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Kruzigriechen,

der Schreck steckt eurer principessa aber noch gaaanz tief im königlichen Skelett... ich muss wohl eine halbe Stunde in den Äpfeln gewesen sein, das sagen diese reizenden Französchen so charmant zu einer stinkordinären Ohnmacht. Aber am besten erzähl ich mal der Reihe nach, nur noch einmal schnell das Riechfläschchen aus dem Pompeldur gekramt und-

So, das war ein Tag- an Tagen wie diesen sollte manch einer und manch eine einem populären Irrtum zum Trotz lieber nicht morgens noch halb verschlafen in die Küche taumeln. Und genau das widerfuhr mir. Heute. Vor dem Frühstück. Die Erbin des trojanischen Thrones (eine hübsche assonierende Alliteration, beim Zeus!) rauschte also so elegant, wie frau halt nach nur zehn Stunden Schönheitsschlaf sein kann (ich trug, ihr erinnert euch, den Kapuzenmantel aus veilchenblauer Seide- leider ein wenig mit Eigelb verunziert) in L.U.Zifers supermoderne Einbauküche mit Wööörkbäntsch, heißem Stein, ArmeSünderWok und HaiTeck-Spülmaschine und war gerade im Begriff, einen Espresso zu zapfen, da zog es wie Hechtsuppe hinter mir und eine Frau, so alt wie die Welt, trippelte hinter einem Einkaufswägelchen von OLDIE zum Spülstein. (Später sollte ich erfahren, dass Madame zu eitel war, einen Rollator wie jede andere Greisin zu benutzen; sie psalmodierte, das sei arg praktisch, mit diesem Wägelchen könne sie nebenbei auch immer ihre sechsmalssechsmalsechs Sachen mit sich führen...)

Sie hatte ein quetschfaltiges kleines Frettchengesicht und ein paar flusige fussige Haare auf dem Kopf. Ihr zahnloses Mündchen zu so etwas wie einem wölfischen Grinsen (ja Taps, so was gibt es!) verziehend brabbelte sie phonetische Hieroglyphen vor sich hin, und ich, der Altgriechisch, Aramäisch und Kölsch wie ihre Muttersprache geläufig sind, verstand NIX. Zum Glück eilte in diesem Augenblick LU herbei, ein Wasserglas in der Rechten, lief Mütterchen Wackelkopf entgegen, griff in das Glas und--- setzte dem Altertümchen ein Gebiss in den Mund. „Omi, du sollst doch nicht immer ohne deine Beißerchen herumlaufen, das gehört sich nicht, denke doch bitte an unsere hohe gesellschaftliche Stellung! Wir sind zwar von uraltem Adel, aber doch nicht degeneriert, gell?“

Die Alte kicherte verschämt wie ein eingelaufener Backfisch, und LU machte uns miteinander bekannt. Vor mir stand die berüchtigte Messalina Laura-Sophie, Satans Großmutter... Nun ja, „stehen“ ist vielleicht nicht ganz so fein beobachtet, sie trat von einem Beinchen auf das andere, und ihr Vogelgesichtchen verzog sich zu einer weinerlichen Grimasse.

LU nahm mich zur Seite und flüsterte mir zu, es werde „immer schlimmer mit Oma“, eigentlich gehöre sie schon seit hundert Jahren in ein gutes Pflegeheim, denn seine Chantal sei mit Haushalt und so weiter höllisch überfordert, da könne sie nicht alle naselang mit MLS zur ToiToiToi, und da bekäme Omi halt einmal am Tag eine LadyDi, und fertig sei die Laube. Omi aber hasse diese Höschen wie der Teufel das Weihwasser, höhö, und ob ich, die ich die Welt in allen Himmelsrichtungen kenne, denn nicht ein bezahlbares Pflegeheim, vielleicht in Griechenland oder noch weiter weg, in Thailand? Aber bezahlbar müsste es sein, denn die Pflegeversicherung zahle nicht genug, Omi habe nur Pflegestufe 1. Auf jeden Fall sollte Omi aber ihr Haustierchen mitbringen dürfen, das ihr bereits in (oder neben?) die Wiege gelegt worden sei.

Dann setzte der Gute Messalina Laura-Sophie und mich in den Wintergarten, wo ein paar sehr schöne fleischfressende Pflanzen gediehen und gemütlich breite Korbsessel auf uns warteten. Omi bekam den mit der Plastikauflage, „für alle Fälle“, und so saßen wir erst einmal stumm einander gegenüber. Omilein saß aufrecht, mit leicht geröteten Bäckchen, in ihrem Sessel und hielt ihre Louboutin-Handtasche fest, die sie seltsamerweise in einen Damen-Feinrippschlüpfer gesteckt hatte. Aber was wollt ihr, die alten Leutchen haben halt ihre liebenswerten Marotten, und die sind mir immer noch lieber als der Schmonzes, den etwa die Schwarz-Gelben tagtäglich- ich mein jetzt nicht (!) die Kicker, capisce? MLS kramte unentwegt in ihrer Loubou, fand aber wohl nicht, was sie suchte. Seltsam war allerdings, dass ihre Tasche ein Eigenleben zu haben schien. Aber schließlich waren wir ja in der Hölle, da gelten andere Gesetze. Das Großmütterchen klagte, es gehe ihrem kleinen Schätzchen heute gar nicht gut, nicht einmal die Buttermilch habe es süffeln wollen. Auf meine Frage, ob sie denn bereit wäre, in ein Pflegeheim in Vorderasien oder noch weiter hinten, in Thailand oder Vietnam oder Afghanistan, zu ziehen, antwortete sie ohne zu zögern, jeder

Ort sei ihr recht, an dem sie höllisch gut versorgt werde und Vanessa mitbringen dürfe. Ob ich die Kleine vielleicht einmal streicheln wolle? Sie zog ein silbernes Pfeifchen aus ihrer Loubou-Bag und lockte Vanessa herbei. Mir aber fielen fast die Augen aus dem Kopf. Es war d i e Vanessa, die aus dem Paradies. Eine schwarze Mamba. Danach kann ich mich an nichts mehr erinnern...

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Texte: c2010
Tag der Veröffentlichung: 18.11.2012

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