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Heimlichkeiten



Eisig wehte der Wind über die Wälder und Wiesen von Geisenhausen. Ricarda Meyer zitterte am ganzen Körper. Sie trug bloß eine dünne Kapuzenjacke und keine Handschuhe. Das junge Pferd an ihrer Seite schnaubte ängstlich, schien ihr aber zu Vertrauen. „Alles wird gut Pony“, flüsterte sie und ging weiter durch den Schnee, der ihr bis zu den Knien reichte. Ihre Stute machte zwischendurch ein paar Sätze um aus einer der vielen Schneewehen heraus zu kommen. Eigentlich war Ricarda dumm. Dumm weil sie die junge Stute einfach mitgenommen hatte. Einfach so, aus der Herde des Pferdehändlers. Aber sie konnte es nicht ertragen zu sehen, wie die Stute und ihre Herde ohne Stroh und ohne Wasser auf einem Sandplatz gehalten wurden. Zwischendurch bekamen die Pferde verschimmeltes Brot zu fressen. Die Stute wieherte und Ricarda fuhr erschrocken zusammen. Dort stand ein Auto, mit einem Pferdeanhänger hinten dran. Die Scheinwerfer waren an und ein Schrank von Mann mit Schnurrbart und Glatze stand neben der Fahrertür und schien etwas zu suchen. „Der sucht dich Pony“, flüsterte sie und sah sich nach einem Fluchtweg um. Aber weit und breit gab es keine Büsche hinter denen man sich verstecken konnte. „Okay Stute, wir müssen getrennte Wege gehen, du kannst galoppieren und bist schneller als ich. Los lauf!“, flüsterte sie und löste das Halfter vom Kopf des Pferdes. Die junge Stute stand noch eine Weile still da, dann wieherte sie lauter denn je. Erschrocken versteckte Ricarda sich hinter dem nächsten Baum, eine dicke Eiche, und wartete darauf was passieren würde. Die Stute wieherte und stieg –das hatte Ricarda noch nie bei einer Stute gesehen –dann legte sich eine Seilschlinge um ihren Hals und zog die Stute nach unten. Am liebsten wäre Ricarda der Stute zur Hilfe geeilt, aber sie war doch viel zu klein, um sich mit dem skrupellosen Pferdeschläger anzulegen. Jetzt erschien der Mann direkt neben der dunklen Stute und schlug mit einem Stein, den er wahrscheinlich irgendwo aufgehoben hatte, auf das Pferd ein. Die versuchte mit aller Kraft sich zu wehren, doch anstatt nach zu lassen, schlug der Mann immer mehr auf das Pferd ein. Erst als rotes Blut über das dunkle Fell der Stute floss und auf den Boden tropfte ließ er von ihr ab. Die Stute stand nun ganz still da, ließ den Kopf hängen und atmete schwer. Ricarda liefen die Tränen über das Gesicht. Wie konnte man nur so brutal sein, zu einem so schönen Geschöpf. Mutlos und mit schmerzvoll geweiteten Augen ließ sich die Stute langsam durch den Schnee Richtung Anhänger ziehen. Dort gab sie noch ein letztes, zaghaftes wiehern von sich was wohl Ricarda galt, ehe sie Verladen wurde, Türen zuschlugen und ein Auto mit brummendem Motor davonfuhr. Ricarda sank langsam, mit dem Rücken am Baum in den Schnee und weinte. Weinte um die Stute und um die anderen Pferde. Und sie weinte weil sie diese Stute liebte und nun nie wieder sehen würde.

2 Wochen später in Mosbach…



„Kommst du?!“, rief Hanna Lauders und wendete ihren kleinen Schimmel auf dem Hof zum Putzplatz, wo ihre beste Freundin gerade die letzten Riemen der Trense verschnallte. Gar nicht so einfach, wenn das Pferd die ganze Zeit herum tänzelte und auf dem Gebiss herum kaute. Hanna musste lachen während Laura schimpfte wie ein Rohrspatz und selber ein bisschen vor dem Pferd herum hüpfte. Es sah einfach zu komisch aus, wie ihre blonden Locken dabei hüpften. „Was gibt es da zu lachen!?“, rief diese erbost und schnallte endlich den Riemen zu. Dann zog sie den Steigbügel nach und stieg auf. „So und du bist jetzt lieb“, sagte sie streng zu ihrem braunen Wallach und trieb ihn an. Gemeinsam ritten die beiden Mädchen vom Mondberghof. Chubby, der braune Welshwallach, spitzte begeistert die Ohren und kaute aufgeregt auf seinem Gebiss herum. Er liebte Abenteuer und würde sich freuen, wenn sie mal wieder einen neuen Weg erkunden würden. Doch die beiden Reiterinnen ritten den üblichen Weg, unter dem Mondberg lang, durch den Wald, wahrscheinlich zum See. Trotzdem war diesmal etwas anders, das schien auch seine Schimmelfreundin zu spüren. Real Silk blieb plötzlich stehen und spitzte die Ohren. Was war das für ein Geräusch? Die beiden Pferde begannen in der Luft herum zu schnobern. „Was ist los Chubby?“, fragte Laura ihr Pony und blickte sich suchend um. Da! Plötzlich und wie aus dem Nichts, tauchte ein kleiner Dunkelfuchs vor ihnen auf. Es war eine Stute, mit weißem Mähnen –und Schweifhaar. An ihrem Hals klebte Blut, ihre Beine waren voller Schrammen und sie hatte kaum noch einen Schopf. „Oh mein Gott“, flüsterte Hanna geschockt. Laura schwieg, starrte aber genauso ungläubig auf das Pony. Als Real Silk einen Schritt nach vorne machte wich die Stute schnorchelnd zurück und drehte dann auf der Hinterhand um, ehe sie den Weg zurück galoppierte und wieder im Nichts verschwand. Was, was war das denn?“, stotterte Hanna, die immer etwas ängstlich war und starrte stocksteif in die Richtung in die die Stute verschwunden war. „Ich weiß es nicht, vielleicht ein Geist?“, fragte Laura sich. Endlich etwas Spannendes! „Ich hoffe nicht, ich meine, es gibt doch keine Geister“, machte Hanna sich Hoffnungen und trieb ihre Stute in den Schritt. „Los, lass uns weiter reiten“, murmelte sie dabei und ließ ihr Pony durch den Schnee traben. Während die beiden nebeneinander her trabten, hing jede ihren Gedanken nach. Laura fragte sich, was die junge Stute wohl hier machte und vor allem warum sie diese große Wunde hatte. Plötzlich wieherte Chubby und blieb stehen, fast wäre seine Reiterin dabei aus dem Sattel gefallen, weil sie darauf nicht vorbereitet war. „Hey Chubby, was soll das?!“, fragte sie empört. Doch ihr Wallach störte sich gar nicht an dem Protest seiner jungen Reiterin, er beobachtete weiter die kleine Gestalt die dort neben der Tanne stand und sich umschaute, als suche sie etwas. Chubby begann zu schnobern und witterte Möhren! Im zügigen Trab lief er durch den Schnee und interessierte sich nicht mehr für seine Reiterin, die erschrocken die Luft einsog und versuchte ihn mit Paraden durch zu parieren. „Chubby!“, rief sie wütend, doch ihr kleiner Wallach hörte sie nicht und trabte munter weiter. Erst jetzt bemerkte Laura das Mädchen, das dort am Baum stand und die beiden auf sich zukommen sah. „Hallo“, begrüßte sie das junge Mädchen mit den kurzen schwarz-braunen Haaren. „Wo kommst du denn her und was machst du hier?“, fragte sie interessiert, während Chubby seine Nase in Richtung Jackentasche streckte. „Du hast Möhren dabei, das riecht er auf 100 km gegen den Wind“, lachte Laura, doch dann verstummte sie. Das Mädchen starrte sie nur aus grünen Augen an. „Hey, wer bist du denn“, fragte plötzlich Hanna neben ihr. Sie war ihrer Freundin durch den tiefen Schnee nachgeritten und hatte nun ebenfalls das fremde Mädchen erblickt. „Ricarda“, sagte das Mädchen nur knapp und drehte sich um, aber vorher zog sie zwei Karotten aus ihrer Tasche und sah die Freundinnen an. „Dürfen sie?“, fragte Ricarda. Beide nickten und so hielt sie den Ponys die leckeren Möhren unter die Nase. Während Real Silk die Karotte vorbildlich und langsam aus ihrer Hand nahm, schnappte Chubby nach ihr und hätte fast die Finger von Ricarda mit im Maul gehabt. Hanna viel auf dass das Mädchen keine Handschuhe trug. „Wo kommst du her?“, fragte sie. „Mosbach“, murmelte Ricarda nur kurz. „Ja, wir auch, das hier ist schließlich Mosbach“, erklärte Laura irritiert. „Aber wo wohnst du?“, versuchte es Hanna noch einmal. „In einem Haus.“ Gerade wollte Laura wieder etwas erwidern, als ein helles wiehern durch den Wald hallte. Erschrocken zuckten die beiden Reiterinnen zusammen und blickten sich um. Kam das von dem Geisterpferd? Als sie nichts entdecken konnten und sich Ricarda wieder zuwenden wollten, war diese verschwunden. „Was zum!?“, rief Laura erschrocken aus. Außer den Fußspuren war nichts mehr von dem Mädchen zu sehen, wo war sie hin?

„Vielleicht ist sie auch ein Geist?“, überlegte Laura am nächsten Tag in der Schule. „Keine Ahnung, ich denke nicht, welcher Geist würde Fußspuren hinterlassen? Und vor allem, welcher Geist trägt Möhren in der Jackentasche herum?“, konterte Hanna ernst. „Ja, du hast recht“, murmelte Laura leise. „Geister!? Ihr seht wohl Gespenster oder was? Schon mal in den Spiegel geschaut? Dann seht ihr etwas, wovor ihr euch fürchten könnt.“ Das war Ina Lukas. Ihre Stimme und die fiesen Sprüche waren ihr Markenzeichen, genau wie ihre hautengen Designerklamotten. Egal wo Ina auftauchte, am Ende gab es immer jemanden der fertig gemacht worden war. Laura warf Ina einen giftigen Blick zu und Hanna streckte ihr die Zunge heraus. Mehr konnten sie nicht tun. Die beiden waren ziemlich schlecht im Kontern und wussten nichts, was sie Ina an den Kopf werfen konnten. Zum Glück erschien da Frau Springer im Klassenraum, ein junges Mädchen mit schwarz-braunen Haaren vor sich herschiebend. „Ist das nicht Ricarda?“, fragte Hanna leise ihre Freundin. „Ja“, murmelte Laura nur. „Dann kann das mit dem Geist wirklich nicht stimmen“, bestätigte Laura Hannas Vermutung. „So ihr lieben, das ist Ricarda Meyer, sie ist vor einer Woche erst hierher gezogen und kennt sich noch nicht so aus, seid nett zu ihr. Und du Ricarda setzt dich jetzt neben Nicole.“, meinte Frau Springer an Ricarda gewandt und deutete auf den Platz neben Nicole Kurz. Sie war eine kleine Ziege, die ständig an den Hacken von Ina hing. Als Ricarda sich neben Nicole setzte hob diese den Kopf und wendete den Blick von ihrem Spiegelbild ab. Nicole trug überall einen kleinen Handspiegel bei sich. „Ähm Frau Springer muss das sein?“, fragte sie dann angewidert nachdem sie Ricarda gemustert hatte. Sie war von oben bis unten in schwarz gekleidet, bis auf die blaue Strähne in ihren dunklen Haaren. „Ja das muss sein und jetzt holt eure Geschichtsbücher raus, wir fangen an!“, sagte Frau Springer und wendete sich der
Tafel zu.
In der Pause stand das Zickentrio um die Neue herum. „Wie du aussiehst, wenn du in den Spiegel guckst, was du deinem Aussehen nach zu urteilen nicht tust, dann musst du doch kotzen“, stichelte Olivia, die dritte im Bunde der Zicken und hielt ihre Nase in die Höhe. „Nicht wirklich, es reicht schon dich zu sehen“, konterte Ricarda gelassen und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen als Olivia sie entgeistert ansah. „Wow“, staunte Laura. Eigentlich war sie immer die wilde, freche, die immer einen Spruch auf Lager hatte, aber dem Zickentrio gegenüber hatte sie so etwas noch nicht geschafft. Die ganze Klasse lachte und das Zickentrio hastete mit klackernden Schuhen aus dem Klassenzimmer. „Das war super!“, sagte Hanna und setzte sich auf Nicoles Platz neben Ricarda. „Pass auf, nicht das dein Hintern wegätzt“, meinte die nur. Laura lachte und Hanna stand hektisch wieder auf. „Wenn du magst kann Sarah sicher mit dir tauschen, der ist eh alles egal und außerdem mag Nicole sie. Dann sitzt du neben Laura“, schlug Hanna dann vor. „Wäre schön“, meinte Ricarda bloß. Dann packte sie ihre Mathesachen aus und legte ihr Hausaufgaben darauf. Laura stockte, auf dem Hausaufgabenheft war ein Bild von einer kleinen braunen Stute mit schmaler Blesse und dunklen Augen. „Hast du ein Pferd?“, fragte sie begeistert und deutete auf das Bild. „Das ist Dandy, sie ist tot, sie wurde geschlachtet“, sagte Ricarda und Hanna und Laura schwiegen geschockt. „Das, das wusste ich nicht, tut mir Leid“, sagte Laura dann. Ricarda zuckte die Schultern und stand auf um auf den Hof hinaus zu gehen. „Oh man, die ärmste, es muss schrecklich sein ein Pferd so zu verlieren“, murmelte Hanna und schüttelte gerührt den Kopf. Laura nickte nur und folgte ihrer Freundin dann nach draußen. Auf dem Hof stand Ricarda alleine in einer Ecke und starrte ins leere. „Hey Ricky“, versuchte Laura es vorsichtig. Sie wollte nicht, dass Ricarda traurig war. Dann wäre es nur leichter für das Zickentrio sie fertig zu machen. „Hallo“, schniefte diese und wischte sich mit dem Jackenärmel über die Nase. Ihre Augen waren rot und glitzerten verdächtig. „Du das mit eben, es ist besser nach vorne zu sehen“, versuchte es nun auch Hanna. Ricarda lächelte vorsichtig. Das war das erste Mal das sie lächelte. „Ihr geht mir wohl so lange auf den Keks bis ich euch alles erzähle oder?“, fragte sie dann. Laura lachte. „In so was sind wir sehr gut.“
„Na dann gebe ich mich mal geschlagen“, seufzte Ricarda und begann zu erzählen. Davon das sie auf Dandy das reiten gelernt hatte, in Geisenhausen, wo sie vor ein paar Wochen gewohnt hatte und davon das die Stute geschlachtet wurde, weil sie nur Schritt und Trab gehen konnte und der Hof nach seine Schließung alle Pferde verkaufen musste. Dann erzählte sie noch dass sie ganz plötzlich umziehen mussten, weil ihrer Mutter der Job gekündigt wurde und dass sie hier einen neuen gefunden hatte. Nur von der Rotfuchsstute erzählte sie nichts. Also kamen die beiden Mädchen gar nicht erst auf die Idee sie mit ihr in Verbindung zu bringen. „Und, möchtest du noch reiten?“, fragte Hanna, nachdem Ricarda fertig war. „Ja“, antwortete diese knapp. „Du hast uns ja gesehen, mit unseren Pferden, wir kommen von einem Hof hier ganz in der Nähe, Reiterhof Mondberg, er liegt in einem kleinen Wäldchen auf einer Lichtung, direkt vor dem Mondberg, wenn du magst kannst du gerne mal mitkommen. Wir haben sehr viele Pferde und Ponys dort. Du darfst sicher Nino oder so reiten.“, schlug sie weiter vor. „Hm, das wäre toll, da würde ich mich freuen“, sagte Ricarda und nickte bestätigend mit dem Kopf. „Okay, dann fahren wir nach der Schule direkt dahin okay? Dann suchst du dir ein Pony aus.“ „Wäre schön, aber ich muss erst nach Hause, meiner Mutter Bescheid geben. Wie komme ich denn zum Mondberghof?“
Laura lachte. „Ganz einfach, bei der Schulstraße an der Seite ist doch die Festwiese mit dem Feldweg oder? Da fährst du rein und dann kommst du zum Wald, da fährst du dann immer geradeaus bis zum Hof. Der ist schlecht zu übersehen“, erklärte sie. „Oh gut, das ist ja leicht, dann sehen wir uns auf dem Hof“, freute Ricarda sich und war seid ihrer Ankunft in Mosbach endlich wieder glücklich.

„Wääh!“, rief sie zwei Stunden später aus, als sie über den unebenen Feldweg fuhr. Wenn man das fahren nennen konnte, denn eigentlich war es mehr ein Hüpfen. Ricarda flog auf ihrem Sitz nur so hin und her, fast wäre sie einmal hingefallen, weil sie einem Stein ausweichen musste und dabei in ein großes Schlagloch gefahren war. Endlich erreichte sie den Wald und fuhr ein kleines Stück an großen Laubbäumen vorbei, vermutlich Eichen, und kam dann auf einen großen Torbogen zu auf dem mit grüner Schrift ‚Mondberghof‘ geschrieben stand. „Da ist es ja schon“, rief sie erfreut aus und fuhr an der Koppel vorbei, die sich links neben der Einfahrt befand. Auf ihr grasten unzählige Pferde, wahrscheinlich auch die beiden Ponys von ihren Schulkameraden. Neben den Pferden und Ponys befanden sich eine kleine Eiche und eine zierliche Person auf der Koppel. Die zierliche Person kam näher, ihr langes, honigbraunes Haar wehte im eisigen Wind unter der knall-grünen Wollmütze. „Ricarda?“, rief sie und kam zielstrebig auf sie zu. Es war Hanna, ihre schönen blauen Augen blitzten fröhlich. „Ja, ein bisschen durchgeschüttelt, aber ich bin’s.“ „Hi, schön dass du da bist, schau mal das da hinten ist Nino, der hellbraune Haflinger dahinten!“, sagte Hanna und deutete auf das kleine Pony mit der schmalen Blesse. Ricarda versetzte es einen Stich ins Herz als sie das Pony sah. Es sah ihrer ‚Pony‘ so ähnlich. „Den kann ich nicht reiten“, murmelte sie und fuhr schnell zu einem roten, länglichen Klinkerbau, neben dem ein kleiner Radständer war. Als sie einen Blick in den Bau warf sah sie dass es der Stall war. Dann stiefelte sie rüber zur Koppel, wo Hanna gerade mit ihrer Schimmelstute am Halfter zum Gatter kam. „Die ist so hübsch, wie heißt sie?“, fragte Ricky und Strich durch die schwarze Mähne der Stute. „Real Silk“, sagte Hanna stolz und sah ihr Pony liebevoll an. „Schöner Name, das bedeutet reine Seide oder? Passt zu ihr.“ „Ja finde ich auch.“, nickte Hanna und führte ihre Stute zu einer langen Eisenstange, die neben einem weiteren Klinkerbau stand. Dort band sie ihr Pony an und strich ihr über den hübschen, weißen Kopf. „So, komm, ich zeig dir die Sattelkammer. Da kannst du dann das Halfter, den Strick und das Putzzeug von Nino holen.“, befahl Hanna freundlich und marschierte auch schon los. „Hanna!“, rief Ricarda entrüstet und hetzte hinterher. „Hanna ich kann Nino nicht reiten“, erklärte sie. „Ach was, du hast doch gesagt du reitest schon drei Jahre, jeder kann Nino reiten.“ „Nein, so mein ich das nicht, ich kann Nino nicht reiten weil ich, weil ich ihn nicht reiten will“, seufzend fuhr Ricarda sich durch die kurzen Haare. „Und wieso willst du ihn nicht reiten?“, fragte Hanna forschend. Ricarda seufzte. Wie sollte sie dem Mädchen bloß die Sache erklären. Sie konnte doch nicht von Pony erzählen. Die Stute war ihr Geheimnis. „Ich kann halt einfach nicht, ich, ich mag keine Haflinger“, log sie und begann auf ihrer Lippe zu kauen. Das tat sie immer wenn sie nervös war. „Hm, ach so, na gut, welche Rasse magst du dann?“, fragte sie und ging weiter in den Klinkerbau. Ricarda folgte ihr in einen kleinen Raum neben der Stalltür, in dem sich die Sattelkammer befand. Hier standen auf den beiden langen Seiten etwa 40 Spinnte. 10 von ihnen waren ohne Schloss, 25 hatten ein Schloss und die restlichen 5 standen leer. Hanna deutete auf die Spinnte ohne Schloss. „Da sind die Pferde der Reitschule abgebildet, du kannst dir ja eins aussuchen was dich anspricht und dann holst du dir das Putzzeug und alles raus“, erklärte Hanna und ging selber zu einem Spinnt in der Mitte auf der rechten Seite. Hanna Lauders stand dort, in sauberer Schrift. Während Hanna ihren Schlüssel herauskramte und ihren Spinnt öffnete, betrachtete Ricarda die Pferde auf den Reitschulspinnten. Sie hatten nicht viele Schulpferde, aber dafür viele verschiedene Rassen, ein paar Warmblüter, ein paar Endmaßponys und ein paar kleinere. Ricarda entschied sich für einen kleinen Rappen mit einer weißen Fessel. Es schien ein Deutsches Reitpony zu sein. Ricarda öffnete den Spinnt und nahm sich Halfter, Putzzeug und Strick heraus. Dann marschierte sie damit zum Putzplatz, wo sie den Putzkoffer abstellte um dann weiter zur Koppel zu gehen. Als sie das Gatter hinter sich schloss und sich umdrehte kam ihr gerade Laura mit ihrem dicken braunen Pony entgegen. „Hi, schön dass du da bist Ricky“, grüßte sie freundlich und öffnete dann das Gatter. Ricarda sah ihr kurz nach, dann ging sie zu dem kleinen Rappen. „Beauty“, sagte sie freundlich und der Rappe hob den Kopf. Brav ließ er sich von ihr aufhalftern und am Strick zum Gatter führen. Am Putzplatz angekommen band sie den kleinen Rappen fest und begann ihn zu putzen. „Chubby!“, rief Laura erbost aus. Ricky warf einen Blick über den Rücken ihres Leihponys und musste grinsen. Der braune Wallach streckte seinen hübschen Kopf nach ein paar Grasbüscheln aus und ließ seine Besitzerin gar nicht dazu kommen, ihn fest zu binden. Als sie es endlich geschafft hatte lehnte sie sich erschöpft an die Eisenstange.

„So, dann zeig mal was du kannst, bevor wir mit dir Ausreiten gehen“, rief Laura und beobachtete Ricarda ganz genau. Die Mädchen standen auf dem Springplatz, der sich neben dem Stall befand und wollten ihre neue Freundin erst einmal reiten sehen, bevor sie mit ihr das Gelände erkundeten. Ricarda zog den Sattelgurt nach und stellte sich die Steigbügel ein. Dann schwang sie sich gekonnt in den Sattel und sortierte die Zügel, ehe sie den Wallach in den Schritt trieb. „Hoffentlich fällt sie nicht runter“, flüsterte Hanna unsicher. Laura nickte. „Nicht das sie sich den falschen ausgesucht hat, aber vielleicht geht er heute mal nicht durch“, stimmte
Laura ihr zu. Der schöne Wallach Beauty ging gerne durch und achtete dabei nicht darauf, wer gerade auf ihm saß. Deshalb setzte Katja Bergmann, die Reitlehrerin des Hofes, auch nur erfahrene Reiter auf den schwarzen Wallach. Ricky ritt ungefähr 10 Minuten im Schritt, wendete das Pferd mal von der linken auf die rechte Hand und ritt Volten, Zirkel und Schlangenlinien. Dann wollte sie antraben. Der Wallach legte die Ohren an und ging keinen Schritt weiter. „Pass auf, er geht gerne mal durch“, rief ihr Hanna zur Sicherheit zu. Ricarda nickte zur Bestätigung das sie verstanden hatte und gab ihm einen kleinen Klaps mir der Gerte. Erschrocken sprang das Pony in einem gewaltigen Satz nach vorne, den Ricarda jedoch gekonnt aussaß. Dann begann der Wallach zu galoppieren, Runde um Runde schoss er über den Platz. Locker saß Ricarda in seinem Sattel und ließ ihn Galoppieren. Als der Wallach begann zu schwitzen und in den Trab gehen wollte, gab sie ihm ein Klaps mit der Gerte und trieb ihn weiter. Wieder umrundete das schwarze Pony mehrere Male den Platz. Ricky klopfte ihm während des Galopps lobend den Hals, dann ließ sie ihn in den Trab und anschließend in den Schritt fallen. Der Wallach schwitzte und pumpte. Ricarda ließ ihn am langen Zügel um den Platz gehen. „Zur Entspannung komme ich mit ins Gelände, aber galoppieren tu ich nicht, das müsst ihr dann alleine machen!“, rief sie den beiden Mädchen zu die das ganze staunend beobachtet hatten. „Du hast das ja wie ein Profi gemacht!“, rief Laura begeistert. „Danke“, murmelte Ricky gerade so laut, das Laura es hören konnte. „Kannst du das auch mit Pferden die Angst vor Gerten haben?“, fragte sie weiter. „Oder mit welchen die Angst vor Gewittern haben?“, warf Hanna ein. Ricarda lachte und kam auf die beiden Mädchen zu. „Die Sache mit der Gerte würde ich hinbekommen, kommt drauf an wie er dabei reagiert, nur mit dem Gewittern, das wird nicht gehen“, meinte sie und sah Hanna tröstend an. „Schon in Ordnung“, meinte diese grinsend. „Na komm Pferdeflüsterin, lass uns ausreiten“, meinte Laura und ritt los. Ricarda ritt vom Platz hinter den beiden her. Ob sie den beiden Vertrauen konnte? Ob sie mit ihrer Hilfe Pony finden konnte? Ricarda schüttelte den Kopf. Pony war tot und damit musste sie klarkommen. Auch wenn sie den einen Tag eine ungewöhnliche Begegnung mit dem Transporter hatte, in dem Pony verschleppt worden war. Der Hänger hatte in einem Wald gestanden, die Hängerklappe war auf gewesen und der Schrank-Mann hatte fürchterlich geflucht.
„Hey Ricky, letztens wo du hier im Wald warst, hast du da auch das Geisterpferd gesehen?“, fragte Laura sie plötzlich über die Schulter. Ricarda runzelte die Stirn. „Was denn für ein Geisterpferd?“ „Naja, wir wissen nicht ob die Stute ein Geist war, sie war aber plötzlich verschwunden, fast wie im Nichts ist sie verschwunden. Sie war ein Dunkelfuchs mit weißem Mähnen –und Schweifhaaren und einer schmalen Blesse. Am Hals auf der linken Seite hatte sie eine große, blutende Wunde“, erklärte Hanna. Ricky stoppte der Atem. Die Beschreibung passte zu hundert Prozent auf Pony. „Ähm, ich, also“, stotterte sie. „Nein“, sagte sie dann schnell. Sie konnte es nicht glauben. Pony lebte! Die Stute war sicher abgehauen, weshalb der Schrank-Mann sicher auch so wütend gewesen war. „Okay, wir suchen sie mal, hilfst du mit?“, fragte Laura. Und auch wenn sie es nicht wusste, aber das waren die schönsten Worte die das blondgelockte Mädchen hätte aussprechen könne. „Klar, warum nicht“, sagte Ricky und versuchte so gleichgültig wie möglich zu klingen. Aber innerlich war sie Natürlich Feuer und Flamme. Vielleicht konnte sie Pony ja tatsächlich finden!


Von Zicken und fliegenden Bällen



Ein paar Tage später saß Ricarda auf ihrem Rad und fuhr zur Schule. Es war ein kalter Wintermorgen, und obwohl der Himmel blau war, fror sie in ihrer dicken Jacke. Die Straßen waren zum Glück freigeschaufelt, so dass sie gut darauf fahren konnte. Nur der Aufstieg zur Schule war beschwerlich, da diese auf einem Hügel am Rande des Dorfes lag. Als sie es endlich geschafft hatte war ihr immerhin warm. Sie ließ ihr Rad über den großen Schulhof rollen und parkte es im Ständer neben der Eingangstür. Sie war recht früh und es waren kaum Schüler da. Ricky schloss ihr Rad ab und sah sich dann um. Der Schulhof war groß und von einer Backsteinmauer umgeben. Neben der einen Schulwand, direkt vor der Mauer stand ein Baum. Es gab zwei Basketballkörbe und ein paar Bänke. Während Ricky ihren Blick schweifen ließ bemerkte sie Ina die Zusammen mit ihrem Anhang vor einem kleinem Mädchen stand. Es hatte rote Locken und eine kleine Stupsnase, dazu trug sie eine schwarze Hose und eine rote Jacke. Ina hielt einen Ball in der Hand und lachte fies als das Mädchen versuchte nach dem Ball zu greifen. Dann begannen die drei Zicken den Ball hin und her zuwerfen. Immer über den Kopf des Mädchens hinweg. Die kleine hüpfte immer wieder hoch um den Ball zu fangen, aber sie war natürlich zu klein. Bald fing sie an zu weinen. Ricarda hasste es wenn man kleine Kinder zum Weinen brachte. Entschlossen lief sie zu den vieren hinüber und tippte Ina von hinten auf die schmale Schulter. Die drehte sich erschrocken um, dann verengten sich ihre blauen Augen zu schmalen Schlitzen. „Was willst du denn?“, fragte sie barsch. „Den Ball“, antwortete Ricarda knapp. „Fang ihn doch“, meinte Ina und grinste Siegessicher. Natürlich hatte sie nicht mit Rickys Sportlichkeit gerechnet, denn als sie den Ball zu Olivia warf sprang Ricarda mit einem Satz in die Luft und griff den Ball mit einer Hand. Das kleine Mädchen lachte begeistert und bedankte sich bei ihr, als sie ihr den Ball wieder gab. „Kein Problem“, lächelte Ricarda und warf dem Zickentrio wütende Blicke zu. „Sucht euch nächstes mal `ne andere Beschäftigung“, zischte sie noch, ehe sie zum Fahrradständer zurück lief und ihre Schultasche vom Gepäckträger nahm. Als sie hört wie ein Rad auf sie zukam, wendete sie sich mit einem Lächeln um. In ihrer Schule fuhren nur sehr wenige mit Rad. Und das klackern der Räder von diesem, war ihr mittlerweile sehr bekannt. „Hey Laura“, grüßte sie und klemmte sich ihre Tasche unter den Arm. Auch Laura nahm sich ihre Tasche und ging mit Ricarda zum Baum, neben der Mauer. „Hier sitzen Hanna und ich im Sommer immer“, erklärte sie ihr und lehnte sich gegen die kalte Mauer. Nachdem auch Hanna eingetroffen war gingen die drei in ihren Klassenraum. „Das wirst du mir noch büßen“, zischte Ina als sie an Ricarda vorbeiging. „Was hat die denn?“, fragte Hanna irritiert. „Ist eine lange Geschichte“, erklärte Ricky lächeln und setzte sich auf ihren Platz.

