Ein kalter Hauch dort. Ein anderer dahinten. Man hörte ein eiskaltes Atmen, nur konnte man nicht definieren, woher es kam. Überall sah man Eiszapfen. Die Flure waren spiegelglatt. Amber musste schon ihre Schuhe ausziehen, um nicht auszurutschen. Sie zitterte am ganzen Körper.
„Cas? Was war das?“
Castiel verdrehte seine Augen. Warum musste er ausgerechnet mit Amber in der Schule eingesperrt sein und jetzt auch noch das passieren? Irgendwas geschah hier, was selbst dem Rocker eine Gänsehaut verpasste.
„Gar nichts! Wir sind in der Schule eingeschlossen, hier ist nichts!“ Die beiden Schüler waren mittlerweile in dem Freistundenraum der Schule angekommen.
„Setzt dich auf das Sofa und entspann dich! Ich geh mal nach etwas Essbarem suchen!“, sagte der Rotschopf mürrisch. Doch die Blondine dachte nicht mal daran, sich zu entspannen. Als hätte sie eine Tarantel gestochen, lief sie von einer Ecke zur nächsten, um nur nicht diesen gruseligen Atem hören zu müssen. Es schien, als würde es aus der Wand kommen. Das Rumgelaufe war das einzige, was sie davon abhielt, wahnsinnig zu werden.
Doch es klappte nicht. Sie fühlte sich beobachtet und alle Nackenhaare waren bei ihr hochgestellt. Sie wollte hier weg, aber schnell.
Es vergingen Stunden. So fühlte es sich jedenfalls für Amber an. Sie hatte sich nervös ans Fenster gestellt. Sie wollte unbedingt aus der Schule raus, doch leider waren die Fenster verschlossen. Um sich abzulenken, schaute sie nach draußen. Das Atmen hörend.
Draußen tobte ein Schneesturm und Amber wünschte sich nach Haus, in ihrer kuscheliges Zimmer. Stattdessen war sie hier. Alleine in einen Raum der Schule, mit etwas, vor dem sie sich fürchtete. Sie beobachtete die Schneeflocken, die an das Fenster klatschten und bekam nicht mit, das etwas in den Raum kam.
Amber schrie sich die Seele aus dem Leib, als sie eine kalte Hand auf ihrer Schulter spürte. Castiel ließ augenblicklich die Knabbersachen falle,n um seine Ohren zuzuhalten.
Verdammt war dieses Gör laut.
„Halt den Mund ich bin es nur!“. Es dauerte ein wenig, bis Amber sich beruhigt hatte.
Wie konnte er sich auch so an schleichen? Das machte man nicht.
Erschöpft vom vielen Schreien ließ sie sich auf ein rotes Sofa fallen, das in dem Raum stand.
„Entschuldigung Cas, ich... ich habe mich erschreckt. Ich habe so eine Angst.!“ Amber merkte, das sich langsam Tränen in ihren Augen bildeten. Doch als dieses Atmen wieder auftauchte und dazu noch von Weitem ein merkwürdiges Scharen zu hören war, war es um sie geschehen. Die Tränen kullerten unaufhörlich ihre Wangen herunter.
Castiel verfluchte sich. Er konnte es gar nicht leiden, wenn Mädchen weinten. Er wirkte dann immer so unbeholfen. Gerade jetzt wusste er nicht, was er tun sollte. Er hatte selber Angst, nur zeigte er sie nicht. Nach etwas Ringen mit sich selbst entschied er sich endlich, das weinende Mädchen in den Arm zu nehmen. Er war nie gut in Trösten gewesen und hoffte dennoch, das würde sie besänftigen.
Das Scharen kam immer näher... . Allmählich war es mehr als unheimlich. Amber weinte immer noch. Zu groß war die Angst.
Castiel hörte das Geräusch genau, das gerade den Flur beherrschte und hielt Amber ganz fest im Arm. Er hatte genauso viel Angst wie sie, nur musste einer einen klaren Kopf behalten.
Das war er Amber schuldig. Nun war das Scharren vor der Tür und Castiel hielt seine Luft an, als plötzlich die Tür aufsprang...
Zwei Schüler erfroren in der Schule
Hausmeister der Sweet Amoris fand gestern in einem Schülerraum zwei tote Schüler.
„Sie waren scheinbar die Nacht in der Schule eingeschlossen und waren bereits total kalt, als ich
sie fand.“
Zitat von Hausmeister.
Spätere Untersuchungen ergaben das sie erfroren sind. Wie war so etwas möglich?
Ich war innerlich kalt.
Die Sonne hasste mich und ich sie auch. Die Sonnenstrahlen fühlten sich an wie winzige Nadelstiche, wenn sie meine Haut berührten. Wenn ich von den vier Jahreszeiten eine wählen könnte, dann wäre es immer Winter.
Der Winter war für mich wie ein Tröster. Ich liebte die Kälte.
Es war dieselbe Kälte, die mich immer beherrschte.
Im Winter freute ich mich sogar, am Tage wach zu sein, dort gab es fast nie Sonne. Und immer wenn die erste Frühlingssonne kam, versteckte ich mich vor ihr.
Meine Heimat war die Dunkelheit.
Doch dann kam er.
Er war wie die pure Sonne.
Er strahlte pure Lebensfreude und Fröhlichkeit aus, die ich nicht verstand. Er verbrannte mich Stück für Stück, bis nichts mehr von der Kälte da war. Er lehrte mich, wie schön und wertvoll die Sonne war.
Er brachte mir die Fröhlichkeit und Lebenslust bei, die ich nie vorher gefühlt hatte.
Ich lernte sogar, ihn zu lieben.
Das Wertvollste, das es auf der Welt gab und das ich zuvor nicht kannte.
Jetzt weiß ich es, doch das Schicksal meinte es nie gut mit mir.
Ich wusste nichts davon. Er hatte es versteckt, bis er es nicht mehr verstecken konnte. Er wusste es schon die ganze Zeit und trotzdem war er bis zum letzten Moment meine Sonne...
Wie immer saß ich in meinem Klassenzimmer, möglichst verdeckt im Schatten.
Ich konnte die Sonne einfach nicht ertragen. Sie war zu hell für mich.
Ich dachte, ich wäre alleine, wie ich es oft war.
Nur wenige trauten es sich, ein paar Worte mit mir zu wechseln. Ich scheute Gesellschaft, ich war ein Einzelgänger.
Doch auf einmal ging die Klassenzimmertür auf. Darin stand ein Junge, dessen Gesicht ein breites Lächeln zeigte. Doch das war es nicht was mich fazienierte.
Nein, es waren seine pinken Augen und seine blauen Haare.
Dieser Typ war durch und durch ein Clown, und ich wünschte ihn wieder weg. Er strahlte einfach zu viel Fröhlichkeit aus.
Fröhliche und witzige Menschen bedeuteten Sonne und Sonne bedeutete Schmerz.
„Ist hier die 10a?“ sprach mich der Blauschopf zu allen Übel auch noch an.
Ich wollte nichts mit der Sonne zu tun haben.
Sie brachte nur Leid. Trotzdem antwortete ich mürrisch, in der Hoffnung, er würde dann verschwinden.
„Ah Super! Dann bin ich hier richtig. Ach übrigens ich bin Alexander, aber alle nennen mich Alexy! Schön, dich kennenzulernen!“
Ich konnte es nicht fassen. Was wollte dieser Freak von mir?
„Interessiert mich nicht!“ sagte ich.
