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Was für ein Krach, was für ein Lärm. Da hört doch jemand " die Fische miteinander Lärm anfangen, dass es in den Himmel hinaufscholl“, und zwar im Märchen vom Schlaraffenland. Der moderne Zeitgenosse wird ob eines derartigen „Lärms“ wohl nur müde lächeln.
Hast du, lieber Leser, etwa schon einmal einen Tag ganz ohne „richtigen“ Lärm erlebt? Wohl kaum, denn Lärm gehört zu unserem Leben, Lärm in allen Bereichen und in allen Formen.

Umgebungsgeräusche, die uns stören, bezeichnen wir im Allgemeinen als Lärm.So hat etwa der Geheimrat Goethe einen erbitterten Zwist mit seinem Nachbarn am Frauenplan ausgefochten, weil dessen lärmende Webstühle des Meisters Muße über die Maßen inkommodierten. Und sein berühmtes Gedicht "Wandrers Nachtlied" drückt wohl neben anderen Botschaften des Meisters Sehnsucht nach Ruhe aus.

„Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.“

Nun meint Goethe mit der Ruhe des Schlussverses natürlich die letzte, aber der große Mann legte halt auch Wert auf störungsfreies Arbeiten und nicht zuletzt auf seinen Mittagschlaf. Sicherlich waren besagte Webstühle laut, was zu beweisen gewesen wäre, denn Lärm ist messbar.

Ob wir Geräusche als Lärm wahrnehmen, hängt von unseren Stimmungen, unserer momentanen Verfassung und nicht zuletzt von unseren individuellen Vorlieben ab. So hört der eine Musik meistens recht laut und hat auch nichts dagegen, wenn der Nachbar demselben Laster frönt. Die meisten Eltern bleiben meist auch dann gelassen, wenn fremde Brut rumkreischt, was dagegen die Nachbarschaft an Umzug, Auswandern oder gar Mordkomplotte denken lässt. Und auch hier eine Begebenheit aus Goethes Kindheit:

"Die Meinigen erzahlten gern allerlei Eulenspiegeleien. Ich führe nur einen von diesen Streichen an Es war eben Topfmarkt gewesen und man hatte nicht allein die Küche für die nächste Zeit mit solchen Waaren versorgt sondern auch uns Kindern dergleichen Geschirr im Kleinen zu spielender Beschäftigung eingekauft An einem schönen Nachmittag da alles ruhig im Hause war trieb ich im Gerams mit meinen Schüsseln und Töpfen mein Wesen und da weiter nichts dabei heraus kommen wollte warf ich ein Geschirr auf die Straße und freute mich daß es so lustig zerbrach Die von Ochsenstein welche sahen wie ich mich daran ergetzte daß ich so gar fröhlich in die Händchen patschte riefen Noch mehr Ich säumte nicht sogleich einen Topf und auf immer fortwahrendes Rufen Noch mehr nach und nach sammtliche Schüsselchen Tiegelchen Kännchen gegen das Pflaster zu schleudern."

Das Wort Lärm wird etymologisch von den Herkunfts-Wörterbüchern wie folgt erklärt: Zum einen vom romanischen Schlachtruf „All' armi!“ (italienisch), zu deutsch: „Alle zu den Waffen!“ Zum anderen aus dem frühhochdeutschen als „Lerman oder Larman: Lärm, Geschrei“, später zusammengezogen zu dem erwähnten alarma bzw. alerman: Alarm.

Das hat vor allem damit zu tun, dass jeder Lärm auch eine subjektive Komponente hat (schon durch den Volksmund bestätigt: „Laut, das sind die anderen...“). Das heißt, Lärm wird zwar nicht unterschiedlich registriert, wohl aber unterschiedlich empfunden.

Trotz aller belästigenden oder gar schädigenden Wirkung des Lärms gehört ein Mindestmaß davon zum Leben. Nichts, das nicht mit Geräuschen verbunden wäre: Gemütsregungen wie Erleichterung, Freude, aber auch Trauer, von Erschrecken oder Warnrufen ganz zu schweigen. Kinder machen vermutlich am meisten menschlichen Lärm: Rufen, Singen, Schreien, und wahrhaftig: vielen Erwachsenen ist bereits das zu viel und kann natürlich auch eine tolerierbare Grenze überschreiten. Wo Menschen sind, da wird es laut.

Doch der Mensch braucht eben genauso die Stille. Auch Goethe, welcher die „sausenden Webstühle“ des nachbarlichen Webers nur schlecht ertragen konnte. Dabei ist noch nicht einmal die Stille als Hort der Kontemplation, der innerseelischen Betrachtung und der Kreativität, der geistigen Produktivität gemeint. Doch das wäre gerade in unserer Zeit und Gesellschaft wichtiger denn je. Denn um die Fülle an Informationen zu verarbeiten und in Wissen und sogar Weisheit zu verwandeln, braucht der Mensch die Stille. Ohne Stille kann nicht wirklich qualitativ Neues entstehen. Seelisches Wachstum und damit auch das von allen zum Zentrum unseres Lebens hochstilisierte wirtschaftliche Wachstum ist nur durch Phasen der Stille möglich: In der Selbstbesinnung, im Nachdenken in ruhiger, entspannter Atmosphäre, in der Verknüpfung von Erkenntnissen und damit geistigen Konstruktionen, die sich schließlich auch für die gesamte Gesellschaft als hilfreich und nützlich umsetzen lassen.

"Leise, leise! Stille, Stille! Das ist erst das wahre Glück." Dieser Ansicht jedenfalls ist unser Goethe…
Es ist also wenig erhellend, wenn Lärm lediglich als Schall betrachtet wird, der sich mittels Messung skalieren lässt. Und nun schließ leise diese Seite, lieber Leser, und gib dich der ungetrübten Ruhe und Muße hin.

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Tag der Veröffentlichung: 19.02.2012

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