Lautes Lachen hallte über den Schulhof, Hanna und Laura kugelten sich, als sie die Geschichte von Ina und dem Ball gehört hatten. „Dich möchte ich in meiner Mannschaft in Sport haben“, kicherte Laura als sie sich fast wieder beruhigt hatte. „Ja, dann braucht sie danach sicher einen Sanitäter." Hanna grinste und Ricarda nickte ernst. Die drei Mädchen standen unter dem Baum neben der Mauer. Auf die Mauer konnten sie sich nicht setzten, jedenfalls nicht im Winter. Die Mauer war eisglatt und es wäre eher Selbstmord sich darauf zu setzen. Wenige Minuten später waren die drei Mädchen in der Sportumkleide und Ricarda musste feststellen, dass auch hier eine Art Rangordnung herrschte. In kleinen Grüppchen waren die Mädchen ihrer Klasse in dem Umkleideraum verteilt. Da war das Zickentrio, die zwei Streberin Sarah und Maria, dann die etwas dickeren Julia, Anna und Meike und dann Hanna, Laura und sie selbst. Während sich die Mädchen umzogen war es ziemlich still im Raum. Nachdem sie sich umgezogen hatten und in der Turnhalle vor ihrer Lehrerin Frau Sprint standen, wurde Ricarda ganz hibbelig. Sie wollte unbedingt Ina schlagen. Egal welches Spiel sie spielten. In ihr brannte Wut, die rausgelassen werden wollte. Und das konnte sie nur beim Ball spielen. „Was meint ihr Mädels“, flüsterte sie ihren neuen Freundinnen zu, „machen wir die fertig?“
„Darauf kannst du Gift nehmen“, kicherte Hanna.
„Die werden sich noch wundern“, meinte Laura kämpferisch.
„Ruhe Mädels, wir spielen heute Volleyball. Jeder kennt es oder? Ricarda?“, sie wandte sich an Ricky. Ricarda seufzte. Sie bekam manchmal noch zu spüren, wie es war die neue zu sein. Als würde sie kein Volleyball kennen, nur weil sie aus einem anderen Teil von Bayern kam. „Ja, kenn ich“, erklärte sie trotzdem. „Gut, ihr werdet in zwei Gruppen eingeteilt. 9 gegen 9. Ricarda, Hanna, Laura, Maria, Mike, Julian, Sven und Niko, ihr spielt in der ersten Mannschaft. Der Rest in der anderen.“, erklärte Frau Sprinter und begann das Seil aufzuspannen, während die Mädchen ihre Aufwärmrunden liefen. 5 Minuten später standen die Mannschaften an ihren Plätzen und warteten gespannt auf den Spielbeginn. Mit einem lauten Pfiff in ihre Pfeife warf ihre Lehrerin den Ball in die Luft und Ricarda, die weiter vorne stand, fing ihn auf. Der Aufschlag war gut, Nicole fing ihn mit einer eleganten Bewegung und warf ihn rüber zu Sarah. Die Gegner waren stark, aber Ricardas Mannschaft war auch sehr gut. Sie spielten mit viel Eifer und Frau Sprinter beobachtete ihre Mannschaft besonders Interessiert, auch wenn Ricarda nicht wusste warum. Am Ende des Spiels stand es 5 zu 5. Nur noch eine Spielminute hatten sie. Ricarda schwitzte, aber sie war glücklich. Volleyball war –neben reiten –ihre große Leidenschaft. Wenn sie spielte konnte sie die ganze aufgestaute Wut, die sie gegen andere hatte, super abbauen. Gerade als Ina den Ball über das Seil schlug fing Ricarda ihn gekonnt auf und ließ ihren Blick schnell über das Feld der gegnerischen Mannschaft schweifen. Wo konnte sie den Ball hinwerfen ohne dass ihn jemand fing und so den entscheidenden Punkt für ihre Mannschaft ergattern. „Nur noch 10 Sekunden!“, rief da Frau Sprinter. Ricarda wusste nun was sie zu tun
hatte. Während des Spieles hatte sie den Schwachpunkt der Gegner gefunden. Olivia. Olivia schien ein Angsthase zu sein. Mit einem kräftigen Schlag knallte sie den Ball zu Olivia die erschrocken einen Satz zur Seite macht. Ina reagierte, aber glücklicherweise zu spät. Der Ball schlug auf den Boden der Turnhalle auf und Frau Sprinter pfiff das Spielende an. Ricarda kreischte vor Freude und warf sich ihren Freundinnen um den Hals. Ina kochte vor Wut. Was für ein herrlicher Anblick!
„Okay ihr Lieben, gutes Spiel und Lauras Mannschaft hat eine gute Teamarbeit gezeigt, ach und Ricarda? Dich würde ich gerne noch kurz sprechen“, sagte Frau Sprinter freundlich. „Jetzt sagt sie dir dass du deine geschmacklosen Sportsachen verbrennen sollst“, flüsterte Ina ihr hämisch grinsend zu, während sie an ihr vorbei stolzierte. „Die ist immer so wenn sie eingeschnappt ist“, kicherte Hanna. „Die ist allgemein immer so“, meinte Laura trocken. Während die Schüler die Sporthalle verließen ging Ricarda verwundert zu Frau Sprinter, die gerade das Seil in einen Schrank, der Ballkammer packte. „Sie wollten mich sprechen?“, fragte sie zögernd und fragte sich was es wohl sein könnte. „Ja, ich möchte mit dir über das Spiel heute sprechen. Hast du schon öfters Volleyball gespielt?“, fragte Frau Sprinter und blickte ihre Schülerin aus grauen Augen an. „Ja, in einer Mannschaft, aber das musste ich ja Aufgeben“, meinte Ricky etwas zerknirscht. „Na dann, möchtest du es weiterhin machen? Unsere Schule bietet kostenlose Vereine an, das gibt es den Fußballverein, den Schwimmverein und eben auch den Volleyballverein. Wenn du möchtest können wir dich gerne in der Mannschaft aufnehmen“, erklärte ihre Frau Sprinter und lächelte freundlich. „Oh das wäre super!“, rief Ricarda begeistert. „Na dann trage ich dich ein, das Training ist jeden Montag und Donnerstag um 17 Uhr hier in der Turnhalle, ich freue mich auf dich“, sagte Frau Sprinter und trat durch die Tür zu Turnhalle. „Okay, danke, dann bis Donnerstag“, rief Ricky noch ehe sie zur Mädchenumkleide lief.

„Brr, trotz der Jacke ist das kalt“, bibberte Hanna. Sie saß auf ihrer Stoffsportjacke auf der Mauer und schlang die Arme um ihren Körper. Ricarda hatte die Idee gehabt sich einfach die Sportjacken unter den Hintern zu packen, damit sie auf der Mauer nicht wegrutschten. „Ja, schon, aber es ist cool hier oben“, stimmte Ricarda ihr zu. „Ball“, rief da Laura plötzlich. Ricarda sah sie irritiert an und begriff nicht was ihre Freundin meinte. Doch als sie etwas Hartes an der Schulter traf und ein stechender Schmerz durch ihren Arm fuhr, begriff sie wovor Laura sie warnen wollte. Der Ball rollte unter ihr auf dem Asphalt, direkt in die Hände eines kleinen Mädchens. „Entschuldigung“, sagte es nur knapp und lief dann wieder zurück zu seinen Mitschülern. „Daran musst du dich gewöhnen Ricky“, meinte Hanna mitfühlend während Ricarda sich die Schulter rieb. „Ja“, stimme Laura zu „die Bälle fliegen hier nur so durch die Gegend. Manchmal müssen wir sogar den Kopf ducken um nicht erschlagen zu werden vor allem im Sommer, dann fliegen auch Fußbälle.“
„Gut zu wissen“, lachte Ricky halbherzig. Hätte sie das früher gewusst hätte sie vielleicht den Ball abfangen können. Plötzlich zog Laura neben ihr scharf die Luft ein. Sie hatte einem Ball nachgeschaut der über die Schulmauer geflogen war. „Ich glaub es nicht“, stammelte sie.
„Was denn?“, fragte Hanna.
„Das kann doch gar nicht wahr sein“, Laura ging nicht auf ihre Freundin ein.
„Was kann nicht wahr sein?“, fragte Hanna etwas lauter.
„Der Geist, die Stute“, stammelte Laura weiter und deutete mit ausgebreitetem Arm hinter sich. Ricky und Hanna folgten ihren Blick. Während Hanna ein erstauntes „Wow“, ausstieß erstarrte Ricarda. Da stand sie. Pony. Die Haflingerstute hatte noch immer das haselnussbraune Fell, die weiße Mähne schimmerte eher gräulich, ein bisschen rot mischte sich auch dabei. Die große Wunde an ihrem Hals war anscheinend langsam verheilt, nur das getrocknete Blut an der Stelle erinnerte an die schwere Verletzung die der Stute zugefügt worden war. „Vorsicht!“, rief da eine schrille Stimme laut. Erschrocken fuhren die Mädchen herum, doch der Ball war in eine ganz andere Richtung geflogen. Als sie sich der Stute wieder zu wandten war nichts mehr von ihr zu sehen. „Sie ist weg“, stellte Ricarda leise fest. Dann spürte sie etwas Kaltes, Nasses auf ihrer Nase. Dann auf ihrer Wange. Die Mädchen blickten zum Himmel auf von dem immer mehr weiße Flocken herab rieselten. „Oh wie schön, es schneit“, flüsterte Hanna verträumt. Die Mädchen streckten ihre Zungen heraus und ließen die Flocken auf ihre Zungen fallen.
„Irgendwie schon Mist das es schneien musste“, meinte Laura wenige Minuten später in der Physikstunde. „Wieso?“, wollte Hanna wissen und schrieb die Formel von der Tafel ab, die sie lernen sollten. „Naja“, flüsterte Laura. „Wenn wir jetzt nach der Stute suchen, sind die Spuren alle schon zugeschneit“, fuhr sie fort. Hanna nickte. Das klang einleuchtend.
„Ich…ich dachte wir reden hier von einem Geisterpferd? Wie kann denn ein Geisterpferd Spuren hinterlassen?“, warf Ricarda unruhig ein. Noch vertraute sie ihren neuen Freundinnen nicht ganz. Was wenn sie herausfanden das Pony kein Geisterpferd war und sie die Polizei riefen? Die würden ihre geliebte Stute sicher irgendwo hin bringen, wo sich die Stute nicht wohl fühlte!?
„Naja wir wissen ja nicht ob es ein Geisterpferd ist“, stellte Hanna klar. Ricarda nickte zögernd und schrieb hektisch die Aufgaben ab. Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher ob sie nach der Stute suchen wollte. Hanna warf Laura einen vielsagenden Blick zu. Ihre neue Freundin benahm sich ziemlich merkwürdig. Ob sie doch etwas mit dem Pferd zu tun hatte? Sie machte sich jedenfalls Verdächtig.


Eiskalte Begegnung



Am nächsten Tag, nach der Schule, fuhr Ricarda direkt in den Stall. Sie hatte sich mit ihren neuen Freundinnen verabredet. Sie wollten nach Pony suchen. Ricarda hatte schon bemerkt dass die beiden Mädchen sie mit der Stute in Verbindung gebracht hatten und das wollten sie auf alle Fälle verhindern. Und vielleicht hatte Ricky ja Glück und fand heraus wo die Stute sich aufhielt. Dann konnte sie sie einfangen und in Sicherheit bringen. Während sie über den vereisten Weg holperte sah sie sich nach allen Seiten um und hoffte inständig darauf die Stute zu sehen. Doch leider war das Glück nicht auf ihrer Seite. „Ach Pony“, seufzte sie. „Was wenn dich der böse Mann wieder findet? Wer weiß wo er dich hinbringt, oder was er mit dir macht.“ Von der Angst um ‚ihre‘ Stute beflügelt, raste Ricky den Waldweg entlang, bis sie endlich den Mondberghof erreicht hatte. Schon von weitem konnte sie Real Silk erkennen, die neben der Halle angebunden war. Die Stute kratzte mit dem Huf auf den Boden und war unruhig. Sie wollte endlich los. Wo blieb ihre Besitzerin nur? „Hallo Maus, na wie geht’s dir“, fragte Ricarda die junge Stute leise und strich ihr über den weißen Kopf. Real Silk brummelte freundlich und rieb kurz ihren Kopf an Rickys Schulter, dann hob sie ihn wieder und richtete die Ohren nach vorne. „Hallo Ricky, schön dass du schon da bist“, rief Hanna freudig von weitem.
„Klar, haben wir doch abgemacht“, entgegnete diese. „Ja, naja Laura ist noch nicht da, aber sie hat mich gerade angerufen, sie kommt gleich, sie wurde wohl von ihrer Mutter aufgehalten. Naja, egal, jedenfalls ist sie jetzt auf dem Weg hierher.“, berichtete Hanna und strich sich eine honigbraune Haarsträhne hinters Ohr. „Willst du mitkommen Sattel und Trense holen? Dann kannst du auch schon Beauty von der Koppel holen“, schlug sie weiter vor. „Ja, klar“, nickte Ricky und folgte ihrer neuen Freundin in die Sattelkammer. Als sie gerade dabei waren die Sachen rauszutragen kam ihnen Laura entgegen. Ihr Gesicht war ganz rot und sie wirkte ganz außer Atem. „Da bist du ja endlich!“, rief Hanna erfreut und viel ihrer Freundin schnell um den Hals. „Ja, Mam wollte das ich erst Mathe Hausis mache“, keuchte Laura und parkte ihr Rad im Ständer neben dem Stall. Während Laura und Ricky ihre Ponys holten, begann Hanna den Tee in der Sattelkammer zu kochen. Während das Wasser begann zu kochen wurden die Ponys geputzt und gesattelt. Real Silk, die ziemlich dünnes Fell hatte, bekam eine Nierendecke an. Ricarda viel auf das Hannas Sachen alle ziemlich knallig und orange-Rot waren. So war die Satteldecke in einem knalligen rot, während die Gamaschen und die Nierendecke ein schönes orange hatten. Hanna trug dazu eine rot-orange Reithose und eine knallrote Winterjacke. Laura dagegen schien Lila sehr zu schätzen. „Hm“, überlegte Ricarda. „Was ist eigentlich meine Farbe?“, Schultern zuckend verwarf sie die Frage fürs erste und zog die Steigbügel nach unten, dann stieg sie schon einmal auf, während Laura die letzten Riemen schloss und Hanna den Tee holte. Dann stiegen auch die beiden auf und sie ritten im gemütlichen Schritt, am langen Zügel, vom Hof.

„Wir könnten nochmal zum See reiten, da kann man sich als Geist auch gut aufhalten. Im Winter ist da eh nie einer“, schlug Laura vor. Hanna und Ricarda sahen sich an. Sie waren schon seit 2 Stunden in der klirrenden Kälte unterwegs und ihre Nasen fühlten sich an wie Eiszapfen. „Kommt schon Leute“, drängte Laura, als sie den abweisenden Blick ihrer Freundinnen sah. „Hach, aber dann geht’s sofort nach Hause“, ergab Hanna sich seufzend und wendete ihre Schimmelstute. Laura ritt hinterher und Ricarda bildete das Schlusslicht. Sie folgten einen schmalen Pfad zwischen hohen Tannen hindurch und an einem kleinen Fluss entlang. Dann bogen sie nach rechts ab, wo sich vor ihnen eine kleine Lichtung, mit einem zugefrorenen See, auftat. „Wow“, entfuhr es Ricky als sie den See entdeckte. Die Eisfläche glitzerte und an der Weide, die daneben stand, glitzerten gefrorene Tautropfen. Drum herum lag der hohe Schnee und funkelte an den Stellen wo die Sonne ihr Licht hinwarf. „Was für ein märchenhafter Anblick“, schwärmte Ricarda. Sie hatte so etwas Schönes noch nie gesehen. Hanna nickte nur und auch Laura sagte kein Wort. Ihn allen hatte es die Sprache verschlagen. Die Mädchen stiegen von ihren Ponys und führten sie etwas näher an den See heran. Im Eis konnten sie ihr Spiegelbild sehen. „Schaut mal!“, rief Hanna plötzlich und deutete zum anderen Ende des Sees. Dort stand die haselnussbraune Stute, mit der schimmernd weißen Mähne und dem Blutfleck am Hals. Sie schnaubte laut und machte einen Schritt auf das Eis zu. Dann noch einen. Erstaunt beobachteten die Mädchen wie die Stute langsam auf das Eis trat und zu ihnen rüber sah. „Das Eis muss fest sein, los kommt Leute!“, meinte Ricarda und trat noch dichter an den See heran. „Nein Ricky, das ist ein Geist! Das Eis trägt sie, weil sie nichts wiegt!“, warnte Hanna sie erschrocken. „Sie ist kein Geist sie ist…“, Ricky biss sich auf die Zunge, fast hätte sie ihr Geheimnis verraten. Aber das konnte sie nicht tun. Sie konnte nicht zulassen dass sie noch ein Pferd verlor. Sie tat also so, als hätte sie die Warnung ihrer Freundin nicht gehört und machte einen Schritt auf das Eis. Der sensible Beauty blieb plötzlich stocksteif stehen und wollte seiner Reiterin nicht folgen. „Nun komm schon Beauty“, knurrte Ricky und machte noch einen Schritt auf das Eis, dann noch einen, nach dem letzten Schritt hatte sie nur noch das Ende der Zügel in ihrer Hand und das Eis knackte gefährlich unter ihrem Gewicht.
Im ersten Moment wusste sie gar nicht was los war, als plötzlich kaltes Wasser in ihren linken Stiefel floss. Erschrocken blickte sie nach unten und stellte fest, dass das Eis gebrochen war. „Wie kann das sein?", fragte sie sich als auch das Stück unter ihrem rechten Fuß brach und sie erst mit beiden Beinen und schließlich auch mit den Oberkörper im kalten Wasser einsank. „Hilfe!“, schrie sie verzweifelt, als sie keinen Halt fand. Beauty wieherte bei ihren Schreien erschrocken und lief Rückwärts. Als Ricky ein Stück hochgezogen wurde, viel ihr wieder ein das sie die Zügel von dem Wallach noch in der Hand hielt und klammerte sich auch mit der anderen Hand daran fest. „Zieh Beauty!“, rief sie blubbernd. Das Wasser schwappte um sie herum und in ihre Ohren. Sie hielt den Mund nun krampfhaft geschlossen, damit sie kein Wasser schlucken konnte. Ihre Sachen fühlten sich schwer an und sie hatte bald kein Gefühl mehr in den Armen und Beinen. Sie begann am ganzen Körper zu zittern während Beauty hysterisch rückwärts lief. Da stieg Laura endlich vom Pferd, die als erstes aus der Schockstarre erwacht war und half Beauty beim Ziehen. Sie nahm die Zügel knapp vor dem Gebiss und zog fest daran, so konnte der Rappe sich nicht verletzen und sie konnte Ricky trotzdem helfen. Ricky spürte wie sie übers Eis rutschte und ließ sich die letzten Meter von Laura, an der Hand, ans Ufer ziehen. Dann saß sie endlich auf festem Boden. Ihr Körper bebte und sie konnte ihre Hände und Füße nicht mehr spüren. Schnell zog Laura ihr die Jacke aus und Hanna gab ihr die Nierendecke von Silk, damit sie wenigstens etwas Trockenes hatte. „Ich hab doch gesagt es ist ein Geist“, flüsterte sie Ricarda dabei ins Ohr. „Wir müssen sie so schnell wie möglich ins warme bringen, Laura“, rief ihr Hanna zu und half Ricky aufs Pferd. Als Ricarda zum See blickte war die Stute spurlos verschwunden. „Ist sie wirklich ein Geist?“, fragte sie sich und zweifelte plötzlich daran, dass ihre Pony noch lebte.

„Um Gottes willen Kind, was hast du denn gemacht!?“ Erschrocken stand eine junge Frau mit langen, roten Haaren vor den dreien, als sie zurück auf dem Hof waren. Ricky hatte schon den letzten, lauwarmen Schluck Tee getrunken, den Hanna noch in ihrer Thermoskanne hatte, bevor sie endlich zurück geritten waren. „Das ist unsere Reitlehrerin Katja, sie ist die Frau des Hofchef’s“, raunte Hanna ihr zu. „Aha“, machte Ricarda nur. „Komm mit Kind, wir bringen dich erst mal ins Haus, auf eine Heiße Schokolade, Hanna und Laura können Beauty mit absatteln und dann auch reinkommen“, sagte Katja mitfühlend und half dem nassen Mädchen vom Pferd. Das Haus von Katja und John Bergmann, die den Hof leiteten, stand auf einem kleinen Hügel am Rande des Grundstücks. Von dort aus, konnte man den Hof super Überwachen. Katja führte Ricky durch den kleinen Flur nach rechts in das Wohnzimmer, wo im Kamin ein gemütliches Feuerchen züngelte, dort setzte sie Sie auf die Couch, die vor einem kleinen, runden Tisch stand und legte ihr eine warme Decke um. „Magst du mir deine Telefonnummer von zu Hause geben? Dann kann ich deine Mutter Infomieren, damit sie dich abholt, du kannst ja nicht bei der Kälte nach Hause fahren.“ Katja griff nach dem Telefon und blickte Ricarda fragend an. Ricarda sagte ihr die Nummer und nahm einen Schluck der heißen Schokolade, die John Bergmann, der Chef des Hofes, ihr hingestellt hatte. John Bergmann war groß und schlank. Er hatte dunkelblonde Haare und volle, grüne Augen. Dazu trug er eine alte verwaschene Jeans und ein dunkelblaues T-Shirt, mit dem er eher Jugendlich aussah. Als nun auch die zwei anderen Mädchen hereinkamen setzte Herr Bergmann sich auf den Ledersessel, der schräg neben der Couch stand und wartete schweigend bis Hanna und Laura sich neben Ricarda gesetzt hatten. „So ihr Lieben“, begann er dann. „Nun erzählt doch mal, wer eure neue Freundin ist und wieso sie so nass ist?“, wollte er dann wissen.
„Nun ja, das war so“, begann Hanna zögerlich und rieb sich nervös die Hände. „Also, Ricarda Meyer ist neu hierhergezogen“, fuhr sie fort. Herr Bergmann sah die beiden forschend an. „So viel ist klar und weiter?“ Laura seufzte gequält, Hanna blickte zerknirscht umher und Ricarda saß zwischen den beiden und wusste auch nicht weiter.
„Nun ja, wir sind heute ausgeritten“, versuchte es nun Laura. „Und weiter?“, hakte John nach.
„Ja wir sind zum See geritten und…“, wieder brach Laura ab. Da viel Ricarda etwas Passendes und halbwegs Glaubwürdiges ein. „Ja also, es war so, ich mag Tiere so gerne und wollte mit meinem Handy ein Bild von einem Reh machen, was da am anderen Ende des Sees stand, wo das dort auch so schön war und ich bin halt immer weiter aufs Eis und bin dann eingebrochen“, erklärte sie und sah Herrn Bergmann an. Ob er ihr Glauben würde? Und er tat es. „Ach so, naja also ich brauch dir ja nicht weiter erklären das das Eis zu dünn war, oder? Und du bist wirklich Beauty geritten?“ Erleichtert atmeten die drei aus, ohne dass Herr Bergmann es mitbekam. Er schwenkte auf ein anderes Thema um! „Ja, sie kann wirklich klasse mit solchen Pferden wie ihm umgehen!“, rief Hanna dazwischen und strahlte. Laura nickte Zustimmend. „Das stimmt, er ist wieder durch gegangen, wo sie ihn geritten hat und sie hat das so cool gelöst, sie hatte kein bisschen Angst“, schwärmte sie. Ricarda spürte wie sie rot anlief, so viel Lob war sie gar nicht gewöhnt.
Als ihre Mutter dann endlich kam, wollte sie die ganze Geschichte natürlich auch noch einmal hören. So erzählte Ricarda noch einmal von dem Reh, welches sie Fotografieren wollte, während sie über die Schulstraße zur Kreuzung fuhren, um dort in die Rosenallee abzubiegen. „Aber das machst du bitte nie wieder okay?“, fragte ihre Mutter streng und warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe sie wieder auf die Straße sah. Ricarda schüttelte den Kopf. „Nie wieder“, versprach sie.
Am Haus angekommen ging Ricarda sofort nach oben, wo sie ihre eigene Etage hatte und nahm eine Dusche. Entspannend rieselte das warme Wasser über ihren Körper und ihr wurde endlich wieder warm. Nachdem duschen, schmierte sie ihren Körper mit Cremelotion ein und zog sich dann schon einmal ihren Pyjama an. Dann lief sie die schmale Wendeltreppe nach unten und ging nach rechts in die Küche. Ihre Mutter hatte eine Hühnersuppe gekocht und stellte ihr eine dampfende Schale vor die Nase. Nach dem Essen ging Ricarda gleich wieder nach oben, erledigte schnell ihre Hausaufgaben und trat an das Fenster, welches nach hinten heraus, zum Mondberg und zum Wald zeigte. Ihr Blick wanderte von dem Berg hinauf zum Himmel, wo die Sterne funkelten und der Mond hell und rund, wie ein Laterne, auf sie herab schien. „Ach Mond, kannst du mir nicht helfen meine Stute zu finden?“, fragte sie ihn leise und seufzte. Da bemerkte sie etwas Dunkles im Mondschein, was auf einem kleinen Vorsprung des Berges stand und ebenfalls in die Ferne blickte. Ricarda kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können und konnte ein Pferd erahnen. „Pony?“, fragte sie sich und blinzelte. Da war das Pferd auch wieder verschwunden. Ricarda seufzte noch einmal. Pony musste wohl doch ein Geist sein, ihre Stute war tot. Mit Tränennassen Augen zog sie die Jalousien zu und legte sich in ihr Bett. Sie schloss die Augen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Nebenbei fragte sie sich, weshalb sie ein Pony liebte, das sie eigentlich nie geritten hatte. Denn sonst war es gerade der Charakter beim Reiten, den sie an den Pferden lieben lernte. Doch diesmal schien es anders. Sie war vom ersten Moment an verzaubert. Wie die junge Stute in dem hohen Schnee stand, mit ihrer schneeweißen Mähne und dem nussbraunem Fell.

Genervt wälzte sie sich wenige Stunden später hin und her. Eigentlich hatte sie gedacht, sie würde nach dem weinen sofort einschlafen können. Doch da hatte sie weit gefehlt. Ihre Augen fielen ihr zwar immer wieder zu, aber sie konnte nicht schlafen. Sie fand auch keine angenehme Schlafposition, denn eigentlich schlief sie immer mit dem Kopf zur Wand. Doch diese Nacht war es anders. Sie legte sich auf den Rücken und zog sich die Decke über den Kopf, tauchte aber nach wenigen Minuten wieder auf, weil es einfach viel zu warm war und weil sie kaum noch Luft bekam. Sie knautschte ihr Kissen zusammen, drückte es aber Sekunden später wieder platt, weil es ihr zu hoch war. Dann steckte sie ihren Kopf unter das Kissen, aber das war zu niedrig. Sie rollte sich von der linken, auf die rechte Seite, zog mal die Beine an und streckte sie dann wieder aus. Irgendwann schien sie dann aber doch eingeschlafen zu sein, denn sie erwachte durch das schrille klingeln ihres Weckers, der ihr mitteilte das es Zeit zum Aufstehen war. Sie musste in die Schule. Langsam stand sie auf und schlurfte ins Bad. Nach einer Katzenwäsche und dem Umziehen stolperte sie fast die Treppe hinunter und setzte sich dann müde an den Küchentisch, wo eine Schale Müsli bereits auf sie wartete. Nach dem Essen ging sie zur Schule, ihr Rad war ja immer noch beim Reiterhof. Im Unterricht stieß Laura sie zwischendurch immer wieder an, damit sie auch ja nicht einschlief, denn ihr vielen immer wieder die Augen zu. Am Nachmittag waren die drei Mädchen dann wieder auf dem Reiterhof verabredet.