Ich musste hier weg, wenn er schon nicht abhauen wollte. Ich nahm meine Tasche und schulterte sie.
„He! Renn doch nicht weg! Kannst du mir nicht wenigstens deinen Namen sagen?“ rief Alexy mir noch hinterher, als ich gerade rausspazieren wollte. Ich blieb kurz stehen, drehte mich aber auch nicht um.
„Maik.“ antwortete ich, bevor ich verschwand und suchte mir einen dunklen ruhigen Ort, an dem ich nicht von neuen Schülern genervt wurde.
„Hey Maik! Wie geht's so? Ist die Sonne heute nicht wieder schön?“
Ich verdrehte meine Augen.
Warum verfolgte mich er mich?
Jedesmal tauchte er wie aus dem Nichts auf und quakte mich voll.
Was hatte ich nur gemacht?
Ich wollte nichts lieber als alleine sein, an einem dunklen Ort.
„Ich mag die Sonne nicht“ gab ich doch noch eine Antwort. Ich wollte eigentlich nicht mit ihm reden. Doch das rutschte mir heraus.
„Oh!“ Ja, Oh! Mehr fiel ihm dazu wohl nicht ein.
Das war typisch für Sonnenkinder. Das war schon immer so.
Ich lachte bitter. Ich liebte es, wenn Leute so schauten als wären sie durcheinander.
„Bist du deshalb immer so deprimiert? Was ist passiert, das du so geworden bist? Das Leben ist kurz, weißt du? Man muss jede Minute glücklich sein, die man noch hat. Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter!“
Ich schaute ihn kurz von der Seite an.
Was laberte er da?
Es gab für mich nur ein Grund, warum ich so war, wie ich war.
Eine ganz leichte Erklärung.
Doch dies würde ich nie einem erzählen, zu schmerzhaft war es.
„Ich bin schon tot, aber warum, das geht dich ein Scheißdreck an! Lass mich einfach in Ruhe, du Kanarienvogel!“ Damit verschwand ich um die Ecke.
Doch das er mich in Ruhe ließ, darauf konnte ich nur träumen.
Ich saß mal wieder in meinem Klassenzimmer.
Draußen fing es allmählich an, Winter zu werden. Die Blätter der Bäume fielen schon vor zwei Monaten. Es war komisch, alleine im Klassenraum zu sein.
Normalerweise wäre Alexy bei mir gewesen und hätte mich wieder stundenlang voll gelabert. Doch er war schon seit einer Woche nicht mehr zur Schule gekommen.
Mir sollte es eigentlich egal sein, was er machte. Doch komischerweise vermisste ich seine fröhliche aufgedrehte Art.
Ich schüttelte meinen Kopf.
Ich ließ Gefühle zu und das durfte ich nicht.
Die Angst vor Schmerzen und Enttäuschung war einfach zu groß. Gedankenverloren schaute ich aus dem Himmel. Die Sonne schien.
Doch das war wohl das letzte Mal dieses Jahres. Nur dachte ich diesmal nicht daran, mich in die Dunkelheit zurückzuschrecken. Nein, ich ließ zum ersten Mal zu, das die Strahlen meine Haut berührten. Doch da hatte ich nicht die Sonne selbst im Kopf, sondern Alexy, der so schön war wie die Sonne.
Ich hatte Recht.
Die Sonne vor zwei Wochen war wirklich vorerst die letzte dieses Jahres. Doch Alexy war immer noch verschwunden und ich wollte mir das nicht wirklich eingestehen, aber ich machte mir Sorgen.
Und diese Ansicht erzählte mir, dass ich mein Herz geöffnet hatte.
Der Kanarienvogel hatte es geschafft.
Er hatte sich ein Platz in meinem Leben erobert.
Doch ich konnte ihn nicht als Freund annehmen.
Ich durfte keine Freunde haben. Doch war ich mir auch nicht sicher, ob das wirklich nur Freundschaft war.
Ich spielte mit meinem Bleistift rum, als die Tür aufging. Mein Blick ging sofort zur Tür.
Da war er.
Nach drei Wochen steckte er seinen Kopf wieder durch die Tür. Mein Herz freute sich nach sehr, sehr langer Zeit wieder.
Ich konnte dieses Gefühl einfach nicht kontrollieren.
Er sah anders aus.
Seine Haut war bleicher. Man konnte sehen, das es ihm nicht gut ging.
Doch blieb die Frage, wieso er denn gekommen war? Wenn es ihm so miserabel ging.
„Du siehst scheiße aus, was bitte hast du, dass du immer noch krank bist?“, redete ich drauf los.
Ich hatte noch nie so viel geredet wie in diesen Moment. Alexy hatte es geschafft mich aufzutauen.
Mein Winterschlaf war gebrochen.
„Kommst du Heiligabend? Oder musst du mit deiner Familie feiern?“ Ich schaute hoch, meine Augen hatten einen dunklen Kontrast angenommen. Es schmerzte mich, das zu sagen.
Noch nie hatte einer es erfahren.
Doch er hatte das Recht, es zu erfahren.
„Meine Eltern sind tot. Ich habe keine Familie mehr!“, sagte ich ein bisschen verbittert. Doch ich musste gleich das erste Mal an meinem Leben lächeln.
Diese Kulleraugen!
„Oh das tut mir Leid! Dann müssen wir es ändern! Du kommt doch, oder?“
Ich nickte, was hatte ich schon zu verlieren?
Meine innere Kälte hatte ich schon fast verloren. Es war sogar gut, mit ihm zu feiern. Inzwischen war mir meiner Gefühle zu ihm klar, und ich wollte bei ihm sein. Auch wenn es bedeutete meine Heimat zu verlassen.
Ich war mir sicher.
Es schneite, als ich die schneebedeckte Straße entlang ging, die zu Alexy führte. Ich war aufgeregt, was mich ziemlich wunderte.
Endlich war ich da und klingelte. Ich hielt in der Hand ein Geschenk. Das war wirklich das erste Mal, das ich einer Person etwas schenkte.
„Da bist du ja!“ quietschte schon gleich ein aufgedrehter Alexy. Doch verhinderte seine Stimmung nicht, das er wieder etwas blass war.
Schwitzen tat er auch. Aber das könnte auch an der Heizung liegen, die in der Wohnung voll aufgedreht war. Sein ganzes Haus war weihnachtlich geschmückt und es duftete im ganzen Haus nach Keksen.
Mir wurde nur von dem Geruch nach Weihnachten total warm. Die Kälte, die mich schon lange beherrschte, war schon fast weg.
„Willst du was trinken? Glühwein?“ Ich nickte und ließ mich ins Haus führen.
Der Abend war so schön.
Schon lange hatte ich nicht mehr solche Feste genossen. Wir lachten, wir spielten Spiele und ich lernte Alexys Familie kennen.
Doch so langsam neigte sich das Fest dem Ende zu und es waren nur noch die Geschenke offen. Ich fand es echt schade. Ich hätte liebend gern noch weitere Stunden mit Alexy verbracht.
Die Familie tauscht sich gegenseitig Geschenke aus, selbst ich habe ein Beutel Kekse bekommen, was mich ziemlich freute. Doch das Geschenk für Alexy blieb in meiner Tasche. Zu sehr hatte ich Angst, ihm das vor seiner Familie zu geben.
Also wartete ich ab.
„Maik, wollen wir noch ein bisschen in mein Zimmer gehen? Ich will noch nicht, das du gehst!“
Auf diesen Satz hatte ich gewartet und nickte begeistert.
