Liam
Die Hitze in Afrika war fast unerträglich, man konnte sehen, wie die Luft über dem heißen Asphalt flimmerte und wir schoben uns träge die Sonnenbrillen ins Gesicht, als wir aus dem Flughafengebäude heraus traten.
„Es ist echt heiß hier.“, stöhnte Niall und angelte eine Wasserfalsche aus seiner Tasche. „Allerdings.“, bestätigte Louis und ich sah mich suchend nach unserem Fahrdienst um. Simon hatte gesagt, dass er uns einen Fahrer schicken würde, damit wir nicht mit einem Taxi ins Hotel fahren mussten.
„Da ist unsere Fahrgelegenheit.“, rief ich und steuerte mit meinem Koffer einen schwarzen Van an, vor dem ein junger Mann stand, der ein Schild mit der Aufschrift „One Direction“ hoch hielt. „Zum Glück.“, schnaufte Harry und zerrte seinen Koffer hinter mir her.
„Wo sind wir nochmal genau?“, fragte Louis, als wir in dem klimatisierten Auto saßen und ich verdrehte die Augen. „Kenia, Ostafrika.“ „Internet gibt es hier nicht.“, murrte Zayn, als er erfolglos versuchte eine Twitternachricht zu senden. „Zayn, wir sind in einem Entwicklungsland, was zur Hölle hast du erwartet?“ Ich sah meinen Bandkollegen an, der mit den Schultern zuckte. „Weiß ich nicht.“
Die Fahrt dauerte eine knappe halbe Stunde, dann standen wir vor einem teuren Hotel im Herzen Nairobis, der Hauptstadt des Landes. Freudig kam Simon aus dem Inneren und stöhnte, als die warme Sonne auf seine Haut traf. „Es ist so heiß hier. Aber wir werden uns schon daran gewöhnen, wir bleiben ja nur eine Woche. Wie war euer Flug?“, erkundigte er sich, während mehrere Angestellte unser Gepäck ins Hotel brachten.
„So wie immer eigentlich.“, antwortete Harry und man hörte ein allgemeines Aufseufzen, als wir die kühle Lobby betraten. „Dann geht euch mal frisch machen und in einer Stunde sehe ich euch dann im Speisesaal und wir besprechen den Plan für morgen.“, wies Simon uns an und drückte jedem einen Zimmerschlüssel in die Hand. Gehorsam tapsten wir zum Fahrstuhl.
„Also gut. Niall und Louis, ihr beide fahrt morgen mit einem Kamerateam nach draußen zu den Slums und redet mit ein paar Straßenkindern, lauft ein bisschen um Müll rum, seid betroffen und dann könnt ihr wieder gehen.“ Entrüstet sah ich zu unserem Manager, in seinem Gesicht konnte ich kein einziges Gefühl erkennen. War dieser Dreh für den Rednose-Day wirklich nur ein Job?
Als Simon uns freudestrahlend berichtete, dass wir an einer Spendenaktion für den Rednose-Day teilnehmen würden, da dies gut für unser Image sei, war ich schon etwas geschockt. Natürlich fand ich es toll, wenn wir durch unsere Musik und unsere Berühmtheit etwas bewirken konnten, aber es sollte doch schließlich darum gehen, etwas zu bewirken und nicht darum, besser da zu stehen. Oder?
Schon vor der Abreise malte ich mir in meinem Kopf ein paar Szenen aus, wie es wohl sein würde in den Kranken- oder Waisenhäusern zu drehen, in den Slums umher zu laufen oder verstümmelte Menschen zu treffen. Für Simon schien dies alles nur ein Job zu sein, der zwar kein Geld, aber ein gutes Image einbrachte. Scheiß Show-Geschäft.
„Liam und Harry, ihr beide fahrt in das Kinderkrankenhaus der Organisation und Zayn, du besuchst eine Einrichtung für misshandelte Mädchen und Frauen.“, redete Simon weiter und ich wechselte einen vielsagenden Blick mit den Jungs. Unser Manager erklärte noch im Groben, was er von uns erwartete, dann ließ er uns gehen, mit der Anweisung am nächsten Tag fit zu sein.
„Das kann doch nicht sein ernst sein! ‚Seid ein bisschen betroffen‘! Ich bitte euch!“, schnaubte Louis und rannte nervös in meinem Zimmer auf und ab. Harry saß auf dem Boden vor meinem Bett und sah seinem Freund zu, wie er sich noch immer die Haare raufte, Niall und ich lagen quer auf dem Bett und Zayn hatte sich einen der Sessel gekrallt.
