könnte?“, fragte er traurig, doch zugleich voller Ernst.
„Nein!“, sagte ich ohne lange darüber nachzudenken. „Ich habe nur davor Angst, dass... dass ich nicht mit dir zusammen sein kann, denn du wirst irgendwann wieder gehen. Schließlich bist du ein Vampir. Für dich sind alle Wege offen!“
„Du bist das erste Mädchen, das mich nicht als Monster sieht, sondern mich so akzeptiert, wie ich bin“, sagte er und klang dabei etwas niedergeschlagen.
„Das liegt wohl daran, dass sonst niemand das Schöne in dir sieht.“
„Das glaube ich wohl kaum“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ich bin ein abscheuliches Wesen.“
„Nein, das stimmt nicht. Du bist nicht wie die anderen. Du bist etwas besonderes. Du hast mir das Leben gerettet und damit bewiesen, dass du etwas Gutes in dir trägst. Du bist viellecht ein Vampir und musst dich von Blut ernähren, doch ich bin mir sicher, dass du noch nie einen Menschen getötet hast, auch wenn ich dich nicht besonders gut kenne.“
Ich sah ihn an und lächelte.
„Wir reden hier die ganze Zeit und dabei weiß ich gar nicht, wie du heißt.“
„Adrian“, sagte er zögernd.
„Bereust du es eigentlich, mich gerettet zu haben?“
„Nein! Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte er wütend und sah mich mit einem finsteren Blick an.
Seine Augen wurden ganz leicht schwarz und verengten sich zu kleinen Schlitzen.
Sein Anblick erinnerte mich ein wenig an eine Raubkatze, die sich zum Angriff bereit machte.
Obwohl mir sein Anblick ein wenig Angst machte, blieb ich ganz dicht bei ihm, denn ich wusste, er würde mir nichts tun.
„Ich weiß nicht. Ich wollte einfach sicher gehen, dass du es nicht bereust. Immerhin weiß ich jetzt sehr viel über dich, mehr als ich eigentlich wissen dürfte.“
„Ich bereue nichts. Ich bin froh dich gerettet zu haben. Es ist schön sich endlich mal mit einem Menschen so unterhalten zu können, wie wir beide es gerade tun, ohne dass sie gleich verängstigt davon laufen wollen. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mensch die Angst vor mir einfach so verliert.“
„Ich...“, begann ich und schwieg verunsichert.
„Ja?“, fragte er.
„Nichts schon gut“, sagte ich und versuchte Abstand zu gewinnen.
Er wusste was ich vor hatte und schlang seine Arme fester um mich, sodass ich ganz nah an seiner Brust stand und keine Bewegungsfreiheiten mehr hatte.
Ich hörte in seiner Brust ein ganz leises und viel zu langsames Pochen. Das musste sein Herz sein, obwohl ich wusste, dass das Herz der Vampire aufhört zu schlagen, sobald sie sich verwandeln, wusste ich mit Sicherheit, das es sein Herz war, was da schlug.
„Warum schlägt dein Herz noch immer?“, fragte ich verwundert.
„Unsere Herzen hören nie ganz auf zu schlagen. Sie schlagen nur noch sehr schwach, doch selbst wenn unser Herz aufhört zu schlagen, leben wir weiter, doch wir werden, dann oft zu kaltblütigen Mördern. Unsere Haut ist daher auch nicht ganz so eisig, wie einige Menschen es glauben. Unsere Haut ist eigentlich ganz angenehm für Menschen.
Je nachdem wie eng die Verbindung zu einem bestimmten Menschen ist, desto wärmer empfindet dieser unsere Haut und eine Vertrautheit entwickelt sich, die niemand in Frage stellen würde.“
Er lächelte mich mit einem schiefen Lächeln an.
„Ach deshalb fühlst du dich erstaunlich warm an und bist mir so vertraut.“
„Ja genau. Sagst du mir jetzt, was du mir vorhin sagen wolltest, es aber doch nicht getan hast?“, fragte er und sah mich eindringlich aber auch neugierig an.
Ich schüttelte nur den Kopf.
„Bitte“, sagte er und seine Augen glühten förmlich.
„Nein!“, sagte ich voller Entschlossenheit.
„Bitte Anna“, sagte er wieder und sah mich flehend an.
„Also gut“, gab ich mich geschlagen.
„Ich liebe dich“, flüsterte ich und verbarg das Gesicht an seiner Brust.
„Ich dich auch“, sagte er glückselig und strich mir mit seiner Hand übers Haar.
Ich blickte auf. Sein Gesicht war jetzt ganz nah bei meinem und dann trafen seine Lippen auf meine.
Texte: Copyright by Cassedy
Tag der Veröffentlichung: 24.04.2010
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