Was Alexy ein Kichern entlockte.
Er führte mich eine Treppe hoch und dann die linke Tür durch. Als ich im Raum stand, schlug Alexy die Tür zu und blieb angelehnt an dieser stehen.
„Schau mal worunter du stehst!“ Er zeigte mit dem Finger über mich. Ich folgte mit den Augen und entdeckte einen Mistelzweig, der über mir hing.
Ich wusste, was das bedeutete. Und schaute Alexy demonstrativ an.
Er wiederum war ein bisschen rot um die Nase und grinste.
Er hatte das also alles geplant! Jetzt fing ich auch an zu grinsen und ging langsam auf ihn zu.
Alexy bekam immer und immer mehr ein Blitzen in den Augen. Er wollte es genauso, wie ich es wollte. Ich fasste Alexy am Hinterkopf und zog ihn an meine Lippen.
„Ich liebe dich“, flüsterte Alexy, als wir uns gelöst hatten.
Ich lächelte.
Ja, ich liebte ihn auch von ganzen Herzen.
„Ich dich auch!“ flüsterte ich zurück. Alexy lächelte.
Ich war im Moment der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt.
Ich hatte die Liebe gefunden.
Mein Leben war nicht mal mehr ansatzweise depressiv. Alexy gab mir noch ein leichten Kuss, bevor er in seiner Schublade ein kleines Kästchen rausholte.
„Hier, für dich!“ Ich nahm es lächelnd an. Doch als ich es in meiner Hand hielt, änderten sich Alexys Augen.
Sie sahen so leer aus. Ich ließ vor Schreck das Päckchen fallen, bevor ich ihn auffing.
Ich war Alexy nie böse, das er mir seinen Tumor verheimlichte.
Ich war dankbar dafür, dass ich seine letzten Tage kostbar gemacht habe. Er hat mich gerettet und ich ihn.
Er wird für immer in meinem Herzen bleiben.
Ich liebte ihn und mein Leben werde ich für ihn weiter leben.
Auf ewig, das er in unseren Gedanken bleibt. Ein Mensch stirbt nie, solange er in unseren Herzen bleibt.
Dort stand sie. Mitten auf den Schulhof. Schneeflocken verfingen sich in ihren roten Haaren. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht. Aber nicht irgendein Lächeln. Nein, es war ihr Lächeln! Das Lächeln, das sie fast nie zeigte. Nur, wenn sie dachte, sie wäre alleine. Wie ein kleines Kind tanzte sie mit den Schneeflocken. Man sah manchmal ihre schmale, grazile Zunge ausfahren, um ein paar Flöckchen aufzuschnappen. Mit diesem kindlichen Gehabe sah sie kein bisschen lächerlich aus. Nein, man hatte das Gefühl, sie selbst wäre eine Schneeflocke.
Leise schlenderte Nathaniel den leeren Schulflur entlang. Es war schon lange Schulschluss, nur hatte der blonde Junge noch viel für die Direktorin zu erledigen. Er hoffte nur, dass er fertig wurde, bevor es dunkel wurde. Er ging in sein kleines Räumchen.
Den Raum, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Er liebte das Amt des Schülersprechers. Keine Frage.
Doch würde er lügen, wenn er sagen würde, es wäre wenig Arbeit. Er musste sich mit seiner Arbeit beeilen, wenn er noch pünktlich zum Abendessen zu Hause sein wollte.
Nein, von Wollen war nicht die Rede. Zu Hause warteten eh nur eine nervende kleine Schwester, ein Vater, der Amber bevorzugte und ihn eh nur auf seine schulischen Leistungen ansprach. Seine Mutter konnte Nathaniel auch vergessen.
Sie hatte eh nur den Drang, das Geld seines Vater zum Shoppen auszugeben, genauso wie seine Schwester. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagte man ja dazu. Doch zum Abendessen wollte er doch zu Hause sein, das war die einzige Zeit, in der er mit seiner Familie ohne Streit auskam.
Es dämmerte schon als er endlich fertig war. Wiedermal hatte er Stunden für das Sortieren der Schülerakten verbracht. Er verstand nicht, warum die Direktorin die Akten immer und immer wieder durcheinander brachte. Schnell packte er seine Sachen zusammen.
Es war höchste Zeit nach Hause zu gehen. Doch blieb er noch einmal vor seinem Fenster stehen. Draußen hatte es begonnen zu schneien. Doch das war es nicht, was ihn vom Gehen abhielt.
Nein, das war ein Mädchen, das im Schnee tanzte. Er hatte gedacht, er wäre alleine in der Schule. Beim näherem Hinsehen erkannte er sie. Ein Mädchen aus seiner Klasse. Eva, so hieß sie.
Glaubte Nathaniel jedenfalls. Er hatte sich nicht sonderlich für sie interessiert, denn er dachte, sie wäre so wie Castiel.
Großmäulig und miesgelaunt.
Dachte er. Doch wie sie jetzt so im Schnee tanzte und lächelte sah sie aus wie eine Schneeflocke.
Ein leichter Wind blies dem Mädchen die roten Haare durcheinander, als Nathaniel es endlich geschafft hatte, das Schulgebäude zu verlassen. Schneeflocken zierten ihr leuchtendes Haar.
„Was machst du hier noch?“ Eigentlich wollte er sie das nicht fragen, aber sein Mund machte mal wieder, was er wollte.
Nicht das was Nathaniel wollte!
Eva erschrak leicht und drehte sich zu ihm um. „Ach du bist es! Ich musste Nachsitzen und naja, der Schnee war einfach zu schön.“ Ein leichtes Lächeln bildete sich auf Evas hübschem Gesicht.
Nathaniel staubte nicht schlecht, als sie lächelte. Ihm wurde so schön warm.
Er wusste nicht, was er sagen sollte, doch wollte er noch mit ihr reden. „Soll ich dich nach Hause bringen? Es ist schon fast dunkel.“ Er verfluchte sich für seine doofe antrainierte Höflichkeit.
„Gerne !“
Und wieder wurde ihm bei ihren Lächeln warm.
Den ganzen Weg entlang lag ein peinliches Schweigen über den beiden Jugendlichen. Er wollte etwas sagen, konnte es aber nicht.
Und Sie? Was sollte sie auch schon mit dem Schülersprecher reden? Sie wusste es nicht.
Es dauerte nicht lange, als sie an ihrem Haus ankamen. Es fiel ihr schwer, etwas zu sagen.
„Ehm, hier sind wir!“ Und damit ging sie zu ihrer Tür. Es war jetzt Nathaniels letzte Chance, etwas zu sagen. Und mit Mühe schaffte er es auch.
„Eva?“
Das rothaarige Mädchen drehte sich nochmal zu dem blonden Jungen um und wartete auf seine Frage. Nathaniel nahm all seinen Mut zusammen, um nur den einen Satz hervorzubringen.
„Lächle. Das passt besser zu dir! Schneeflöckchen.“
Tiefste Schwärze, egal wo man hinschaute, breitete sich zwischen den Bäumen aus. Schon bald sah man nichts mehr. Eine tiefschwarze Nacht breitete sich über den Himmel aus. Nicht mal ein einziges Licht war zu sehen. Einige Äste knackten, ein lautes Knurren und ein merkwürdiges, immer lauter werdendes Summen, das mir das Blut gefrieren ließ.
Sie kamen näher, immer näher.
