Wie viel Menschen schreiben, davon hat man gar keinen Begriff. Von dem, was davon gedruckt wird, will ich gar nicht reden. Man sagt nun allenthalben, die Stoffe lägen auf der Straße. Müssen sie also nur aufgehoben werden von uns Schriftstellern? Einige steigen als leuchtende Kugeln und andere zünden, manche auch werfen nur spielend, das Auge zu erfreuen. So what, wie der von mir hoch verehrte Maestro Shäkspeare humorvoll zu interpellieren pflegte?
Bin gestern über die Buchmesse geschlendert und habe mit manch einem Verleger geplaudert… sie alle begegneten mir mit großer Ehrerbietung, boten mir auch den von mir so adorierten Kaffee an, und klagten mir, es gebe so herzlich wenig neue Talente
.Ob denn nicht ich vielleicht, als Lichtgestalt der deutschen Litteratura? Darob musste ich gar herzlich lachen, denn ich schweige zu vielem still, ich mag die Menschen nicht irre machen und bin wohl zufrieden, wenn sie sich freuen da wo ich mich ärgere. Zudem ist es nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun. Und in diesen modernen Zeiten, da Sprache zu kümmern scheint und sich der allergrässlichsten Verstümmelungen erwehren muss (was bedeuten denn, bitte schön, die Kürzelchen LOL? ROFL? Und was in aller Welt ist mimimi??? ), in diesen Zeiten sollten wir doch dankbar sein für jedes Talent, das zur Feder greift…ich bediene mich immer noch gerne der mir vertrauten Phrase, da ich mit den elektronischen Ungetümen, die da Laptop heißen, wenig anzufangen weiß…
Und vor einem Problema stehen wir Dichter und Schriftsteller seit Jahrhunderten: Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken. Und ist es dann nicht verzeihlich, wenn die Jugend irrt? Freilich, wenn man alt ist, muss man mehr tun, als da man jung war… da war alles Gefühl und Schwang und Drang. Auch ich habe damals einen Bestseller, wie ihr Heutigen sagt, geschrieben, den sogar ein Napoléon mit aufs Schlachtfeld genommen haben soll. Werden denn derartige Bücher heutzutage nicht mehr geschrieben? Werden sie so verlegt, dass man sie gar nicht mehr findet? Gibt es gar eine geheime Literatur, die nur den Eingeweihten bekannt ist? Wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein. Doch gilt es, die Ströme der Zeiten beherzt zu durchqueren und Wahrheiten zu entdecken, die sich nur dem unverstellten Auge darbieten. Wer aber durch Brillen sieht, hält sich für klüger, als er ist. Und das, liebe Heutige, scheint mir des Pudels Kern zu sein ( o ihr Xenien, wie lange habe ich diese Formulierung nicht mehr verwendet!). Kritiker wehklagen und entrüsten sich gar, es gebe keine Romane mehr, keine Werke von Weltgeltung… Gewiss, der literarische Erstling eines jungen Mädchens, ich glaube, er hieß „Affentottel“, war ein literarisches Ärgernis, aber: er hatte großen Erfolg auf dem „Markt“. Und diese Kasus stimmt mich bedenklich… die heutige Literatur scheint mir zu sehr an dem sich auszurichten, was man gemeinhin den Geschmack des Publikums nennt. Und da Profit der Gott der Stunde ist, nun, so bleiben manche bemerkenswerte Bücher ungelesen, weil sie nie gedruckt wurden. Auf euer „Internet“ geb ich in diesem Falle wenig, denn an diesem Orte wird viel Allotria getrieben, aber keine Kunst geboten.
Glaubt einem alten Federfuchs— Ernst ist das Leben, heiter die Kunst, wie mein lieber Schiller einmal gesagt hat. Sucht nach guten Büchern. Ihr werdet sie auch weiterhin finden. Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.
Meint euer alter Freund
Goethe
Texte: c2010
Tag der Veröffentlichung: 12.10.2012
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