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Prinzessin der Nachtwesen

Die Flucht



Es war dunkle Nacht, als ich in einem schnellen Tempo durch den Wald lief, um meinen Verfolgern zu entkommen.
In mir war die Angst deutlich zu spüren. Angst davor sie könnten mich doch noch einholen und wieder zurück bringen.
Doch ich wollte nie mehr zurück kehren.
Ich wollte ein normales und besseres Leben haben.
Ein Leben in Freiheit, doch so würde es nicht sein, wenn ich wieder zurück musste.
In diesem Moment fühlte ich mich nicht länger wie eine Gefangene, sondern frei.
Und ich war bereit für diese errungene Freiheit zu kämpfen.
Egal wie hart der Kampf auch werden würde, ich wusste es lohnte sich für mich.
Das spürte ich ganz tief in mir drin.
Zuhause – wenn man das überhaupt so nennen konnte – wurde ich eingesperrt. – Keine Freiheiten und vor allem keine Freunde.
Ich war einsam und so fühlte ich mich auch.
Die, die sich als meine Freunde ausgaben, waren es nie wirklich gewesen, denn ich war das reichste Kind der ganzen Stadt Londons.
Meine Eltern lebten nicht mehr und darum kümmerten meine Tante Charlotte und mein Onkel Willfred sich um mich.
Sie hatten beide große Angst um mich, da sie fürchteten mir könnte das selbe Schicksal zustoßen, wie meinen Eltern zuvor.
Aber ich war es leid so leben zu müssen, eingesperrt und abgegrenzt von der Welt da draußen.
Ich wollte weit weg von unserer Villa und möglichst fort von London.
Nur deshalb hab ich diese Chance ergriffen und bin geflohen.
Es war nur zu klar, dass es nicht all zu lange dauern würde, bis sie mein Verschwinden bemerkten und die Wachleute losschickten, um mich zu suchen.
Ich hörte, wie sie hinter mir aufholten.
Hundegebelle kam immer näher und auch die Lichtkegel der Taschenlampen streiften mich immer wieder.
Mein Herz hämmerte wie verrückt und ich versuchte noch schneller zu rennen.
Ich blickte nur einen kurzen Augenblick nach hinten und stolperte dann über eine Baumwurzel.
Fast wäre ich gefallen, doch im letzten Moment fing ich mich wieder und lief weiter. Immer tiefer in den Wald hinein.
‚Es muss doch einen Weg geben, wie ich meine Verfolger abschütteln konnte’, dachte ich verzweifelt nach.
Je weiter ich in den Wald kam, desto dichter und dunkler wurde es.
Meine Sicht wurde immer schlechter.
Ich erkannte kaum noch wo ich eigentlich hin lief und stolperte immer häufiger über irgendwelche Wurzeln oder Äste.
Keuchend und völlig erschöpft bannte ich mir einen Weg durch das Unterholz.
Äste kamen mir entgegen und ich werte sie mit den Händen ab.
Immer wieder musste ich mich an einem der Bäume abstützen, um wieder einiger maßen zu Atem zu kommen.
Schweiß lief mir schon an der Stirn herab und meine Beine zitterten vor Müdigkeit.
Völlig erschöpft lehnte ich mich an einen Baum.
Ich konnte einfach nicht mehr, aber jetzt aufzugeben kam auch nicht in Frage, nachdem ich jetzt schon soweit gekommen war.
‚Sie dürfen mich nicht wieder einsperren’, sagte ich mir selber und stemmte mich vom Baum ab, um weiter zu laufen.
Meine Verfolger waren mir viel zu nahe gekommen.
Ich war durch die ganzen kleinen Pausen zurück gefallen.
Schon jetzt spürte ich die Schmerzen in den Gliedern, doch ich ignorierte es.
Es war stockdunkel geworden nicht einmal mehr der Mond war zu sehen.
Versteckt hinter einer schwarzen Wolke.
Hilflos sah ich mich nach einem geeignetem Versteck um, bevor ich noch vor Müdigkeit zusammen brach.
Unruhig drehte ich den Kopf von einer Seite auf die andere, doch es war nichts zu sehen.
Tränen rangen mir über die Wangen und die Verzweiflung machte sich in mir breit.
‚Ich bin verloren’, dachte ich panisch und stolperte dann über eine große Wurzel.
Dieses Mal fing ich mich nicht wieder, sondern stürzte zu Boden und verdrehte mir dabei ganz leicht den linken Fußknöchel.
Vor Schmerzen stöhnte ich auf, konnte den Schreib aber unterdrücken.
Ich blieb benommen auf dem Boden liegen und hielt mir die Hand auf den schmerzenden Knochen, der schon jetzt ganz leicht anschwoll und unheimlich wehtat.