Panik breitete sich in mir aus. Ich wollte rennen, doch mein Körper bewegte sich keinen Zentimeter. Nicht mal ein Muskel wollte sich bewegen.
Ich war zu Eis erstarrt. Ein Ast brach.
Sie waren fast da.
Es war meine letzte Chance zu fliehen, doch ich bewegte mich keinen Zentimeter. Das Summen wurde deutlicher und ich erkannte eine fremde Sprache. Ich zitterte, als ein Ast hinter mir brach.
Oh ja!
Sie waren nah dran! Ein eiskalter Atem streifte meinen Nacken und forderte meine Gänsehaut heraus. Sie waren hinter mir. Langsam wanderte der eiskalte Hauch von meinen Nacken zu meinem Ohr. Ich verstand jedes einzelnes Wort, was eins der Wesen sagte.
„Hab ich dich endlich gefunden?“ ......
Schweißgebadet wachte ich aus meinem Schlaf auf.
Schon wieder dieser Traum.
In letzter Zeit träumte ich nichts anderes und immer wieder brach er an dieser Stelle ab. Langsam erhob ich mich aus meinem Bett und tastete mich, im Dunklen, in die Küche um etwas zu trinken. Mein leichtes Spaghettiträger-Nachthemd klebte an meinem Körper.
Ich hasste es zu träumen und das nicht ohne Grund.
Endlich hatte ich die Küche erreicht und tastete mich zu der Wasserflasche durch, die auf dem Esstisch stand. Gierig nahm und öffnete ich sie und trank daraus. Mir war egal ob meine Mutter mit mir schimpfen würde.
Was zählte war, das ich die Angst hinunterschlucken konnte, die mich seit dem Alptraum befiel. Klar war es peinlich, sich vor Alpträumen zu fürchten, aber diese Träume bereiteten mir Angst. Es fühlte sich immer echt an.
So, als würde ich es in Wirklichkeit erlebt haben.
„Du siehst so müde aus! Hast du wieder geträumt?“ Kentin, einer meiner besten Freunde, ging neben mir her. Er machte sich Sorgen, was ich gut nachvollziehen konnte.
„Ja wieder dieser seltsame Traum..., und wieder hörte er bei der selben Stelle auf. Ich bin um drei wach geworden und konnte nicht mehr einschlafen.“ Mein Freund schaute mich mit sorgenvollem Blick an.
„Das kann doch nicht so weiter gehen! Du musst irgendwas dagegen tun!“ Ich schaute ihn verständnis los an.
„Wie sollte ich, deiner Meinung nach, etwas dagegen tun, hm? Ich muss einfach ein bisschen in den Wald. Das ist der einzige Ort, an den ich mich entspannen kann und das alleine!“
Ich schüttelte den Kopf.
Wie sollte man bitte etwas gegen Träume tun können!
„Was? Wer will alleine in den Wald? Und du siehst echt scheiße aus“
Mein zweiter bester Freund erschien aus heiteren Himmel plötzlich neben mir. Natürlich hatte ich mich tierisch erschreckt, so das ich fast gestolpert wäre, hätte mich Kentin nicht festgehalten.
„Castiel, hör doch auf mich so zu erschrecken! Mein armes Herz!“
Er war dafür bekannt, immer aus heiterem Himmel zu erscheinen, doch erschreckt hatte es mich bis jetzt noch nie.
Was war nur los mit mir?
„Sie will ohne uns in den Wald!“ erläuterte Kentin Cas. Dieser hob nur seine Schultern und sagte:
„Lass sie doch!“
Ken schaute ihn entsetzt an.
„Was!?“
Cas schaute ihn nur noch grimmiger als sonst an. „Sie ist fast volljährig, dann ist es eh soweit!“
Ich schaute zwischen den beiden hin und her.
Worüber sprachen sie?
„Worüber redet ihr ? Was ist bald soweit?“ Immer noch hin und her schauend versuchte ich die Gesichtszüge von beiden studieren, doch konnte nichts erkennen.
„Ach nichts, es ist nichts soweit, aber Mai, wir lassen dich alleine in den Wald gehen aber Achtung! Ruf uns wenn du Hilfe brauchst.“
Ich verstand die beiden nicht mehr, irgendwas verheimlichten sie mir.
Doch ich konnte stochern wie ich wollte, es brachte nichts. Das war alles mehr als merkwürdig. Manchmal kamen mir Ken und Cas wirklich so vor, als würden sie mich beschützen. Allein wie sie mich immer in den Wald begleiten wollten.
Ich war doch kein Kind mehr.
Ich hätte es verstehen können, wäre es dunkel, so wie in meinem Traum, doch dem war nicht so. Es war hell und es würde auch erst in 8 Stunden dunkel werden.
Ich sah einfach das Problem nicht.
Vögel zwitscherten, Zikaden zirpten. Diese Geräusche beherrschte den Wald. Ich liebte es, im Wald zu sein. Ich spürte immer jedes einzelne Lebewesen. Selbst die Ameisen in 100 m Entfernung fühlte ich.
Es war so ein Gefühl, als wäre ich Teil es Waldes oder sogar der Wald selbst.
Ich schlenderte im Wald herum, keine Ahnung, wo ich hin wollte. Ich lief dahin, wo mich der Weg hinführte.
Als ich an einen Bach vorbei ging, blieb ich kurz stehen und schaute mir das klare, blaue Wasser an. Forellen schwammen fröhlich im Wasser herum, was mir ein Lächeln entlockte. Wie gerne würde ich so ein Fisch sein.
Ich dachte mir immer, wie schön es doch sein könnte, sich einfach nur in den kleinen Wellen, die das Wasser machte, treiben zu lassen und ein Leben zu leben.
Doch ich war ein Mensch mit einer Gabe, den ganzen Wald fühlen zu können. Nach einiger Zeit schlenderte ich den Weg weiter, den ich eingeschlagen hatte und der Marsch zeigte schon bald Früchte.
Sie fand sich nun auf einer Lichtung wieder. Eine Lichtung, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. In der Mitte prangte ein großer schöner Baum. Doch seine Große war nicht das Besondere.
Nein, es waren die goldenen Blätter.
Langsam ging ich zu dem Baum hin. Die Blätter faszinierte mich irgendwie. Ich spürte eine seltsame Kraft aus den Baum.
Eine Kraft, die ich nicht definieren konnte.
Ich schaute zu, wie ein Blatt sich von einem Zweig löste und hinunter segelte. Doch als es auf den Boden landete, blieb nur noch ein Häufchen Erde übrig.
Das war kein gewöhnlicher Baum, das wusste ich.
Nun stand ich vor der Rinde des Baumes. Meine Finger juckten, ich wollte diesen Baum anfassen, doch etwas hielt mich zurück.
War das etwa Angst?
Ich schüttelte meinem Kopf.
Es war nur ein Baum, kein Grund zur Panik.
Langsam streckte ich meinen Arm aus. Ich berührte nur leicht die raue Rinde des Baumes und schon fühlte ich mich, als würde ich fliegen.
Ich schloss meine Augen
Als ich meine Augen wieder öffnete, kniete ich nicht am Baum, wie ich erwartet hatte.
Nein, ich kniete an einem Ort, der mir unbekannt erschien.
Der Himmel so blau wie der Ozean.
Das Gras so grün, wie es nur im Frühling ist.
Neben mir plätscherte ein Bach. Das Wasser so klar , wie ein Spiegel.
Doch in den Bach schwammen keine Fische. Dort schwammen fischähnliche Kreaturen, die ich noch nie gesehen hatte.