Von Geistergeschichten und einem Picknick im Schnee



„Puh ist das schwer“, stöhnte Laura und stellte den kleinen geflochtenen Picknickkorb am Putzplatz ab. Es war Freitagnachmittag die Sonne schien vom Himmel und die Bäume raschelten ein wenig, wenn das ein oder andere Mal, ein frischer Wind durch ihre kahlen Äste wehte. Die drei Mädchen hatten beschlossen ein Picknick im Schnee zu machen. Mit allem was im Winter dazu gehörte. Heiße Schokolade, Lebkuchen einer kuscheligen, warmen Decke und leckeren Weihnachtsplätzchen. Laura hatte alles mitgebracht und ganz schön schwer zu tragen gehabt, denn seit zwei Tagen konnte man nicht mehr über die Straßen radeln. Die Straßen waren einfach zu vereist. Ricarda fuhr mit langen Strichen über das Rabenschwarze Fell von Beauty, der die Prozedur sichtlich genoss. Sein Fell glänzte in der Sonne wie Lack und seine Mähne funkelte, als wären tausend Sterne darin gefangen. „Du bist wie ein kleiner Sommernachtshimmel“, flüsterte sie dem Wallach ins Ohr, während sie mit einer Babybürste durch seine Mähne fuhr. Chubby und Real Silk standen ebenfalls angebunden am Putzplatz und wurden von ihren Besitzerinnen kräftig verwöhnt. Silk bekam auch dieses Mal ihre orange Nierendecke auf und die passenden Gamaschen dazu an. Während des putzen und Sattelns redete keine von ihnen ein Wort und jeder hing seinen Gedanken nach, erst als sie alle aufgestiegen waren und den Hof verlassen hatten kehrte Leben in die kleine Truppe. „Wo geht’s denn hin?“, wollte Ricarda wissen, als Hanna nicht den üblichen Weg hinter der Koppel entlang, in den Wald nahm, sondern direkt unter dem Torbogen durchritt. „Wirst du sehen wenn wir da sind“, erklärte Hanna und ritt dann schweigend weiter. Ricarda genoss die stille Atmosphäre und betrachtete die weiße Festwiese, an der sie vorbeiritten. Hanna bog nach dem Feldweg nach links in den Schulweg ab und ritt bis zu Kreuzung, wo der Weg geradeaus und nach rechts entlang führte. Hanna bog nach rechts ab und blieb dann stehen. „Wohin jetzt?“, fragte sie Laura und drehte sich im Sattel um. „Wie wär‘s zum Teich, dann können wir das Zickentrio ärgern“, erwiderte diese. Hanna nickte zustimmen. Das Haus direkt an der Kreuzung war groß und hellgrün gestrichen. „Hier wohnt Nicole“, erklärte Laura, während sie hinter Hanna nach links in die Teichstraße ritt. Das erste Haus in dieser Straße stand leer, am zweiten stand „Planet Kino“ und Laura erklärte ihr, das es alle halbe Jahre Pferdefilme zu sehen gab. Schon von weitem konnte Ricarda den Teich sehen, der sich vor ein paar Büschen und einem kleinen Felsen befand. „Das Weiße Haus da ist das von Olivia und das daneben ist Inas Haus“, erklärte Laura und grinste hämisch. „Sprich, wenn sie jetzt zu Hause sind und aus dem Fenster schauen, können sie uns beim Picknick zu sehen, das wird der Anblick ihres Lebens“, lachte sie. Ricarda kicherte und ritt mit Hanna und Laura auf die kleine Wiese, mit dem Teich. Sie stiegen ab und Laura fischte drei Eisenstangen mit kleinen Spitzen aus ihrem Picknickkorb, dazu zog sie auch noch einen Hammer mit aus dem Korb und stieß die Stäbe mit verschiedenen Abständen in den gefrorenen Boden. „Das sind die Pony-Anbinde Stangen“, erklärte sie Ricky, die etwas irritiert zusah. „Ach so.“ Nachdem die Ponys versorgt waren und genüsslich Möhrchen fraßen wurden die Reiter versorgt. Während Hanna und Ricky die Decke ausbreiteten, holte Laura den Picknickkorb. Anschließend stellte sie jedem einen Teller vor die Füße, stellte die Dose Plätzchen in die Mitte und goss die heiße Schokolade aus der Thermoskanne in die mitgebrachten Tassen. „Hmm“, machte Ricky genüsslich und griff nach noch einem, der köstlichen Plätzchen. „Was wünscht ihr euch eigentlich zu Weihnachten?“, fragte Hanna dann in die Runde und blickte die beiden aus fragenden, blauen Augen an. „Also ich wünsche mir die neue lila-schwarz Kollektion von Eskadron“, knusperte Laura. „Cool, schade dass es keine orange-Rot in dieser Kollektion gibt“, stellte Hanna enttäuscht fest. „Ich wünsche mir aber ansonsten eine rote Fliegenhaube, schon allein weil die so schön knallig ist und ich brauche dringend eine neue Trense“, erzählte Hanna und deutete auf ihre Stute, die tatsächlich eine alte, abgewetzte und bleiche Trense trug. Sie hatte ein langweiliges schwarz und sah eher wie eine alte Reitschultrense aus. „Ich werde ihr einen hübschen Stirnriemen basteln“, dachte Ricky und griff nach ihrer heißen Schokolade. „Und du Ricky?“, fragte Laura dann neugierig. „Was wünscht du dir?“, fuhr Hanna fort. „Hm“, machte Ricarda und dachte nach. Eigentlich war ihr einziger Wunsch, dass die kleine Haflingerstute noch lebte, doch das konnte sie zum einen vergessen und zum anderen konnte sie es ihren neuen Freundinnen ja schlecht verraten. „Ich wünsche mir ein eigenes Pferdchen“, erklärte sie stattdessen, nur um irgendetwas zu sagen.
„Cool, und weißt du ob du eine Chance hättest eines zu bekommen?“, fragte Laura weiter. „Hm, ich glaube ja, meine Mam deutet in letzter Zeit so etwas an“, erklärte Ricky ihr. Und tatsächlich hatte ihre Mutter ihr jeden Morgen Verkaufsanzeigen aus den Zeitungen vorgelesen und sie gefragt was sie davon hielt. Doch bis jetzt hatte Ricky immer wieder abgelehnt und eigentlich auch gar nicht wirklich zu gehört. Doch als ihre Mutter auch noch auf dem Mondberghof auftauchte, wurde Ricky stutzig. Das letzte Mal als ihre Mutter auf einem Reiterhof war, war an dem Tag, an dem Ricarda einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, weil ihre Lieblingsstute Dandy geschlachtet worden war. „Wow, dann musst du uns aber unbedingt mitnehmen, wenn du dir Pferde ansiehst“, grinste Laura und biss herzhaft in einen herzförmigen Lebkuchen. Ricarda nickte. „Nur das ich kein Pferd außer Pony möchte“, dachte sie dann.
Plötzlich flatterte etwas über ihren Köpfen hinweg und die Mädchen schrien erschrocken auf. „Was war das?“, fragte Hanna und starrte dem flatternden Ding nach. „Sah fast aus wie `ne Fledermaus.“ Hanna schauderte bei dem Gedanken es könnte eine gewesen sein. „Und wo kam die her?“, wollte Ricarda wissen und stand auf um es herauszufinden. „Warte, ich glaub ich weiß wo das Ding herkam“, rief Laura ihr nach und stand ebenfalls auf. Hanna drehte sich nach den beiden um, die jetzt Richtung Gestrüpp gingen. „Hier, sieh mal, eine Höhle“, rief Laura begeistert aus und schob die Äste des Busches zur Seite. Tatsächlich war dort ein gut versteckter Höhleneingang zu sehen. Nun stand auch Hanna auf und zögerte, als ihre Freundinnen den Höhleneingang betraten. „Wo wollt ihr hin!?“ Doch es kam keine Antwort. „Leute!?“, rief sie noch einmal. Wieder nichts. Plötzlich hörte sie Geräusche. Erschrocken schrie sie auf, als Laura in der Felsspalte auftauchte. „So hässlich bin ich nun auch wieder nicht“, schmollte sie als sie Hannas erschrockenes Gesicht sah. Diese stapfte wütend mit dem Fuß auf. „Das ist nicht lustig“, maulte sie. „Ach komm schon Hanna, da musst du mit rein, das ist ein super Geheimversteck.“ Ohne auf Hannas Protest zu achten zog Laura ihre Freundin mit durch den Höhleneingang, der breit genug war das auch ein schmales Pferd hineinpassen würde. In der Höhle war es im ersten Moment stockdunkel, nur ein schwacher Lichtschein fiel durch den Spalt in das Innere und hinterließ einen weißen Streifen auf dem steinigen Boden. Als Hanna sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte staunte sie. Die Höhle sah von außen gar nicht so groß aus. Nach hinten führte ein schmaler Gang weiter ins Innere, wo Ricarda gerade mit ihrem Handy Licht machte und die Höhle erkundete. „Ein super Versteck für einen Geist“, fand Laura. Hanna nickte. Der Raum war hoch und kahl, nach hinten wurde es immer dunkler und niemand würde Vermuten dass es diese Höhle gab. Ricarda hatte ebenfalls die Worte ihrer Freundin gehört und hegte Hoffnung, der Geist ihrer Stute könnte sich hier aufhalten. Nach einer Weile verließen sie wieder die Höhle und packten ihre Picknicksachen zusammen. Danach stiegen sie auf und ritten auf einen schmalen Waldweg zu. „Wo willst du hin, Hanna?“, fragte Laura verwundert. Eigentlich hatte sie damit gerechnet dass es jetzt nach Hause ging. „Ich will Ricky das Geisterschloss zeigen.“, erklärte Hanna und trieb ihre Stute in den dichten Wald hinein. Sie ritten auf schmalen, schneebedeckten Pfaden, an einem kleinen Fluss vorbei und einen kleinen Hügel hinauf. Ricarda vermutete dass sie längst aus Mosbach heraus waren und schaute sich staunend um. Von dem höchsten Punkt des Hügels aus konnte man über das ganze Dorf blicken. Auf der anderen Seite schienen die Felder gar kein Ende zu nehmen. „Wunderschön“, murmelte Ricarda und merkte wie sie sich in Mosbach verliebte. „Na komm Ricky, wir reiten den Hügel runter und galoppieren durch den Schnee“, schlug Hanna vor. Ohne auf eine Antwort zu warten trieb sie ihren Schimmel den Hang hinunter auf das Feld und ihre Stute stellte die Ohren auf. Auch der sonst etwas träge Chubby schlug mit dem Kopf. Die beiden schienen zu wissen dass jetzt eine Galoppstrecke vor ihnen lag. Die drei brachten ihre Pferde in Position und Laura zählte den Countdown. „3…2…1…Los!“, rief sie und die Pferde machten einen riesigen Satz nach vorn. Ricarda hatte zum Glück damit gerechnet und saß den weiten Sprung ganz gut aus, dann lehnte sie sich über den Hals des Rappen und ließe ihn laufen. Der Wallach hatte den dicken, braunen Chubby schnell überholt und hatte auch Real Silk fast erreicht. Ricky liebte solche Rennen und nahm die Zügel leicht an. Der kalte Wind rauschte in ihren Ohren und trieb ihr die Tränen ins Gesicht, der Himmel und der Schnee vermischten sich zu einem blau-weißen Streifen und Ricky wartete auf den Moment in dem Real Silk etwas weiter zurück fiel. Als das passierte ließ sie die Zügel des Rappen locker und der Wallach verlängerte seine Galoppsprünge noch mehr. Weißer Pulverschnee, den der Rappe mit seinen Hufen aufwirbelte, wehte nach hinten und ein bisschen davon blieb in Rickys Haaren und seinem Fell hängen. Beauty lief immer schneller, bis Ricky das Alte Schloss erkennen konnte, auf das sie zu ritten. „Brrr“, rief sie leise und parierte den Wallach erst zum Trab und dann zum Schritt durch. Keuchend kamen nun auch Real Silk und Chubby mit ihren Reiterinnen ins Ziel. „Puh bist du schnell“, murmelte Laura leise und versuchte normal zu Atmen. Trotz der Anstrengung lächelte sie und ihre braunen Augen glitzerten. Auch Hanna war ziemlich aus der Puste und lehnte sich ein paar Minuten nach vorne, auf Silks Hals und verschnaufte. Dann richtete sie sich auf, räusperte und machte eine Einladende Handbewegung in Richtung Schloss. „Willkommen auf Schloss Weidefeld“, sagte sie dabei. „Wow, ist das schön“, staunte Ricky und betrachtete das Schloss genauer. Es war ein hoher, alter Bau aus Steinen, mit einem richtigen Turm und kleinen Fenstern. „Das sieht toll aus“, stellte sie fest.
Hanna nickte. „Ja, es ist auch toll, aber es hat eine traurige und gruselige Geschichte“, flüsterte sie bedächtig und sah Ricky tief in die Augen. Wahrscheinlich wartete sie darauf ob Ricky die Geschichte hören wollte. „Cool, erzähl“, bat sie deshalb. Hanna richtete sich im Sattel auf und begann mit Grabesstimme zu erzählen. „Vor langer, langer Zeit, lebte in diesem Schloss eine junge Prinzessin namens Laila. Sie war die schönste Prinzessin, die je zuvor gelebt hatte und war bei jedermann sehr beliebt. Sie hatte aber auch eine böse Zwillingsschwester, Gisela, die nur Leid über die Leute brachte. Eines Tages kam ein riesiger Drache und wollte das ganze Dorf vernichten, wenn sich nicht eines der Mädchen opferten. Gisela, die sehr eingebildet war, war es egal was mit dem Dorf geschah, sie wollte nur ihr Leben retten und lehnte ab. Laila hingegen lagen die Menschen in dem Dorf sehr am Herzen, so dass sie sich opferte um ihr Dorf zu retten.“ Ricarda lauschte gespannt und starrte Hanna aus großen Augen an. „Und weiter?“, drängte sie dann. „Nun ja“, fuhr nun Laura fort. „Die Menschen, des Dorfes waren Laila sehr dankbar und richteten ein Denkmal für sie an, es steht dort.“ Laura deutete auf eine kleine Statue, die Ricky erst jetzt auffiel. Es zeigte ein junges Mädchen, mit langen gelockten Haaren, in einem wunderschönen Kleid. „Gisela hingegen wurde fortan von den Bürgern gehasst, durch ihre Selbstgefälligkeit wurde sie schließlich von einer Hexe verflucht und getötet. Nun soll sie ruhelos durch das Schloss spuken und Unheil über die Menschen bringen, die sie rufen.“, beendete Laura. Ricarda schauderte. Das war eine gruselige Geschichte. Etwas verunsichert warf sie einen vorsichtigen Blick zum Schloss hinauf. „Was wenn die Geschichte stimmte?“, fragte sie sich. „Und, hat sie jemals jemand gesehen?“, wollte sie trotzdem wissen. Hanna und Laura schüttelten den Kopf. „Und ich möchte auch nicht unbedingt die erste sein“, warf Hanna dann noch ein.

Zurück auf dem Hof ließ sich Ricarda den Tag nochmal durch den Kopf gehen, während sie Beautyful Black putzte und eine leichte Abschwitzdecke auflegte. Sie musste nicht nur an die schaurige Geschichte von Gisela und Laila denken, sondern auch an die Höhle und die Worte, die Laura dort hatte fallen lassen. „Wenn ich Pony finden würde, also wenn die Möglichkeit besteht das sie noch lebt, könnte ich sie dort verstecken“, überlegte sie und führte den Rappen in seine Box, wo er schnell seine Nase in die Automatische Tränke und danach in den Futtertrog steckte. Sorgfältig verschloss Ricarda seine Box und blickte die Stallgasse entlang wo Real Silk und Chubby an ihren Boxen angebunden waren. Real Silk bekam gerade eine hellrote Stalldecke aufgelegt, während Chubby in eine Lila Decke gekleidet wurde. „Ich muss mir auch einen Look raus suchen“, murmelte Ricarda leise und sagte dann lauter: „So Leute, ich geh jetzt nach Hause, viel Spaß euch noch!“ Hanna und Laura winkten ihr noch und riefen ihr ein „Bis Morgen“ zu, ehe sie sich wieder ihren Ponys widmeten. Ricarda betrachtete die leere Box neben Beauty und seufzte. Vielleicht wäre ein eigenes Pferd ja doch was Tolles. Sie liebte Pferde und kümmerte sich gerne um sie, auch um die Schulpferde, aber was ihr fehlte war die enge Verbundenheit, die man nur zu einem eigenen Pferd spüren konnte. Immer wenn sie sah, wie Hanna nach ihrer Stute rief und diese dann im wiehernden Trab auf sie zu lief, spürte sie einen kleinen Stich in ihrem Herzen. Ihr war immer wieder klar war dieser Stich Bedeutete: sie hatte Sehnsucht nach einem eigenen Pony!
Grübelnd lief sie nun an der Koppel vorbei und durch den Torbogen des Hofes. Da es immer kälter wurde versuchte sie sich zu beeilen, um noch vor Sonnenuntergang zu Hause zu sein. Auch wenn sie kein Angsthase war, nach den Geistergeschichten war ihr nicht ganz wohl bei dem Gedanken im Dunkeln nach Hause zu gehen. Endlich, vor ihrem Haus angekommen, stellte sie fest dass sie im Frühjahr endlich streichen mussten. Dieser zarte rosa Ton machte sie ganz verrückt. Das Haus sah viel mehr nach Nicole, als nach ihr aus. Wenn sie nur wüsste in welcher Farbe es gut aussehen würde. Während sie über ihre Lieblingsfarbe nachdachte drückte sie das Gartentor auf, verschloss es hinter sich sorgfältig und lief dann über den nicht vorhandenen Weg zur Treppe des Hauseingangs. Dort kramte sie ihren Schlüssel aus der Jackentasche. Zumindest wollte sie das, doch sie konnte ihn nicht finden. Während sie ihren Schlüssel suchte, schaute sie sich unwohl um. Ihr war so, als würde sie beobachtet werden. Als ihr Blick auf den verschneiten Garten neben sich fiel, stieß sie einen kleinen Schrei aus. Da stand Pony, in voller Lebensgröße und mit einer dicken Narbe am Hals. „Pony!?“, rief sie ungläubig und ging einen Schritt auf die Stute zu. Das junge Pferd nickte mit dem schmalen Kopf und brummelte leise. Vorsichtig streckte Ricky die Hand nach Pony aus und kniff dabei fest die Augen zu. Wenn sie jetzt ins leere Griff…Doch sie tat es nicht! Tränen der Erleichterung traten ihr in die Augen, als sie über das stumpfe, kalte Fell der Stute fuhr. Sie strich über ihre schmale Blesse, durch die verfilzte Mähne und den Hals entlang, bis zur Brust. „Du lebst“, flüsterte sie dabei immer wieder. Sie konnte es nicht glauben, ihre geliebte Stute lebte! Sie war kein Geist. „Oh Pony, ich bin so glücklich“, stammelte sie. Die Haselnussfarbene Stute nickte noch einmal mit dem Kopf, dann wendete sie sich von Ricarda ab und ging los. „Warte, wo willst du hin!“, rief Ricky ihr noch nach, doch die kleine Stute reagierte nicht und fiel stattdessen in einen flotten Trab. Bald darauf war sie über die Teichstraße gelaufen und im Wald verschwunden. „Da versteckst du dich also“, murmelte Ricky. Plötzlich wurde die Haustür geöffnet und ihre Mutter Melanie stand in der Tür und blickte ihre Tochter fragend an. „Was machst du denn hier draußen?“, fragte sie irritiert. „Stehen und warten dass mein Schlüssel vom Himmel fällt“, erklärte Ricky ironisch und ihre Mutter musste lachen. „Ach so, na dann komm mal rein Kind“, meinte sie dann nur und machte ihrer Tochter Platz. Später am Abend erzählte Ricky ihrer Mutter vor dem Tag und der Geistergeschichte. Von der Begegnung mit Pony erzählte sie nichts. Ihre Mutter wusste nicht einmal etwas über die Existenz von Pony. „Ach ja, ich muss Morgen noch zu Hanna nach Hause, ich will ihrer Mutter sagen das sie eine Trense mit normalen Stirnriemen kaufen soll“, erzählte sie dann noch. Melanie hob fragend die Augenbrauen. Sie saßen auf der Couch im Wohnzimmer, vor dem Fernseher und sahen sich einen Krimi an. „Und wieso?“, fragte sie. „Weil ich ihr den zu Weihnachten machen möchte und Laura mache ich einen in Lila, die hat auch so einen Langweiligen Stirnriemen“, erklärte Ricky. „Das ist ja toll das du deinen neuen Freundinnen was zu Weihnachten basteln möchtest“, freute ihre Mutter sich und lächelte ihrer Tochter zu. Nach dem Krimi lief Ricarda nach oben und zog sich um. Dann legte sie sich in ihr Bett und schloss die Augen. Sie dachte an Ponys weiße Mähne, an ihr nussbraunes Fell und an die schmale Blesse, an das brummeln und vor allem daran das Pony lebte. Und sie wusste das sie Pony retten würde, komme was Wolle. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen schlief sie ein und geriet in einen seltsamen Traum.
Ricarda stand auf einer großen Wiese, überall um sie herum standen Pferde und Ponys. Manche wurden geführt, manche standen in Ständern angebunden, ohne Wasser, nur mit ein wenig Stroh als Unterlage. Da war Pony. Die Stute wieherte ängstlich, ihre Augen waren weit aufgerissen, so dass Ricky das weiße darin sehen konnte. Die Stute tänzelte und wehrte sich gegen den festen Zug des Seils, welches an ihrem Halfter befestigt war. Ein Mann, groß und breit wie ein Schrank, hielt sie eisern fest und zog sie in einen Hänger. Pony stieg und striff den Mann mit den wirbelnden Hufen am Arm. Wütend zog der Mann etwas Kleines, flaches aus seiner Tasche, die Klinge des Messers blitzte im Sonnenlicht bedrohlich auf. Jetzt holte der Mann aus und zielte mit dem Messer auf das Gesicht der Stute…
„Nein!“, schrie Ricky und fuhr hoch. Mit rasendem Herzen sah sie sich um. Sie lag nur in ihrem Zimmer. „Alles ist gut Ricarda Meyer, du hattest nur einen Albtraum, alles ist gut“, beruhigte sie sich selber und legte sich zurück. Ihre Sachen waren Nass geschwitzt und ihr Herz schlug immer noch etwas schneller, aber sie begann sich langsam zu beruhigen. Sie rollte sich auf ihre Lieblingsseite und schloss die Augen um weiter zu schlafen. Sie dachte noch einmal daran dass das Ganze nur ein gewöhnlicher Albtraum war und fiel in einen Traumlosen Schlaf.
Dass ihr Traum eben nicht nur ein Traum war, konnte sie zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht wissen.


Heaven of Hope



Am nächsten Tag schneite es stark. Ricarda saß in ihrem Lesezimmer in der oberen Etage. Das Lesezimmer war ein großer Raum in dem ein Schreibtisch, ein Laptop und zwei lange Regale standen. Lustlos saß Ricarda vor ihrem Laptop und checkte ihre E-Mails. Der Schnee hatte sich zu einem richtigen Sturm entwickelt und Ricky konnte eigentlich nichts erkennen. Ursprünglich hatte die obere Etage 4 gleichgroße Räume, darunter ein Bad. Aber sie hatten die Wand zwischen den beiden Räumen auf der rechten Seite herausgetrennt, so dass ein großer Raum entstanden war. Der war jetzt ihr Zimmer. Im vorderen Teil des Zimmers stand ihr Schreibtisch, dann kam im hinteren Teil ihr Bett. An der linken Wand stand der Schrank. An den Wänden hingen natürlich Pferdeposter. Jetzt hörte Ricky das Telefon klingeln und kurz darauf erschien ihre Mutter, mit dem Telefon, in der Tür. „Ist für dich, Hanna ist dran“, erklärte sie und reichte ihr das grau-schwarze Telefon. „Hallo?“, fragte Ricky freundlich in den Hörer. „Hi Ricky, ich bin‘s Hanna, ich wollte dich fragen ob du heute zum Stall kommst. Weil wir wollen in der Halle ein bisschen aus Spaß reiten, so ohne Sattel, hast du auch Lust?“, kam Hanna gleich zur Sache. Ricky brauchte gar nicht lange überlegen. „Ja natürlich, ich fahre gleich los!“, rief sie deshalb. „Gut, wir sind schon im Stall und warten auf dich, bis gleich.“
„Bis gleich!“, rief Ricky und legte auf. „Ich könnte ja noch schnell bei Hanna vorbei fahren, vielleicht ist ihre Mutter ja da.“, überlegte sie, während sie mit dem Telefon nach unten ging. „Mam?“, rief sie. „Ja, was denn?“, kam es aus der Wohnstube. „Ich fahre zum Stall, wir wollen in der Halle reiten“, informierte sie ihre Mutter nur schnell, ehe sie ihre Jacke anzog und nach draußen ging. Der Wind pfiff ihr um die Ohren und sie musste durch hohe Schneewehen stapfen um zum Tor zu kommen. Das Tor war vollständig zugeschneit und sie musste drüber steigen um ihr Grundstück zu verlassen. Natürlich konnte sie so schlecht mit dem Fahrrad fahren. Der Sturm legte sich zum Glück etwas, so dass sie sehen konnte wohin sie ging. Sie stapfte zur Kreuzung und bog dann nach rechts in die Dorfstraße ab. Ricarda wusste dass Hanna im ersten Haus, am Eingangsschild zum Dorf wohnte. Das Haus war orange gestrichen und hatte ein rotes Ziegeldach. Ricarda schlitterte über den frei geschaufelten Weg und war sich sicher das Hanna einen Vater hatte, der den Weg jeden Morgen freischaufelte. Ricarda drückte den kleinen Knopf mit dem Namensschild neben der Tür und wartete. Es dauerte gar nicht lange bis die Tür geöffnet wurde. Vor Ricky stand nun eine zierliche Person mit langen, honigblonden Locken und wasserblauen Augen –unverkennbar Hannas Mutter. „Guten Tag Frau Lauders, ich hätte eine Frage“, begann sie höflich, doch Hannas Mutter unterbrach sie sofort. „Du musst Ricarda sein, Hanna hat mir ja nur gutes von dir Berichtet, was möchtest du denn?“ Ricarda musste sich ein grinsen unterdrücken, als Hannas Mutter hysterisch mit ihren Armen fuchtelte um ihr Reden zu unterstreichen. „Also, sie kaufen doch sicher eine neue Trense für das Pony ihrer Tochter?“, begann Ricky. Als Frau Lauders zur Bestätigung nickte fuhr sie fort. „Ich würde mich freuen wenn sie ihr eine ganz normale schwarze Trense kaufen würden. Ich habe nämlich vor für Hanna und Laura einen Stirnriemen selber zu machen, aber bitte verraten sie den beiden nichts.“ Hoffnungsvoll starrte sie Frau Lauders aus großen, grünen Augen an. „Natürlich mach ich das!“, rief die junge Frau begeistert und gestikulierte wieder wild mit den Armen. Dankend verabschiedete Ricarda sich und beeilte sich dann zum Stall zu kommen.
„Da bist du ja endlich!“, rief Laura dann auch, als sie endlich am Stall ankam. „Ja, tut mir Leid, mein Lappi wollte nicht so wie ich“, schob sie die Schuld auf ihren Laptop und seufzte.
„Ach so, na gut, aber jetzt lass uns mal die Pferde holen“, meinte Laura und ging in den Stall. Während sie zur Box ihres Welsh Cob lief, holte Hanna gerade ihre Schimmelstute aus der Box und begann sie auf zu Trensen. „Ich dachte wir machen reiten ohne Sattel?“, fragte Ricarda laut. „Ähm, ja, aber, wie meinst du das?“, Hanna unterbrach ihre Arbeit und starrte sie fragend an. „Naja, Halfter drauf, zwei Stricke dran, die Enden zusammen knoten und rauf“, erklärte Ricarda leichthin und machte es an Beauty vor. Sie schnallte die Panikhaken der beiden Stricke ins Halfter ein und verknotete die Enden dann miteinander. Ehe Hanna etwas erwidern konnte schwang sie sich auf den blanken Rücken des Wallaches und grinste ihre Freundin an. „Oh cool, das mach ich auch“, rief Laura begeistert, die Chubby gerade aus der Box führte.
Wenige Minuten später saßen sie drei Mädchen mit Halfter und Stricken auf ihren Ponys und ritten zur Halle. Dort angekommen stiegen sie kurz ab um die Halle zu betreten. Nachdem sie die Tür geschlossen hatten, saßen alle drei wieder auf und ritten im Schritt die Pferde warm. Ricarda ließ entspannt die Beine baumeln. Es war ein tolles Gefühl, den Pferdekörper direkt unter sich zu spüren. Sie spürte die Wärme des Pferdekörpers und fühlte sich rundum wohl.

Am Montag saß Ricarda gelangweilt an ihrem Platz. Neben ihr saßen Hanna und Laura. Während Hanna lustlos an einem Bleistiftstummel kaute, hatte Laura ihren Kopf auf den Tisch gelegt und die Augen geschlossen. Endlich wurde die Tür geöffnet und Mrs. Strawberry betrat den Klassenraum mit einem fröhlichen: „Good Moning, Guys.“ Die Klasse grüßte zurück und der Unterricht konnte beginnen. „Today, we read a book, about a girl with a handicap“, began Mrs. Strawberry in Englisch den Ablauf zu erklären. Sie holte 18 schmale Bücher aus ihrer Ledertasche und begann die Büchlein zu verteilen. „Heaven of Hope“, murmelte Ricarda vor sich hin. „Schöner Titel“, stellte Laura fest und klappte das Buch auf. Nach dem sie die kurze Geschichte gelesen hatten sollten sie es übersetzen. Laura, die ein Ass in Englisch war, hob sofort die Hand. Mrs. Strawberry nickte ihr zu und Laura begann die Geschichte in Deutsch zu erklären. „Also in dem Buch geht es um ein Mädchen, das im Rollstuhl sitzt und Querschnitzgelähmt ist, sie ist aber voller Hoffnung das sie irgendwann wieder gehen kann. Sie findet dann einen Vogel der nicht richtig Fliegen kann, aber mithilfe eines Arztes lernt der kleine Vogel das Fliegen und sie kann kurz darauf auch wieder gehen, also geht es in erster Linie darum die Hoffnung nicht aufzugeben. Daher der Titel: Himmel der Hoffnung“, erklärte Laura in Kurzfassung. „Thats Right, very good“, lobte Mrs. Strawberry und lächelte ihrer Schülerin zu. „Hm Heaven of Hope“, dachte Ricky. „Ich hoffe das ich Pony retten kann, ich glaube sie heißt ab jetzt Heaven of Hope“, murmelte sie leise. „Was?“, Hanna sah sie fragend an. „Ach nichts“, sagte Ricarda schnell.
„Hey ihr“, rief Ina nach dem Unterricht und kam auf die drei zu stolziert. „Könnt ihr vielleicht mal das ätzende Vieh aus dem Wald raus holen?“, fragte sie genervt und rollte mit den Augen. „Was denn für ein Vieh?“, fragte Hanna irritiert. „Na, den Gaul, der stand gestern in unserem Garten.“ Die drei Mädchen sahen sich erschrocken an. Das Geisterpferd spukte jetzt sogar in den Gärten umher? „Und es war ganz sicher ein Pferd?“, fragte Laura noch einmal nach.
„Ja natürlich, ich bin ja nicht blind, außerdem musste ich den Gaul ja erkennen, weil ihr mit euren anderen Gäulen am See rum gesessen habt“, stöhnte Ina und rollte pikiert mit den Augen. „Aha, Interessant, wir werden es heute Einfangen“, versprach Hanna. „Das will ich auch hoffen“, zickte Ina noch einmal, ehe sie aus dem Klassenzimmer stöckelte.

„Stellt euch das mal vor, der Geist bei der doofen Kuh im Garten“, lachte Laura. „Stellt euch mal vor, die hätte das Pony angefasst, wie die Geschrien hätte, das hätten wir alle gehört“, lachte sie weiter. Ricarda nickte. Die drei saßen auf ihren Ponys und durchforsteten den Wald. Sie hofften darauf den Geist zu finden. Jedenfalls war das bei Hanna und Laura der Fall. Denn Ricarda wollte die Stute nicht finden und wenn, dann nur alleine. Sie musste Pony unbedingt retten, anders ging es nicht. Und dafür musste sie die Haflingerstute verstecken und das Geheimnis bewahren. „Wir können von Glück reden wenn wir nicht halb erfroren hier rauskommen“, bibberte Hanna und zog den Reißverschluss ihrer Jacke noch weiter zu. Ricarda nickte zustimmend. Es war wirklich sehr kalt, der Schnee rieselte unaufhörlich auf die drei Mädchen und ihre Pferde herab und es schien immer kälter zu werden. Laura seufzte, eigentlich wollte sie doch den Geist finden, aber ihre Freundinnen waren anscheinend nicht so daran Interessiert wie sie. „Naja gut, meinetwegen, dann drehen wir eben um. Aber Morgen suchen wir nochmal in der Nähe des Stalles.“ Ergeben wendete sie ihren kleinen, braunen Wallach und trieb ihn in den Trab. Hanna lächelte glücklich, dass sie endlich losritten und Ricarda war froh, dass sie die Stute nun alleine suchen konnte. Während sie gemütlich zurück ritten, blickte Ricarda sich suchend um. Plötzlich hielt sie inne. War das nicht? Tatsächlich, dort stand die nussbraune Stute und kaute an der Rinde eines kahlen Baumes und leckte
danach im Schnee, wahrscheinlich um Wasser aufzunehmen. Wie mager sie geworden war. Ricarda konnte jede einzelne Rippe zählen. „Hey Leute!“, rief da Laura plötzlich von vorn. Ricarda zuckte erschrocken zusammen, hatte Laura Heaven of Hope etwa auch entdeckt? Das würde doch dann bedeuten, dass sie die Stute ansehen wollte, dann würde sie bemerken das es eine lebendige Stute war, dann würden sie sie mitnehmen, zum Hof und die würden dann die Polizei informieren, die daraufhin dann den Besitzer ausfindig machen würden. „Ich würde sie nie wieder sehen“, dachte Ricarda geschockt und krallte sich voller Angst am Sattel fest. „Wie wäre es wenn wir noch zum Bäcker reiten?“, fragte da Laura und Ricarda hatte das Gefühl vor Erleichterung in Ohnmacht zu fallen. Also hatte sie die Stute doch nicht entdeckt. „Wäre cool“, rief sie also nach vorne und entspannte sich. Kein Grund zur Panik. Heute Nacht würde sie sich Dandys altes Halfter schnappen und ihre Stute suchen. Fragte sich nur noch, wie sie nachts unbemerkt aus dem Haus kam. Aber darüber würde sie sich später Gedanken machen, jetzt konzentrierte sie sich erst einmal auf Beauty und ihre Freundinnen.
Wenig später standen die drei vor dem Bäcker Süß und bissen in ihre Salamibrötchen. „Was meint ihr Mädels, ob wir die Stute noch finden?“, fragte Laura und leckte sich Brotkrümel von den Lippen. Hanna zuckte die Schultern. „Wer weiß, vielleicht versteckt sich die Stute ja auch im Geisterschloss“, mutmaßte Ricarda. Es tat ihr ein wenig Leid ihre beiden Freundinnen anzulügen, aber was blieb ihr denn anders übrig? Schweigend aßen die drei Mädchen weiter und saßen danach wieder auf. Im gemütlichen Schritt ritten die drei zurück zum Hof und versorgten dort ihre Ponys, ehe sie sich auf den Heimweg machten. „Dann bis Morgen Leute“, rief Hanna als erste und lief geradeaus weiter. Laura und Ricky bogen noch nach rechts ab und verabschiedeten sich dann. „Bis Morgen Ricky, und denk an wärmere Kleidung, wir müssen Morgen die Stute finden!“, rief Laura und winkte ihr zu. Ricarda rief ein „Mach ich“, hinterher und stapfte dann über die verschneite Straße zu ihrem Haus. Drinnen war es warm und kuschelig, es duftete nach Kerzen, Plätzchen und Spaghetti Cabonara. Ricarda liebte die Vorweihnachtszeit. Überall duftete es lecker und in den Läden hingen bunte Lichter. Außerdem gab es zu Weihnachten immer so schöne Pferdesachen zu kaufen. Es gab zum Beispiel kleine Weihnachtsmützen mit Ohrlöchern und Glöckchen dran, oder Renntierohren. Am liebsten aber gefiel Ricky die familiäre Atmosphäre. Auch dieses Jahr würden ihre Oma und ihr Opa, ihr Onkel und ihre Tante zu ihnen kommen. Dann wurde gefeiert und gegessen, sie packten zusammen die Geschenke aus und jeder liebte den anderen. Nur eins würde ihr dieses Jahr fehlen. Wehmütig dachte sie an das kleine Weihnachtsturnier in ihrem alten Stall. Da ritten sie in lustigen Spielen um die Wette und übten eine Quadrille ein. Doch Ricarda würde dieses Jahr nicht mehr daran teilnehmen. Nachdem sie ihre Klamotten ausgezogen hatte ging sie in die Küche und half ihrer Mutter beim Aufdecken des Tisches. Nach einem gemütlichen Abendessen ging sie in ihr Zimmer um ihre Hausaufgaben zu machen. Als sie an ihrem Schreibtisch saß, viel ihr ein das sie noch anfangen wollte die Stirnriemen für Laura und Hanna zu machen. Eilig beendete sie ihre Hausaufgaben und ging ein paar Schritte die Stufen nach unten. „Mam, ich geh jetzt ins Bett!“, rief sie. „Ja, mach ich auch gleich“, rief ihre Mutter zurück. Grinsend zog sie sich in ihre Zimmer zurück. Wenn ihre Mutter so früh ins Bett ging, würde sie spätestens um 11 tief und fest schlafen, so dass sie sich leicht aus dem Haus schleichen konnte. Schnell schloss sie die Tür hinter sich und schaltete das Deckenlicht aus, stattdessen schaltete sie die kleine Nachttischlampe an und setzte sich mit Lederbändern und lila Perlen an ihren Schreibtisch. Während sie die Perlen mit den Lederbändern verknotete lauschte sie darauf ob ihre Mutter ins Bett ging. Nachdem von unten nichts mehr zu hören war, legte sie ihre Arbeit nieder und öffnete leise die Tür. Von unten her war nichts mehr zu hören. Ricarda gab ihrer Mutter noch bis um 11 Zeit, dann müsste sie schlafen, so dass Ricky sich aus dem Haus schleichen konnte. Eine Stunde später schlich sie die Treppe runter und lauschte noch einmal links an der Schlafzimmertür ihrer Mutter. Als sie nichts außer ein leises schnarchen hörte, tastete sie sich im Dunkeln zu ihrer Jacke und zog sich ihre Winterschuhe an. Den Schlüssel sicher in der Tasche und das alte, beige Halfter über der Schulter, machte sie sich auf den Weg zum Wald. Dort schaltete sie ihre Taschenlampe an und leuchtete in die dunkle Winternacht hinein. Es war kein Geräusch zu hören, nur der Ruf einer Eule, die über sie hinweg zog. Ricarda war ein wenig mulmig und sie lauschte. Plötzlich leuchtete sie auf etwas Großes und schrie erschrocken auf. „Nur ein Hochstand“, seufzte sie erleichtert und ging weiter. Der Schnee knirschte unter ihren Schuhen und manchmal konnte sie den Flügelschlag eines Tieres –wahrscheinlich von der Eule –hören, doch ansonsten war es still. Als hinter ihr noch etwas knirschte hielt sie inne. Da war etwas, direkt hinter ihr. Ricardas Herz begann zu rasen, als sie hörte, wie der, oder die, oder vielleicht auch das, hinter ihr näher kam. Jetzt spürte sie schon den warmen Atem in ihrem Nacken und etwas seltsam Weiches. Ruckartig drehte sie sich um und die kleine Stute riss erschrocken den Kopf hoch. „Oh Gott, Hope, hast du mich erschreckt“, rief sie aus und lachte leise. „Du hast wohl eher mich gefunden, was meine kleine?“
Sanft strich sie über die schmale Blesse der Stute und trat an ihre Seite. Dann legte sie dem jungen Pferd das Halfter an und klickte den Führstrick ein. „So meine Süße, reiten tu ich dich noch nicht, aber es ist auch nicht weit bis zu unserem Versteck“, versprach sie leise und führte die Ponystute zur Höhle, die sie und ihre Freundinnen entdeckt hatten. Durch den schmalen Spalt passten sie und Hope locker durch, sodass sie schon bald in der dunklen Höhle waren. „Hier bist du erst einmal in Sicherheit“, versprach Ricarda leise und klopfte ihrer Stute den Hals. Dann löste sie den Führstrick von ihrem Halfter und gab ihr ein wenig Heu, was sie auch noch eingesteckt hatte, zu fressen. „Morgen bekommst du mehr, jetzt muss ich aber erst mal los, bleib schön hier Hope“, versprach sie und verließ die Höhle.