‚Das ist das Ende’, sagte ich mir in Gedanken. ‚Sie werden mich finden und zurückbringen.’
Aber war es das wert jetzt aufzugeben, nachdem ich schon so weit gekommen war?
„Nein!“, sagte ich leise. „Ihr kriegt mich nicht. Niemals!“
Entschlossen rappelte ich mich wieder vom Boden auf und rannte weiter.
Oder sollte ich eher sagen humpelte ich weiter?
Das mein Körper nicht mehr konnte und mir kaum noch gehorchte, daran versuchte ich gar nicht erst zu denken.
Jetzt zählte es nur, dass ich den Wachen meiner Tante und meines Onkels entkam.
Schon jetzt konnte ich leises knurren dicht hinter mir wahr nehmen..
Das heißt, sie waren mir schon dicht auf den Versehn.
Durch die Verletzung kam ich nur langsam voran und stolperte immer öfters über irgendetwas unter mir.
Meine Hände waren aufgeschürft und blutig, da ich mich immer wieder irgendwo abstützen musste um nicht zu fallen.
Kein einzigen Gedanken verschwendete ich auch nur daran, wieder zurück zu gehen, auch wenn es vielleicht für mich besser wäre.
Nie wieder wollte ich zurück gehen! Nie wieder!
Also lief ich einfach weiter. Immer weiter in den Wald hinein.
Ich kam plötzlich auf eine freie Fläche, wo nur noch wenige Bäume standen.
Es war wie eine Lichtung, jedoch waren überall abgesägte Baumstämme.
Langsam lief ich daran vorbei, wie im Zickzack, um möglichst schnell wieder in den Wald zu kommen.
Auf so einer Fläche war ich leichte Beute für die Wachen und vor allem für die Hunde, wenn sie erst einmal frei gelassen wurden, um mich zu jagen.
Genau davor hatte ich Angst, auch wenn ich wusste, dass die Hunde mich nicht töten würden.
‚Was für ein tröstlicher Gedanke’, dachte ich sarkastisch.
Sie würden mich dennoch verletzen, auch wenn mir dafür das Leben blieb.
Es lenkte mich so sehr ab, dass ich nicht mehr darauf achtete, was vor mir lag.
Ich stolperte wieder einmal und prallte mit dem Kopf gegen einen Baum.
Mir war eigentlich nichts passiert, jedenfalls verspürte ich in diesem Augenblick keine Schmerzen, als ich dann plötzlich merkte, wie mir etwas warmes die Schläfe hinunter lief und dann zu Boden tropfte.
Mit zitternder Hand fasste ich mir an die Stelle und spürte sogleich einen stechenden und brennenden Schmerz, der mich zusammen zucken ließ.
Benommen richtete ich mich wieder auf und taumelte weiter.
Ich bekam kaum noch etwas mit, was um mich herum oder mit mir passierte.
Vor meinen Augen verschwamm alles und mir wurde ganz schwindelig.
Mein Atem ging jetzt noch rascher als er es ohne hin schon tat und dann gaben meine Beine unter mir nach.
Der Boden kam mir entgegen und ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen.
‚Jetzt bloß nicht nachgeben’, redete ich mir zu und öffnete meine Augen ein kleines bisschen, zu mehr schaffte ich es nicht.
Mühsam versuchte ich wieder hoch zu kommen.
Ich hatte einfach keine Kraft mehr.
Reglos blieb ich am Boden liegen und ergab mich meinem Schicksal.
Sofort spürte ich, wie ich immer schwächer und schwächer wurde, bis meine Augen sich irgendwann ganz schlossen und ich in die Dunkelheit eintauchte.
‚Das ist das Ende’, dachte ich, bevor ich mein Bewusstsein vollends verlor.
Das einzige, was ich am Rande noch mitbekam war, dass mich zwei muskulöse und starke Hände hochhoben.
Ein schmerzhaft süßer und anziehender Duft hüllte mich ein und dann versank ich auch schon in einer art Traumwelt.
Langsam kam ich dann wieder zu mir, doch meine Augen konnte ich noch immer nicht öffnen.
Meine Lider waren noch zu schwer, als das ich sie heben könnte und mein Körper zu schwach, um mir wirklich zu gehorchen.
„Ich glaube sie kommt langsam wieder zu sich“, hörte ich eine Frauenstimme leise sagen.