„Ich verstehe ihn auch nicht. Ich meine, das ist doch nicht einfach nur ein Job.“, warf ich ein und Louis blieb stehen. „Genau, du hast Recht. Ich finde, wir sollten Simon das auch sagen.“ „Ach was, das interessiert ihn doch sowieso nicht. Ich finde, wir sollten einfach so auftreten, wie wir wollen. Wenn uns das mitnimmt, dann zeigen wir das auch, immerhin ist das alles hier kein Musikvideo oder ein Werbespot, in dem alles perfekt sein muss.“ Ich drehte meinen Kopf zu Zayn, der uns leicht lächelnd ansah. „Auch wieder wahr.“, brummte Harry und streckte seine Beine aus.
„Meinst du, dass es sehr schlimm wird?“, fragte er nun direkt an mich gewandt und ich machte eine unbestimmte Geste mit meinen Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich stell es mir aber auch nicht gerade einfach vor.“, antwortete ich ehrlich und Niall sah mich mit großen Augen an.
„Du weißt, was dich erwarten wird?“, fragte ich den Blonden und er biss sich auf die Unterlippe. „Schon…also, nicht so richtig. Ein bisschen.“, gab er zu und sah mich neugierig an. „Naja, da wo du und Louis morgen hinfahrt, leben jede Menge arme Familien, da sind Kinder, die den ganzen Tag versuchen in dem großen Müllbergen etwas zu finden, was wertvoll sein könnte, um es zu verkaufen und damit Geld zu verdienen. Viele von ihnen haben Träume, die sich nicht verwirklichen können.“, erklärte ich und er sah verlegen weg. „Ihr schafft das schon.“, flüsterte ich, als er seinen Kopf auf meiner Brust bettete.
„Ich will gar nicht wissen, was mich darin erwartet.“, murmelte Harry, als wir vor einem Kranken- und Waisenhaus für Kinder standen. Schon vor der Tür, die den Namen gar nicht verdient hatte, weil sie lediglich eine lose, dünne und schiefe Holzplatte war, konnte man das Geschrei der Kinder hören. Ich schluckte und legte einen Arm um Harrys Schultern.
„Wir schaffen das.“, flüsterte ich und klopfte an die Tür. Eine dunkelhäutige Frau mit Kopftuch und einem kleinen Kind auf dem Arm öffnete und lächelte freundlich, machte dann Platz, um uns und das Filmteam herein zu lassen.
Die Frau stellte sich als Karla vor und führte uns durch einen Gang. Es roch nach Desinfektionsmittel, überall hörte man Kinder und Mütter weinen und ich wollte gar nicht wissen, was sich hinter der Tür befand, die Karla für uns aufhielt.
An der einen Wand standen Schränke und Waschtische, Regale hingen an den Wänden und darunter standen Arbeitsflächen, auf denen verschiede medizinische Utensilien lagen. In langen Reihen waren Betten nebeneinander gestellt worden, nur von dünnen Trennwänden abgeteilt.
Vermutlich war all das für eine solche Klinik ziemlich modern und sauber, aber ich war anderes gewöhnt und fragte mich, ob man die Kinder dort sauber behandeln konnte. Aber es war wohl auch nicht anders möglich, ohne Geld.
Die Kamera lief und wir sollten einfach ein wenig umher gehen, uns unterhalten, die Kinder auf den Arm nehmen. Harry wandte sich aus meiner Umarmung, ich spürte, dass er etwas zitterte und er schluckte hart, als er auf eine Frau zuging, die an einem Bett stand auf dem ein kleiner Junge lag. Ich begab mich in die Nähe, lehnte mich hinter einer Trennwand an die Wand und begann ein Gespräch mit einer Krankenschwester.
Harry
Das Kind sah so zerbrechlich aus, man sah deutlich, dass der kleine Junge krank war und mir kamen die Tränen. „Er hat Malaria.“ Eine junge Frau trat an meine Seite und streichelte dem Kleinen über den Arm, er musterte die Frau mit großen Augen.
„Seine Mutter ist tot, er ist schon seit ein paar Wochen hier, aber er ist sehr, sehr krank.“, erklärte sie und hob ihn hoch. „Wie heißt er?“, wollte ich wissen und die Frau lächelte. „Kiano, er ist jetzt drei Jahre alt.“ Der Arme hatte nicht mal genug Kraft, um seinen Kopf aufrecht zu halten, er sackte immer wieder zurück auf die Schulter der Krankenschwester.