Ihre Form glich nahezu einem Fisch, nur diese hier hatten ein menschliches Gesicht.
Meine Augen weiteten sich vor Schreck.
Träumte ich?
Das ganze Bild, was vor mir war. Passte nicht.
Wurde ich langsam verrückt? Ich wusste es nicht.
„Prinzessin? Prinzessin Maiandra?“ Und zum zweiten Mal erschrak ich fürchterlich.
Blitzschnell drehte ich mich um und blickte in goldene Augen.
„W- W- Wer bist du?”, stotterte ich. Der Schreck immer saß immer noch tief.
„Oh verzeiht, Prinzessin. Ich bin Nathaniel, Prinz der Elben. Ich stehe zu Euren Diensten. Euer Volk hat Eure Rückkehr schon erwartet.“
Meine Augen weiteteten sich so stark, das es schon wehtat.
„W- Warte, d- du bist eine Fee? Die g-gibt’s doch gar nicht!“ Erst jetzt fielen mir seine spitzen langen Ohren auf.
Er war kein Mensch, das stand schon mal sicher.
„Ja Maiandra, es ist so, wie ich sagte. Ich bin ein Elb. Wir sind hier in der Welt der magischen Wesen!“
Wären meine Augen nicht schon bis zu Anschlag groß, wären sie jetzt noch größer.
„Es gibt alle Fabelwesen? Die Fabelwesen, die ich aus den Büchern kenne?“
Nathaniel nickte.
„Ja, die Bücher sind unsere Existenz, wir Fabelwesen leben durch den Glauben an uns, Mylady.“
Ich konnte es nicht wirklich fassen.
War ich wirklich in einer Märchenwelt?
Doch was hatte es mit der Prinzessin auf sich?
Ich wollte gerade fragen, als noch eine Stimme dazukam. Doch ich kannte diese Stimme!
Das war die Stimme des Mannes aus meinem Traum.
Meine Nackenhaare stellen sich auf und ich musste unwillkürlich an meinen Traum denken.
„Hab ich dich endlich gefunden. Und schön bist du! Wie die Sonne selber. Allein deine braunen Haare! Einfach traumhaft!“
Ich schaute kurz zu Nathaniel.
War das etwa Angst in seinen Augen?
Doch lange konnte ich ihn nicht ansehen, da lief es mir schon kalt den Rücken runter.
„So weiche Haut! So wie es für die zukünftige Königin sein sollte!“
Königin? Prinzessin?
Irgendwas lief hier gewaltig schief. Ich hoffte so, das ich jetzt endlich das Gesicht meiner Albträume bewundern konnte.
Also drehte ich mich sehr langsam um. Diesmal klappte es.
Ich blickte in das Gesicht eines hochgewachsenen Muskelprotzes.
Dessen Haarfarbe blond war und Augenfarbe grün.
„Ich bin keine Königin, ich war es auch nie und ich werde es auch nie! Ich bin ein ganz normales Mädchen! Und wer bist du überhaupt?“ Meine Angst breitete sich als Wut aus.
Ich wusste nicht warum, aber es war so.
„Nein du bist kein normales Mädchen, du bist überhaupt kein Mensch! Maiandra! Du bist die Königin von allen und deshalb heirate ich dich! Denn dann gehört mir das hier alles!“
Der Mann lachte.
„Was soll das heißen? Ich bin ein Mädchen, ich werde doch erst 18! Ich habe keinen Grund, dich zu heiraten! Was fällt dir eigentlich ein? Namensloser!“
Ich funkelte den Fremden an.
Ich werde ihn nicht heiraten!
„Namesloser? So nennst du also deinen zukünftigen Ehemann? Nein, ich bin Dakota, der einzig Wahre. Und nebenbei der einzige Zauberer in ganz Nimmernie!“
Ich fasste es einfach nicht.
Warum tat er mir das an?
Warum sollte ich ihn heiraten?
„Was willst du von mir, ich bin ein Mensch! Sonst nichts! Ihr verwechselt mich!“
Ich schaute den Kerl vor mir fest an.
„Mai, er hat Recht, du bist kein Mensch. Du bist unsere Königin und diese werden wir vor dir schützen, Dakota!“
Diese Stimme kannte ich. Diese Stimme war eine, die immer bei mir war, schon als ich ein kleines Kind war.
Castiel.
Ich drehte mich um und erschrak zum hundertsten mal.
Hinter mir stand nicht die Person, die ich schon ewig kannte.
Nein, vor mir stand ein Wesen zwischen Ziege und Mensch.
„Mai, das ist meine wahre Gestalt! Ich kann dir nicht viel mehr erklären, als das du eine Nymphe bist. Und die Prinzessin des Nimmernie und als dein Beschützer muss ich jetzt kämpfen.“
Ich schaute ihn an und wusste, was er vor hatte.
„Cas, nein!“, doch es war zu spät.
Castiel rannte zu den Zauberer hin und kämpfte.
Kämpfte solange, bis er am Boden lag.
„Nein! Cas!“
Ich hatte so eine Angst, ich wusste nicht, was passierte in den paar Minuten, doch ich sah nur, wie Cas zu Boden ging.
„Das war ja leicht! Nun gut. Mai, komm oder muss ich dich erst entführen?“
Tränen rannen meine Wange herunter.
Cas bewegte sich nicht mehr.
„Du Drecksack! Ich werde nirgenswo mit dir hingehen! Was hast du mit Cas gemacht?“
Dakota lachte.
„Er hat es nicht anders verdient! Und du hast eh keine Chance gegen mich. Sei klug und komm her!“
Er hatte meinen besten Freund umgebracht und jetzt sollte ich zu ihm gehen?
Niemals.
„Nein, niemals! Lieber sterbe ich!“ Ich schloss meine Augen. Fühlte das letzte Mal den Wald. Auch wenn es ein fremder war. Fühlte ich mich hier geborgen. Doch ich fühlte eine Macht in mir.
Eine Macht die an die Oberfläche wollte.
Ich ließ sie fließen.
Es gab nur noch mich und die Macht, die mich beherrschte. Ich hörte einen Schrei und öffnete meine Augen wieder.
Dakota hing in Wurzeln gekettet an einem Baum.
Der vorher nicht dort wahr. Er konnte sich nicht mehr bewegen.
War ich das? War das mein Werk? Meine Kraft? Mir blieb nicht viel Zeit.
Castiel lag im Sterben.
In wenigen Schritten war ich bei ihm. Bettete seinen Kopf auf mein Schoß.
„Cas, nein du darfst nicht sterben. Du darfst mich nicht allein lassen!“
Eine Träne lief meine Wange herunter.
„Hey Prinzessin es war eine Ehre, dich beschützen zu dürfen. Ich hab meine Pflicht getan. Ich darf sterben.!“
Noch mehr Tränen kullerten.
„Nein, Cas, nein das darfst du nicht! Wer beschützt mich denn dann noch?“
„Mai! Ken ist noch da und das hier wird dich beschützen!“ Castiel hob mit letzter Kraft seinen Arm und öffnete seine Hand.
In ihr lag ein Ring, verziert mit Blättern.
„Nimm das, und kehr zurück in die Menschenwelt, bis du 18 bist!“
Und das waren seine letzten Worte.
Schweißgebadet wachte ich auf.
Mann, hatte ich wieder etwas Verrücktes geträumt.
Langsam stand ich aus meinen Bett auf. Ich träumte wirklich viel wenn der Tag lang war.