Bis in die Nacht



Einige Tage später, es war ein Donnerstag und kurz vor den Weihnachtsferien, bereiteten die drei Mädchen wieder einmal ihre Pferde vor um nach Heaven of Hope zu suchen. Ricarda war jede Nacht noch einmal in den Stall und dann zur Höhle geschlichen um ihrer Stute Futter und Wasser zu bringen. Sie kaute nervös an ihrer Lippe, denn Laura hatte sie dazu aufgefordert sich besonders dick anzuziehen. Eigentlich war es gar nicht so kalt, also musste das heißen, dass Laura vor hatte ganz lange zu suchen. „Wir reiten heute durch den Mischwald, dann rüber zum Tannenwald und zum Geisterschloss.“, klärte sie ihre Freundinnen dann auch auf und legte den schwarzen Sattel auf Chubby‘s Rücken. „Hm, das kann ja ewig dauern“, dachte Ricarda unglücklich. Sie wollte nicht so lange nach Hope suchen, aber wenigstens war die jetzt in Sicherheit. „Ich bin mal Gespannt ob wir das Geisterpferd jetzt endlich finden, nicht das ich mir umsonst die ganzen Schichten angezogen habe“, nuschelte Hanna in ihren dicken, orangen Winterschal und zog die Steigbügel nach unten. Nachdem alle auf den Ponys saßen, was reichlich lange dauerte, weil es durch die dicken Klamottenschichten schwer war sich zu bewegen, ging es endlich los. Ricarda hatte sich Handschuhe besorgt, damit ihr nicht die Finger abfroren. Zusammen ritten sie hinter der Koppel, über den schneebedeckten Pfad zum Mischwald und bogen dann in eine neue Richtung ein. Chubby begann zu tänzeln und kaute begeistert auf seinem Gebiss herum. Endlich mal was neues! Der braune Welsh Cob lief mit gespitzten Ohren und erhobenem Kopf an der Spitze und schnaubte ab und an laut. Die drei Mädchen untersuchten jeden einzelnen Zweig und achteten auf Hufspuren im Schnee. „Ein Geist hinterlässt keine Hufspuren“, warf Ricarda zwischendurch ein und zuckte dann innerlich zusammen. Hanna hatte zwar nicht wirklich zugehört, aber Laura warf ihr einen kritischen Blick zu. Ricarda wusste das sie clever war und es würde nicht mehr lange dauern, bis Laura wusste das Heaven of Hope lebte. Jedenfalls würde es schnell gehen, wenn Ricarda weiterhin ihr Maul soweit aufmachen –und sich dauernd verplappern würde. „Wir dürfen nichts übersehen Mädchen, wenn wir auch nur einen Hufabdruck finden, dann haben wir sie. Wir sind die einzigen die hier reiten, die meisten bleiben auf den Wegen!“, kommandierte Laura und starrte wieder auf den Boden unter ihr. Hanna ließ ihre Stute zurückfallen, so dass sie neben Ricky ritt und beugte sich zu ihr rüber. „Die Stute finden wir nie, Laura ist zu besessen darauf sie zu finden. Deswegen sucht sie sie überall“, flüsterte Hanna ihr ins Ohr. Ricarda nickte zustimmend. „Sie setzt sich halt zu sehr darauf fest dass es dieses Geisterpferd gibt“, meinte sie.
„Wo bleibt ihr denn!?“ Laura war stehen geblieben und bedachte ihre Freundinnen mit strengen Blicken. „Wir haben keine Zeit für Smalltalk, wir müssen die Stute finden, ich möchte mal einen Geist anfassen“, erklärte Laura und trieb ihren Wallach weiter, als die beiden endlich bei ihr angekommen waren. „Bloß nicht, denn würde alles auffliegen“, dachte Ricarda und schauderte. Sie malte sich wieder einmal aus, was passieren würde, wenn die beiden herausfanden das Hope lebte. „Hey, seid mal still“, zischte Hanna plötzlich und hielt an. Konzentriert starrte sie in die Ferne und lauschte auf etwas. Auch Ricarda und Laura lauschten. Der Wind pfiff in den Bäumen, die Pferde kauten auf ihrem Gebiss, nichts Ungewöhnliches. Doch da! Laura hörte es als erstes. Es klang wie ein Jaulen. Das Jaulen eines Wolfes, zwischendurch waren nur erstickte Laute zu hören, dann wieder das Jaulen. „Das muss von dort drüben kommen“, meinte sie und zeigte in eine Richtung, in der man eigentlich nichts erkennen konnte. Trotzdem ließen sich die drei darauf ein, dem Jaulen auf den Grund zu gehen. Sie ritten immer tiefer in den Wald hinein, bis sie auf eine Böschung stießen, in der eigentlich nur ein Haufen Gestrüpp zu sehen war. „Ich seh mal nach“, meinte Ricarda und stieg ab. Die Zügel übergab sie Hanna, dann schlich sie sich um das Gestrüpp herum. Als sie einen erstaunten Schrei ausstieß stiegen auch die anderen ab und kamen auf sie zu. Sie hatten die Pferde an einen Baum gebunden, damit sie nicht weglaufen konnten und damit sie zwei freie Hände hatten, denn die Böschung war sehr steil. Als auch Hanna und Laura das Tier erblickten, das so jämmerlich gejault hatte, ging ihnen vor Mitleid das Herz auf. Es war ein kleiner Hund, vermutlich ein Terrier, der mit seinem Halsband im Gestrüpp festhing und mit einer Pfote unter einem Stück Holz eingeklemmt war. „Ach du armer Hund“, sagte Ricarda mitfühlen und strich ihm über das struppige Fell. „Kommt Leute, befreien wir den armen Kerl.“
Mit vereinten Kräften schafften sie es den jungen Hund erst die Pfote unter dem Stück Holz hervor zu holen, um dann das Gestrüpp von seinem Halsband zu entwirren. Als sie fertig waren schleckte der kleine Hund ihnen dankbar das Gesicht und die Hände ab, dann witterte er und bellte, als würde er jemanden suchen. „Der arme kleine Hund“, meinte Hanna und strich ihm über das braun-weiße Fell. „‘Der arme kleine Hund‘ muss irgendwo herkommen und was sucht er Überhaupt hier im Wald?“, warf Laura bedenklich ein. „Stimmt, er muss ja irgendwoher kommen“, die beiden anderen nickten. „Am besten wir nehmen ihn mit“, meinte Laura und löste den Führstrick von der Trense ihres Ponys, den sie immer zur Sicherheit mitnahm. Sie klickte den Strick ins Halsband des Terriers ein und stieg dann wieder auf ihre Pony. Gemeinsam ritten die drei durch den Wald und lauschten auf Rufe, oder pfiffe vom Besitzer des Hundes. „Teddy!“, hallte es plötzlich durch den Wald. Eine Kinderstimme! „Hast du gehört Teddy, da ruft deine Besitzerin nach dir.“ Teddy stellte seine Ohren auf und bellte laut. Da tauchte in der Ferne ein kleines Mädchen auf und entdeckte die Reiter. „Teddy“, rief es von weitem begeistert. Der kleine Hund zerrte an seiner ‚Leine‘ und bellte wie verrückt. Sein Schwanz wedelte so schnell, das Ricarda Angst hatte, er könnte gleich abheben. Die kleine rannte ihnen mit weit ausgebreiteten Armen entgegen und drückte ihren kleinen Hund fest an sich. „Mein kleiner Teddy, ihr habt ihn gefunden“, sagte sie und schenkte den drei Mädchen ein strahlendes Lächeln. Die drei sahen sich an. Das reichte als Dank, was gab es denn schöneres als ein Kinderlächeln? „Wie kann ich euch danken?“, fragte die kleine trotzdem. Sie hatte große, gelbe Augen und blonde Haare. „Du musst uns nicht danken, wir helfen doch gern“, meinte Laura freundlich und lächelte ihr zu. „Nein, ich möchte mich bei euch bedanken und bei euren Ponys. Kommt mit“, ohne auf eine Antwort zu warten stapfte die kleine durch den Schnee, ihr Hund hinterher. Die drei Mädchen nickten sich zu und ließen ihre Pferde antreten. Nach einer Weile standen sie vor einem kleinen Häuschen, mitten im Wald. „Hier wohnen wir“, sagte die kleine und klopfte an die Tür. Eine junge Frau, die ihrer Tochter glich wie ein Zwilling, außer dass sie kurze Haare hatte, öffnete die Tür. „Hallo Michelle, da bist du ja, hast du unsern Ausreißer gefunden?“, fragte sie und bemerkte die drei Reiterinnen wahrscheinlich nicht. „Ich nicht, aber die drei Mädchen da“, die kleine zeigte auf Ricky und ihre Freundinnen. „Oh, na dann kommt mal rein, eine Belohnung habt ihr euch redlich verdient, eure Ponys könnt ihr im Garten einfach hinstellen.“ Die junge Frau nickte ihnen zu und trat ins Haus.

„Die schmeckt köstlich“, schmatzte Laura und steckte sich noch eine Gabel voll Torte in den Mund. „Das freut mich, ich backe sehr gerne, aber da wir alleine wohnen ist es immer viel zu viel“, erklärte Frau Wiet. Während die drei Mädchen in der kleinen Wohnstube ihre Torte aßen, erzählten sie Maria Wiet, wie sie Teddy gefunden hatten und warum sie überhaupt unterwegs waren. „Ein Geisterpferd sagt ihr“, die junge Frau überlegte. „Ich glaube Michelle und ich haben letztens ein Geisterpferd gesehen, oder Michelle? Hinten beim Schloss Weidefeld?“ Zustimmend nickte das kleine Mädchen. Sie spielte mit ihrem Hund auf dem Teppich und lauschte nebenbei der Erzählung. „Ein Haselnussbraunes“, fügte sie dann noch hinzu. „Das ist sie!“, rief Laura begeistert aus. Hanna seufzte gequält und Ricky interessierte nur eins. „Wann war das denn?“ „Das war vor ein paar Tagen, gar nicht so lange her, ich glaube Montag.“ Ricarda seufzte glücklich. Dann war ihre Stute doch in der Höhle geblieben. Nach der leckeren Torte bedankten sich die Mädchen und verabschiedeten sich. Danach verließen sie das Haus und stiegen wieder auf ihre Pferde. Es war schon kühler geworden und dunkel. „Wie spät ist es eigentlich?“, fragte Ricky angespannt. Laura warf einen Blick auf ihr Handy und steckte es dann zurück in die Tasche. „um 9“, erklärte sie und ließ ihren Wallach durch die Schneewehen aus dem Wald heraus gehen. „Echt schon? Wow“, erstaunt hob Hanna die Augenbrauen und sah Ricky vielsagend an. Laura investierte mehr Zeit in ihre Geisterpferde-Suche als in ihre Hausaufgaben. „Laura, meinst du nicht wir sollten zurück zum Hof? Es ist schon so spät und dunkel“, meinte Hanna zögerlich. Doch Laura schüttelte empört den Kopf. „Niemals. Du hast doch gehört was Frau Wiet sagte. Das Geisterpferd ist beim Schloss, da müssen wir hin, jetzt sofort. Sonst ist es Morgen weg!“ Ricarda seufzte und wurde nervös. Hope wartete auf ihre Fressen und wenn sie ihr das nicht brachte, dann würde die kleine Stute sicher losziehen um sich selber etwas zu holen. Doch gegen Lauras Dickkopf kam man anscheinend nicht an. Also ritten die drei Mädchen zum Schloss. Zum Glück stand der Mond groß und rund am Himmel, so dass sie noch genug sehen konnten. Als die drei aber bei dem Schloss ankamen, schauderten sie. Bei Nacht und im Mondschein wirkte es gruseliger als am Tag. Und älter. „Kein Wunder das sich die Stute hier wohl fühlt“, meinte Hanna und zog den Kopf ein als eine Eule ihren Ruf ausstieß und über sie hinwegflog. Die Türen des Alten Schlosses knarrten und der Wind pfiff durch die Ritzen, was die gruselige Stimmung nur noch Unterstrich. „Wir sollten abhauen Laura, hier ist niemand. Nicht einmal die Stute, los“, drängte Ricarda. Sie hatte das unangenehme Gefühl beobachtet zu werden. Ängstlich blickte sie sich um und entdeckte im Fenster des Schlosses die Gestalt einer jungen Frau. Ricarda stieß einen gellenden Schrei aus und nicht nur Laura und Hanna, sondern auch die drei Pferde, zuckten zusammen. „Was ist los Ricky!“, fragte Laura besorgt.
„Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen“, scherzte Hanna.
„Ha…hab i…ich a…auch“, stotterte Ricky und zeigte mit den Finger zum Fenster. Nun stießen auch Hanna und Laura schreie aus und sie starrten zu dritt auf die junge Frau im Fenster. „Weg!“, rief Laura als erstes – sie schien einen kühlen Kopf zu besitzen –und wendete ihren Wallach auf der Hinterhand. Mit einem Blitzstart schossen die drei los und ließen ihre Pferde übers Feld galoppieren, Ricarda an der Spitze. Als sie als erste auf dem Hügel war, konnte sie ihren Augen nicht trauen. Da stand ihre kleine Stute. Im Schein des Mondes war sie schöner denn je. Sie sah sie mit blitzenden Augen an und wieherte leise. „Oh nein Hope, du musst weg!“, rief Ricarda leise und drehte sich um. Hanna und Laura holten langsam auf, ein Glück waren sie in den Schritt gewechselt um den Hügel zu erklimmen und nicht, wie Ricky, rauf galoppiert. „Lauf Hope, ich bring dir gleich Futter!“, drängte sie weiter. Heaven of Hope spitzte die Ohren und als sie die Stimmen von Hanna und Laura hörte zuckte sie fast unmerklich zusammen. Schnell drehte sie sich um und galoppierte, hoffentlich, zu ihrem Versteck zurück. Erleichtert atmete Ricky aus, denn genau in dem Moment, indem Hope im Dickicht verschwand, kamen die anderen beiden auf dem Hügel an. „Du solltest wirklich Jockey werden Ricky, so schnell wie du lässt keiner ein Pferd laufen“, schnaufte Hanna. Laura nickte zustimmend und strich Beauty durch die Mähne. „Sie hat außerdem ein schnelles Pony“, meinte sie.
„Ja, er ist wirklich schnell“, bestätigte Ricarda. „Zum Glück, sonst hätten sie Hope entdeckt“, fügte sie in Gedanken noch hinzu.

Eine Stunde später stand Beauty endlich in seiner Box. Mittlerweile war es fast elf Uhr und Ricarda hoffte darauf, dass Laura und Hanna endlich nach Hause gingen. Sie wollte ihrer Stute noch ein wenig Heu und Kraftfutter bringen, dabei konnte sie die beiden nicht gebrauchen. Schließlich wäre es auffällig wenn sie sich einen großen Beutel Heu und eine kleine Tüte Kraftfutter einstecken würde. „Ich hoffe echt meine Mam kauft mir eine neue Trense zu Weihnachten“, seufzte Hanna, als sie das Gebiss reinigte. „Bestimmt, ich habe gestern schon ein großes Loesdau Paket im Flur stehen sehen, als ich nach Hause kam, da waren sicher meine Eskadron Sachen drin“, grinste Laura und legte den Sattel auf den Bock.
„Meine Mam hat auch was von einem Reitladen mitgebracht“, erzählte Ricky. Sie hängte gerade die Trense von Beauty auf und hatte natürlich zugehört.
„Cool, woher weißt du das?“, wollte Hanna wissen.
„Naja, als sie gestern einkaufen gegangen ist, hat sie eine Tüte von einem Reitladen mitgenommen, die ich vorher noch nie gesehen hatte“, erklärte Ricarda.
„Vielleicht hat sie dir Halfter und Trense für dein eigenes Pferd gekauft“, schlug Laura vor.
„Wäre cool“, gab Ricky zu, doch insgeheim wollte sie, dass es nicht so war. Sie wollte ihre Mutter nicht enttäuschen, wenn sie ihr sagte dass sie nur ein Pferd wollte, dass sie nie bekommen würde. „Okay, wir gehen dann mal, bis Morgen Ricky“, sagte Hanna dann endlich und winkte ihr zu. „Tschau Leute, bis Morgen!“, rief Ricarda ihnen hinterher und wartete bis sie die beiden durchs Tor gehen sah. Dann schlüpfte sie in die Futterkammer, am Ende der Stallgasse und stopfte einen Arm voll in eine große Tüte und eine Kelle voll Kraftfutter in eine kleinere, ehe sie den Stall verließ. Natürlich nicht, ohne sich von Beauty zu verabschieden. Zitternd stapfte sie durch den Schnee und bog dann zur Höhle ab. Ein Glück brannte bei Ina und Nicole kein Licht mehr, so dass sie unbemerkt in die Höhle schlüpfen konnte. „Hope“, flüsterte sie und strahlte, als ihre kleine Stute mit klappernden Hufen auf sie zukam. „Ich habe lecker Heu und Kraftfutter für dich mit.“ Während die Stute fraß strich Ricarda ihr sanft durch die weiß-rote Mähne und erzählte ihr von dem heutigen Tag, dann verließ sie die kleine Stute wieder und machte sich auf den Heimweg. Leise schloss sie die Haustür auf und sie erwartete eine böse Überraschung. Im Wohnzimmer brannte noch Licht und ihre Mutter saß mit dunklen Augenringen auf dem Sofa, vor dem Fernseher. „Hi Mam“, grüßte Ricky und zog den Kopf, auf eine Standpauke gefasst, ein. „Da bist du ja Schätzchen“, rief ihre Mutter glücklich. „Hä?“, irritiert starrte Ricarda ihre Mutter an. Hatte sie gerade Schätzchen gesagt? Eigentlich müsste sie doch sauer sein, das sie erst um 12 Uhr zu Hause war. „Ich dachte mir schon das du bei Laura oder Hanna bist, deswegen habe ich mir keine Sorgen gemacht und bin auch nicht böse“, erklärte ihre Mutter lächelnd. „Ach so? Na dann, ich geh hoch ins Bett“, meinte Ricky kopfschüttelnd und lief die Treppe nach oben in ihr Zimmer, wo sie gerade so den Schlafanzug anziehen konnte, ehe sie Todmüde ins Bett viel und sich gleich darauf in einen seltsamen Traum wieder fand.
Ricarda stand zusammen mit Hanna und Laura auf einer großen Wiese, überall um sie herum standen Pferde und Ponys. Manche wurden geführt, manche standen in Ständern angebunden, ohne Wasser, nur mit ein wenig Stroh als Unterlage. Da war Hope. Die Stute wieherte ängstlich, ihre Augen waren weit aufgerissen, so dass Ricky das weiße darin sehen konnte. Die Stute tänzelte und wehrte sich gegen den festen Zug des Seils, welches an ihrem Halfter befestigt war. Ein Mann, groß und breit wie ein Schrank, hielt sie eisern fest und zog sie in einen Hänger. Hope stieg und striff den Mann mit den wirbelnden Hufen am Arm. Wütend zog der Mann etwas Kleines, flaches aus seiner Tasche, die Klinge des Messers blitzte im Sonnenlicht bedrohlich auf. Jetzt holte der Mann aus und zielte mit dem Messer auf das Gesicht der Stute…




Verbrannte Plätzchen und brenzlige Momente



„Jippieh!“ Schreie von glücklichen Kindern hallten durch die Schule und über den Schulhof, als die gerade mal hundert Schüler aus dem Gebäude strömten und mit wehenden Zeugnissen nach Hause, oder zum Schulbus liefen. Ricky und ihre Freundinnen hatten ebenfalls ihre Zeugnisse bekommen, ließen es aber gemütlicher angehen. Sie gingen durch die Straßen und unterhielten sich über ihre Schulnoten und die Ferien, die ab den darauf folgenden Tag beginnen würden. Da sie am 20. 12. erst Ferien bekommen hatten, waren es nur noch vier Tage bis Weihnachten. Die drei Mädchen hatten einen kompletten Plan aufgestellt, was sie die Tage machen wollten. Am Zeugnistag würden sie einen Ausritt machen und ihre Noten feiern, danach würden sie zu Laura nach Hause gehen und Plätzchen backen. Die nächsten 2 Wochen wollte Laura mindestens jeden zweiten Tag nach Hope suchen um sie endlich zu finde. Und dann würde sie genug Gesprächsstoff haben, wenn die Schule wieder losging.
„Oh nein Laura, die Ferien fangen gerade erst an und du redest schon wieder von Schule“, stöhnte Hanna. „Ja genau, Schule heißt Ina und Ina kann keiner leiden“, stimmte Ricky ihr zu und steckte sich theatralisch den Finger in den Hals und machte würge Laute. Hanna lachte und Laura grinste. „Ihr habt Recht, lasst uns die Ferien genießen und nicht an Schule, sondern an unsere Ponys und das Geisterpferd denken“
„Und an Plätzchen!“
„Und an Plätzchen!“, lachte Laura.
„Wir sehen uns dann um 2!“, rief Hanna dann an der Kreuzung und winkte den beiden noch einmal zu. Auch Ricky verabschiedete sich kurz darauf von Laura und bog nach rechts ab. Sie wollte noch die Stirnriemen einpacken, die sie ihren Freundinnen zu Weihnachten gebastelt hatte. Sie hatte eine gebogen Stirnriemen für Hanna und ein geraden für Laura genommen. Eilig schloss sie die Haustür auf und stürzte in die Küche, wo ihre Mutter gerade in zwei großen Töpfen rührte. „Hi Mam!“, rief Ricky und stellte sich neben ihre Mutter. Sie hielt das Zeugnis bereits in der Hand. „Na, dann zeig mal her“, meinte Melanie und nahm ihr das weiße Blatt ab. Nach einem schnellen Blick über die Zensuren begann sie zu lächeln. „Außer der üblichen 4 in Mathe ist das doch richtig gut. Kannst du ja stolz drauf sein.“, meinte sie. Ricky strahlte, denn außer ihrer üblichen Mathe 4 hatte sie nur zweien, Einsen oder dreien geschrieben. „Naja, mal sehen wie du dafür belohnt wirst“, meinte ihre Mutter und hatte ein geheimnisvolles funkeln in den Augen. „Wann ist das Mittag ungefähr fertig? Ich wollte noch Lauras und Hannas Geschenk einpacken.“
„Das dürfte gleich soweit sein. Aber das einpacken schaffst du noch.“ Ricky nickte und eilte die Treppe, die sich im Flur befand, nach oben. In ihrem Zimmer angekommen, riss sie die Schreibtischschublade auf und kramte die Stirnriemen heraus. Dann schnappte sie sich die alten Schachteln ihrer Mutter, in denen mal Ketten gewesen waren, und legte die Stirnriemen rein. Ricarda fand, das sie gut gelungen waren. Hannas Stirnriemen war ein wenig gebogen und mit orangen und roten Herzen –oder runden Steinchen geschmückt. Lauras war gerade und hatte ein Lilanes Seidenband aufgeklebt bekommen. Darauf hatte sie noch einmal extra Strass Steine aufgeklebt und in der Mitte des Riemens ein großes, Lilanes Herz. Nachdem die beiden Geschenke sorgfältig verpackt waren, verstaute sie sie wieder in der Schublade und verpackte dann noch schnell die selbstgemachte Kerze für ihre Mutter, ehe sie nach unten lief, um zu essen.

Es hatte wieder begonnen zu schneien, der eisige Wind pfiff um die Häuser. Ricky fröstelte und schlang die Arme um ihren Körper. Sie war gerade auf dem Weg zu Hanna gewesen, als es begonnen hatte zu schneien. „Schitt Kälte“, knurrte sie und war froh als sie endlich dass orange Haus, am Ende der Straße sah. Gerade wollte sie klingeln, da riss auch schon Hanna die Tür auf und zog sie herein. „Da bist du ja endlich! Wir haben uns schon Sorgen gemacht, bei dem Sturm kann man sich leicht verirren“, sagte Hanna und zeigte Ricky wo sie ihre Jacke anhängen konnte. Sorgfältig putzte Ricky ihre Schuhe ab und folgte Hanna dann in die Stube, wo Laura bereits auf einer langen, knallroten Couch saß. „Ich hab den Farbton aussuchen dürfen“, erklärte ihre Freundin ihr, als sie Rickys erstaunten Blick sah.
„Das erklärt alles“, lachte sie. Die drei Mädchen machten es sich auf der Couch bequem und Hanna stellte Ricarda eine dampfende Tasse heiße Schokolade vor die Nase. „Hier, zum Aufwärmen.“
Während Ricky ihre Schokolade schlürfte setzte Hanna sich neben sie und streckte wohlig die Beine aus. „Herrlich, jetzt haben wir 2 Wochen Ferien und Weihnachten, ich freue mich so.“
Laura nickte zustimmend. „Wenn es nur nicht so kalt wäre“, murmelte sie in ihre Tasse.
„Was haltet ihr davon, wenn wir einen schönen Film über Pferde gucken?“, schlug Hanna vor und stand gleich wieder auf. Eilig lief sie in den Flur, wo sie über die Treppe nach oben, in ihr Zimmer polterte. „Sie ist immer so hektisch, wenn sie Gäste da hat“, klärte Laura Ricky lachend auf. Ricarda kicherte. „Wie oft ist sie dann an Weihnachten so hektisch?“, fragte sie grinsend. Laura grinste ebenfalls und zuckte mit den Schultern. Nach einer Weile hörte man, wie Hanna polternd die Treppe herunter kam und dann erschien sie auch schon, mit einem Stapel DVDs in der Hand, im Wohnzimmer und breitete diese dann auf dem grauen Teppich aus. „Also Mädels, was wollen wir sehen?“, fragte sie noch ganz außer Atem und deutete auf die Hüllen. Ricarda beugte sich über den Tisch und las die Titel der Filme. Auch Laura warf einen kurzen Blick darauf. Während Hanna und Laura diskutierten, welchen Film sie sehen wollten, warf Ricky einen Blick aus dem Fenster, in den Schneesturm hinein. Zwischen den wirbelnden Schneeflocken konnte man, nur schemenhaft, die Gestalt eines Pferdes ausmachen. Ricky kniff die Augen zusammen und hätte beinahe ihre Schokolade verschüttete, als sie sah, was das für ein Pferd war, was jetzt dort am Fenster stand. Heaven of Hope schaute mit großen Augen durch das Glas des Fensters und nickte fröhlich mit dem Kopf, als sie Ricky erblickte. „Oh nein“, stieß Ricarda aus und stellte ihre Tasse auf den Tisch. „Ich, ich muss kurz nach draußen!“, rief sie Hanna und Laura zu und war auch schon auf Socken, im Schnee. „Hope?! Was machst du hier? Los verschwinde“, zischte Ricky und wedelte hektisch mit den Ärmeln ihres Pullovers. Die kleine Stute sah sie fragend an und brummelte freundlich. Sie verstand die ganze Aufregung nicht. „Mach schon!“, zischte Ricky noch einmal und trat in den Schnee, so dass dieser aufstob und die kleine Stute im Gesicht traf, die erschrocken quietschte und dann eingeschnappt davon trabte. „Ein Glück“, seufzte Ricky und ging wieder zur Eingangstür, wo Hanna ihr schon fragend entgegen blickte. „Was war denn mit dir?“
„Ach, ich dachte da wäre irgendein Spanner oder so“, murmelte Ricky und huschte an Hanna vorbei ins Haus. „Seltsam“, dachte diese und blickte Stirnrunzelnd in das Schneetreiben, ehe sie Schultern zuckend die Tür hinter sich schloss und wieder in die Stube ging, wo Laura bereits die DVD, der Pferdeflüsterer, eingeschoben hatte. Ricarda saß vor dem knisternden Kamin um ihre nassen Socken zu wärmen.
Nach dem Film stellten sie sich zu dritt in die Küche und begannen alles für die Plätzchen zusammen zu suchen. Ricky schaute immer wieder nachdenklich in das Schneegestöber hinein und hoffte das Hope nicht alt zu sauer auf sie war. „So, jetzt brauchen wir noch das Mehl und dann können wir anfangen, die Plätzchen zu backen. Wir könnten auch ein bisschen Weizenkleie nehmen und Möhrenstückchen, für Chubby und Silk“, schlug Laura vor und holte eine weitere Schüssel aus dem Küchenschrank. Die Küche war eigentlich fast so aufgebaut wie die von Ricky. Nur das es einen größeren Kühlschrank und keine Hängeschränke gab. Dafür hatten die Lauders einen kleinen Vorratsraum, in dem sie so was wie Mehl und Dosen aufbewahrten. Die drei rührten als erstes die Zutaten für ihre Plätzchen zusammen, formten daraus den Teig, den Ricarda dann ausrollte. Gemeinsam stachen sie mit Förmchen kleine Figuren aus und Ricky, die sehr kreativ war, schnitt kleine Pferdeköpfe und Hufeisen aus dem Teig aus. Die Plätzchen legten sie anschließend auf ein Blech und schoben dieses dann in den Ofen. Während die Plätzchen begannen zu backen, setzten Ricky und ihre Freundinnen sich in die Stube und begannen Weihnachtslieder zu singen. Als sie Oh Tannenbaum anstimmten, brach Laura plötzlich ab. „Das Geisterpferd!“, rief sie aufgebracht und sprang auf.
„Das Geisterpferd kommt aber nicht in Oh Tannenbaum vor“, versuchte Ricky zu scherzen, doch das beachtete Laura nicht. Auch Hanna starrte erstaunt aus dem Fenster, wo Hope wieder herein lugte und fröhlich mit dem Kopf nickte. „Los, lasst uns raus gehen!“, rief Laura begeistert und lief in den Flur. „Nein!“, erschrocken riss Ricarda die Augen auf. Jetzt würde alles rauskommen! Die ganze Vorsicht wäre umsonst gewesen. Hanna sah sie Augenrollend an, stand aber ebenfalls auf. „Vielleicht kann ich das schlimmste noch verhindern“, dachte Ricky und eilte hinter den anderen her. Durch ihre Hektik war sie dann auch als erste fertig. Laura und Hanna traten begeistert in den abflauenden Sturm hinaus, während Ricarda vor Angst und Aufregung bebte. „Nein Laura nicht!“, rief sie aus, als ihre Freundin langsam auf Hope zuging. Die kleine Stute wich schnorchelnd einige Schritte zurück. Ein Glück! Hope vertraute natürlich auch nicht sofort jedem Fremden. Zu oft wurde sie geschlagen. Gerade als Laura weiter auf Hope zu gehen wollte, wieherte diese ängstlich und preschte davon, in den Schneesturm hinein. „Oh mein Gott die Plätzchen!“, rief da Hanna. Tatsächlich stieg dicker Rauch aus der Haustür. Husten und mit den Händen wedelnd öffnete sie den Ofen und zog mit Kochhandschuhen das heiße Blech mit den schwarzen Plätzchen heraus. „Das war‘s dann wohl mit leckeren Schokoplätzchen“, meinte sie traurig. „Wieso? Sehen doch noch gut aus“, scherzte Laura und die drei lachten. Hanna und Laura über die verkohlten Plätzchen, Ricarda vor Erleichterung, weil Hopes Geheimnis noch eines war. Was sie zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste war, dass ihr Geheimnis bald gelüftete werden sollte.