„Wie krank ist er? Kann man ihm noch helfen?“ Meine Augen brannten schon und ich wusste, dass ich jeden Moment in Tränen ausbrechen würde. „Zu krank, manchmal kann man ihnen einfach nicht mehr helfen.“ Die erste Träne lief aus meinem Augenwinkel meine Wange herunter und sie legte mitfühlend eine Hand auf meinen Arm.
„Das ist hart, ich weiß. Jeden Tag zu sehen, wie die Kinder hier ankommen, krank, allein, verlassen, ist etwas, was nicht jeder erträgt. Man muss akzeptieren, dass man den Tod nicht immer besiegen kann. Er gehört zum Leben dazu und für manche Kinder ist es besser, wenn sie ihren Frieden finden.“ Ihre Worte ließen mich nur noch mehr in Tränen ausbrechen und ich drehte mich weg von der Kamera. Im Augenwinkel sah ich, wie Liam traurig den Kopf schüttelte und irgendwas Richtung Kamera sagte.
Kiano fing an zu weinen und ich verschränkte die Arme vor der Brust, atmete tief durch und versuchte die Tränen weg zu blinzeln.
Taina war ein kleines Mädchen, fünf Jahre alt und ihr fehlte eine Hand. Sie lag auf einem Krankenbett und blätterte in einem total zerfetzten Bilderbuch, als ich mich neben ihr Bett setzte, sah sie mich lächelnd an.
„Wer bist du?“, fragte sie, ihr Englisch war nicht gut, vermutlich hatte sie es auch nicht als Muttersprache gelernt. „Harry.“, antwortete ich, meine Stimme klang rau und ich wischte mir über die Augen. „Warum bist du traurig?“ Ich saß da und versuchte nicht auf ihre fehlende Hand zu starren, oder besser gesagt auf die Stelle, an die sie gehörte. Wie konnte sie so fröhlich sein?
„Weißt du, ich komme aus England, das ist ganz weit weg von hier. Da sieht vieles anders aus und ich bin hier, weil ich helfe, damit es euch bald besser geht. Ich bin traurig, weil viele Kinder hier krank sind und Schmerzen haben, oder von ihren Eltern getrennt sind. So was habe ich noch nie erlebt.“, versuchte ich langsam und deutlich zu erklären, damit sie mich verstand. Sie nickte und sah mich dann traurig an.
„Das war mein Papa.“ Sie hielt ihre Hand hoch und ich musste schonwieder schlucken und meine Tränen weg blinzeln. Warum tat man seinem Kind das an? „Meine Mama kenne ich nicht, Papa hat immer gesagt, dass sie wegen mir gestorben ist, aber das habe ich nie verstanden. Dann wollte er irgendwann, dass ich mein Kleid hochhebe und er hat mich ganz komisch angefasst, dann habe ich laut geschrien und ihn gebissen. Das hat ihn wütend gemacht und er hat ein Messer geholt. Dann hat er mich auf die Straße geworfen. Karla hat mich gefunden. Sie hat gesagt, sie kann meine Mama sein, wenn ich das möchte.“
Ich konnte nichts tun, ich fing an zu weinen, vergrub mein Gesicht in den Händen und stützte die Ellenbogen auf meine Knie. „Nicht weinen Harry.“, bat Taina mich und ich sah auf, sie lächelte schonwieder.
„Weißt du, das tut gar nicht mehr weh und in der Schule lerne ich bald zu schreiben mit meiner anderen Hand und dann kann ich später Lehrerin werden.“, erzählte sie stolz und ich stand auf. Ich konnte nicht mehr.
„Du wirst bestimmt eine tolle Lehrerin. Aber ich muss jetzt leider gehen, vielleicht komme ich später noch einmal wieder.“, flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme, mehr schaffte ich nicht. Zärtlich streichelte ich ihr über den Kopf und sah mich nach Liam um. Als ich ihn entdeckte, nahm ich seinen Arm und zerrte ihn nach draußen, weg von den Kameras, die weiter die Krankenstation filmten.
Als die schwere Tür hinter uns zu fiel, gaben meine Beine nach und ich ließ mich an der Wand zu Boden gleiten. Liam hockte sich neben mich und nahm mich in den Arm, während ich hemmungslos anfing zu weinen.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir. Das Produkt One Direction gehört nicht mir.
Bildmaterialien: http://4.bp.blogspot.com/-weljPLzbONw/USy5hS36WOI/AAAAAAAANO0/f7PaPBl_Q3Q/s1600/One+Direction+One+Way+Or+Another+Red+Nose+Day.jpg und http://www.promicabana.de/wp-content/uploads/2013/02/One-direction-Slums-Red-Nose-Day.jpg
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2013
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