Allein die Vorstellung, Cas wäre tot, war undenklich.
Ich schaute auf meinen Nachtisch.
Dort lag etwas. Ein Ring. Der Ring, den Cas mir in meinen Traum gegeben hatte. Mein Herz blieb stehen.
Das war doch alles nur ein Traum, oder?
Da saß sie, in ihrer vollen Blüte, an der Theke in der Disco.
Sie war wunderschön, auf ihre Art. Zwar hatte sie ein bisschen zu viel auf dem Rippen, doch der Rothaarige mochte sie.
Sogar sehr.
Doch zugeben konnte er es nicht. Das würde seinem Image schaden.
Er zeigte fast nie seine Gefühle.
Doch heute wollte er es. Er wollte, jetzt am vorletzten Tag der Ferien, seinem Herzen folgen. Wollte einmal nicht seine Fassade aufrechterhalten.
Er wollte nur für eine Nacht seinen Ruf vergessen.
Er ließ sein Bier stehen und ging zu seiner Angebeteten hin, nicht ohne sein übliches Womenizergrinsen aufzusetzen.
Das Grinsen, dass sexy, aber auch nervig war.
So hatte er bis jetzt jede Frau rumbekommen. Er wusste, dass sie auf ihn stand.
Allein wie die Braunhaarige ihn auf den Schulhof immer heimlich musterte, verriet ihm das.
„Hey Süße.“, sagte er mit seiner klaren, aber tiefen Männerstimme. Verwundert schaute das Mädchen hoch.
Hatte der Mädchenschwarm sie wirklich gerade angesprochen? Der, wo die hübschesten Mädchen reihenweise anstanden, nur um einen Korb von ihm zu bekommen?
Hatte er sie angesprochen?Sie schaute ihn immer noch verdattert an und der Rothaarige merkte es.
„Ja, ich meine dich. Willst du tanzen?“.
Er hielt ihr eine Hand hin um die Entscheidung mehr oder weniger zu verkürzen.
Die Braunhaarige schaute nur nervös auf die Hand, bevor sie diese ergriff.
Ihr kam das alles immer noch wie im Traum vor. Der Rothaarige führte sie auf die bunt beleuchtete Tanzfläche und fing an, mit ihr zu tanzen.
Die Braunhaarige tanzte etwas schüchtern, sie wusste nicht recht, was sie hier erlebte. Doch nach und nach verschwand die Schüchternheit und sie tanze mit allem, was sie hatte.
Der Rothaarige merkte es und musste wieder mal zugeben, dass sie sich für ihre zu vielen Pfunde richtig gut bewegen konnte, was nur dazu führte, dass er sich noch mehr in sie verknallte.Die Musikrichtung änderte sich.
Wo vorher etwas Rockiges war, machte sich jetzt etwas Langsameres breit und der Rothaarige sah es als Chance und ging den einen Schritt, der ihn und sie trennte.
Die Braunhaarige störte die plötzliche Nähe nicht mehr, denn mittlerweile war sie aufgetaut und die frühere Schüchternheit war wie weggeblasen.
Er packte sie an ihren etwas zu breiten Hüpften und zog sie an sich. Er wollte nicht länger warten, er wollte sie endlich küssen.
Er tat es und befürchtete das Schlimmste.
Doch es trat nicht ein.
Nach etwas Verwirrung und Verwunderung, was denn gerade passierte, erwiderte und genoss sie den Kuss. Verstehen, was hier geschah, tat sie nicht.
Sie lebte nur in diesen Moment und fand sich irgendwann im Bett des Rothaarigen wieder.
„Was willst du?“, fragte der Rothaarige genervt.
Er hatte seine Maske wieder aufgesetzt und spielte seine Rolle als Badboy perfekt.
Vor ihn stand die Frau, in der er sich verliebt hatte, doch nicht zu sein Image passte.
Die Braunhaarige wollte Klarheit.
Sie wollte wissen, wie es dazu kam, dass er sie wählte.
Doch die Reaktion, die er jetzt an den Tag brachte, verwirrte sie.
Erst verführte er sie und dann?
Dann spielte er seine Rolle als Badboy. Die sonst so Schüchterne strotzte nur so vor Temperament.
„Was ich will? Das weißt du genau. Was war das vorgestern? Liebst du mich überhaupt? Oder war ich nur eine deiner Püppchen?“.
Die Grimasse des Rothaarigen veränderte sich kein Stück. Er war ihr aber eine Antwort schuldig, dass wusste er.
Gerade wollte er auf eine Antwort ansetzen, als die Stimme ertönte, die er so verfluchte.
„Cas? Was macht der Fettmops hier? Stimmt es wirklich, dass du sie durchgenommen hast? Wie ekelig!“
Verdammt, was sollte er jetzt tun?! Sein Ruf war dabei zu zerspringen.
Tief im Innern wünschte er sich genau das.
Aber er wollte es nicht zugeben, jetzt noch nicht. Seine einzige Chance war eine kleine Lüge.
„Ja, es stimmt!“, setzte er mit einen bösartigen Grimasse an.
Seine Kumpels waren entsetzt. Sie konnten nicht glauben, was sie hörten.
„Sie hat mich abgefüllt in der Disco!“, fuhr er fort.
Die Braunhaarige traute ihren Ohren kaum.
Er war es doch, der sie verführte!
„Boar, ich wusste gar nicht, dass der Fettmops so eine Schlampe ist! So viel Gehirn hätte ich ihr nicht zugetraut.“.
Die Braunhaarige konnte es nicht glauben.
War ihm sein Ruf wirklich wichtiger?
Sie spürte, wie ihre Augen glasig wurden und eine Träne sich aus ihnen löste, nur um ihre Wange runterzulaufen.
Bestürzt darüber, dass sie benutzt und fallen gelassen wurde, rannte sie so schnell wie sie konnte auf die Mädchentoilette, um dort ihren Tränen freien Lauf zu ermöglichen.
Von nun an, wenn die Braunhaarige zu Schule ging, hörte sie immer Gemunkel und Getuschel.
Mutige nannten sie Schlampe, wenn sie an ihnen vorbeiging. Das verletzte sie und sie hoffte, dass die Leute es nach ein paar Wochen wieder vergessen würden. Doch kaum hatte sich die Situation ein bisschen verbessert, prangte eine dicke fette Anzeige in der Schülerzeitung.
In wahrsten Sinne es Wortes.
Unser Fetti verführt unseren Badboy.
Jeder weiß es, jedem ist es ein Rätsel.Aber die Tatsache ist, dass unsere liebe Joe,ihr kennt sie alle unter dem Namen Fetti, Fettmops und neuerdings auch Schlampe, unseren allseitsbekannten Rebell und Badboy,unter den Namen Castiel, alkoholisierte und verführte.Für bestimmt alle ein Schock. Niemand hat unserem Fetti so viel Hirn zugetraut.Was denkst ihr über diesen Vorfall?Schreibt mir eine E –mail! Ihr wisst es ja alle, aber für die Nichtwissendensteht die E –mail-Adresse auf der letzten Seite der Schülerzeitung.
Das war zu viel für sie. Durch Peggy, die Leiterin der Schülerzeitung, wurde wieder alles aufgewirbelt.
Jetzt wusste wirklich jeder von den Ereignis.Das Ereignis, dass auf einer Lüge basierte. Was die Braunhaarige zu spüren bekam, mit voller Härte.
Monatelang ging es so weiter und die Braunhaarige zerbrach von Tag zu Tag mehr, doch sie machte weiter.
