Meine Lieben,
ich bin Hals über Kopf von Tauris geflohen
... noch ganz benommen von den unglaublichen Tagen auf dieser eigenartigen Insel. Ich hatte euch geschrieben, dass ich im Palast auf Alvértos II wartete, und was soll ich euch sagen? Geschlagene zwei
Stunden ließ dieser Parvenü
mich warten, mich, die ich im Gegensatz zu ihm immerhin von steinaltem Adel bin und Götter zu meinen Ahnen zähle, nicht wie dieser Gammelbaldi
, der ja in direkter Linie von Piraten abstammt. Und ich möchte nicht wissen, ob das Fürstentum nicht gar seine Portokasse den Raubzügen der Klytaimnestra verdankt?
Wie mir H.Omer berichtet hat, ist der Fürst auffällig oft fern von Tauris, und da muss eine Trojanerin nur zwei und drei zusammenzählen und bekommt entweder Sex oder aber Crime heraus, jawohl! An jenem Tag wartete ich mich also in einen wahren furor troyanos
hinein, als endlich die Tür zum Krim-Saal sich öffnete und ich– seiner taurassischen Hoheit angesichtig wurde. Stellt euch nun meine Ent-täu-schung vor, als ich eines zyklopischen Dilldopps gewahr wurde, der mich mit seinen blassblauen kreisrunden Augen musterte, die zudem eines Binokels
bedurften. Man hatte mir erzählt, die Mutter des Fürsten sei eine der drei Grazien
gewesen, aber das muss eine dreiste Lüge sein, sind mir die drei Mädels doch bestens aus unserer leidvollen Familiengeschichte bekannt!
Ihr erinnert euch, mein Halbbruder Paris war in eben diese Stadt gereist, um uns Schwestern ein paar HottCutüre-
Fummelchen zu kaufen, aber leider blieb er dann ja bei der berüchtigten Skandalnudel Helena hängen, die damals als Topmodel für Christos Dioskur
über den Katzensteg
lief, und das hat uns ja am Ende Troja gekostet. Aber das ist jetzt vielleicht etwas off-topic, gell.
Wo war ich? Ach ja, also der fürstliche Gimmick glotzte mich unverwandt an und sagte kein einziges Wort. Stellt euch das bitte vor, stand da mit seinen 1.72m und – glotzte! Mir wurde sehr ungemütlich zumute, als er dann auf einmal ohne Vorwarnung sagte: „Prinzessin, Sie haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit meiner verstorbenen Mutter! Möchten Sie nicht meine Gattin werden?“
Mir blieb ob dieser Ungehobeltheit der Speichel hängen und ich hab in diesem Augenblick wohl etwas dérangée
ausgesehen, Brüderchen Paris sagt zu meinem diesbezüglichen Gesichtsausdruck immer „that's hot“ und meint, ich sähe dann immer ganz schön besoffen aus, obwohl ich doch nicht trinke und schon gar nicht automobil
bin. Aber kommen wir zu unseren Schafen zurück, wie wir in Troie immer zu sagen pflegten. Alvértos schien auf eine Antwort zu warten und ich, um etwas Zeit zu gewinnen, bat um die Erlaubnis, mich frisch machen zu dürfen.
Daraufhin meinte Alvértos, wir könnten doch ein wenig im fürstlichen Schwimmpfuhl miteinander plantschen, aber was der unter „plantschen“ verstand, konnte ich mir sehr gut vorstellen! Auf die und bei der Nummer sind schon andere Mädels reingefallen, und danach musste Alvértos zur Speichelprobe!
Hoheitsvoll lehnte ich dankend ab und ging mit Hermi in unsere Suite im Hôtel de Paris Monte Carlo
und nahm ein Schaumbad. Und wie ich so im warmen Wasser lag und die Spiegel sanft vor sich hin beschlugen, muss ich wohl ein wenig eingenickt sein. Und ich träumte
, ich stünde neben Alvértos in einer muffigen Kirche, um uns herum ein dutzend Kinder im Alter von 2 bis zehn Jahren, die alle wie Alvértos aussehen und „ Hurra, Papa“ schreien und Papierkrönchen
in den Landesfarben tragen, der Bischof spricht mich an und ich verstehe nicht, was er mich fragt, und ich sage unsicher das einzige Wort, das ich in dieser fremden Sprache kenne- ja... da setzt ein furchtbares Gewitter
ein, es blitzt von allen Seiten, doch seltsamerweise regnet es nicht. Später habe ich erfahren, dass diese Blitze nötig sind, um sogenannte Daguerrotypien
herzustellen. Wahrscheinlich ein neuer Gag von Zeus! Eine von diesen Typien habe ich im Traum in einem Buntblatt
gesehen, auf der ich aussah wie ein gerupftes Huhn mit Triefnase.
Benommen und frierend stieg ich aus der Badewanne und gerade griff ich zur serviette de bain
, da trifft mich fast der Schlag. Ich blicke rein zufällig auf meine linke Hand und - nein, der Nagellack war nicht abgebröselt!-, alors ich guck da drauf und sehe --- einen schmalen goldenen EHERING!!! Ich war einer Ohn-macht nahe, und schnell schlüpfte ich in meine Kleider, warf mir meinen veilchenblauen Kapuzenmantel um, griff nach meinem Ridikül und verließ noch in selbiger Stunde unerkannt das Fürstentum Tauris...
Eure untröstliche Cassandra, die nun befürchten muss, Fürstin von Taurasso zu sein ^~^
Texte: Cover: wikicommons
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2011
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