Gelungene Überraschung



Lautes klingeln riss Ricarda 4 Tage später unsanft aus dem Schlaf. Sie rieb sich müde die Augen und blinzelte. Da ertönte wieder das Klingeln. Es war das Klingeln einer Glocke. „Weihnachten, heute ist Weihnachten“, schoss es ihr durch den Kopf. So schnell wie nur zwei Mal im Jahr huschte Ricarda aus dem Bett und ins Bad. Während sie sich anzog dachte sie grinsend an die Stirnriemen, die Hanna und Laura heute bekommen würden. „Das wird toll“, murmelte sie vor sich hin und lief die Treppe nach unten, wo ihre Mutter bereits das Frühstück vorbereitet hatte. „Oh Lecker, Pfannkuchen!“, rief sie begeistert, schleckte sich über die Lippen und schnappte sich einen der kleinen Kuchen. Mampfend half sie ihrer Mutter dann beim Abwasch und verabschiedete sich wenige Minuten später von ihr. Sie wollte noch kurz mit Laura und Hanna ausreiten. Dick eingepackt machte sie sich auf den Weg zum Stall. Niklas, von allen nur Nik genannt, stand auf einer Leiter am Stalleingang und hängte gerade einen Weihnachtskranz an den Nagel über der Tür, als sie auf dem Hof eintraf. Eigentlich war es kein richtiger Kranz, sondern ein Hufeisen. „Hallo Nik!“, rief sie dem Stallburschen zu. Nik zuckte kurz zusammen und grinste nach unten. „Hi Ricarda, du willst mich wohl umbringen was?“, fragte er verschmitzt und stieg langsam die Leiter wieder runter. „Umbringen? Ach was, doch nicht an Weihnachten, so ein gebrochenes Bein reicht mir völlig aus!“ Niklas sah sie mit großen, braunen Augen an. „Was ein gebrochenes Bein? Das fehlt mir noch!“, rief er.
Lachend betrat Ricky den Stall und ging gleich zur Box von Beauty, der ihr freundlich entgegen brummelte. „Na Beauty, wie geht’s dir, heute an Weihnachten. Das wird ein festlicher Ausritt heute“, murmelte Ricky und öffnete die Boxentür um ihm das Halfter über den Kopf zu ziehen. Sie hakte den Führstrick ein und führte ihren kleinen Wallach aus der Box um ihn daran anzubinden. Sie begann ihn zu putzen, flechtete seine Mähne und schmückte sie mit roten und grünen Bändern, die sie noch mitgenommen hatte. Dann legte sie ihm den Sattel auf und Trenste ihn auf. An die Trense band sie kleine Glöckchen, die bei jedem Schritt klimperten. Erst war der Rappe ein wenig irritiert über das klimpern, doch er gewöhnte sich schnell daran. Als sie mit Beauty fertig war, kamen Laura und Hanna endlich. „Wow, Beauty sieht ja fantastisch aus, richtig weihnachtlich“, staunten sie. Ricarda nickte stolz und betrachtete ihr Werk. Wie schön er doch war, allerdings lange nicht so schön wie Hope. Nachdem auch Real Silk und Chubby fertig gesattelt und getrenst waren, gingen die drei mit ihren Pferden auf den Hof hinaus, wo sie aufstiegen und zum Hofausgang ritten. Sie wollten ins nächste Dorf reiten, wo es ein Reitgeschäft gab. „Ein Glück ist es heute nicht so kalt“, stellte Hanna fest, kuschelte sich aber trotzdem in ihren dicken orange-roten Schal. „Ja, stimmt. Ich finde es so auch viel besser“, stimmte Laura ihr zu. Ricarda lehnte sich im Sattel zurück und genoss den Dezembertag. Die Sonne schien vom strahlend blauen Himmel, der Schnee glitzerte unter ihren Strahlen und aus den Nüstern der Pferde stiegen kleine Dampfwölkchen. Sie ritt hinter Laura her, die hinter Hanna auf ihrem braunen Wallach saß. „Gleich bekommst du ein Weihnachtsgeschenk Chubby“, flüsterte sie ihm zu. Chubby brummelte, als würde er sich darauf freuen.
„Schaut mal Leute! Da ist schon der Bahnübergang!“, rief da plötzlich Hanna und deutete auf zwei rot-weiße Schranken und zwei Schienen, die zwischen ihnen hindurchführten. „Scheint unser Glückstag zu sein“, dachte Ricarda, als die Schranke sich öffnete, kurz bevor die drei sie erreicht hatten. Real Silk schien schon zu ahnen wohin es ging, denn sie begann zügiger zu traben und schlug immer wieder wiehernd mit dem Kopf. „Ist gut mein Mädchen“, beruhigte ihre Reiterin die Schimmelstute. Die drei ritten auf einer kurzen Straße in eine Allee hinein, die sich nach ein paar Minuten in drei Wege gabelte. Hanna bog nach links ab und ließ ihre Stute in den Schritt fallen. Da prangte ein großes, gelbes Schild am Ende der Häuserreihen, auf dem in blauer Schrift ‚Reitsportgeschäft Ulrich‘ zu lesen war. „Ich wusste gar nicht das es Geschäfte gibt die auch an Weihnachten aufmachen“, staunte Ricarda, als sie sah das das Geschäft hell erleuchtet war. „Dieses hier schon. Herr Ulrich weiß das die meisten hier herkommen um für ihre Pferde noch an Weihnachten Geschenke zu kaufen“, erklärte ihr Laura, die gerade mit einem Schwung vom Rücken des Welsh Cob sprang. „So Chubby, du wartest brav hier“, meinte sie fröhlich und klickte das Ende der Kette, die an der Wand befestigt war, in das Halfter des Pferdes. Hanna und Ricky taten es ihr gleich. „So einen ‚Pferdeparkplatz‘ habe ich auch noch nie gesehen“, lachte Ricarda und tätschelte ihren Rappen schnell den Hals, ehe sie mit den anderen beiden den Reitladen betrat. Im Geschäft sah es ebenso weihnachtlich aus wie an den Häusern der Umgebung, es duftete nach Leder und Pferdeleckerlis. Gleich vor der Eingangstür stand ein Tresen aus Eichenholz, der Boden war mit Teppich verlegt und alles war ordentlich in Regalen sortiert. Es gab eine Ecke für die Halfter, eine für die Pferdedecken und für die Trensen, dann für die Sättel und die Lederpflege und vielem mehr. Begeistert und mit glänzenden Augen schaute Ricarda sich um. Es war so schön hier! „Hallo, ihr Lieben, na wieder mal Sachen für eure beiden Ponys kaufen?“, fragte da eine tiefe Männerstimme. Ricarda drehte sich um und erstarrte. Der Mann der vor ihr stand hatte einen großen, runden Bauch, einen weißen Bart und einen weißen Haarkranz um seine Glatze. Auf seiner roten Knollnase trug er eine kleine Nickelbrille und sah genau so aus, wie Ricky sich den Weihnachtsmann immer vorgestellt hatte. Natürlich war Ricarda schon zu alt um an so etwas wie den Weihnachtsmann zu glauben, aber er sah genauso aus wie in den Kindermärchen beschrieben!
„Hallo Herr Ulrich“, grüßte Hanna freundlich und schüttelte dem Mann die Hand. Auch Laura reichte ihm die Hand und Ricky tat es ihr gleich. „Und wer bist du?“, fragte Herr Ulrich sie.
„Ich bin Ricarda, ich bin neu in Mosbach“, erklärte sie höflich. „Soso und du möchtest auch was für dein Pony kaufen?“, fragte er. Ricarda schüttelte den Kopf.
„Sie hat keins“, erklärte Hanna.
„Ach so ist das, aha“, brummelte Herr Ulrich in seinen Bart. „Ich bin mal bei den Halftern“, verabschiedete sich Hanna und machte sich auf den Weg. „Ich hol Leckerlis“, meinte Laura.
„Und Ricarda, was wünscht du dir zu Weihnachten?“, fragte Herr Ulrich sie. Die beiden waren jetzt alleine und Ricarda wusste nicht was sie dazu brachte, aber sie hatte den Drang ihm ihren größten Wunsch zu erzählen.
„So wünsche ich mir nichts“, sagte sie deshalb. „Außer Heaven of Hope. Sie ist eine Haflingerstute und wurde von einem Händler schwer misshandelt. Ich habe sie in eine Höhle versteckt, damit keiner sie findet, aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als sie zu Retten und für immer behalten zu können, ohne dass ich Angst haben muss, dass mein Geheimnis auffliegt“, erklärte sie ihm leise. Dann erzählte sie ihm die Geschichte noch einmal ganz genau. Wie sie die Stute zum ersten Mal sah, wie sie mitbekam das Hope im Wald blutig geschlagen wurde, wie sie nach Mosbach kam, das Laura dachte sie wäre ein Geisterpferd und dass sie sich nicht traute es ihren Freundinnen zu erzählen, aus Angst das Pony zu verlieren.
Herr Ulrich hörte bedächtig zu, nickte oder gab ab und zu ein „oha“, von sich. Dann drehte er sich um und ging hinter den Tresen, durch eine Tür. Nach einer Weile kam er wieder heraus und hielt ein hellblaues Päckchen in der Hand, auf dem viele kleine Wolken zu sehen waren.
„Hier, nimm das und leg es deiner Stute an, sie hat magische Kräfte, die jeden noch so großen Wunsch erfüllen, hat mein Opa damals gesagt als er es mir gab. Vielleicht hilft es dir ja“, sagte er ernst. Ricarda sah ihn in seine Himmelblauen Augen und nahm das Päckchen ungläubig in die Hand. Darin befand sich eine Feder. Sie war blau, mit silbernen Fäden durchzogen und glitzerte im Licht der Lampen. „Die ist wunderschön“, murmelte Ricky. „Bind sie deiner Stute in die Mähne und hoffe darauf, dass der Zauber beginnt“, meinte Herr Ulrich. Ricarda nickte, auch wenn sie nicht daran glaubte und bedankte sich bei ihm. Da kamen endlich Laura und Hanna wieder, mit einem knallroten Halfter und einer 1 kg Kiste voller Leckerlis. „Die sind im halben Jahr alle“, schnaufte Laura und hievte die Kiste auf den Tresen um zu bezahlen. Nachdem alles verstaut war verabschiedeten sich die drei von dem Ladenbesitzer. Herr Ulrich nickte Ricarda noch einmal zu und sah ihr dabei fest in die Augen. Sie nickte zurück und verließ ebenfalls den Laden.

„Mann bin ich satt und so tolle Geschenke, ich fass es nicht“, schwärmte Laura einige Stunden später. Es war Abend geworden in Mosbach und Rickys Freundinnen waren nach dem Essen zu Besuch gekommen. Nun lag Laura auf Ricardas Bett und streichelte ihren vollen Magen, während Hanna im Schneidersitzt auf dem Parkettboden saß. „Aber leider hat Mam mir nur eine normale neue Trense gekauft“, seufzte Hanna leicht enttäuscht. Ricarda schmunzelte. Wenn die wüsste. Aber es war sowieso an der Zeit den beiden ihre Geschenke zu geben, also öffnete sie ihre Schublade und holte zwei lange, schmale Päckchen hervor. „Hier, das ist für euch, von mir zu Weihnachten“, erklärte sie und reichte jedem sein Geschenk. „Wow echt, das ist ja klasse, aber das können wir nicht annehmen, wir haben doch keines für dich“, meinte Laura erfreut, aber zerknirscht. „Ach was, ich brauche kein Geschenk, ihr habt so viel für mich getan und ich so gut wie nichts für euch, das habt ihr euch verdient, nun macht schon auf“, drängelte Ricarda. Hanna seufzte ergeben und öffnete ihr Paket als erstes. „Oh mein Gott ist der schön!“, rief sie aus, als sie den Deckel der Verpackung geöffnet hatte. „Der ist selbstgemacht“, sagte Ricky stolz. Hanna fiel ihr strahlend um den Hals. „Deswegen die normale Trense, ich hab deiner Mam gesagt das ich dir ein basteln werde“, erklärte sie. Laura öffnete nun ebenfalls das Geschenk und war ebenso begeistert. „Das ist wundervoll und so schön lila“, strahlte sie. „Freut mich dass sie euch gefallen, sie werden euren Ponys sicher gut stehen.“ Ricarda lächelte ihre Freundinnen glücklich an, doch in Wirklichkeit war sie gar nicht glücklich. Sie log die beiden an, obwohl sie doch mittlerweile wirklich klasse Freundinnen waren.
Später, als es endlich Nacht war und alle schliefen, schlich Ricarda sich zu Hope, die sie wie immer freudig erwartete. „Hallo mein kleiner Engel, schau mal was ich hier für dich habe“, flüsterte sie und holte die Feder aus dem Päckchen heraus, das sie mitgebracht hatte. Sie flocht der kleinen Stute die Feder in dessen Mähne und band den Zopf mit einem silbernen Gummi zusammen. „Hier ist noch ein Zettel, den soll ich Wahrscheinlich Vorlesen“, murmelte sie dann und entfaltete den vergilbten Zettel, der unter der Feder in der Schachtel gelegen hatte.
„Diese Feder soll dich schützen, dich bei allem schweren stützen. Sie soll dir Kraft geben, für die schwere Zeit, soll vertreiben, dein Kummer und Leid. Soll deiner Hoffnung Flügel verleihen und dich von jeder Angst befreien. Sie soll wenden, die Guten in die Schlechten Tage, so ist es seit Jahrzehnten Sage. Und sprichst du diese Worte hier, ist der Vollmond über dir, so wird am Tage dir doch klar, es werden auch die größten Träume wahr.“ Ehrfürchtig schaute Ricarda von dem vergilbten Zettel auf ihre Stute, die nun ganz ruhig da stand und sie aus sanften Augen ansah. „Dann werden auch die größten Träume wahr“, murmelte sie, ehe sie ihre Stute wieder verließ.


Alles aus?



Am nächsten Tag musste Ricarda grinsen als sie den Stall betrat. Real Silk trug ihre Trense mit dem selbstgebastelten Stirnriemen und auch Chubby wurde gerade die Trense, samt lila Stirnriemen, übergezogen. „Guten Morgen Ricky!“, rief Hanna ihr zu, die gerade ihre Reitkappe aufsetzte. „Guten Morgen“, grüßte diese zurück und betrat Beautyful Blacks Box. Verwundert warf sie einen Blick auf den gesattelten Wallach, ehe sie fragte: „Wer hat Beauty denn gesattelt?“
„Das war ich“, outete sich Laura und trat neben sie. „Stell dir vor, heute Morgen habe ich das Geisterpferd gesehen, die Stute ist in den Wald gelaufen, kurz nachdem sie in meinem Garten stand. Ich habe sofort Hanna angerufen und wir haben dann ausgemacht auf dich zu warten. Ich glaube ich weiß wo wir sie finden, endlich haben wir sie“, freute Laura sich und strahlte über beide Ohren, als hätte sie gerade das Deutsche Springderby gewonnen. Ricarda schluckte schwer. Sie zwang sich zu einem halbherzigen lächeln und hauchte ein „Wow, super“, über die Lippen. Dabei war sie eigentlich nur geschockt. Wieso hatte Hope denn ihr Versteck verlassen? Und wieso brachte die Feder kein Glück? Sie glaubte doch daran, dass sie funktionierte, oder etwa nicht? Plötzlich war Ricarda sich nicht mehr so sicher ob sie an so etwas, wie Magie, glauben konnte. „Los Ricky, nun beeil dich, wir müssen los“, drängelte ihre Freundin und lief zu ihrem Wallach, der brav an seinem Platz wartete. Mit Beinen, schwer wie Blei, zog Ricarda Beauty aus der Box und auf den Hof hinaus. Dort saßen die drei auf und Laura ließ ihren Wallach in einen flotten Schritt vorwärts gehen. „Hope, bitte bring dich in Sicherheit“, flehte Ricky im Stillen, während sie Laura durchs Hoftor folgte. Laura konnte es gar nicht schnell genug gehen, schon nach 5 Minuten Schritt ließ sie ihren Wallach in den Trab fallen. Schnee wirbelte auf, als er durch die Wehen trabte. Ricky betete immer wieder, ihre Stute möge sich verstecken und nicht auf sie zu kommen, falls sie ihr doch begegneten. Laura kannte kein Halten mehr und trabte munter durch den Schnee, ihre Straße entlang, in der sie wohnte. Sie ritten vorbei an ihrem Haus und dann nach rechts in einen Wald. Hier führte ein Pfad immer tiefer in den Wald hinein und Laura folgte ihm. Schon bald waren die drei nur noch von Tannen und glitzerndem Schnee umgeben. Es schien fast wie in einem Märchenwald. Normalerweise hätte Ricarda diese Idylle auch genossen, doch jetzt war sie zu nervös. Was wenn sie Hope doch fanden? „Alles in Ordnung bei dir Ricky, du bist so blass?“, fragte Hanna besorgt und sah ihre Freundin fragend an. Ricarda schüttelte den Kopf. „Mir geht’s gut“, flüsterte sie. Nach einer Weile parierte Laura ihr Pony durch und sah sich suchend um. „Hm, irgendwo hier muss sie sein?“, murmelte sie nachdenklich und stellte sich in die Steigbügel. Doch das einzige was sie sah war Schnee. „Sie scheint nicht hier zu sein, vielleicht hast du dich geirrt, komm lass uns umdrehen“, bat Ricky und wendete Beauty, in der Hoffnung die anderen würden ihr folgen. „Quatsch!“, meinte Laura stattdessen. „Wir sollten nicht so schnell aufgeben, los wir reiten weiter!“ Gequält folgten Hanna und Ricky ihr, während sie ihren Wallach durch das Unterholz lenkte. Der Schnee knirschte und alles war ruhig. Das einzige Geräusch war ein Schnauben, das die Ponys ab und zu von sich gaben. Ricky entspannte sich immer mehr und war sich sicher das ihre kleine Stute nicht hier war, als Laura wieder anhielt und die Hand hob. „Hört ihr das?“, fragte sie. Hanna und Ricky lauschten konzentriert. Das Rauschen der Bäume im Wind, der Atem der Pferde, sowie ihr eigener. Alles schien ruhig, bis auf das leise wiehern eines Pferdes! „Oh Nein“, dachte Ricarda entsetzt. „Also ich höre nichts“, log sie. „Ich schon, wasch dir mal die Ohren, da ist deutlich ein wiehern zu hören“, schmollte Laura. Hanna nickte. „Da muss ich Laura Recht geben, ich kann das wiehern auch hören.“
„Klasse, los lasst uns das mal genauer ansehen!“, rief Laura begeistert und trieb ihren Wallach in den Trab. Mit flotten Schritten folgte sie dem wiehern, das nun immer näher kam. Hanna begann zu grinsen, fast so, als würde sie sich freuen dass sie das Pferd endlich gefunden hatten. Ricarda hingegen kämpfte immer mehr gegen ihre Angst an, die sich in ihrem Körper ausbreitete. „Bitte lass es nicht Hope sein, bitte lass es nicht Hope sein“, schickte sie immer wieder Stoßgebete in den Himmel. Und sie sollte Glück haben, als sie nämlich um die nächste Ecke bogen kam ihnen eine junge Frau auf einem großen, rotbraunen Hannoveraner entgegen. Die Frau hatte rote Haare und war eindeutig Katja Bergmann.
„Oh hallo Katja“, rief Laura und versuchte ihre Enttäuschung zu unterdrücken. Auch Hanna rollte genervt mit den Augen und gab ein leises Stöhnen von sich, während Ricarda erleichtert ausatmete. Doch nicht mehr lange, wie sie schnell erfuhr. „Hallo Mädchen, gut das ich euch treffe. Ich hatte eben einen Anruf bekommen, beim Wildbärfluss soll ein Pferd gesichtet worden sein. Laut Beschreibung klingt es nach einem Haflinger, eine Stute wahrscheinlich. Wäre nicht schlecht wenn ihr hin reiten könntet. Ich muss nämlich noch einiges an Reitunterricht geben heute und habe eigentlich gar keine Zeit.“, erklärte Katja und klopfte ihrem nervösen Hengst den Hals. Lauras Gesicht hellte sich auf und sie nickte. „Klar, machen wir, na kommt Leute, lasst uns losreiten“, letzteres galt ihren Freundinnen die auch schon ihre Pferde wendeten. „Danke Mädchen, Halfter habt ihr ja dabei, dann bis später, viel Glück!“, rief die junge Frau ihnen noch nach, ehe sie ihren Hengst wendete und davon trabte. „Stellt euch das mal vor, das ist doch der Hammer! Jetzt sehen wir endlich das Geisterpferd!“, rief Laura begeistert nach hinten.
„Ja. Also ich muss mich echt Entschuldigen Laura. Ich dachte erst, du hättest irgendwelche Hirngespinste, aber dein Geisterpferd scheint wirklich zu existieren“, sagte Hanna reumütig, während sie neben ihrer Freundin her trabte. Im Galopp ritten die drei Mädchen dann über das Feld, das sie passierten, ehe sie ein weiteres Waldstück erreichten, welches sie im Trab und im Schritt durchkämmten. Nach etwa einer halben Stunde erreichten sie einen kleinen Flusslauf, dem sie nach rechts folgten. Laura pfeifte munter vor sich hin, während Hanna unruhig im Sattel herumrutschte. Ricardas Herz pochte wie ein Presslufthammer, ihre Finger waren schwitzig und in ihr kroch die nackte Angst wieder hoch. „Da!“, schrie Laura plötzlich aufgeregt. Erschrocken zuckte sie zusammen und starrte auf den Fluss, neben dem eine junge Haflingerstute stand und mit den Nüstern im Schnee herumwühlte. „Oh mein Gott, das Geisterpferd“, stieß Hanna ehrfürchtig aus. Laura quietschte vor Freude, so dass die junge Stute erschrocken zusammen fuhr und den Kopf hochriss. Die schmale Blesse auf ihrer Stirn leuchtete im Sonnenlicht. Es war unverkennbar Hope. Alle Hoffnungen, es könnte eine andere Stute sein, verflogen. Ricky unterdrückte ein Schluchzen. Heaven of Hope wieherte ängstlich als Laura auf sie zu ritt. Ihre Augen rollten, so dass das weiße zu sehen war und sie lief panisch rückwärts. Da geschah es. Die Stute rutschte mit der Hinterhand ab und drohte in den Fluss zu stürzen. Die blaue Feder in ihrer Mähne glitzerte im Sonnenlicht als Hope ihren Kopf aufwarf und wieherte. „Hope!“, schrie Ricky und sprang vom Rücken ihres Wallaches. Plötzlich war es ihr egal, dass Laura und Hanna sie erschrocken anstarrten und was weiterhin geschehen würde. Jetzt wollte sie erst mal ihre Stute retten. „Hope meine kleine alles wird gut“, rief sie ihr zu, während sie zu Laura lief um den Führstrick von Chubby zu übernehmen. Mit dem Strick in der Hand lief sie weiter zu ihrer Stute, die immer noch verzweifelt versuchte mit der Hinterhand halt zu finden. Als sie Ricky entdeckte wieherte sie fast schon erleichtert und hörte auf, mit der Hinterhand über den Schnee zu rutschen. Schnell war Ricky bei ihr und klickte den Führstrick in das beige Halfter, dann zog sie die Stute mit aller Kraft nach vorne, so dass die Stute es schaffte mit ihrer Hinterhand halt zu finden. Endlich stand sie neben ihr, zitternd aber wohlbehalten und Ricarda viel ihr Schluchzend um den Hals. Dann streichelte sie Sie und ging zurück zu ihren Freundinnen, die starr und stumm auf sie herabblickten. Ricarda konnte nicht erkennen ob sie sauer, oder enttäuscht waren. Sie war nur froh, dass sie nun kein Geheimnis mehr vor ihnen hatte.

„Ich verstehe dich wirklich nicht, wieso hast du uns nicht erzählt das sie kein Geist ist?!“, fragte Laura irritiert. Die drei waren zurück auf dem Hof. Laura und Hanna hatten auf dem Rückweg kein Wort mit ihr geredet und sie hatte schon Angst gehabt, sie wären sauer auf sie. Doch das waren sie zum Glück nicht. Nun standen die zwei vor der Box der Haflingerstute und forderten das Ricky ihnen Rede und Antwort stand. Ricarda seufzte und strich ihrer Stute über den Hals. „Nun ja, ich hatte eben Angst ihr würdet es den anderen sagen, sie würde dann zurück zu ihrem brutalen Besitzer kommen. Der Typ ist ein Händler und hat ihr diese Wunde zugefügt.“ Mit der Hand fuhr sie vorsichtig über die große Narbe am Hals der Stute. „Das glaubst du doch nicht wirklich, wir würden so etwas nie zu lassen, aber wie wollen wir das Katja erklären? Ich meine, sie muss den Besitzer anrufen, oder wenigstens die Polizei, schließlich ist es weder dein Pferd noch ihres“, meinte Hanna. Ricarda seufzte gequält und strich der kleinen Stute liebevoll über die Blesse. „Ach das weiß ich doch, aber wir können sie doch nicht einfach diesem Tierquäler überlassen, der wird ihr wer weiß was antuen!“ Laura kratzte sich am Kopf und dachte nach. „Hm, also eigentlich müssen wir es Katja sagen, schließlich wird sie es spätestens dann erfahren, wenn sie in den Stall kommt und sie sieht.“, murmelte sie. Just in dem Moment kam die Reitlehrerin in den Stall. Ricarda sog erschrocken die kalte Stallluft ein und stellte sich vor Hope als könnte sie Sie damit beschützen. „Na Mädels, habt ihr das Pferd gefunden?“, fragte Katja und trat lächelnd auf die Mädchen zu. „Hi, nein leider nicht“, gab Laura gepresst zur Antwort. Katjas lächeln verschwand und änderte sich in ein nachdenkliches Stirnrunzeln. „Hm, das ist nicht gut, dann müssen wir es anderen überlassen“, murmelte sie. Sie sah Hope zum Glück immer noch nicht. „Ach, wir…“, Hanna brach ab und suchte nach einer guten Ausrede um Katja endlich aus dem Stall zu bekommen. Natürlich hatte Laura wieder die rettende Idee. „Wir haben nur gesehen dass der Koppelzaun kaputt ist, wir sollten ihn reparieren.“
„Oh je, das ist aber blöd, dann sollten wir das aber schnell ausbessern“, meinte Katja.
„Ja, ich komme und helfe dir“, sagte Hanna schnell und zog Katja mit nach draußen.
„Bring Hope hier weg“, zischte Laura Ricarda zu, ehe auch sie aus dem Stall lief. Ricarda wartete bis sie aus dem Stall war, dann führte sie Hope nach draußen und ließ sie laufen. „Mach’s gut meine kleine und pass auf dich auf, ich werde dich schon wieder finden!“. Erleichtert ging sie wieder in den Stall, schloss die Boxentür und hängte den Strick wieder an Chubby’s Box, wo er hingehörte. Kurz darauf hörte sie Stimmen, die immer näher kamen. „Ich hätte schwören können das war kaputt“, sagte Laura gerade. „Mag sein, aber anscheinend habt ihr euch getäuscht, jedenfalls war es besser trotzdem einmal nach zu sehen.“ Während Hanna und Laura den Stall betraten ging Katja wieder Richtung Haupthaus. „Das war aber knapp, danke Mädels“, seufzte Ricarda. Jetzt war ihre Stute wieder in Sicherheit. Dachte sie Jedenfalls…

Am nächsten Morgen wurde Ricarda von dunklen Wolken begrüßt, als sie aufwachte. Dicke Schneeflocken wirbelten wild durcheinander, so dass man nichts mehr sehen konnte. Ricarda sah nicht mal den Baum vor ihrem Zimmer, der eigentlich so dicht stand. Zusätzlich zu dem schlechten Wetter hatte Ricarda ein ungutes Gefühl im Magen, ihr Kopf fühlte sich schwer und leer an und sie war wie gerädert. Schlurfend machte sie sich auf den Weg ins Badezimmer, wo sie unter die Dusche sprang und das herrlich warme Wasser genoss. Nach der Dusche verwöhnte sie sich ein wenig. Sie schmierte sich mit einer Feuchtigkeitslotion ein und trug ein Peeling auf. Dann fuhr sie durch ihre glatten, dunklen Haare und färbte sich ihren Pony mit grüner Farbe. Ihr Pony bekam immer mal wieder eine andere Farbe, weil es ihr einfach Spaß machte ihn zu färben und er war schon seit Wochen wieder dunkelbraun. Etwas wacher trabte sie die Treppe herunter und betrat die Küche. Dort saß ihre Mutter, schlürfte Kaffee und machte Kreuzworträtsel. Nirgendwo Croissants oder Brötchen, nicht einmal Müsli. „Hast du heute nichts zum Frühstück gegessen, Mam?“, fragte Ricarda irritiert und sah ihre Mutter fragend an. Die schüttelte den Kopf. „Wir haben nichts mehr, ich habe vergessen etwas einzukaufen und die Läden haben wegen der Weihnachtstage geschlossen“, erklärte sie.
„Na der Morgen fängt ja super an“, dachte Ricarda, schnappte sich einen Apfel aus der Obstschale und wollte gerade wieder in ihr Zimmer gehen, als das Telefon klingelte. Kauend hob Ricarda ab. Das Telefon stand genau neben der Treppe. „Ja, Ricarda hier“, rief sie in den Hörer. „Ricky schön dich zu hören, hier ist Katja, ich wollte dich und deine Freundinnen fragen ob ihr mir helfen könnt. Das Pferd wurde wieder gesehen und ich habe es auch wieder gesehen. Es soll in der Nähe eurer Schule sein“, überfiel ihre Reitlehrerin sie auch gleich. „Ähm…ja, natürlich“, stammelte Ricky. Sie begriff im ersten Moment gar nicht was Katja jetzt meinte. „Gut dann kommst du auch in den Stall?“ Das war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Ohne auf eine Antwort zu warten legte sie wieder auf. Ricarda hielt noch eine Weile den tutenden Hörer an ihr Ohr, bis sie endlich begriff was die Reitlehrerin gerade von ihr wollte. Sie sollte sich auf die Suche nach Heaven of Hope machen! Schnell schmiss sie das Telefon in die Ladestation und zog sich in Windeseile an. „Wer war denn das?“, rief ihre Mutter aus der Küche. „Katja, die Reitlehrerin, ich soll zum Stall kommen!“, antwortete Ricarda und war auch schon aus der Tür verschwunden.