In der Hoffnung, es würde irgendwann aufhören. Doch das tat es nicht.
An dem Rothaarigen ging es nicht ganz spurlos vorbei, wie sie unter den Beleidigungen zerbrach.
Er verfluchte sich sogar dafür, was er getan hatte.
Warum musste er auch seine Maske beibehalten? Warum konnte er sich seine Gefühle nicht eingestehen?
Fragen über Fragen, doch ändern tat es nichts.
Mit seinen grauen Augen überflog er den Hof. Überall standen die Schüler der Sweet Amoris Schule in Grüppchen und sprachen wild durcheinander.
Nur als die Braunhaarige mit verletzten Blick an der Schülerschaft vorbei ging, wurde es still.
Die Schüler warfen ihr verachtende Blicke zu. Blicke, die dem Rothaarigen gelten sollten!
Wütend über sich selber trat er gegen die Mauer, welche die Schule von der Straße trennte.
Der Schmerz half ihm, sich wieder zu beruhigen, aber immer sah er nur sie.
Ihren leeren Blick vor sich.
Er wollte es nicht mehr. Er wollte ihr Lächeln wieder sehen. Sein weißhaariger Freund trat neben ihn.
„Was willst du?“, fragte der Rothaarige genervt. Sein Blick immer noch auf das Mädchen geheftet, welches zu zerbrechen drohte.
„Du liebst sie.“, stellte sein Freund fest. Endlich löste der Grauäugige seine Augen von ihr und schaute seinen Freund an.Lysander konnte er nie etwas vormachen. Auch wenn sein Freund ziemlich vergesslich war und sein Notizbuch immer verlor, er war nicht dumm. Der Rothaarige schaute seinen Freund nur ausdruckslos an.
„Cas, entscheide dich. Willst du sie wirklich immer so sehen? Willst du, dass sie zusammenbricht?“.
Langsam schüttelte Castiel den Kopf. Er verstand nicht, was Lysander meinte.
„Sie hat einen starken Willen, diese kleine Lüge wird sie nicht umbringen. Ich will sie zwar nicht mehr so sehen, doch ich kann das nicht. Ich kann mich nicht zu ihr bekennen.“. Lysanders Blick war starr auf seinen rothaarigen Freund gerichtet.
„Genau das wird es! Gerade jetzt fasst sie die Erkenntnis!“.
Geschockt starrte der Rothaarige Lysander an. Er wusste nicht wieso Lysander das wusste, doch der Weißhaarige log nicht.
„Geh!". Das ließ er sich nicht zweimal sagen und lief los.Niemand glaubte ihr, nicht mal ihre beste Freundin. Jeder blickte die Braunhaarige mit einen verachteten Blick an oder lästerte vor ihr.
Sie hielt es nicht mehr aus. Sie konnte nicht mehr.Die Braunhaarige traf ihre letzte Entscheidung.
So konnte sie nicht mehr weiter leben.Nur sie wusste noch nicht wie. Abrupt blieb die Braunhaarige stehen und kehrte auf den Absatz um.
Sie wollte zum Strand und es dort beenden.In der Zwischenzeit wurde Castiel klar, was Joe vorhatte und fragte die ganze Schule nach ihr. Doch niemand wusste es, bis auf eine.
„Casi-Hasi, was willst du den von der? Sie ist eben durch das Schultor gelaufen, Richtung Strand.“. Die geschminkte Puppe vor ihm wollte ihre lackierten Griffel um den Hals des Rothaarigen legen, doch er wich aus.
Wenn er eine Person nicht ausstehen konnte, dann war es Amber. Ohne noch ein weiteres Wort an dieses Biest zu verschwenden, sprintete er Richtung Strand, in der Hoffnung, noch früh genug dazusein.Nun stand sie da. Auf der Klippe des Totes.
Nur noch einen einzigen Schritt trennte sie und das Wasser. Ein letztes Mal schaute sie in den Himmel.
„Auf Wiedersehen, du grausame Welt“ löste sich aus ihren Lippen. Das braunhaarige Mädchen atmete noch ein letztes Mal tief durch, bevor sie den letzten Schritt tat.
Doch sie fiel nicht.
„Was soll der Mist?“ fragte eine ihr altbekannte Stimme. Die Stimme, die an allem Schuld war.
„Was interessiert dich das? Dir kann es doch egal sein. Du solltest sogar froh darüber sein!“ Der Rothaarige hielt sie nur noch fester.
„Das bin ich aber nicht! Und ich will nicht, das du mich verlässt. Ich weiß, das ich einen Fehler gemacht habe. Doch ich sag es dir nur ein einziges Mal. Ich liebe dich! Ich hab dich schon immer geliebt.“
Bevor sie protestieren konnte, zog er sie von der Klippe und versiegelte ihre Lippen mit seinen.
Er würde sie nie wieder loslassen.
Sich nie wieder von seinen Ruf einnehmen lassen. Von nun an wollte er zu seinen Gefühlen stehen.
Wo stand ich jetzt? …
Wo führte mich mein Leben noch hin?
Nein, Leben konnte man meinen Zustand des Ein- und Ausatmens nicht nennen.
Was ist noch von mir übrig geblieben?
Das ist wirklich eine gute Frage. Leise schlenderte ich die Flure meiner Schule entlang, wie so oft alleine.
Es machte mir nichts mehr aus, alleine zu sein.
Ich bin sogar froh darüber. So konnte mir wenigstens keiner mehr wehtun.
Niemand.
Ich habe nur noch wenige Freunde, wobei ich glaube, das sie nur aus Mitleid mit mir zusammen hockten. Früher war ich anders. Anders als jetzt.
Ich war ein glückliches Kind, eine strahlende Sonne! Ich hatte viele Freunde, war auf eine Art beliebt.
Bis sie kam.
Diese eine Person ruinierte mein Leben. Schaffte es, mich runterzuhämmern, schaffte es sogar, dass sich alle gegen mich stellten. Ich habe wirklich Gründe, sie zu hassen, aber ich tat es nicht.
Ich hasse viel mehr mich selber.
Hasse mich dafür, das ich so verwundbar bin.
Ich stoße die Ausgangstür zum Schulhof auf. Sofort weht mir eisige Kälte ins Gesicht. So eine Kälte, die mich schon lange beherrschte. Einige Schneeflocken legen sich in mein pechschwarzes Haar. Doch das interessierte mich nicht mehr. Manchmal fragte ich mich, was mich eigentlich noch interessierte.
Meine Antwort war immer und immer wieder „Nichts“.
Einige Fünftklässler spielen noch, nach Schulschluss, mit dem fallenden Schnee. Einige Minuten schaue ich in die fröhlichen Gesichter, die sich lachend gegenseitig Schneebälle zuwerfen oder die Zunge ausstrecken, um den Schnee zu essen. Es tut weh, diese Gesichter zu sehen. Deswegen, weil ich auch mal so war. Langsam schlendere ich weiter zum Schultor.
Ich will endlich nach Hause. Dort bin ich alleine.
Mein Zuhause ist kalt. So kalt wie ich es war.
Dort herrscht keine Fröhlichkeit und Liebe, wie bei den meisten zuhause. Eine Mutter die mich begrüßt, wenn ich nach Hause komme, gab es nicht mehr.
Im Haus gibt es nur mich und meinen Vater, den ich in meinem Leben noch nie ohne Flasche in der Hand gesehen hatte. Eigentlich war das alles kein Grund, nach Hause zu wollen.
