Cover

Liebe Daheimgebliebene,

jetzt ist die Situation da, hat einmal ein berühmter Mann gesagt, der an einem bekannten Strome gewohnt und Rosen gezüchtet hat. Mein Los allerdings ist beklagenswert, denn erneut wurde ich zum unglücklichen Spielball der Unaussprechlichen...

Kaum hatte ich das Fläschchen den Wellen anvertraut, erhob sich nämlich ein grauenhafter Sturm, die See bebte, meterhohe Wellen türmten sich und drohten unsere Nussschale zu zermalmen. In allen Lüften war es wie Geschrei, die Wasser schäumten und peitschten uns ins Gesicht. Meine arme Hermione, das sanfte Geschöpf, ein freundliches Kind des Ida-Gebirges, brach in lautes Wehklagen aus und weinte hemmungslos. Meine königliche Herkunft gebot mir, Haltung zu bewahren und Gelassenheit zu heucheln, obwohl mir genau so zum Heulen war wie meiner Gefährtin. Und inmitten dieses Chaos ertönte auf einmal ein schauderhaftes Gebrüll, die Stimme Poseidons, der noch eine Rechnung mit unserem Stammvater Skamandros offen hatte und ihm einmal gehörig irgendwo hinein spucken wollte, und da kamen wir armen Menschenkinder ihm als Spucknapf natürlich gerade recht!

Schon sandte ich ein letztes Stoßgebet an die wenigen Götter, die auf unserer Seite waren, und suchte bereits in meinem Ridikül

nach einer Münze für Charon, er spart ja, wie man seit Jahrtausenden weiß, auf ein kleines Ferienhäuschen, das er auf Aiaia bauen möchte, um mit seiner Flamme Kirke Teppiche zu weben, die sie dann an die Touristen aus aller Welt verkaufen möchten, denn die beiden haben bislang keine Altersversorgung

, und riestern

is ja nix für Götters, gell? Mein Stoßgebet wurde immer flehender, und nach wenigen Minuten heulte ich wie eine Tüpfelhyäne, scheußlich und schrill. Poseidon, der uns in seiner Riesenfaust hielt, beeindruckte mein Schreien jedoch nicht, laut lachend schleuderte er Blitz um Blitz in die aufgewühlte Ionische See und holte schon aus, um uns endgültig zu vernichten, da senkte sich auf einmal eine nasskalte wattige Wolke hernieder auf uns und --- entriss uns unserem Peiniger. Schade, dass uns in diesem Moment Poseidons Hackfresse verborgen war, die blöde Visage hätte ich doch wohl zu gerne gesehen! Möchte nicht wissen, welchen Brassel Artemis, denn sie war es, die uns errettete, später mit ihm haben würde...

So aber schwebten Hermi, meine Schrankkoffer und ich ganz gemütlich durch den Äther und es hätte meinethalben par avion

bis nach Troja so weiter gehen können, aber leider, leider ging unserer Wolke noch über der Ägäis der Sprit aus, sie hatte zu wenig getankt, weil die Grünen von der Polis ja die Steuern auf Blugbenzin erhöht hatten, danke, Claudia!, und wir landeten etwas undamenhaft plumpsend auf einer wildromantischen Insel namens Tauris. Tauris ist ein kleines Fürstentum, obwohl es sich eines berühmten Rundkurses für selbstlaufende Pferdewagen erfreut, der hat irgend etwas mit einer Formel zu tun, wahrscheinlich von Archimedes, und es gibt auch eine Spielhalle, ein sogenanntes Casino

, mit dem die Taurassen ganz schön Schotter schaufeln. Soweit ich weiß, will eine gewisse Iphigenie aus der Tantalidenmischpoke in Bälde auf Tauris einen Club Méditerranée

eröffnen, mit so abgefahrernen Aktivitäten wie Menschenopfer

vor dem Mittagessen und Blutsaufen aus dem Eimer

als Sundowner. Altgriechische Dekadenz, kann ich dazu nur sagen! Aber dem kleinen Tauris würde das ganz schöne Einnahmen verschaffen, so ne Art Kurtaxe on the Taurocks.

Nun saßen wir also auf dieser Insel, und weit und breit war kein Mensch zu sehen, nicht einmal ein Barbar

! Wenigstens hatte die Wolke uns in einem kühlen Hain abgesetzt, denn die Temperaturen waren rekordverdächtig, und ich hatte ja keinen Sonnenhut und keine Sonnenmilch dabei.

Meine gute Hermi, die wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war schon binnen kurzem wieder die alte- sie packte meine Koffer aus und hängte meine Kleider und Négligés an Bäume, um sie zu "lüften", wie sie das nannte. Ich inspizierte meine Fingernägel, die während meines temporären Wahnsinns doch sehr gelitten hatten, und feilte die Knabberstellen sauber rund. Gerade als ich mir eine French Manicure

gönnen wollte, hörte ich Hermi aufkreischen und mir fiel beinahe der Nagelweißstift

von Canal Produits de Beauté

aus der Hand, denn ein wunderlich aussehender Kerl in weißer Hose und Hawaii-Hemd stand wie aus dem Boden gewachsen vor mir und sagte in bestem Altgriechisch, er heiße H. Omer

und sei Sklave des taurassischen Fürsten Alvértos II, der uns zu sehen wünsche.

Und nun sitze ich in meinem besten Kleide und frisch coiffiert mit meiner Dienerin im Vorzimmer zum Krim-Saal des Palastes und warte darauf, von ihm empfangen zu werden. Wie Omer, der aus Korinth stammt und dort auch eine Braut hat und eigentlich zu einer Tagung des PEN-Clubs

unterwegs gewesen war und von Piraten der (natürlich!!!) Klytaimnestra

gefangen genommen und an den taurassischen Fürsten verkauft worden war, mir auf dem Weg in den architektonisch total lang-wei-li-gen

Palast noch erzählt hat, ist Fürst Alvértos noch Junggeselle und hat noch keinen Thronfolger, aber ein paar Bälger zur falschen Seite. Er liebe zudem die olympischen Sportarten, vor allem die Fahrt in einer Art Sarkophag durch einen Tunnel aus Eis. Kein Wunder, dass der noch keine Fürstin hat! Welche Frau von Verstand und Stil setzt sich in einen Bob

, wie der Sarkophag hier in der Landessprache genannt wird! Da frierst du dir alles weg und Platz für Decken, Mäntel und Handtaschen is da auch nicht drin, und dann sitzt du auch noch hinter

dem Göttergatten und siehst nix von der Landschaft!

Ich höre Schritte, man kömmt. Für heute ist's genug, ich melde mich bald wieder.
Bitte, vergesst nicht eure
cassandra,


die es in ein sehr eigenartiges Fürstentümchen verschlagen hat. Und wie mir Omer noch zugeflüstert hat, gelte Fürst Alvértos trotz seiner Halbglatze immer noch als Wummenaiser

- was auch immer das heißen mag...

Impressum

Texte: Cover:wikicommons
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ein Fürst sucht nach einer Fürstin und nach einem Thronfolger...

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