Gestohlen



Trotz des heftigen Sturms schien Ricky zu fliegen und erreichte schnell wie noch nie den Mondberghof. Ihre beiden Freundinnen erwarteten sie bereits mit besorgten Gesichtern.
„Was machen wir bloß?“, fragte Hanna auch gleich, als Ricarda bei ihnen stand.
„Ich habe keine Ahnung“, seufzte Laura und kratzte sich wieder am Kopf.
„Wir müssen Hope doch irgendwie beschützen, wir können sie nicht einfach den blöden Dreckskerl überlassen“, meinte Ricarda aufgebracht. Beruhigend strich Hanna ihr über die Schulter. „Ich glaube ich hab eine Idee, aber jetzt müssen wir erst einmal los, na kommt Mädels, wir schaffen das“, sagte Laura nachdenklich und ging in den Stall. Ricarda und Hanna sahen sich an, folgten ihrer Freundin aber Schulterzuckend in den Stall. Sie sattelten in aller Seelenruhe ihre Pferde und führten sie dann aus dem Stall. Auf dem Hof angekommen schien Chubby bei dem Plan mitmachen zu wollen, denn er begann von einer Seite zur anderen zu tänzeln und schnaubte laut. Erst führte Laura ihr Pony in aller Seelenruhe auf dem Hof umher, damit es sich beruhigte, aber als Katja aus dem Haus trat begann sie gespielt mit ihm zu schimpfen.
„Jetzt werd doch endlich ruhig Chubby, so kann doch kein vernünftiger Mensch aufsteigen!“ Von ihrem Fluchen angelockt kam Katja auf die drei zu und hielt Chubby fest während Laura aufstieg.
„Also Mädchen, das Pferd wurde bei eurer Schule gesehen, ich würde dort und in den umliegenden Wäldern suchen und reitet schön langsam und guckt euch genau um“, belehrte sie die Reiterinnen dann noch, ehe sie wieder zurück zum Haus stiefelte. Der Schneesturm ließ langsam nach, also konnten und mussten sie ihre Mission erfüllen. Als Laura los ritt begannen Hanna und Ricky langsam den Plan ihrer cleveren Freundin zu verstehen. Sie wollte so viel Zeit wie möglich verschwenden, damit es dunkel wurde und sie nicht weiter suchen konnten.
„Wir reiten zuerst zur Schule, dann in den Wald und eine große Runde, vielleicht noch ein schöner Galopp übers Feld, je mehr Zeit wir verschwenden, desto besser“, sagte sie dann auch.
Gesagt, getan. Im gemütlichen Schritt knirschten die drei Ponys durch den Schnee, den Berg hoch zur Schule, wo sie eine große Runde um das Gelände drehten, dann in den Wald hinein. Es waren immer noch dicke Wolken am Himmel, aber der Schneesturm hatte nachgelassen und es fusselte nur noch leicht. Ricarda zitterte und zog den Reißverschluss ihrer neuen Jacke noch weiter nach oben. Die hatte sie zu Weihnachten bekommen. Zum Glück war kein Boxenschild dabei gewesen. Nur Reitequipment, wie eine neue Gerte, ein Helm und die dicke und Windfeste Jacke. „Herrlich so ein Ausflug, wenn man von der ernsten Lage absieht“, stellte Hanna fest. Ricarda nickte. „Ja, finde ich auch, wenn dann auch noch die Sonne scheinen würde, wäre es perfekt. Aber Laura, du hast echt immer super Pläne, auf die Idee wäre ich nie gekommen“, meinte Ricky und warf ihrer Freundin einen lobenden Blick zu. „Danke und Chubby hat super mitgespielt, das war das erste Mal das ich froh war, das er immer so zappelig ist“, lachte diese.
Während sie durch den Wald ritten versuchte Ricarda das unangenehme Gefühl in ihrem Magen zu verdrängen. Eigentlich konnte sie sich immer auf ihr Bauchgefühl verlassen, was ja auch seine guten Seiten hatte, aber manchmal, so wie heute, da wollte sie dieses Gefühl einfach nur ignorieren. Natürlich wusste sie nicht warum das Gefühl da war, es könnte auch damit zusammenhängen das vielleicht einer von ihnen vom Pferd fallen würde, oder das eines durchging oder sich Verletzte, was sie natürlich auch nicht hoffte. Aber es war klar, dass dieses Gefühl ihr ein Unheil mitteilte das in kürzerer Zeit auf sie zu rollen würde.
Die drei Freundinnen ritten hintereinander aus dem Wald hinaus, hinauf aufs Feld. Vor ihnen baute sich bald das Alte Schloss auf. Laura hielt mit Chubby an und grinste. „Was meint ihr?“, fragte sie nachdenklich mehr sich selbst. „Wollen wir uns da drinnen mal umschauen?“
Gerade als Hanna mit einem Ja antworten wollte, klingelte Lauras Handy. „Katja“, murmelte sie den anderen zu ehe sie abnahm. Angespannt lauschten Hanna und Ricky dem Gespräch, konnten aber nicht heraushören worum es ging. Als Laura auflegte und Ricarda mitleidig ansah beschlich diese ein sehr ungutes Gefühl, welches sich auch sofort bestätigte. „Wir müssen nicht mehr suchen. Tut mir Leid Ricky, aber Hope ist auf den Hof gebracht worden, eine alte Frau hat sie gefunden und gebracht. Katja hat auch schon die Polizei verständigt, es ist zu spät.“ Hanna legte Ricky beruhigend und tröstend die Hand auf die Schulter, doch Ricky bemerkte es nicht. Sie fühlte sich, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggerissen, ihr wurde Schwindlig vor Angst und ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen. Während die drei zurück zum Hof ritten, schluchzte Ricarda unaufhörlich. Laura schimpfte auf die alte Frau, die Hope zum Stall gebracht hatte und Hanna versuchte nebenbei Ricky zu trösten, was natürlich keine große Wirkung zeigte. Kurz bevor sie den Hof erreichten riss Ricarda sich zusammen und wischte sich über die Augen. Sie konnte ja schlecht zeigen dass sie geweint hatte. Als sie dann endlich auf dem Hof eintrafen standen schon die Polizei und ein Auto mit großem Pferdeanhänger vor dem Stall. „Oh nein, der Typ ist schon da“, stieß Ricarda aus. Tatsächlich trat da der Schrank-Mann mit Hope im Schlepptau aus dem Stall. Die kleine Fuchsstute wieherte wütend und stieg immer wieder. Sie versuchte sich mit aller Kraft zu wehren, doch der Typ war zu stark für die zierliche, schwache Stute. „Scheint ganz schön wild zu sein, ist die denn überhaupt geritten?“ Katja stand neben einem Uniformierten Mann und beobachtete die Szene mit gerunzelter Stirn. Die drei Mädchen stiegen von ihren Pferden und führten sie eilig zum Putzplatz um sie anzubinden. Danach liefen sie zu Katja und den Polizisten rüber. Ricarda zitterte am ganzen Körper, krampfhaft versuchte sie die Tränen zu unterdrücken, die ihr immer wieder in die Augen stiegen. „Hope“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. Hope spitzte die Ohren, als hätte sie Sie gehört und wieherte leise. Wieso half Ricky ihr denn nicht? Wieso wurde sie denn wieder weggebracht?
Nach weiteren Minuten des Kampfes zwischen dem Schrank-Mann und der Stute holte der Polizist seinen Schlagstock und wirbelte damit in der Luft herum, direkt hinter Hopes Kruppe. Erschrocken quietschte Hope, als der Schlagstock sie traf, und donnerte in den Hänger. Zusammen mit Katja verschlossen die beiden Männer den Hänger und lehnten sich dann Schweißgebadet dagegen. Hope tobte verzweifelt und versuchte sich zu befreien. „Zu ihrer Frage“, schnaufte da der Schrank-Mann. „Hornisse ist angeritten, aber mehr auch nicht“, damit stapfte der Mann zu seinem Auto, öffnete die Fahrertür und setzte sich hinein. Mit brummendem Motor fuhr er dann davon. Ricarda blickte ihrer Stute noch kurz nach, dann lief sie in den Stall und rannte die Treppe, die sich neben den Futterkisten befand, hinauf ins Heulager, wo sie sich hinter drei großen Ballen setzte und weinte. Von unten konnte sie das Klappern von Hufen und Stimmengewirr hören, welches zu ihr herauf drang. Kurz darauf kamen Schritte erst die Treppen herauf und dann auf sie zu. Besorgt spitzte Laura um die Ecke auf ihre Freundin, oder besser gesagt, auf ein Häufchen Elend. „Hey Ricky“, flüsterte da Hanna sanft. Sie war neben Laura getreten und kam jetzt auf sie zu. Die beiden Freundinnen setzten sich links und rechts neben Ricky und sahen sie Mitleidig an. „Erst stirbt Dandy und dann wird Hope geschlachtet“, schluchzte sie leise. „Nein, sie wird nicht sterben Ricky, das versprechen wir dir, okay?“, Laura streichelte ihrer Freundin über den Rücken als ihr plötzlich etwas einfiel. „Hast du nicht gesagt deine Stute heißt Heaven of Hope?“, fragte sie. Ricky schüttelte den Kopf. „Ich hatte sie nach der Geschichte in Englisch so genannt.“
„Dann heißt sie ja wirklich Hornisse, ist ja ein doofer Name, für so eine schöne Stute“, meinte Hanna. Ricarda nickte heftig.
Die drei Mädchen saßen noch eine Weile schweigend nebeneinander bis Laura aufstand und sich die Strohhalme von ihrer Hose klopfte. „Na los Ricky, wir bringen dich nach Hause“, meinte sie. Ricky folgte Laura und Hanna die Treppe nach unten in den Stall, wo sie sich noch kurz von Beauty verabschiedete, ehe sie nach Hause ging. Zu Hause angekommen ging es ihr schon etwas besser, trotzdem eilte sie schnell die Treppe nach oben und legte sich ins Bett, wo ihr vor Müdigkeit auch gleich die Augen zu vielen.

Als ihr Wecker für die Schule klingelte, zog sie sich die Decke über den Kopf und wollte weiter schlafen. In den restlichen Ferienwochen hatte sie höchstens eine halbe Stunde im Stall verbracht und war ansonsten zu Hause geblieben. Ihre Mutter hatte davon zum Glück nichts mitbekommen, denn sie kam sowieso erst spät am Abend von der Arbeit nach Hause. Heute, am ersten Schultag allerdings, klopfte sie erst an die Zimmertür. „Ricarda, hast du den Wecker nicht gehört, du musst in die Schule!?“, rief sie. Ricarda murrte nur und kniff die Augen fest zusammen. Sie wollte einfach keinen sehen. Seit Hope nicht mehr da war, hatte sie keinen Grund mehr aufzustehen. Nun öffnete Melanie die Tür und trat in das dunkle Zimmer ihrer Tochter, um diese zu wecken. „Ricky, was ist denn los? Du stehst doch sonst immer sofort auf? Oder bist du krank?“, die besorgte Stimme ihrer Mutter hallte ganz leise an ihrem Ohr. Krank sein, wäre eine gute Idee, deswegen drehte sie sich um und blinzelte ihre Mutter müde an. „Ja, ich habe Bauchschmerzen und mein Hals kratzt“, erklärte sie leise. Melanie legte ihrer Tochter die Hand auf die Stirn. „Fieber hast du nicht, aber wenn es dir nicht gut geht, dann bleib mal lieber zwei –drei Tage zu Hause und Schlaf dich richtig aus, ich rufe derweil in der Schule an und gebe Bescheid.“ Damit verließ sie das Zimmer. Erleichtert kuschelte Ricky sich wieder in ihre Bettdecke und schlief tatsächlich nochmal ein. Plötzlich wurde Ricky vom klingeln ihres Handys aus den Schlaf gerissen. Murrend hob sie den Kopf und warf einen Blick auf ihren Wecker. Er zeigte 15 Uhr an, in der Schule hätte sie jetzt schon lange Schluss. Langsam griff sie nach ihrem Handy und starrte auf das Display. Hanna. „Hallo“, nuschelte Ricky in den Hörer. „Hey Ricky, es ist etwas Unglaubliches passiert, du musst sofort herkommen! Der Typ war nicht Hopes Besitzer! Alles weitere später, aber komm bitte ganz schnell!“, damit hatte Hanna schon wieder aufgelegt. Da es um Hope ging war Ricky plötzlich hellwach, so dass sie sich in Windeseile umzog und nach unten stürmen wollte. Doch da hatte sie die Rechnung nicht mit ihrer Mutter gemacht. Anders als sonst, saß diese nämlich jetzt in der Stube und schlürfte einen Kaffee, als Ricarda nach unten kam. In der Hoffnung ihre Mutter würde sie nicht sehen schlich Ricarda sich zur Haustür. „Moment Ricarda, wo willst du denn bitte jetzt hin? Ich dachte du wärst krank“, Melanie war aufgestanden und lehnte nun mit verschränkten Armen in der Tür. „Hanna hat angerufen, ich soll zum Stall kommen“, erklärte sie. Das war ja auch die Wahrheit. „Aber du bist doch auch zu krank um in die Schule zu gehen, du bleibst zu Hause, zieh dich wieder aus und geh hoch in dein Zimmer.“ Widerwillig schlurfte Ricarda wieder die Treppe nach oben, schnappte sich ihr Handy und setzte sich im Schneidersitz auf ihr Bett. Während sie Hannas Nummer wählte fragte sie sich, wie Hanna das gemeint hatte. Sie hatte Hope doch bei dem bösen Typen zu Hause gesehen, oder waren etwa alle Pferde gestohlen? Es tutete nur dreimal, dann nahm Hanna ab. „Hallo? Ricky wo bleibst du denn? Die Polizei ist hier und will auch mit dir sprechen“, sagte Hanna gleich. „Ich weiß, meine Mutter lässt mich nicht aus dem Haus, könnt ihr nicht herkommen?“
„Ja, warte ich sag dem Polizisten Bescheid.“ Ricarda hörte wie Hanna im Hintergrund mit einer männlichen Stimme sprach, ehe sie sich wieder Ricarda zuwandte. „Okay Ricky, wir kommen jetzt zu dir“, sagte Hanna und legte auf. Seufzend ließ Ricarda sich auf den Rücken fallen und wartete darauf dass es klingelte. Irgendwann musste sie nochmal eingeschlafen sein, denn plötzlich klopfte ihre Mutter an die Tür, wodurch sie wach wurde: „Ricarda, hier ist ein Polizist und eine von deinen Freundinnen, der Polizist würde dich gerne sprechen.“
„Ich komme!“, rief Ricarda und stand auf. Im Bad kämmte sie sich noch einmal schnell durch die Haare, ehe sie die Treppe runter in die Wohnstube stürzte, wo der Polizist mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf der Couch saß. „Könnten sie uns bitte kurz alleine lassen?“, fragte er in Richtung von Hanna und ihrer Mutter, die nickten und die Tür hinter sich schlossen, als sie den Raum verließen. Ricarda setzte sich nervös in ihren Sessel und starrte den Polizisten an. Der Uniformierte hatte kurze, braune Haare, schöne braune Augen und war ziemlich groß und sportlich. „Also Ricarda“,
„Sie dürfen ruhig Ricky sagen.“
„Also Ricky, ich bin Kommissar Bensch und würde dir jetzt gerne ein paar Fragen stellen, deine Freundin hat mir erzählt das du den Mann, der die Stute Hornisse mitgenommen hat, kennst. Ist das wahr?“ Während er fragte hatte er einen Stift und einen kleinen Notizblock aus seiner Tasche geholt. „Ja, das stimmt, ich habe ihn schon in meiner alten Heimat mal gesehen“, erklärte sie. „Aha, okay und deine Freundin hat sich nicht mehr genau an ihn erinnern können, kannst du ihn beschreiben?“
„Ja, also der Kerl ist so circa 2 Meter groß, hat dunkelbraune, fast schwarze Augen, einen Schnurrbart und eine Glatze“, erklärte sie. „Oh, dann hast du ein wirklich gutes Erinnerungsvermögen. Wir würden dich gerne mal zu uns in die Polizeidienststelle holen, damit wir ein Fahndungsfoto erstellen können, wärst du dazu bereit?“ Ricarda nickte. „Gut das wäre dann erst mal alles“, meinte Herr Bensch und wollte aufstehen, als Ricarda etwas einfiel. „Ähm, wäre es Hilfreich wenn ich ihnen sagen könnte wo er die Stute wahrscheinlich hinbringt?“, fragte sie deshalb. „Ja natürlich, weißt du das etwa?“, erstaunt setzte Herr Bensch sich wieder und sah sie an. „Ja, also, um ehrlich zu sein, ich habe Hop…also Hornisse von ihm weggeholt, weil mir die Pferde Leid taten, also das heißt, ich habe sie gestohlen. Er hat sie aber wieder eingefangen und dann ist sie hier wohl noch einmal weggelaufen. Aber was ich sagen wollte, Hornisse stand auf einer Kahlen Wiese, in der Nähe des Alten Schlosses mit ganz vielen anderen Haflingern. Und alle hatten weder Wasser noch Futter. Nur manchmal haben sie verschimmeltes Brot bekommen.“, erzählte Ricarda. Herr Bensch notierte sich alles höchst erfreut auf seinem Notizblock. „Das hilft uns super weiter Ricarda, wirklich toll, dann danke ich dir und du kommst einfach mal, wenn du Zeit hast zu uns, ja?“, damit stand Herr Bensch auf und verließ die Stube. Auch Hanna und Melanie verabschiedeten den jungen Polizisten ehe sie in die Stube stürzten um Ricarda auszufragen, was er sie gefragt hat. Als ihre Mutter sie gespannt und eindringlich ansah seufzte sie schwer. Jetzt musste sie ihrer Mutter wohl oder übel die Wahrheit sagen. Also begann sie ihrer Mutter und Hanna, die ganze Geschichte noch einmal zu erzählen. „Aber Kind wieso hast du denn nie was gesagt?“, fragte ihre Mutter erstaunt. „Naja, ich habe schließlich ein Pferd gestohlen, ich dachte einfach ich würde dich enttäuschen“, murmelte Ricky. Melanie nahm ihre Tochter liebevoll in den Arm. „Ich bin doch nicht enttäuscht weil du ein Pferd gestohlen hast, ich bin stolz das du den Mut hattest das Pferd zu retten. Und im Übrigen, ich hätte sie dir vielleicht kaufen können. Ich wollte dir sowieso ein Pferd schenken.“, erklärte ihre Mutter. Ricarda lächelte ein wenig. Natürlich war sie glücklich darüber dass ihre Mutter ihr Hope gekauft hätte, aber dafür war es jetzt wohl zu spät. Dachte sie jedenfalls.


Suchaktion und Hexenzauber



Einige Wochen später, es würde allmählich Frühling, machte Ricarda sich zum zweiten Mal auf den Weg zur Polizei. Sie war schon einmal dort gewesen um ein Fahndungsfoto zu erstellen. Nun war sie angerufen worden. Dank ihrer Aussage konnte der Pferdedieb gestellt werden. Nun sollte sie den Mann identifizieren. Ricky hatte so etwas durch die Krimis, die ihre Mutter immer anschaute, schon oft gesehen. Aber so etwas nun selber zu machen war doch etwas anderes. Während sie am Bahnsteig auf die S-Bahn wartete, dachte sie darüber nach, was wohl mit den ganzen Pferden passieren würde. Schließlich waren es mindesten 15 Haflinger gewesen, die der Typ gestohlen hatte! Endlich kam der Zug, der sie nach Neckarburken bringen sollte. Sie stieg ein und ging die Stufen nach oben, in die zweite Etage. Hier setzte sie sich auf einen Fensterplatz und beobachtete die Bäume die an ihr vorbeirauschten. Als der Zug die Haltestelle ankündigte stieg sie aus und nahm den Bus. Kurze Zeit später stand sie vor der Polizei Dienstwache Neckarburken und atmete noch einmal tief ein, ehe sie die Treppen des alten Amtsgebäudes hochging, um dann die schwere Glastür aufzudrücken. Drinnen wimmelte es wie in einem Wespenstock. Überall liefen Uniformierte Männer und Frauen herum und gerade auf sie zu befand sich eine Art Tresen. Angespannt ging sie auf die ältere Dame zu, die hinter dem Tresen am Computer saß und sie fragend über ihre Lesebrille hinweg anblinzelte. „Kann ich was für dich tun, Kleine?“, fragte die Dame freundlich. „Ja, ich soll zu Herrn Bensch. Ich muss jemand identifizieren“, erklärte sie. Die Dame nickte und zeigte den schmalen Gang hinunter. „Da musst du lang, dann Rechts und dann kommt Links eine Glastür, da musst du rein.“ Dankend verabschiedete Ricky sich von der Frau und lief den schmalen, weißen Gang entlang. Hier hingen ein paar Auszeichnungen und Bilder. Nachdem sie rechts abgebogen war traf sie auf die große, schwere Glastür, hinter der sie Herrn Bensch an einem Schreibtisch sitzen sah. Vorsichtig klopfte sie an die Tür. Bensch blickte auf und winkte das junge Mädchen durch. „Guten Tag Ricky, schön dass du gekommen bist, ich bringe dich gleich zum Identifizieren. Komm mit.“ Kommissar Bensch stand auf und führte sie durch eine dicke Stahltür in einen kleine Raum. Rechts befand sich eine große Fensterscheibe, hinter der 6 Männer standen, die sich alle ziemlich ähnlich sahen. Sie alle hielten ein kleines Schild, mit ihrer Nummer vor der Brust. „So, das sind die Verdächtigen, lass dir ruhig Zeit, wir müssen ja sicher gehen dass es auch wirklich der richtige ist“, erklärte Bensch. „Und er kann mich auch wirklich nicht sehen?“, fragte Ricky vorsichtig nach. Ein bisschen mulmig war ihr jetzt nämlich doch. „Nein, überhaupt nicht, niemand von denen kann dich sehen“, versicherte Kommissar Bensch ihr. Seufzend sah Ricky sich alle 6 Männer noch einmal genau an. Alle hatten sie dunkle Haare und fast schwarze Augen, sowie einen Schnurrbart. Ricarda versuchte sich an ein Detail zu erinnern, an dem sie den Typen genau erkennen konnte. Dann viel es ihr wieder ein, der Typ hatte eine durchgehende Augenbraue! „Die Nummer 4 ist es!“, rief sie. Denn die Nummer vier war der einzige, der eine durchgehende Augenbraue hatte. Außerdem war er groß und breit wie ein Schrank, trug eine dunkle Hose und hatte fast schwarze Augen, sowie einen Schnurrbart. Das war er auf alle Fälle! „Super, dann überprüfen wir nur noch die Alibis und dann können wir ihn Fest nehmen.“, meinte Bensch zufrieden. Nun konnte Ricky den Kommissar endlich das Fragen, was ihr schon die ganze Zeit auf der Seele brannte. „Was wird denn aus Hornisse und den anderen Ponys?“, fragte sie. „Nun, die Ponys sind alle wieder bei ihrem Züchter, nur eins fehlte, meinte er.“, sagte Bensch nachdenklich. Ricky zog sich der Magen zusammen. Ihre böse Vorahnung bestätigte sich. „Die kleine Stute, die von Herrn Vogel abgeholt worden war, war nicht unter den Ponys. Er muss sie woanders hingebracht haben“, meinte er leise. Für Ricky brach eine Welt zusammen, die Hoffnung, Hope doch noch kaufen zu können und sie in Sicherheit zu wissen, löste sich in Rauch auf. Starr vor Angst stand Ricarda neben dem Wachmeister und starrte nur ins leere. Räuspernd machte Bensch wieder auf sich aufmerksam. „Du hast uns super weiter geholfen Ricarda, vielen Dank, ich hoffe du kommst gut nach Hause.“, damit schob er Ricky nach draußen.

„Er hat was gesagt!?“ Geschockt ließ Hanna den Arm mit der Bürste sinken. Die drei waren gerade im Stall und Ricky hatte ihnen erzählt, was Herr Bensch ihr berichtet hatte. „Das ist ja schrecklich, nun müssen wir eben doch nochmal nach dem Geisterpferd suchen“, meinte Laura und zwinkerte. „Hm, muss ich, aber ihr müsst mir nicht helfen“, meinte Ricky. „Quatsch, Freunde sind doch da um einander zu helfen, also helfen wir dir auch deine Hope zu finden, los Sattel Beauty, wir fangen gleich heute an!“, meinte Laura und scheuchte sie mit einer Handbewegung in Richtung Beautys Box. Während die drei ihre Ponys sattelten, überlegten sie wo Heaven of Hope sein konnte. „Seit ihr sicher sie ist abgehauen? Sie könnte doch genauso gut beim Abdecker sein.“, murmelte Ricky und schluckte schwer. Für einen Reiter der sein Pferd liebte war das Wort Abdecker, das schlimmste was es gab. „Quatsch. An so was darfst du nicht einmal denken!“, rief Laura entrüstet. Ricky versuchte ein müdes Lächeln. „Egal jetzt Leute, lasst uns los!“, rief Hanna den beiden zu und führte ihre Stute eilig auf den Hof, wo sie auch gleich aufsaß. Schneller als sonst ritten die drei vom Hof und blieben dann wieder stehen. „Sagt mal Leute wo genau sollen wir eigentlich suchen?“, fragte Ricky in die Runde und begann nervös auf ihrer Unterlippe zu kauen. „Hm, wie wär‘s…wo hast du sie nochmal versteckt? In der Höhle?“ Laura sah sie an. „Ja, genau, beim Teich, los lasst uns da als erstes suchen!“, rief Ricarda aufgeregt. Im schnellen Trab ritten die Mädchen die Straßen entlang und erreichten kurz darauf den Teich, auf der kleinen Wiese vor Inas Haus. „Okay, ich geh schnell rein“, meinte Ricky und warf ihren Freundinnen die Zügel zu, ehe sie in die Höhle stürmte. „Hope!“, rief sie leise. Nichts. Kein Schnauben, kein brummeln, kein wiehern, nicht mal ein klackern der Hufe. Sie war nicht hier. „Oh nein“, stieß sie hervor. Hier war Hope also nicht. Am liebsten hätte Ricky jetzt laut geschrien. Wütend schlug sie mit der Faust gegen die Wand und begann wieder zu weinen. „Mist, Mist, Mist!“, rief sie dabei. Als sie aus der Höhle trat sahen ihre Freundinnen sie mitleidig an. „Sie ist nicht hier“, stellte Hanna fest und reichte Ricky ihr Beautys Zügel. „Und jetzt?“, fragte Hanna in die Runde. „Hm“, überlegte Laura. „Sie ist zwar kein Geist, aber vielleicht hat sie sich trotzdem im Geisterschloss versteckt“. „Gute Idee, aber was ist mit Gisela, wir haben sie doch alle drei gesehen“, warf Hanna ein und schauderte. „Geister spuken doch nur nachts und außerdem müssen wir Hope finden!“, sagte Ricarda fest. Sie hatte sich schnell wieder gefangen und wischte sich über die Augen. Also ritten die drei am See vorbei, durch den Wald, den Hügel rauf und dann wieder runter und galoppierten über das Feld bis zum Schloss. „Der Eingang ist hier um der Ecke“, meinte Laura und ritt um das Gebäude herum. Auf der rechten Seite des Schlosses befand sich ein großes Eisentor, das verschlossen war. „Na toll und was nun?“, fragte Hanna. „Das Tor ist zu, wie sollen wir da reinkommen?“
Laura schüttelte den Kopf. „Das Tor ist nicht zu“, sprachs und stieg vom Pferd. „Hier halt mal“, murmelte sie und reichte Hanna Chubby's Zügel. Sie ging zum Tor, drückte die alte Klinke herunter und lehnte ihr ganzes Gewicht dagegen. Doch das Tor blieb verschlossen. Kein Wunder, denn hinter dem Tor war alles gepflastert und aus den Ritzen der Klinkersteine wuchsen Moos und Gräser. Trotzdem kämpfte Laura weiter und schob mit aller Kraft das Tor ein Spalt breit auf. „Du hast es geschafft!“, rief Hanna begeistert als das Eisen über die Steine kratzte. „Naja, noch nicht ganz“, meinte Laura und deutete mit einem Kopfnicken auf den Spalt, der selbst für Ricky und die schlanke Hanna zu schmal war. „Eigentlich brauchst du gar nicht mehr weiterschieben, Laura“, seufzte Ricky. Erschrocken starrten ihre Freundinnen sie an. „Und wieso nicht?“, wollte Laura wissen. „Wie soll Hope denn da reingekommen sein, wenn das Tor die ganze Zeit zu war?“, fragte sie. „Hm, das stimmt, aber vielleicht hat dieser Schrank-Mann sie ja hier eingesperrt, das wäre eine leichte Arbeit für ihn gewesen.“, überlegte Laura laut. „Das stimmt“, rief Ricky und begann ein wenig Hoffnung zu hegen. „Sie hört doch auf deine Stimme, du kannst sie ja rufen, wenn sie wiehert oder kommt, dann wissen wir das sie hier ist“, schlug nun Hanna vor. Ricky nickte und holte tief Luft. Ihr hatte es wahrscheinlich noch nie so viel bedeutet ein Pferd zu rufen wie jetzt. „Hope“, rief sie. Nichts. Kein wiehern, kein Hufgetrappel, gar nichts. „Hope!“, rief Ricky lauter. Wieder nichts. „Hope!“ Ihr ruf hallte über das ganze Feld. Doch Hope antwortete nicht. Seufzend senkte sie den Kopf und drehte Beauty herum. „Sie ist nicht hier, lasst uns gehen.“ Niedergeschlagen machten sich die Mädchen auf den Rückweg. „Wir werden sie finden, das Verspreche ich dir, wir haben sie schließlich schon einmal gefunden“, versuchte Laura sie aufzumuntern. „Das stimmt wohl“, seufzte Ricky und fuhr Beauty über die Mähne. „Wir könnten beim Fluss noch einmal suchen, da wo wir sie letztes mal gefunden haben“, schlug Hanna vor. Ricky schüttelte den Kopf. „Lasst uns aufhören, wir können auch Morgen weiter suchen, ich möchte jetzt gern nach Hause.“

Mit Tränen in den Augen starrte Ricky auf das Poster an ihrer Wand. Es zeigte einen Haflinger mit schmaler Blesse der über eine Wiese jagte. Es war jetzt eine Woche her, seit sie das letzte mal nach Hope gesucht hatten. Der Schnee war weggetaut und die ersten Knospen blühten an den Bäumen. „Ach Hope, wenn ich dich nur irgendwie finden könnte, aber wahrscheinlich hat er dich zum Abdecker gebracht.“, ihre Stimme zitterte als sie sprach. Da klingelte ihr Handy. Gequält drehte sie sich um und zog das Handy vom Schlaftisch. Hanna. „Hallo?“, brummte sie in den Hörer. „Hey Ricky, wie geht’s?“, fragte Hanna vorsichtig. „Beschissen“, erklärte Ricky knapp. „Hm, hast du trotzdem Lust auf einen kleinen Ausritt? Laura und ich sollen Flyer für das Frühlingsfest verteilen.“ Ricky überlegte. Eigentlich hatte sie keine Lust, aber sie wollte auch nicht den ganzen Tag im Haus verbringen. Schließlich war es ein schöner Tag. „Okay“, stimmte sie also zu und verabschiedete sich von Hanna. Dann zog sie sich an und verließ das Haus. Mit dem Rad fuhr sie über den grauen Asphalt und ließ ihr Rad in den Feldweg rollen. Holpernd kam sie durch den Wald, auf den Hof zu und bremste. „Hey Leute“, rief sie als sie ihr Rad im Ständer parkte. Hanna und Laura standen neben ihren Ponys am Putzplatz. Beautyful Black war ebenfalls angebunden. „Hey Ricky, schön das du da bist!“, rief Laura erfreut und lief auf sie zu, um sie zu umarmen. „Ja, ist auch nett mal wieder draußen zu sein“, meinte Ricky und brachte ein schiefes Lächeln zustande. Nachdem sie ihre Pferde geputzt und gesattelt hatten, stiegen sie auf und ritten durch das Hoftor. „Was ist das eigentlich für ein Frühlingsfest?“, wollte Ricky nun wissen. „Ach so, stimmt. Du weißt es ja noch gar nicht!“, rief Laura. „Also, das Frühlingsfest veranstalten wir jedes Jahr im Stall, es ist so eine Art Tradition. Da gibt es Würstchenstände und ein Lagerfeuer am Abend. Die Reitschüler von Katja zeigen dann was sie gelernt haben, oder führen eine Quadrille vor. Danach gibt es Reiterspiele bei denen man immer im Dreierteam startet, aber da können wir zwei nie mit machen...“, sie hielt inne und legte die Stirn in Falten. „Moment mal! Hanna, wir können dieses Jahr beim Frühlingsrennen mitmachen!“, rief sie begeistert nach vorn. „Bitte wie?“, fragten Hanna und Ricky gleichzeitig. „Na jetzt sind wir zu dritt. Ricky ist die Dritte im Bunde! Komm schon Ricky, das wird lustig!“ Ricky guckte skeptisch und kratzte sich am Kopf. „Mein ihr?“, sie war nicht ganz sicher ob sie bei so etwas mitmachen wollte. „Klar! Du kannst doch super reiten und außerdem träumen Hanna und ich schon seit Jahren davon.“, flehentlich starrte Laura sie über die Schulter an. Ihre braunen Augen glitzerten aufgeregt. „Na okay“, grinste Ricky. „Jaah!“, kreischte Laura und Chubby spielte erstaunt mit den Ohren. „Cool, wir werden das beste Team überhaupt, wir werden gewinnen!“, rief Laura feierlich und drehte sich wieder nach vorne. Sie hatte sich die ganze Zeit zu Ricky gedreht gehabt, während sie geritten waren. Grinsend streckte Ricky sich kurz und schlang dann während des Reitens die Arme um Beautys Hals. „Mit dir werden wir gewinnen“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Beauty brummelte, als wollte er ihr zustimmen.