„Das wurde aber auch Zeit“, erwiderte eine andere Stimme, die jedoch männlich war. „Nachdem sie fast zwei Wochen durchgeschlafen hat. Ich frage mich nur vor wem dieses Mädchen davon gelaufen ist.“
„Ja, das würde ich auch gerne wissen. Sie war in einem grauenhaften Zustand, als Prinz Fly sie hier her gebracht hat.“
„Und sie roch nach Angst. Auf jeden fall ist sie hier erst einmal sicher. Wobei ich mich frage, warum es dem Prinzen so wichtig ist, dass es ihr gut geht und wir uns um sie kümmern sollen.“
„Er wird sicher seine Gründe haben. Wir sollten ihn am besten holen und ihm berichten, dass sie wieder zu sich kommt. Dann werden wir ja sehen, was Fly entschieden hat.“
„Ist gut“, stimmte er dem Mädchen zu und dann war es wieder still im Zimmer.
Wer auch immer die beiden waren, ich kannte sie nicht.
Ihre Stimmen kamen mir nicht bekannt vor.
Somit war klar, dass mich die Wachen nicht gefunden hatten, um mich wieder zurück zu bringen.
Aber wo war ich dann nur? Und vor allem, wer hat mich gerettet? Oder wer war dieser Fly von dem die beiden gesprochen hatten?
So viele Fragen gingen mir durch den Kopf. Aber es gab keine Antworten darauf.
Ich hatte einfach zu lange geschlafen und viel zu viel Zeit verloren.
‚Was war, wenn meine Tante oder mein Onkel mich hier fanden – wo auch immer ich jetzt war – während ich bewusstlos war?’
Mein Herz schlug schneller und panisch versuchte ich meine Augen zu öffnen.
Es war, als hielte mich jemand davon ab, dass ich wieder zu mir kam.
Meine Glieder fühlten sich unglaublich schwer an.
Aber ich merkte schon jetzt, dass ich langsam wieder zu Kräften kam.
Erschöpft hörte ich auf so gegen die Dunkelheit anzukämpfen.
‚Du bist hier doch sicher’, sprach ich mir selber Mut zu. ‚Dir kann nichts passieren.’
Langsam entspannte ich mich und war überrascht, als ich meine Augen öffnen konnte.
Mein Blick war noch etwas verschwommen, doch die Hauptsache war doch, dass ich wieder die Kontrolle über meinen Körper hatte.
Langsam fing ich an alles wieder klarer und deutlicher zu sehen.
Es war ziemlich hell im Raum, sodass ich ein paar mal blinzeln musste.
Aber ich gewöhnte mich schnell an die Helligkeit.
Ich war noch ziemlich benommen, als ich mich wieder daran erinnerte, was eigentlich passiert war.
Sofort fasste ich mir an die Schläfe und spürte einen leichten Schmerz, doch dieses Mal verdeckte ein Verband die Wunde.
Ich ließ meine Hände wieder sinken und sah erst jetzt, dass auch meine aufgeschürften Handflächen verbunden wurden.
‚Ich hab wohl so einiges nicht mitbekommen’, ging es mir durch den Kopf.
Erschöpft schloss ich die Augen wieder und döste ich vor mich hin, als plötzlich Schritte und Stimmen zu hören waren.
Erschrocken schreckte ich auf und öffnete sofort meine Augen.
Leicht verängstigt sah ich zur Tür.
Die Tür öffnete sich und schöne Gestallten kamen herein.
Sie waren ziemlich blass und zum sterben schön.
„Ah, du bist wach“, erwiderte die Frau.
Blondes, glattes Haar hing ihr über die Schulter.
„Du hast ziemlich lange geschlafen, weißt du. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, dass du nicht mehr zu dir kommen würdest.“
Sie kam zu mir, während der Mann einfach nur da stand und mich beobachtete.
„Ich bin übrigens Vainetta“, stellte sie sich freundlich vor. „Und das ist Wesley.“
Sie drehte sich leicht um und zeigte auf ihren Gefährten.
Er lächelte mir zu, blieb aber wo er war.
Wesley hatte dunkelblondes Haar, eine ziemlich muskulöse Brust und bereite Schultern.
Ich wandte meinen Blick von ihm ab und sah Vainetta in ihre hellblauen, leicht silbrigen Augen.
„Wo bin ich hier?“, fragte ich etwas schüchtern.
„In der Villa von Prinz Fly“, antwortete Wesley an Stelle von Vainetta.
Mit offenem Mund starrte ich ihn ungläubig an.
Wollte er mich auf den Arm nehmen?
Ich konnte unmöglich in der Villa eines richtigen Prinzen sein!
Es gab doch keine Prinzen mehr oder? Außerdem lebten die in großen, altmodischen Schlössern und nicht in einer Villa.
„Es gibt keine Prinzen“, sagte ich mir leise, sodass Wesley es eigentlich nicht hören dürfte.
