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»Da ich nun wirklich einer Aufheiterung bedurfte, und Spandau zu weit vom Meere entfernt ist, um dort Austern zu essen, und mich die Spandauer Geflügelsuppen nicht sehr lockten, und auch obendrein die preußischen Ketten im Winter sehr kalt sind und meiner Gesundheit nicht zuträglich seyn konnten, so entschloß ich mich, nach Paris zu reisen und im Vaterland des Champagners und der Marseillaise jenen zu trinken und diese letztere, nebst En avant marchons und Lafayette aux cheveux blancs, singen zu hören.[…]In zwanzig Minuten war ich in Paris, und zog ein durch die Triumphpforte des Boulevards Saint-Denis, die ursprünglich zu Ehren Ludwigs XIV. errichtet worden, jetzt aber zur Verherrlichung meines Einzugs in Paris diente. Wahrhaft überraschte mich die Menge von geputzten Leuten, die sehr geschmackvoll gekleidet waren wie Bilder eines Modejournals. Dann imponirte mir, daß sie alle französisch sprachen, was bey uns ein Kennzeichen der vornehmen Welt; hier ist also das ganze Volk so vornehm wie bey uns der Adel. Die Männer waren alle so höflich, und die schönen Frauen so lächelnd. Gab mir jemand unversehens einen Stoß, ohne gleich um Verzeihung zu bitten, so konnte ich darauf wetten, daß es ein Landsmann war; und wenn irgend eine Schöne etwas allzu säuerlich aussah, so hatte sie entweder Sauerkraut gegessen, oder sie konnte Klopstock im Original lesen. Ich fand alles so amüsant, und der Himmel war so blau und die Luft so liebenswürdig, so generös, und dabey flimmerten noch hie und da die Lichter der Julisonne; die Wangen der schönen Lutezia waren noch roth von den Flammenküssen dieser Sonne, und an ihrer Brust war noch nicht ganz verwelkt der bräutliche Blumenstrauß. An den Straßenecken waren freylich hie und da die liberté, égalité, fraternité schon wieder abgewischt.«

Diese Zeilen schrieb - genau, wer denn wohl sonst! - Heinrich Heine im Mai 1831, weil ihm der Boden in der deutschen Heimat zu unsicher geworden ist, denn seine Schriften sind per Bundesbeschluss verboten und der Dichter seitdem steckbrieflich gesucht. Also macht er sich via Frankfurt und Straßburg auf nach --- PARIS, der Fluchtburg vieler deutscher Emigranten.

Er lebt sich schnell in der Kapitale ein und so schreibt er an seinen Bekannten Ferdinand Hiller am 24. Oktober 1832:
»Fragt Sie jemand wie ich mich hier befinde, so sagen Sie: wie ein Fisch im Wasser. Oder vielmehr, sagen Sie den Leuten; daß, wenn im Meere ein Fisch den anderen nach seinem Befinden fragt, so antworte dieser: ich befinde mich wie Heine in Paris.«

Ja, dieses Gefühl, mich wie Heine in Paris zu befinden, ergreift mich unweigerlich ein jedes Mal, wenn ich dort bin --- dieses Prickeln und die unbändige Lust, hierhin zu gehen und dort zu verweilen und durch die quartiers zu streifen, zu schauen und mich treiben zu lassen...

Touristenglück pur. Sich angekommen fühlen... Willkommen sein... Auch Rempeleien mit Heiterkeit hinnehmen, sind sie doch wohl nicht aus Absicht geschehen... Leichten Fußes, Druckbklasen nicht wahrnehmend, lange Boulevards ablaufen... Lächelnd, heiter und schwebend...

~Ja, Glück reinsten Wassers°°°

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Texte: Bildquelle:wikicommons
Tag der Veröffentlichung: 02.06.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen, die da gerne reisen in reale und fiktive Welten...

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