„So, hier ist das letzte Haus“, murmelte Hanna. Sie waren vor einem kleinen, windschiefen Haus angekommen, das sich hinter ihrer Schule versteckt befand. Im Vorgarten blühten ein paar kleine Apfelbäume und der Rasen stand ziemlich hoch. „Wohnt hier überhaupt jemand?“, fragte Ricky und zweifelte sehr daran. „Ja, so eine alte Frau, glaub ich.“, meinte Hanna und reichte ihr den letzten Flyer. Ricky öffnete den Gartenzaun, der dabei knarzte und schlich dann über den verwachsenen Weg zu dem Häuschen herüber. Dort gab es keine Klingel, nur einen Türklopfer in Form eines Rabenkopfes. Ricky klopfte zweimal, dreimal, dann trat sie einen Schritt zurück. Ihr lief ein Schauer über den Rücken als sich die Tür mit einem knarzen öffnete. Aus dem Schatten der Tür trat eine kleine, geduckte Frau heraus. Sie hatte ein grünes Kopftuch auf, unter dem graue Haare hervorquollen. Ihre Augen sahen seltsam aus. Zweifarbig! Eines war dunkelbraun, das andere honigbraun. „Was kann ich für dich tun Mädchen?“, fragte die alte Frau mit leiser Stimme und schien Ricky eingehend zu mustern. Ricky schluckte. Sie wusste nicht was sie sagen sollte. Die Frau lächelte und es kam nur zwei Eckzähne unten zum Vorschein. „Sei nicht so schüchtern“, meinte die alte. „A...also ich wollte ihnen einen F...Flyer geben. Für unser Stallfest, also, ein Frühlingsfest.“, stotterte Ricky mit krächzender Stimme. „Oh, wie schön“, meinte die alte und zog Ricky das Heftchen aus der Hand. Dann griff sie nach Rickys Hand. Erschrocken versuchte diese sie zurückzuziehen doch die alte hielt sie fest und fuhr mit knochigen Finger über die Handinnenfläche. „Du suchst etwas Mädchen.“, sagte sie dann noch leiser als vorher. „Du hast die Hoffnung aufgegeben. Aber du wirst finden was du suchst, Mädchen. Glaub nur Fest an den Zauber, dann wird sich alles zum Guten Wenden.“, ihre Stimme war kaum mehr ein flüstern und Ricky hatte mühe die alte zu verstehen. Plötzlich ließ die alte Ricky Hand los, als wäre sie eine heiße Kartoffel und starrte sie an. „Mach es gut Mädchen!“, rief sie und verschwand im inneren des Hauses. Ricky blieb wie angewachsen stehen und starrte auf die alte Holztür, an der die Farbe bereits abblätterte. „Ricky!“, rief da eine Mädchenstimme. Ricky erwachte aus ihrer starre und lief zurück zu den andern beiden. „Was war denn los?“, fragte Hanna erstaunt. „Ach, nichts“, murmelte Ricky und trieb Beauty an. Hanna und Laura warfen sich fragende Blicke zu, zuckten mit den Schultern und ritten hinter Ricky zurück zum Hof.


Pferdegeschichten



Es war Montag. Ricky saß in der Schule und stützte den Kopf auf ihre Hände. Draußen regnete es in Strömen, dicke schwarze Wolken türmten sich im Himmel und der Wind schob sie über das ganze Land. Seufzend begann Ricky ein Bild von Hope zu zeichnen. Ihre weiße Mähne, den weiße Schweif, die Blesse, dann ihre dunklen Augen. Als Ricky fertig war betrachtete sie zufrieden ihr Werk. Hanna, die neben ihr saß, schielte zu ihr herüber und riss die Augen auf. „Wow, hast du das gezeichnet?“, fragte sie erstaunt. Ricky sah sie an und nickte. „Gerade eben“, fügte sie hinzu. „Kannst du Silk auch mal zeichnen? Das ist ja Wahnsinn, Laura sieh mal“. Hanna nahm Ricky das Blatt weg und hielt es hoch, damit Laura es sehen konnte. „Wow, kannst du mir Chubby auch mal zeichnen?“, fragte Laura begeistert und betrachtete die schwarzweiß Zeichnung von Hope eingehend. „Kann ich machen“, meinte Ricky zustimmend und senkte den Kopf, damit niemand sah wie rot sie wurde. Zum Glück betrat gerade Herr Lahm den Raum. Ricky hatte Herr Lahm vom ersten Tag an gehasst. Er war Mathelehrer und dazu noch der strengste und fieseste den Ricky kannte. Ricky stieß ein seufzend aus, das fast wie ein weinen klang, als Herr Lahm 19 weiße Blätter aus seiner Aktentasche holte. „So, schlagt bitte eure Hefte zu und packte alles, außer die Federtasche weg, wir schreiben heute eine Kurzkontrolle“, mit strengem Blick beobachtete er wie die Schüler ihre Sachen unter den Tisch in die Ablage, die darunter angebaut war schoben. Dann verteilte er grinsend die Arbeiten. Als er bei Ricky ankam meinte er: „Die Arbeit ist wirklich leicht“, und legte das Blatt ganz langsam vor Rickys Nase. Jedenfalls kam es ihr so vor. Als sie die vielen Zahlen sah stöhnte sie. Mathe war ihr absolutes Hassfach. Während sie versuchte wenigstens die ersten 4 Aufgaben zu lösen war Hanna schon fertig. Hanna war, neben den beiden Strebern Sarah und Maria, eine wahres Matheass. Schnell warf sie ein Blick auf Rickys aufgaben. „Uh“, stieß sie leise aus und warf einen Blick nach vorne. Sie grinste und hielt sich die Hand vor den Mund während sie Ricky ihr Blatt hin schob. Dabei musste sie ein kichern unterdrücken. „Was ist daran so lustig das ich so dumm bin“, zischte Ricky ihr zu. „Dich mein ich doch gar nicht, guck doch mal nach vorne“, flüsterte sie. Ricky schrieb noch schnell die Aufgaben ab und schob ihrer Freundin das Blatt wieder zurück, dann schielte sie nach vorne. Ihr Mathelehrer, klein, rund mit einem Doppelkinn, einer kleinen Nickelbrille auf der Nase und mit einer Halbglatze, saß nach hinten gelehnt am Lehrerpult und schnarchte mit offenem Mund. Ricky begann zu kichern, dann stieß sie Laura an, die bei dem Anblick auch lachen musste. Bald darauf brach die ganze Klasse in schallendes Gelächter aus, so dass der Lehrer aufwachte. Er gab einen Grunzlaut von sich und setzte sich gerade hin. Irritiert guckte er sich in der Klasse um und warf einen Blick auf die Uhr. „So Kinder, die Zeit ist um, vergesst nicht den Namen und das Datum auf die Blätter zu schreiben“, brummelte er und stand auf, als wäre nichts gewesen.

„Das war zu komisch“, lachte Laura und zog ihre Kapuze noch ein wenig in die Stirn. Sie saßen auf der nassen Mauer, im Regen und lachten immer noch über den schlafenden Mathelehrer. Ricky grinste nicht mal mehr. Sie hatte durch das Wetter wieder schlechte Laune bekommen. Es erinnerte sie an all die Tränen, die sie wegen Hope schon vergossen hatte. Aus Angst, sie wäre tot, dann aus Angst sie zu verlieren und jetzt wieder aus Angst, sie wäre tot. „Du Ricky, wir wollten dich noch was fragen“, sagte da mit einem mal Hanna neben ihr. „Was?“, erschrocken starrte sie Hanna an. Hanna klang so ernst. „Wir wissen wie schwer es für dich ist, jetzt so mit Hope, aber, wir dachten vielleicht möchtest du trotzdem ein eigenes Pony. Vielleicht würdest du dann schneller über sie hinweg kommen, naja und da wollten wir dich Fragen, ob du Lust hast mit uns auf den Neckarburkener Pferdemarkt zu gehen“. Hanna spielte nervös an dem Gummiband von ihrer Kapuze. Es war ihr sichtlich schwer gefallen, ihr diese Frage zu stellen. „Hm, aber ein Pony vom Pferdemarkt? Ist das nicht zu Riskant?“, fragte sie und runzelte die Stirn. „Chubby ist auch vom Pferdemarkt!“, rief Laura aus. Erstaunt sah Ricky sie an. Sie war so mit sich selbst beschäftigt gewesen, das sie nie gefragt hatte, wo Silk und Chubby überhaupt herkamen. Umso erstaunter war Ricky das Chubby vom Pferdemarkt kam, wo man doch sogar seine Rasse wusste. „Ehrlich? Silk auch?“, fragte sie daher. Jetzt wollte sie alles wissen. Hanna schüttelte den Kopf. „Ich hab sie von einem Gestüt. Damals wollte ich eigentlich ein Pony, das ich gleich reiten konnte. Wo ich im Prinzip nur aufstieg und losritt. Da war ich 8. Dann hab ich Silk gesehen. Sie stand mit ihrer Mutter auf der Koppel und hatte sich die ganze Zeit schüchtern hinter ihr versteckt. Aber gerade das hat mich dazu gebracht sie kaufen zu wollen.“, erzählte Hanna und grinste selig. „Hast du sie denn selber eingeritten?“, fragte Ricky erstaunt. „Nein, nicht ganz, wir haben sie drei Jahre auf dem Gestüt gelassen und ich habe sie immer wieder besucht, wo sie dann drei wurde haben wir sie an den Sattel gewöhnt und ich durfte dann immer nach der Ausbilderin aufsteigen und sie reiten“, sagte Hanna voller stolz. „Und wo sie eingeritten war, hat Hanna sie zum Stall gebracht und ich wollte auch eins“, meinte Laura lachend. Dann erzählte sie wie sie zu Chubby kam. Das sie spontan mit Hanna auf dem Pferdemarkt gewesen war und das sie nur 300¤ mit hatten. Dann hatten sie Chubby entdeckt. Er hatte stumpfes Fell und war total abgemagert. „Er war abgemagert!?“, rief Ricky erstaunt dazwischen und Laura musste lachen. „Ja ernsthaft, er war irre dünn, ich konnte mir nicht mal erklären warum er Chubby hieß. Jedenfalls wollte ich ihn Freikaufen. Und stell dir vor, die 300¤ haben gereicht! Aber wie du jetzt siehst, er ist ein Toppony“, sagte Laura voller stolz. Ricky grinste und nickte. Das stimmte. Außer das Chubby gerne rum hampelte und ziemlich dick war, war er ein super Pony. „Ich denke ich komme mit, vielleicht finde ich ja auch ein Pony dort“, murmelte Ricky und lächelte ihre Freundinnen an.

Nach dem Unterricht fuhren die drei wieder zum Stall. Nik war gerade mit seinem Vater dabei ein großes Zelt neben der Halle aufzubauen. Direkt auf ihren Reitweg! „Hi Jungs“, riefen die drei gleichzeitig. „Na Mädchen, wollt ihr uns helfen?“, fragte John Bergmann und hämmerte Heringe in den Boden um das Gerüst zu befestigen. „Ähm, naja eigentlich, wir wollten einen Ausritt machen“, erklärte Laura hastig und lief schon in den Stall. „Na wenn das so ist“, meinte John und lachte. Schnell waren die Ponys gesattelt und es konnte losgehen. „Was meint ihr, ob viele zu dem Fest kommen werden?“, fragte Hanna. „Bestimmt, es kommen doch jedes Jahr immer mehr, dieses mal sind es bestimmt über hundert oder so“, meinte Laura zuversichtlich. „Nik meinte, das sich schon viele Teams angemeldet haben. Das Best-Horse Team ist auch wieder dabei“, erzählte Hanna und stöhnte. Sie schlugen den Weg zum See ein und ließen die Ponys antraben. „Wer ist denn das?“, wollte Ricky von hinten wissen und duckte sich unter ein paar tief hängende Äste hindurch. „Das sind drei Mädels aus dem Reitstall in Schwarzach. Total blöde Tussis. Nicht zu gebrauchen. Leider gewinnen sie jedes Jahr“, erklärte Hanna und knirschte mit den Zähnen. „Stimmt, jedes Jahr außer dieses. Da gewinnen wir!“, rief Laura. Die drei lachten und parierten ihre Ponys zum Schritt durch als sie den See erreichten. Die Sonne spiegelte sich im Wasser und kleine Wellen schwappten ans Ufer. Irgendwo flatterte ein Vogel durch die Äste und der laue Wind rauschte durch die Blätter der Tannen und der Trauerweide. Während die Mädchen ihre Ponys grasen ließen, setzten sie sich ans Ufer und beobachteten die Seerosenblätter, die auf dem See trieben. Plötzlich spürte Ricky etwas weiches an ihren Hals, kurz darauf steckte Beauty seine Nase in das kalte Wasser und trank. Ricky betrachtete das schwarze Pony und lächelte. „Meint ihr ich könnte auch Beauty kaufen, wenn ich auf dem Pferdemarkt kein Pony finde?“, fragte sie ohne den Blick von dem Reitpony abzuwenden. „Bestimmt. Du kommst super mit ihm klar und er mag dich, John hätte sicher nichts dagegen“, meinte Hanna. „Das wäre schön, nicht wahr Beauty?“, fragte Ricky sanft und vergaß für einen kurzen Moment die kleine Haflingerstute. „Aber Hope ist sowieso tot“ dachte Ricky traurig und rupft ein Büschel Gras aus der Erde.

Nach dem Ausritt putzte Ricky den Wallach nur schnell über ehe sie zur Sattelkammer lief und hektisch ihren Turnbeutel schnappte, der neben Beautys Spinnt lag. „Heute ist Volleyball“, erklärte sie Laura die ihr einen Irritierten Blick zu warf. „Ach stimmt“, nickte diese und wendete sich wieder ihrem Sattel zu, den sie gerade in den Händen hielt. Hektisch lief Ricky nach draußen und schloss ihr Fahrrad auf, ehe sie davon sauste. Während sie durch den Feldweg fuhr, wurde sie das Gefühl nicht los beobachtet zu werden. Ihr Herz pochte wild, als sie auf das Feld blickte und eine Gestalt ausmachte, die am Waldrand stand und sie anscheinend tatsächlich beobachtete. Ricky kniff die Augen zusammen und hielt an. Es war ein Mann, soviel konnte sie erkenne. Groß und Breit wie ein Schrank. „Der Schrank-Typ?!“, schoss es ihr durch den Kopf. Doch dann schüttelte sie den Kopf. „Der ist doch verhaftet worden, mach dich nicht verrückt Ricarda“, tadelte sie sich selber und fuhr zur Schule, wo bereits einige Schüler ihre Rad geparkt hatten. „Hoffentlich haben sie nicht schon angefangen“, dachte Ricky erschrocken und lief schnell durch die große Eingangstür der Schule. Zum Glück waren die anderen Schüler noch dabei sich umzuziehen und nicht schon in der Halle. Schnell warf Ricky ihre Sporttasche in eine freie Ecke und zog sich ihre Jacke aus. „Na, hast du wieder dein geschmackloses T-Shirt an?“, fragte eine schrille Stimme hinter ihr. Erschrocken drehte Ricky sich um und starrte in zwei eisblaue Augen. Ina spielte auch Volleyball. Leider. „Das kann dir doch egal sein“, fauchte Ricarda und zerrte das grüne T-Shirt aus ihrem Beutel. „Ist es aber nicht, ich hab keine Lust dieses Kotzgrün die ganze Zeit vor Augen zu haben“, giftete Ina. „Das ist nicht mein Problem“, brummte Ricky und drückte die Tür zur Turnhalle auf. „Du bist einfach nur lästig Ricarda Reier“, rief Ina ihr hinterher und kicherte, weil sie ihren Witz anscheinend selber schrecklich lustig fand. Genervt rollte Ricky mit den Augen und begann einige Runden zum aufwärmen zu laufen.

Schwitzend und glücklich verließ sie zwei Stunden später das Gebäude. Sie hatte ein hartes Training hinter sich und war froh dass sie den Berg nur noch herunter fahren musste und nicht mehr rauf. Ihre Beine brannten und ihre Arme fühlten sich an wie Wackelpudding. Frau Sprint hatte heute statt eines Spiels, ein Aufbautraining mit ihren Schülern gemacht. Liegestütze, Radschlagen, Ausdauerlauf, sie hatte einfach an alles gedacht. Ricky schnappte sich schnell ihr Rad und ließ es den Berg herunter rollen. Danach bog sie in ihre Straße ab und hielt vor dem ersten Haus an. Hier wohnte sie. Ricky schob ihr Rad zum kleinen Apfelbaum herüber, der in ihrem Vorgarten stand und schloss es an die Stahlkette an, die um den Baum gewickelt war, dann zog sie ihren Schlüssel aus der Tasche und schloss die Haustür auf. „Mam, ich bin zu Hause!“, rief sie und zog sich ihre Schuhe aus. „Gut, das essen ist schon fertig“, rief ihre Mutter aus der Küche. Nach dem Abendessen lief Ricky nach oben und ließ sich Badewasser in die Wanne ein. Im ersten Moment erschrak sie, als sie sich in die Wanne legte, weil das Wasser so heiß war, dann legte sie sich aber entspannt zurück und genoss das warme Bad. Als sie ins Bett ging warf sie seufzend einen Blick auf ein kleines Bild, das neben ihrem Bett mit Klebestreifen an der Wand befestigt war. Es zeigte sie und Beauty, wie sie gerade über die Wiese vor dem Schloss jagten. Ricky hatte es von Hanna bekommen. „Vielleicht wirst du ja wirklich mein Pony“, flüsterte sie dem Beauty auf ihrem Bild zu und kuschelte sich in ihre warme Decke. Als sie einschlief fiel sie in einen schrecklichen Traum.
Sie stand mit Hanna und Laura auf einem großen Platz. Überall waren Pferde in Ständern angebunden oder wurden geführt. Sie standen auf wenigen Büscheln Heu und hatten kein Wasser. Da war Hope. Sie wieherte laut und stieg. Der Schrank-Mann zog an einem Seil, das an ihrem Halfter befestigt war. Er versuchte sie in einen Transporter zu ziehen, auf dessen Seite Schlachterei Ritz stand. Wieder stieg Hope und striff mit ihrem Huf den Arm des Schrank-Mannes. Er zog etwas hervor was in der Sonne aufblitzte. Gezielt sauste das Taschenmesser auf Hopes Gesicht herunter.
„Waah!“ Ricky fuhr erschrocken hoch. Sie war durch ihren eigenen Schrei wach geworden. Erleichtert stellte sie fest das es nur ein Traum war. „Wann hören diese Träume endlich auf“, dachte sie verzweifelt und ließ sich zurück ins Kissen fallen. „Sie werden immer schlimmer“, murmelte sie. Jedes mal fügte sich ein Detail hinzu. Diesmal der Transporter und das deutliche Taschenmesser. Verzweifelt kniff Ricky die Augen zu und ließ den Tränen, die ihr in die Augen stiegen, freien Lauf.


Das Frühlingsfest und eine Horrornachricht



Als Ricky einige Tage später die Augen aufschlug zwitscherten draußen die Vögel und die Sonnenstrahlen schummelten sich durch die kleinen Ritzen zwischen Jalousie und Wand. Gemütlich streckte sie sich und warf einen Blick auf die Uhr. Ihr Wecker zeigte ihr kurz nach Acht an und so schwang sie gut gelaunt ihre Beine aus dem Bett. Pfeifend zog sie die Jalousie hoch und blinzelte in den strahlend blauen Himmel. „Super Wetter für unser Frühlingsfest“, dachte sie begeistert und tapste munter über den Parkettfußboden ihres Zimmers. Schnell machte sie sich im Bad zurecht und hüpfte dann die Treppe runter, in die Küche, wo es bereits herrlich nach Spiegelei duftete. „Guten Morgen Mam“, rief Ricky und setzte sich an den kleinen Tisch neben der Wand. „Guten Morgen, ich dachte mir heute brauchst du mal eine richtige Stärkung“, begrüßte Melanie sie und schob ihr einen Teller mit Spiegeleiern zu. „Klar! Das kann ich super gebrauchen, heute ist unser Reiter-Rallye!“, nickte Ricky dankbar und verschlang genüsslich das Ei. „Da bin ich aber gespannt. Und Morgen ist ja schon der Pferdemarkt nicht wahr?“, fragte ihre Mutter und lächelte ihrer Tochter zu. „Ja, vielleicht finde ich da ja ein Pony“, schmatzte Ricky mit vollem Mund.
Nach dem Frühstück fuhr sie zum Stall um sich mit ihren Freundinnen auf das Rennen vorzubereiten. Hanna und Laura waren bereits da, denn ihre Ponys waren in der Stallgasse angebunden. Auf dem ganzen Gelände herrschte ein Trubel, wie bei einem großen Springturnier. Ricky liebte diesen Trubel. Überall sah man neue Leute und neue Pferde. „Hey ihr zwei“, rief Ricky in die Sattelkammer wo Hanna und Laura gerade ihre Sattelzeug heraus holten. „Hey Ricky, Beauty wartet schon auf dich, genau wie wir!“, rief Hanna und joggte dann mit dem Sattel auf dem Arm und der Trense um die Schulter gehängt auf Silk zu. Schnell schnappte auch Ricky sich das nötigste und schlüpfte dann mit den ganzen Sachen in die Box des Rappwallach. Dort blieb sie stehen und hielt erschrocken den Atem an. „Oh Beauty, Nein! Das darf doch nicht wahr sein!“, rief sie aus. „Was ist denn?“, alarmiert kam Laura auf sie zu und betrachtete ebenfalls geschockt das dicke Bein, das Beauty schonte. Beauty sah die beiden Mädchen unglücklich an, als würde er sich entschuldigen wollen. „Schon gut Beauty, du kannst ja nichts dafür“, murmelte Ricky und streichelt dem Wallach die schwarze Stirn. „Hm, da ist blöd“, murmelte nun auch Hanna hinter ihr. Sie hatte natürlich mitbekommen, das etwas nicht stimmte. „Na Mädchen, was ist los?“, erklang da Herr Bergmanns Stimme hinter den dreien. „Es ist Beauty, er hat ein dickes Bein“, erklärte Laura. „Wir müssen es erst mal kühlen, schade, jetzt können wir doch nicht am Wettbewerb teilnehmen“, murmelte Hanna leise. In ihrer Stimme schwang Enttäuschung mit. „Ach was Mädchen, klar macht ihr da mit. Ricky, du nimmst Nino und sattelst ihn schnell, es geht gleich los. Und ich kühle so lange Beautys Bein“, bestimmte John und schubste die Mädchen sanft aus Beautys Box. „O...Okay.“ Hektisch holte Ricky Ninos Sachen und quetschte sich in seine Box. Als der hübsche Haflinger sie ansah versetzte es ihr einen Stich, aber sie versuchte das zu verdrängen. Er sah Hope schließlich nicht richtig ähnlich. Er hatte eine Blesse, die zweimal Unterbrochen war und außerdem war er heller und größer. „Okay Nino, wir werden das schon Packen, was meinst du?“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Nachdem die drei ihre Ponys fertig gesattelt hatten, saßen sie auf und ritten zum Springplatz, wo der Wettbewerb begann. Es waren 5 Dreier-Teams, aus unterschiedlichen Ställen und Orten angereist. Es waren sogar welche aus München dabei. „Ach du Schande, seit wann machen denn Stallmädchen bei so einem Wettbewerb mit?“, die durchdringende Stimme klingelte in Rickys Ohr. Erstaunt drehte sie sich um und starrte ungläubig die drei Mädchen an, die vor ihr standen. Sie sahen alle haargenau gleich aus. Sie hatten alle das gleiche, blonde Haar, die gleichen Klamotten an und sogar die drei Schwarzbraunen Ponys, auf denen sie saßen, sahen sich ähnlich. Nur das eines Eine breite Blesse hatte, das andere eine schmale und das dritte eine Unterbrochene. Dann erkannte sie endlich auch Unterschiede bei den Mädchen. „Könnt ihr nicht reden, oder hat es euch vor Ehrfurcht die Sprache verschlagen?“, fragte das Mädchen, das auf dem Pony mit der schmalen, durchgehenden Blesse saß. Sie hatte grüne Augen. Das Mädchen rechts neben ihr, das auf dem Pony mit der Unterbrochenen Blesse saß, hatte gelbe und das linke hatte graue Augen. „Ganz sicher nicht, wir werden euch fertig machen!“, sagte Laura fest und reckte das Kinn in die Höhe. Grünauge, wie Ricky sie in Gedanken nannte, kicherte überheblich. „Ja na klar. Mit den Ponys? Deines ist ja nur ein Fass auf vier Beinen“, stichelte nun Gelbauge. Die anderen beiden kicherten hysterisch. Dann drehten sie ihre Ponys um und ritten davon. „Das war das Best-Horse Team“, mutmaßte Ricky und sah ihre Freundinnen an. „Ja, das waren sie“, seufzte Hanna und Laura ballte die Fäuste um ihre Zügel. „Wenn die Chubby noch einmal als Fass bezeichnen, dann...“
„Hey“, Hanna legte beschwichtigend eine Hand auf Lauras Schulter. „Wir werden es denen schon Zeigen, vor allem mit Ricky“, fügte sie hinzu und zwinkerte Ricky zu. Ricky zwinkerte zurück, dann wandte sie sich Katja zu, die in der Mitte des Platzes stand und in die Hände klatschte. „Willkommen zum 6. Frühlingsfest von Reiterhof Mondberg“, verkündete sie laut und lächelte den Teilnehmern zu. „Ersteinmal möchte ich mich bei ihnen bedanken, das sie so zahlreich erschienen sind. Nun wollen wir, wie jedes Jahr, das Fest mit unserer Schnitzeljagd beginnen. Das Team, das die meisten Dinge auf unserer Liste gesammelt hat, gewinnt einen Gutschein im Wert von 120¤ für den Reitsportladen Ulrich“, erklärte Katja. „Nun wird Niklas die Zettel an euch verteilen, dann werde ich den Startschuss freigeben. Unter den Dingen, die ihr suchen müsst findet ihr eine Landkarte, falls ihr euch verirrt. Als Hinweise, wo die Sachen versteckt sind, habt ihr Fragen auf dem Blatt stehen, die ihr erraten müsst. Ich wünsche euch allen viel Spaß und denkt daran: Im Sport gilt Fairness und Spaß“, damit nickte sie Niklas zu und holte dann eine kleine Pistole. Während die Reiter die Blätter entgegen nahmen steckte sie eine kleine Kugel in den Lauf und wartete darauf, das alle ihre Blätter hatten. Dann hörte man ein leises Klicken und Katja rief: „Der...Start....ist...Frei!“, mit dem Schuss ritten alle Reiter vom Platz und ließen ihre Pferde vom Hof traben. Ricky ritt an der Spitze und Hanna studierte die Karte.„Als erstes müssen wir ein altes Hufeisen finden“, las sie vor. „Und wo?“, fragte Laura nach vorne. Hanna kratzte sich unter ihrem Helm und las vor: „Ich bin umgeben von Bäumen, dessen Blätter niemals fallen. Ihr könnt euch in mir sehen, aber ein Spiegel bin ich nicht, wer also bin ich?“.
„Das ist ja einfach“, rief Ricky und lenkte Nino in den Wald hinein. Im Trab ritten sie durch das Unterholz und parierten dann zum Schritt durch, als sie den See erreichten. „Der See! Genau, die Blätter der Tannen fallen niemals und im See kann man sich spiegeln!“, rief Laura begeistert und stieg von Chubby's Rücken. Schnell ließ sie ihren Blick über den See streifen. Doch sie konnte nichts entdecken. Hinter ihnen knackte es im Unterholz. Das nächste Team war schon auf dem Weg. „Da in der Trauerweide!“, rief Ricky. Eilig rannte Laura über die Wiese und pflückte das Hufeisen, das auf einem Ast gesteckt hatte. Schnell verstaute sie es in ihrer Satteltasche - schließlich war sie die Sammlerin – und die drei ritten wieder in den Wald hinein. Noch aus einiger Entfernung konnten sie Grünauge fluchen hören. „Verdammt, die waren schon vor uns hier!“ Kichernd studierte Hanna wieder das weiße Blatt. „Jetzt müssen wir eine Bratpfanne finden. Der Hinweis, der uns zum Ort führt lautet S-S-O-L-H-C-S-R-E-T-S-I-E-G“, irritiert hielt Hanna ihr Pony an und starrte auf das Blatt. „Was soll das denn sein?“, murmelte Ricky. Laura nahm Hanna die Karte ab und studierte sie ebenfalls eingehend. Dann lachte sie. „Ach so, das soll Geisterschloss heißen, es ist bloß falsch herum geschrieben!“, rief sie und gab Hanna die Karte zurück. Schnell ritten die Mädchen nach links, den Weg entlang, den Ricky mittlerweile schon in und auswendig kannte. „Oh nein. Die Tussis sind auch schon auf dem Weg!“, rief Hanna erschrocken und deutet nach vorne, wo die drei braunen Ponys mit ihren Reiterinnen im Sattel, im gemütlichen Schritt den Hügel hinauf marschierten. Als die Reiterin in der Mitte sich umdrehte und die drei entdeckte galoppierte sie an. „Die holen wir nie ein“, rief Laura verzweifelt. „Doch“, murmelte Ricky und trieb ihren Haflinger an. Nino ging sofort in den Galopp über und jagte den Hügel hinauf. Oben ließ Ricky ihn im Schritt herunter gehen und Galoppierte dann erneut an. Sie beugte sich weit über seinen Hals, ließ die Zügel aber noch nicht locker. Erst als die braunen Ponys langsam zurückfielen gab sie dem Wallach die Zügel frei. Nino streckte sich und schnellte nach vorn. Ricky konnte die Muskeln unter sich spüren und grinste begeistert. Schnell hatte sie das Best-Horse Team überholt. Grünauge fluchte mal wieder laut und Ricky konnte etwas wie einen Peitschenhieb hören. „Armes Pony“, dachte sie mitfühlend und parierte Nino vor dem Schloss zum stehen durch. Während sie abstieg sah sie wie Hanna und Laura langsam auf sie zu kamen. Schnell hatte sie die Bratpfanne gefunden, die in einer Mauernische versteckt war und streichelte Nino dankbar den Hals. „Das hast du toll gemacht, Nino“, flüsterte sie in sein Ohr und stieg auf. „Super Ricky. Du musst

irgendwann bei einem Galopprennen mitmachen“, grinste Laura außer Atem. „Mal sehen, hier“. Ricky reichte Laura die Bratpfanne während Hanna schon wieder die Karte studierte. „Als nächstes müssen wir eine Tüte Marshmellows finden. Finden tut ihr mich an einem Ort, wo jeder will, ganz schnell fort. Vor allem Kinder hassen mich, sag mir doch, wer bin ich?“ Grübelnd und schnaufend saßen die drei in ihren Sätteln und kauten auf ihren Unterlippen. „Die Schule!“, rief Ricky dann. „Stimmt, das könnte es sein, dann mal los“, rief Hanna und wendete ihre Schimmelstute. „Aber nicht zu schnell. Nino muss sich noch ausruhen“, sagte Ricky. Gemeinsam ritten sie im gemütlichen Schritt und Trab zur Schule. Schnell schnappten sie sich die Marshmellows und Hanna warf wieder einen Blick auf die Karte. Als nächstes mussten sie eine Packung Grillstäbchen finden und dann ein paar Gamaschen. Am Ende hatten die drei 5 Sachen von der Liste gesammelt, den Rest hatten andere Reiter gefunden.