„Natürlich gibt es noch Prinzen. Um ehrlich zu sein gibt es nur noch einen, jedenfalls da wo wir herkommen und dieser Prinz ist Fly“, erwiderte er zu meiner Überraschung.
„Fly wird bald hier sein, um nach dir zu sehen“, erzählte Vainetta. „Auch er hat sich große Sorgen um dich gemacht, als er die im Wald bewusstlos aufgefunden hat. Uns hat er aber nichts genaues erzählt.“
„Ich versteh es nicht“, murmelte ich. „Warum hat er mich gerettet und nicht da liegen gelassen? Und vor allem verstehe ich nicht, wie er mich so schnell retten konnte. Sie waren alle doch schon so nahe!“
Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und mein Körper zitterte, als ich wieder daran dachte, wie mich die Wachen von Charlotte und Willfred verfolgten.
Tränen liefen mir über die Wangen und ich schluchzte.
‚Was ist wenn sie mich hier doch finden?’, fragte ich mich plötzlich wieder.
Man würde mich dann wieder zurück bringen.
Mühsam stützte ich mich auf den Kissen ab, um hoch zu kommen.
Mein Atem ging etwas schneller und rauer, so anstrengend war es für mich.
„Hey, Moment mal was soll denn das werden...?“, sie überlegte kurz. „Ich nenne dich ab heute Lainah, da ich deinen richtigen Namen ja nicht kenne, oder willst du ihn mir vielleicht verraten?“
Ich öffnete meinen Mund und schloss ihn dann wieder.
Es war besser, wenn ich einen anderen Namen bekam, als meinen alten, da ich eh nicht lange hier bleiben würde oder?
„Nein!“, sagte ich also. „Lainah ist ein schöner Name. Er gefällt mir, als werde ich mich diesem Namen annehmen.“
Vainetta lächelte mich zufrieden und strahlend an.
„Obwohl ich dich noch gar nicht kenne, hab ich dich schon ziemlich gern Lainah. Ich hoffe du bleibst bei uns.“
„Das kann ich nicht“, antwortete ich traurig.
„Aber warum?“
„Sie werden mich hier finden und dann zurück bringen!“
Die Angst stieg wieder in mir auf.
„Hab keine Angst Lainah. Sie werden dir nichts mehr tun, wen auch immer du meinst. Wir werden dich beschützen. So ist es auch der Wunsch des Prinzen. In der Villa von Fly bist du sicher. Du stehst unter seinem persönlichen Schutz.“
Vainetta setzte sich neben mich auf die Bettkante und nahm mich dann freundschaftlich in den Arm.
„Also was sagst nun zu unserem Angebot zu bleiben?“
„Ich bleibe natürlich gerne“, antwortete ich, obwohl ich bis eben einer ganz anderen Meinung war.
„Aber auch nur wenn der Prinz nichts dagegen hat“, fügte ich dann leise hinzu.
„Es reicht ja schon, dass er mich gerettet hat. Mir damit die Freiheit geschenkt hat. Da will ich ihm nicht noch mehr Arbeit machen, als ich es eh schon tu.“
„Ich glaub nicht, dass Fly etwas dagegen hat, sonst hätte er dich ja nicht hier her gebracht. Aber mal eine andere Frage?“
„Ja?“
Ich sah Vainetta neugierig an.
„Was meintest du, als du sagtest, dass der Prinz dir die Freiheit geschenkt hat, indem er dich gerettet und in Sicherheit gebracht hatte?“
Wie sollte ich das am beste sagen, dass ich von meiner Tante, sowie von meinem Onkel wie eine Gefangene behandelt wurde?
„Ist nicht so wichtig“, antwortete ich stattdessen.
„Du möchtest nicht darüber reden!“
Es war eine Feststellung und keine Frage.
Mit einem kurzen Nicken gab ich Vainetta zu verstehen, dass sie richtig lag.
Ich wollte nicht länger daran erinnert werden.
„Lainah“, sagte Wesley. „Du solltest nicht länger an das Vergangene denken. Es liegt hinter dir. Wie Vainetta schon gesagt hat, du bist bei uns sicher und ab sofort ist hier dein neues Zuhause. Aber ich denke Fly wird noch mit dir darüber reden und dir alles erklären.“
„Wann wird dieser Fly hier sein?“, fragte ich und sprach den Namen zu meiner eigenen Überraschung sanft, schon fast liebevoll aus.
Ein seltsamer Blick huschte über Wesleys Gesichtszüge und auch Vainettas Blick hatte etwas seltsames, bevor beide ziemlich zufrieden lächelten.
„Er wird bald hier sein“, antworteten beide gleichzeitig und dann ging auf einmal die Tür auf.


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Tag der Veröffentlichung: 23.04.2010

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