Doch bei mir ist es anders. Mein Zimmer ist der einzige Ort, in dem ich mich wohl fühle. Die vier Wände, die eine Schutzmauer für mich bieten. Dort konnte ich mich zurückziehen, meinen Gefühle freien Lauf lassen. Ich bin dort geschützt gegen alles, was mich verletzt, sobald ich die schützende Höhle verlasse.
Wissen, warum ich mich isoliere und nichts mehr mit meiner Außenwelt zu tun haben will, tue ich nicht. Ich weiß nur, das ich nicht mehr verletzt werden will.
Du lächelst, sobald eine Person vorbeikommt. Doch das Lächeln ist gekünstelt. Du hast Probleme über Probleme. Doch willst es nicht, das einer es merkt. Es soll dich niemand fragen! Du lachst , wenn einer deiner besten Freunde einen Witz reißt. Doch deine Augen lachen nicht mit. Deine Freunde sind nicht wirklich deine Freunde, weil sie nicht, trotz deiner Fassade, erkennen, wie schlecht es dir eigentlich geht. Du spielst deine Rolle perfekt, willst niemanden an dich ran lassen. Doch innerlich wünscht du dir, das einer hinter deine Fassade blickt und dir hilft.
Deine Hoffnung schwindet, von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht...
~ 2 Jahre vorher~
„Aurora, hilfst du mir bei Mathe?“ fragte mich Iris. Ich lächelte, wie ich es immer tat. Hatte gelernt, meine Probleme für mich zu behalten.
Klar, meine Mutter ist gerade abgehauen und ich war mit meinen Vater zurückgeblieben. Doch ich wollte einfach nicht, das es irgendeiner erfährt.
Das ich keine Mutter mehr hatte und mein Vater ein Trinker war. Es war mir peinlich.
„Klar helfe ich dir, wo hakt es denn?“ Iris ließ ein gespielten großen Schnauzer los.
„Einfach alles! Ich verstehe Null, überhaupt nichts. Dumme Prozentrechnung.“
Früher hätte ich es lustig gefunden, doch jetzt? Nicht mehr, trotzdem lachte ich.
„Das ist im Grunde ganz einfach. Du musst die Potenzgesetze können. Dann ist alles voll easy.“ erklärte ich ihr.
„Ach wirklich? Das ist ja voll leicht! Warum hab ich da so welche Probleme?“ Ich verdrehte die Augen.
„Vielleicht, weil du es nicht mal angeschaut hast!“ Manchmal wünschte ich mir wirklich, die Probleme von Iris zu haben. Gegensatz zu meinen waren es gar keine.
„Stimmt auch wieder!, Oh Mist, der Lehrer kommt!“ Doch Iris verharrte noch einen Moment bei mir.
„Wer ist denn das? Eine neue Schülerin?“. Ich folgte ihren Blick und sah eine schlanke, braunhaarige Person, mit blauen Augen, hinter dem Lehrer herlaufen.
„Setzt Euch bitte, wir haben eine neue Schülerin! Willst du dich vorstellen?“ Letzteres richtete unser Klassenlehrer, Herr Moos, an das neue Mädchen. Sie nickte zart und machte eher einen schüchternen Eindruck.
„Ich bin Debrah! Ich komme aus den USA und hoffe, ihr nehmt mich in eure Klasse auf!“ Sie schaute sich in der Klasse um und blieb an mir hängen. Doch noch wusste ich nicht, was das zu bedeuten hatte.
~ 1 Jahr und 6 Monate zuvor ~
Ich hatte endlich eine Person gefunden, der ich Vertrauen schenken konnte. Sie war für mich wie ein Fels in der Brandung. In den vergangenen sechs Monaten wurde Debrah unersetzlich für mich. Ich half ihr sogar, das sie mit meinen besten Freund zusammen kam. Rotschopf und
sie passten wirklich gut zusammen.
Doch von meinen Problemen erzählte ich ihr nichts. Irgendwie hatte ich einfach zu viel Angst, das sie mich auslachte. Meine Probleme, die mich von Tag zu Tag zerdrückten, war ein Geheimnis. Wenn es heraus käme, das ich einen Alkoholiker als Vater hatte, wäre ich ganz unten im Schulsystem und auf noch mehr Schwierigkeiten hatte ich einfach keine Lust. Gedankenverloren sah ich aus den Fenster. Draußen schien die Maisonne in voller Pracht und ich verlor mich nur noch mehr in meinen Kopf.
Zu sehr wünschte ich, das Debrah mein wahres Ich kennenlernen würde.
Das Debrah mich die ganze Zeit über beobachtete, bekam ich nicht mit.
~ 1 Jahre und 3 Monate zuvor ~
Ich war mal wieder in meiner Gefühlswelt versunken und merkte nicht, das vor mir einer stand. Ich rannte einfach nur gegen diese Person. Die Person wollte gerade etwas sagen als sie mich erkannte.
„Aurora? Ich glaub wir müssen reden.“ Ehe ich etwas sagen konnte, zog Debrah mich schon an der Hand zu einem leeren Klassenraum. Erst dann ließ sie mich wieder los und baute sich mit ihren zierlichen Körper vor mir auf.
„Was ist los? Du bist wirklich in der letzten Zeit ziemlich abgelenkt.“ Dieser Satz schockte mich. Es war der Satz, den ich mir schon ewig von einem meiner Freunde wünschte. Doch ich hatte immer noch Angst. Verlegen schaute ich auf den Boden und kämpfte mit meinem Gewissen.
Soll ich? Oder soll ich nicht? Ich spürte wie sie langsam ungeduldig wurde.
„Ich warte!“ sagte sie mit Nachdruck. Sie gab mir wirklich keine Chance, es zu überspielen und so rückte ich mit allem raus.
Nachdem ich geendet hatte, fühlte ich mich nach langen wieder gut.
Die Redewendung „Rede deine Seele aus, dann geht es dir gut.“ stimmte wirklich. Ich fühlte mich für kurze Zeit wirklich wieder frei.
~ 1 Jahr und 2 Monate zuvor ~
Irgendwas war anders.
Ich war so alleine. Sobald ich mich irgendwo zu einer Gruppe hinstellte verstummten sie urplötzlich und schauten mich komisch an. Es tat weh, so behandelt so werden. Es war in etwa so, als würdest du in einem Bienenschwarm sitzen und immer gestochen werden.
Okay, dämlicher Vergleich, aber so war es.
Selbst als ich zu Rosa und Iris ging, behandelten sie mich anders. Trotzdem behielt ich meinen Schein aufrecht und lächelte.
„Hey Rosa, Iris. Wie geht`s?“ Ein kurzer Blick von Rosalia und einen wütenden von Iris. „Das sollten wir dich mal fragen! Warum lügst du uns die ganze Zeit an, hm?“ brachte Iris hervor. Sie war sauer auf mich, aber wieso?
„Warum soll ich euch anlügen?“ ein kurzer Lacher von Rosalia.
„Tu doch nicht so, Debrah hat uns alles erzählt.“
In diesen Moment fühlte ich nur noch wenig. Verrat, Trauer und Hass. Der Hass basierte aber nicht auf Debrah.
Nein, er basierte auf mir. Warum konnte ich nicht meinen Mund halten? Warum hatte ich ihr vertraut? Warum konnte meine Fassade nicht standhalten?
Diese Fragen plagen mich heute noch.
Tag der Veröffentlichung: 10.03.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
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