Als die Sonne langsam hinter den Berggipfeln verschwand, trafen die Reiterteams wieder auf dem Hof ein. Alle sahen erschöpft und schwitzig aus, aber sie strahlten. Katja ließ die Reiter ihre Pferde und Ponys versorgen, dann ging es in die Halle zur Preisverleihung. Gespannt saßen die Reiter auf den Tribünen Plätzen, als Katja in die Mitte der Halle trat. „So, ich hoffe ihr hattet alle viel Spaß an unserem kleinen Wettbewerb“, sprach sie in ein Megafon. „Nun wollen wir die Gewinner der Teams Küren. Zu finden waren 10 Gegenstände. 20 paar Reiter haben mitgemacht. Einige sind leider leer ausgegangen.“, sie nannte die Teams, die keine Gegenstände gefunden hatten und versprach ihnen eine Extraportion Würstchen als Trostpreis. Die ganze Halle lachte. Ricky und ihre Freundinnen hielten sich aufgeregt die schwitzigen Hände. Sie hatten es in die Top Drei geschafft. Nur auf welchen Platz waren sie gelandet? „Auf dem dritten Platz, mit 2 Gegenständen ist Team Ponypower. Herzlichen Glückwunsch“, klatschend nickte Katja den drei jungen Mädchen zu, die fröhlich in die Halle liefen um drei paar Ponygamaschen entgegen zu nehmen. Dann liefen sie durch die kleine Seitentür in der Wand wieder auf die Tribüne, zu ihren Eltern. „Auf den zweiten Platz mit 3 Gegenständen ist Team Best-Horse!“, rief Katja. Zerknirscht stapften die drei Blondinen durch die Tür der Bande in die Halle und nahmen 3 Abschwitzdecken entgegen. „Und somit kommen wir zum ersten Platz unseres Reiterwettbewerbes. Team...ähm. Ihr drei hier steht gar kein Name“, murmelte Katja und starrte auf das weiße Blatt. „Oh, wir haben vergessen uns einen Namen auszudenken!“, rief Ricky erschrocken und lachte dann los. Kichernd standen die drei auf. „Team Pferdefieber!“, rief Laura da und alle Leute klatschten begeistert. Die Eltern der drei Pfiffen sogar. „Herzlichen Glückwunsch Team Pferdefieber“, sagte Katja lächelnd und überreichte den dreien den Check. Nach der Siegerehrung schauten sie noch bei der Quadrille von Katjas Reitschülern zu und setzten sich dann zusammen mit dem Mondberghof Team ans Lagerfeuer. Keiner bemerkte bei der ausgelassenen Stimmung das ein Polizeiwagen durch die Hofeinfahrt rollte und vor dem Stall hielt. Polizist Bensch stieg aus und ging auf die Truppe zu. „Entschuldigen sie, wir wollen diese Feier nur Ungern stören, aber ist einen Ricarda Meyer hier“, fragte Bensch und knetete seine Mütze unruhig in den Händen. Erschrocken verstimmte die Truppe und Ricky stand auf. „Ähm, das bin ich.“, sagte sie. „Würdest du mal bitte kurz mitkommen“, Herr Bensch winkte sie vom Lagerfeuer weg zu seinem Polizeiwagen und warf einen entschuldigenden Blick in den Runde. Am Wagen seufzte er und fuhr sich durch die dunklen Haare. „Ricky, es tut mir Leid, aber, ja wie soll ich sagen.“, Der Polizist wirkte angespannt und starrte sie aus braunen Augen an. „Weißt du, es ist so. Bernd Vogel ist aus der Untersuchungshaft entwischt...“, gestand er dann endlich. „Soll...soll das heißen er ist frei?“, fragte Ricky laut. „Ja, Leider. Aber wir sind schon auf der Suche nach ihm. Wir werden ihn ganz bestimmt finden“, versprach er ihr und schüttelte ihr die Hand. Während er wieder in sein Auto stieg blieb Ricky regungslos stehen. Mit quietschenden Reifen fuhr der Polizist vom Hof. „Was ist los?“, fragte Hanna schon von weitem, als sie auf ihre Freundin zugelaufen kam. „Er ist frei. Vogel ist wieder frei. Und wenn Hope noch lebt wird er sie Umbringen“, flüsterte Ricky und starrte nur ins leere.


Ein Albtraum wird wahr



„Versuch dich auf die Ponys zu konzentrieren. Vielleicht findest du wirklich eins, wie Chubby, dann musst du nicht mehr so viel an Hope denken“, rief Hanna nach hinten. Ricky und Laura saßen auf dem Rücksitz des Kombi von John Bergmann, der die drei Mädchen zum Neckarburkener Pferdemarkt fuhr. Hinten hatte er einen Hänger angebaut und Ricky hatte ihr ganzes Taschengeld im Portemonnaie, das sie extra für ihr eigenen Pony gespart hatte. „Mal sehen“, brummte sie. Die Nachricht das Hopes Entführer wieder frei war hatte ihr die ganze Stimmung verdorben. Sie wollte nichts essen und mit niemanden reden. Nur mit Mühe und sehr viel Überredungskunst hatten Hanna und Laura es geschafft ihre Freundin zum mitkommen zu überreden. „Du wirst schon sehen, sobald da auch nur ein Pony ist was dir gefällt bist du Feuer und Flamme“, sagte Laura und knuffte ihre Freundin in die Seite. „Wie gesagt, mal sehen“, sagte Ricarda nur und schaute schnell aus dem Fenster, um die Bäume zu beobachten, an denen sie vorbeifuhren. Sie hörte wie Laura seufzte und sich im Autositz zurück plumpsen ließ. Irgendwie tat es ihr ja Leid, das sie so abweisend war. Aber sie wollte erst mal kein anderes Pony als Hope. Während der restlichen Fahrt schwiegen die drei Mädchen. Erst als eine große Wiese in Sicht kam, auf der etliche Autos standen, kam leben in sie. „Da ist es!“, rief Hanna aufgeregt und Laura rutschte auf ihrem Sitz hin und her. Ricky musste schmunzeln, als sie die Vorfreude der beiden bemerkte. „Wie kleine Kinder, wenn es in einen Vergnügungspark geht“, dachte sie und schnallte sich ab, als John den Motor abstellte und den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. Als sie dann ausstieg packte auch sie ein aufgeregtes Kribbeln. Sie war ja auch noch nie auf einem Pferdemarkt gewesen. Mit ein paar anderen Interessierten lief die kleine Gruppe durch ein großes Tor, auf dessen Schild „Neckarburkener Pferdemarkt“, geschrieben war. Ricky sah sich erstaunt um. Sie befanden sich auf einer riesigen Wiese. Überall tummelten sich Menschen und es gab Stände für Reitsportbedarf, Stände für essen und sogar Klamottenstände. „Komm, zu den Pferden“, rief Hanna und packte sie am Arm. Zusammen mit Laura und John gingen sie zu den ersten Ständern in denen die Pferde auf wenigen Büscheln Heu standen. „Oh je“, stieß Ricky aus. „Gewöhn dich dran, was anderes wirst du hier nicht zu sehen bekommen“, sagte John von hinten. Die Mädchen gingen die Reihen entlang und John betrachtete jedes Pferd eingehend. Er wollte ein neues Pferd für den Stall kaufen, damit sie noch ein Schulpferd hatten. Ricky blieb bei einem hübschen Rappen stehen. „Der schaut aus wie Beauty“, sagte sie und streckte ihre Hand aus um das Pony zu streicheln. „Hey“, rief sie dann erschrocken aus, als der Rappe mit angelegten Ohren nach ihr schnappte. „Das hatte ich auch schon oft“, erklärte ihr Laura lachend und ging weiter. Ricky schluckte und nahm sich vor erst einmal keines der Pferde zu streicheln. „Schaut mal, den hier!“, rief Hanna und die beiden liefen schnell auf sie zu. Hanna stand vor einem kleinen Schecken. Die Mähne war kurz und struppig und das Pony hatte keinen Schopf mehr. Sein Fell war voller Ekzeme. „Hm, ich glaube nicht das ich ein krankes Pony möchte“, brummte Ricky und betrachtete den hübschen Fuchs, der neben dem Schecken stand. Er spitzte freundlich die Ohren und beschnupperte sie, als sie ihm die Hand hinhielt. „Der ist ganz lieb“, sagte da eine Stimme, die alle zusammenzucken ließ. Ein Mann kam aus der Mitte der Ständerreihen und grinste Ricky an. „Damit hast du ein ganz tolles Pony“, sagte er. Ricky war verunsichert und schielte zu John. „Tut mir Leid, wir suchen ein größeres“, sagte der schnell, als er ihren Blick bemerkte. Grimmig verzog sich der Mann wieder. „Das ist überall so.“, sagte er dann. „Jeder der hier steht will sein Pferd loswerden. Sie loben ihre Pferde in den höchsten Tönen, manchmal hast du dann zu Hause das Problem, das sie zum Beispiel steigen“, erklärte er ihr und klopfte ihr auf die Schulter. Die vier wanderten noch eine Weile durch die Reihen, ehe sie sich hinsetzten und etwas aßen. „Und, hast du schon eines gesehen was dir gefällt?“, fragte Laura unverfroren. „Ich hab schon viele gesehen“, gab Ricky zu. „Aber keines war Hope“, nuschelte Hanna kaum hörbar. Ricky lächelte zwanghaft und nickte. Nachdem sie gegessen hatten gingen sie weiter. „Oh nein, wie süß guckt doch mal“, quietschte Laura. Hanna und Ricky hielten ebenfalls vor einem Stand mit Reitzubehör, neben dem sich ein kleines Gehege aus Metall befand. Darin saßen, auf einem weichen Kissen, vier kleine Jack Russel Welpen und wedelten mit den Schwänzen als die Mädchen sie betrachteten. „Süß, so einen würde ich sofort mitnehmen“, erklärte Ricky und betrachtete verzückt die kleinen Welpen. John betrachtete ebenfalls die Welpen und kratzte sich am Kinn. „Mädchen, geht doch schon mal vor, ich brauch noch Lecksteine für die Schulponys“, erklärte er dann und winkte die Mädchen mit einer Handbewegung weg. Während die Mädchen weitergingen begann er mit der Verkäuferin zu sprechen. „Oh nein, schaut euch das mal an!“, rief Hanna entsetzt und deutete mit dem Finger auf einen großen Laster, der mit Maschendrahtzaun umrandet war. Hinter dem Zaun drängten sich mindestens 40 Fohlen aneinander. Die Augen hatten sie vor Angst weit aufgerissen. „Schlachtfohlen“, flüsterte Laura traurig. „Wie bitte?!“, Ricky glaubte nicht richtig zu hören. „Die Fohlen, die heute nicht verkauft werden, werden heute noch mit dem Transporter zum Schlachter gefahren“, wiederholte Laura noch ein mal. „Wie schrecklich“, sagte Ricky und ihr stiegen Tränen in die Augen als ein Mann in das Gefängnis ging und die Fohlen panisch an den Rand und in die Ecken sprangen. Eines der Fohlen, ein kleiner Haflinger mit Stern, wurde fast von den anderen Niedergetrampelt. Ein kleines schwarzes Fohlen wurde von dem Mann gefangen und in die Freiheit geführt. Eine junge Frau übernahm den Strick und führte das Fohlen eilig davon. „Sie hat ihn aus der Hölle geholt“, sagte Ricky ernst. „Na, was meint ihr, ist das unser Hofhund?“, erklang hinter ihnen eine Stimme. Die drei wirbelten herum und starrten John an, der einen kleinen Braun gefleckten Welpen auf seinem Arm hielt. „Oh, wie süß“, riefen die drei begeistert. John grinste, aber als er die Fohlen sah verschwand das grinsen von seinem Gesicht. „Hm, solche Pferdeschänder“, zischte er. „Halt mal, welches sollen wir mitnehmen?“, fragte er und übergab Laura den Welpen. Erstaunt sahen die drei ihnen an und drehten sich in die Richtung in die er starrte. Er wollte ein Fohlen kaufen! „Aber, ihr braucht doch ein Schulpferd“, stammelte Hanna überrascht. „Die werden alle noch ganze Pferd“, meinte er. „Den Haflinger!“, rief Ricky. „Den Fuchs mit der Blesse“, sagte Hanna gleichzeitig. „Den Pinto“, meinte Laura. John lachte und betrachtete die Fohlen. „Wer ist am ärmsten dran und am schwächsten?“, fragte er dann. Die Mädchen betrachteten die Fohlen und nickten sich dann zu. „Der Hafi“, sagten sie im Chor. „In Ordnung“, meinte er und ging auf den Händler zu. Kurz darauf drängten sich die Fohlen wieder aneinander, als der Händler das Gefängnis betrat und das Haflingerfohlen einfing. „So“, grinste er dann, als er mit dem kleinen, verschreckten Fohlen ankam. „Streitet euch wie das Hündchen und der kleine Hengst hier, heißen sollen“. Er erwartete das alle wieder wild durcheinander rufen würden, doch zu seiner Überraschung waren sie sich alle drei einig. „Shy Boy und Bounty“, meinten sie einstimmig. „Und wer ist wer?“, fragte John verwirrt. „Ist doch ganz klar. Shy ist der Hafi und Bounty der Hund“, sagte Laura und kraulte den Welpen während Ricky und Hanna das Fohlen streichelten. Während sie lachend über den Platz liefen fiel Ricky auf, das sie immer noch kein Pony hatte. „Dann kaufe ich wohl Beauty“, dachte sie lächelnd. Doch als sie zum nächsten Ständer kam blieb sie wie vom Donner gerührt stehen.

„Was ist Ricky?“, fragte Hanna, die fast in sie hinein gerannt war. „Hope!“, rief Ricky nur. Die kleine Stute spitzte die Ohren und riss den Kopf nach oben. Sie stieß ein schrilles wiehern aus. John war vorgegangen und hatte nichts bemerkt. „Es wird Abend, lasst uns gehen!“, rief er über die Schulter. Hope tänzelte in ihrem Ständer aufgeregt hin und her. Freute sie sich etwa Ricky zu sehen!? Plötzlich tauchte hinter Hope ein Wagen mit Hänger auf. Auf der Seite des Hänger prangte in großen Lettern der Name der Firma: 'Schlachterei Ritz'. „Die wollen sie Umbringen“, kreischte Ricky außer sich, konnte sich aber nicht bewegen. Der Schrank Typ stieg aus der Fahrertür und öffnete die Hängerklappe. Dann öffnete er das Seil an Hopes Halfter und schleifte sie hinter sich her. Hope stieg und schrie. Sie buckelte sogar. Immer wieder versuchte sie sich zu Ricky umzudrehen, doch der Schrank Typ war zu stark. Auf der Hängerklappe zog er so heftig, das Hope einen Huf daraufstellen musste. Als er noch mal ziehen wollte stieg sie. Obwohl danach alles schnell passierte, kam es Ricky wie eine Ewigkeit vor. Der Mann wurde von einem wirbelnden Huf getroffen und zückte etwas. Es blitze in der Sonne auf. Das Messer durchschnitt mit einem zischen die Luft und raste auf das Gesicht der Stute zu. Ricky schrie, als Hope vor Schmerz wieherte und zurückwich. „Das ist wie in meinem Traum, wie in meinem Albtraum“, dachte sie geschockt. Jedes Detail stimmte. Sie hatte geträumt wie ihre Stute in den Schlachtransport geführt wurde, stieg und den Schrank Typ an der Schulter traf, der sie daraufhin mit einem Messer angriff. Hope stieg nun ununterbrochen und traf den Mann am Ende am Kopf. Ehe sie sich versah, stand Hope bei Ricky und sie schwang sich auf ihren Rücken. „Ricky, was machst du da!“, rief Laura nun erschrocken. Hope lief los. Plötzlich wurde Ricky bewusst was sie da tat. Sie saß ohne Trense, mit nur einem Strick in der Hand auf einem panischen, gerade mal angeritten Pony. „Hope halt an!“, rief sie erschrocken als die Nussbraune Stute losstürmte. Ihr Hufe trommelten auf dem Boden, als sie durch die Ständerreihen galoppierte. „Hope, ich falle gleich runter“, schluchzte Ricky ängstlich.Doch die Stute rannte immer schneller. Ihr Atem ging stoßweise und Ricky spürte die Muskeln unter sich arbeiten. Die angebundenen Pferde wieherten erschrocken, als sie an ihnen vorbei galoppierten, während die Händler ihr wütend nachriefen, was sie dachte, wer sie sei. Ricky wusste das Hope gerade mit ihr durchging. Sie hatte doch Beauty auch zum stehen gebracht! „Hope, ruhiger“, rief sie leise und versuchte sich selbst zu beruhigen. Endlich drehte Hope die Ohren nach hinten und wurde langsamer bis sie zum stehen kam. Ricky sprang ab und lehnte sich gegen Hope. Blut tropfte von Hopes Gesicht auf den Boden. Sie hatte einen Schnitt auf der Stirn. Keuchend und zitternd standen die beide Inmitten von wiehernden Pferden, die sie bei ihrer panischen Flucht aufgescheucht hatten. Mit pochendem Herzen strich Ricky der kleinen Stute über die Wunde. Hope zuckte zurück. „Jetzt wird er dir nicht mehr wehtun“, flüsterte sie und knotete das andere Ende des Strickes an der anderen Seite des Halfters fest. Dann schwang sie sich wieder auf den Rücken und ritt im langsamen Schritt zurück. Sie wurden von wütenden Blicken verfolgt, doch das war ihr egal. Sie hatte Hope wieder, alles andere war unwichtig.


Happy End



„Unglaublich, das du sie trotzdem noch geritten hast“, sagte Laura ehrfürchtig und betrachtete Ricky als hätte sie gerade die Olympischen Spiele im Springreiten gewonnen. „Ja“, flüsterte Ricky. Ihr Hals war trocken und ihr Herz raste immer noch. Zitternd beobachtete sie wie der Schrank Typ auf die Trage geschnallt und in den Krankenwagen geschoben wurde. Er warf ihr dabei einen Blick zu der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Hanna folgte ihrem Blick und grinste. „Der wird dir jetzt nicht mehr so schnell begegnen. Der geht erst mal ins Krankenhaus und dann in den Knast.“ Ricky grinste und nickte. „Was wird jetzt eigentlich aus Hope?“, wollte Laura wissen. Sie streichelte Bounty über den Kopf, als der kleine Rüde sie schwanzwedelnd anstupste. „Der Züchter kommt gleich und holt sie ab. Die Wunde war ja zum Glück nicht so schlimm. Aber die Narbe wird wohl bleiben“, seufzte Ricky und betrachtete das Pony das neben Shy Boy angebunden war und graste. „Also kannst du sie nicht behalten?“ Ricky schüttelte den Kopf. Tränen stiegen ihr in die Augen. Als sie gehört hatte, das man sofort den Züchter verständigt hatte, als Hope als Hornisse identifiziert wurde, wäre sie am liebsten wieder mit ihr davon galoppiert. „So ein Mist!“, zischte Hanna wütend. Erschrocken starrten ihre Freundinnen sie an. „Du tust alles um Hope zu retten und der Dank dafür ist das sie dir wieder weggenommen wird“, erklärte sie mit zusammengekniffenen Augen. Ricky schmunzelte. „Vielleicht kann ich sie dann ja Rechtmäßig kaufen“, meinte sie. „Wer von euch ist Ricky?“, fragte eine freundliche Männerstimme. Ricky blickte hoch und noch höher. Vor ihr stand ein zwei Meter Mann mit freundlichen blauen Augen und kurzen, dunklen Haaren. „Ich“, sagte sie knapp. „Freut mich. Werner Brickmann, mein Name. Ich habe gehört du hast auf meine Hornisse aufgepasst?“, fragte er freundlich. Ricky nickte zaghaft. „Hier ist ihr Pferd. Jetzt haben sie alle wieder, oder?“, John Bergmann überreichte Herrn Brickmann den Führstrick von Hopes Halfter. „Ja, naja, einige sind nach dem Diebstahl schnell verkauft worden. Hatte auch seine guten Seiten. Jetzt wollen mehr Leute gestohlene Haflinger“, er lachte. Dann hob er die Hand zum Gruß und ging. Hope wieherte und grub die Hufe in den Boden. „Was ist los Hornisse?“, fragte ihr Besitzer erstaunt und zog ein wenig fester an dem Strick. Das Pony ging Rückwärts und blieb dann stehen. Sie drehte den Kopf zu Ricky herum und nickte mit dem Kopf. „Soso“, dachte Brickmann grinsend und schnalzte mit der Zunge. Ricky begann zu weinen, als Hope die Rampe auf den Hänger geführt wurde und Herr Brickmann losfuhr. Die kleine Stute rumpelte in dem Hänger hin und her. „Dann geht’s ab nach Hause“, dachte Brickmann. „Da wo du hingehörst“.

Erst spät am Abend kamen die vier auf dem Hof an. Als Hanna die Fahrertür öffnete sprang Bounty heraus und lief mit gesenkter Nase über den Hof um die neuen Gerüche aufzunehmen. „Das ist dein neues zu Hause!“, rief Hanna lachend. „Na, da seid ihr ja wieder, das hat aber lange gedauert“. Katja kam fröhlich auf die vier zu. Sofort lief der freundliche Rüde zu ihr um sich mit ihr bekannt zu machen. „Das ist unser Wachhund“, grinste John. „Wie schön. Der ist ja süß.“ „Er heißt Bounty!“, rief Laura der Frau vom Auto aus zu. „Süßer Name. Hast du ein neues Schulpferd gefunden?“, fragte sie dann an ihren Mann gewandt. „Ja. Allerdings müssen wir noch mindestens 3 Jahre warten bis der kleine Kerl ein Schulpferd ist“, meinte John und nickte den Mädchen zu. „Lasst Shy Boy doch mal runter.“
Schnell machten sich die Mädchen daran den jungen Hengst vom Hänger zu führen. Ricky half dem kleinen Fohlen richtig herunterzukommen. Erstaunt blickte Shy sich um und wieherte. Einige der Pferde im Stall antworteten ihm. „Du hast ein Fohlen gekauft“, rief Katja erstaunt aus und ging auf den Haflinger zu. „Du weißt wie das ist, mit den Schlachtfohlen. Ich konnte den Kerl nicht da lassen. Der wäre heute Abend tot gewesen“, verteidigte John sich. „Na süß ist er ja“, stimmte Katja zu. „Wo ist Nik eigentlich?“, wollte nun Ricky wissen. „Ach, der ist im Stall, dein Pony kommt doch gleich“, sagte Katja schulterzuckend. „Wie 'mein Pony'“, Ricarda starrte Katja ungläubig an. „Ja, ich wurde angerufen. Deine Mutter hat ein Pony gekauft“, erklärte sie. „Wow. Du bekommst heute noch ein Pony!“, rief Laura begeistert und strahlte sie an. Ricky lächelte halbherzig. Sie hatte gehofft Hope zu kaufen, aber wenn jetzt ihr Pony kam, dann ging das nicht mehr. „Na los. Helft doch Nik mal im Stall und stellt Shy neben Saira. Die wird sich über ein Fohlen als Gesellschaft freuen“, meinte John Bergmann dann und scheuchte die Kinder in den Stall. Bounty, schon ganz der Hofhund, lief hinter den dreien her. „Hi Nik“, rief Hanna, als sie den Stall betrat. „Hi Leute.“, sagte Nik aus einer leeren Box heraus. Kurz darauf ertönte ein erstaunter Ausruf, als Bounty freudig an ihm hoch sprang. „Das ist euer Hofhund“, erklärte Laura lachend. „Und das Fohlen unser neues Schulpferd? Typisch. Dad kauft nie das was er eigentlich am Anfang will“, murmelte Nik grinsend und arbeitete weiter. „Ich hab euch übrigens oben, auf dem Heuboden ein kleines Dinner vorbereitet, dass ihr auf Rickys neues Hotte Hü anstoßen könnt“, rief er den Mädchen nach, die sich gerade auf dem Weg machten um Shy in seine neue Box zu bringen. „Cool“, rief Laura begeistert und stürzte schon die Treppe nach oben. „Typisch Laura. Ihre Mutter hätte sie Wirbelwind nennen sollen“, meinte Ricky kichernd. Nachdem Shy Boy in seiner neuen Box stand stapften Ricky und Hanna ebenfalls die Treppe nach oben. Hier hatte Nik auf einem Heuballen eine Decke platziert, auf der Kekse und Brause stand. „Niklas ist so cool“, sagte Ricky und setzte sich auf einen weiteren Heuballen vor den 'Tisch'. Hanna nickte zustimmend und schnappte sich einen der Kekse. „Ich frag mich was du für ein Pony bekommst“, knusperte Laura zwischen zwei Keksen. Ricky zuckte mit den Schultern. „Ich frag mich eher woher meine Mam wissen wollte das ich auf dem Pferdemarkt keines finde“, überlegte sie und goss sich ein wenig Brause in einen Plastikbecher. „Das nennt man auch mütterliche Intuition“, erklärte Hanna lachend. „Ja, da hast du wohl recht“. Während sie aßen warf jede abwechselnd einen Blick auf die Einfahrt, die man vom Heuboden aus sehr gut sehen konnte. „Wann kommt mein Pony denn?“, stöhnte Ricky nach einer halben Stunde. „Ähm, jetzt!“, rief Laura und sprang auf. Schnell warfen Hanna und Ricky einen Blick auf den Hof hinaus, wo gerade ein kleines Auto mit einem Pferdeanhänger über den Kies rollte.
„Na dann mal los“, meinte Ricky aufgeregt und stürmte hinter ihren Freundinnen die Treppe herunter. Als sie in den kühlen Abend hineintraten staunte Ricky. Aus dem Auto stiegen ihre Mutter und Werner Brickmann, Hopes Züchter. „Meine Mam hat mir ein Hafi gekauft, deshalb hat das so gedauert, er musste erst Hope noch wegbringen und den anderen Hafi einladen“, bemerkte Ricky. Freudig lief sie auf ihre Mutter und Herrn Brickmann zu. „Na, so sieht man sich wieder“, meinte Herr Brickmann grinsend und reichte ihr die Hand. „Ja, Hallo“, sagte Ricky freundlich. Dann sah sie ihre Mutter an. „Wieso hast du mir schon ein Pony gekauft. Du konntest doch nicht wissen das ich keines gefunden habe“, fragte Ricky interessiert. „Das wusste ich weil Herr Brickmann mich angerufen hat. Aber wir erklären die alles später“, meinte Melanie hektisch und lief auf Frau Bergmann zu, die gerade aus dem Haus trat. „Schön, das sie es geschafft haben“, meinte Katja freundlich. Herr Brickmann öffnete zusammen mit Nik die Hängerklappe, während Katja das Pony losband. Ricky sah zu erst nur den Schweif. Doch je mehr von dem Pony zu sehen war, desto heftiger schlug ihr Herz. Da stand sie. Hope. In voller Lebensgröße und sich staunend umblickend. „Hope“, rief Ricky glücklich und umarmte die kleine Stute. „Habe ich dir das richtige Pony ausgesucht?“, fragte ihre Mutter zwinkernd. „Ja! Danke Mam“, Ricky kreischte fast und viel ihrer Mutter um den Hals. „Bedanken musst du dich ja eigentlich bei Herrn Brickmann“, meinte sie. Verwirrt warf Ricky dem Züchter einen Blick zu. „Hornisse, also Hope, wollte doch vorhin nicht mit. Als wir dann losgefahren sind hat sie im Hänger so getrampelt, das mir klar wurde, das sie nur nach Hause wollte. Und das ist bei dir. Also hab ich Katja angerufen und die hat deine Mutter angerufen“, erklärte Herr Brickmann. „Oh man, Katja du wusstest es? Und du hast nichts gesagt?“, fragte Ricky lachend und grinste in die Runde. „Bring sie mal in den Stall, es war ein harter Tag“, meinte John. Glücklich führte Ricky ihre Stute durch den Stall in die frisch eingestreute Box. „Das ist jetzt dein neues zu Hause Hope“, sagte sie leise. Hope spitzte die Ohren und nickte heftig mit dem Kopf, als wollte sie ihr zustimmen. „Wie wäre es wenn wir alle zusammen Abendbrot essen?“, fragte Katja hinter ihnen. Die Mädchen stimmten ihr begeistert zu. Ricky bemerkte erst jetzt, wie hungrig sie eigentlich war. Als sie alle zusammen am Tisch saßen und Spaghetti aßen verkündete John noch etwas. „Da wir nun alle so fröhlich beisammen sitzen, möchte ich gerne bekannt geben, das wir uns dazu entschlossen haben, eine Pflegeperson für Shy Boy einzustellen“, erklärte er. „Und die wäre?“, fragte Hanna. „Naja, es sind eigentlich drei. Sie heißen“, er machte eine Pause und blickte grinsend in die Runde. „Mach' s nicht so spannend“, schimpfte Laura. „Ricarda, Laura und Hanna“, fuhr er fort. Die drei Mädchen starrten sich, dann John und dann Katja ungläubig an. „Wir“, stieß Hanna dann hervor. „Genau. Das Pferdefieber Team kümmert sich von heute an um das Haflingerfohlen Shy Boy. Ihr werdet ihn, je nachdem wer mehr Zeit hat, putzen, füttern, die Box ausmisten und ihn ausbilden. Denkt ihr, ihr schafft das?“ John sah die drei gespannt an. „Natürlich“, kam es wie aus einem Munde. „Das Pferdefieber Team schafft alles“, grinste Laura. „Genau“, meinte Ricky und Hanna nickte heftig. „Na dann, lasst und Anstoßen“, meinte John und hob prostend sein Glas. Die anderen taten es ihm gleich. „Auf Ricky und Hope, das dritte Teammitglied vom Pferdefieber Team“, meinte Melanie. „Auf Bounty und Shy Boy“, prostete Niklas. „Und auf ein wundervolle Zeit mit vielen Abenteuern auf dem Mondberghof“, sagte Laura feierlich. Dann stießen sie nacheinander klirrend mit ihren vollen Gläsern an und tranken. Ricky lächelte. Sie wusste, die Zeit die kam, würde mit Sicherheit voller Abenteuer stecken. Aber sie war nicht allein. Denn sie hatte wunderbare Freunde, ein wunderbares, neues zuhause und ein wunderbares Pony gefunden.


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Tag der Veröffentlichung: 19.04.2012

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