„Herein.“, hörte ich die tiefe, angenehme Stimme meines Chefs und betrat sein Büro, dieses war hell und geräumig, im Moment wurde es von weihnachtlicher Dekoration verschönert. „Sie wollten mit mir sprechen?“, fragte ich und setzte mich auf den Stuhl vor dem mächtigen Schreibtisch, nachdem ich mit einer Handbewegung dazu aufgefordert wurde. „Allerdings, ich möchte gerne wissen, wie weit Sie mit den Vorbereitungen für die Weihnachtsfeier morgen sind.“ „Nun ja, alle Vorbereitungen sind abgeschlossen, morgen muss nur noch alles aufgebaut werden.“, informierte ich meinen Chef und er nickte zufrieden. „Sie sind einer meiner besten Mitarbeiter.“, lobte er mich und machte eine Kopfbewegung zur Tür, also stand ich auf, nachdem ich mich bedankt hatte und verließ das Büro.
Vor der Tür atmete ich erst einmal tief durch. Mein Chef, Herr Weiland, erfolgreicher Anwalt und Werbegesicht eines exklusiven Herrenausstatters, war wohl der Traum jeder Frau und jedem schwulen Mann. Ein großer, dunkelhaariger Mann, gerade 33 geworden, einen perfekt geformten Körper und ein Gesicht, bei dem ich mich fragte, wie es so makellos sein konnte.
Ich arbeitete als Finanzberater in seinem Büro und erledigte auch andere Aufgaben, wie eben zum Beispiel die Organisation der Weihnachtsfeier.
„Aljoscha, holst du mich dann morgen ab?“ Eine blonde Nervensäge kam auf mich zu getrippelt und warf die Haare nach hinten und lächelte süß. „Nein, werde ich nicht.“, antwortete ich kühl und wollte an Chloe vorbei gehen, diese ergriff meinen Arm und sah mich mit großen Augen an. „Ach bitte Joschi!“, bettelte sie und klimperte mit den Wimpern. „Geh mir nicht auf die Nerven und nenn mich vor allem nicht Joschi. Wann verstehst du endlich, dass ich auf Kerle stehe? Da kannst du dich noch so bemühen.“, schnauzte ich sie an, als ich dieses Mal an ihr vorbei wollte, lief direkt in die Arme meines Chefs. Schlagartig errötete ich und fuhr mir nervös durch die dunkeln Haare, als er mich angrinste.
„Ich habe mich gewundert, was für ein Krach vor meiner Tür stattfindet.“, erklärte er und ich öffnete seine Tür, deutete hinein. „Frau Lindner, Sie sollten wieder an ihre Arbeit gehen, Sie folgen mir bitte.“ Ich nickte ergeben und folgte dem gutaussehenden Mann in sein Büro. Ich würde wohl gekündigt werden, bestimmt hatte Herr Weiland etwas gegen meine Sexualität.
„Sie sind also schwul.“, stellte er lächelnd fest, als er die Tür seines Büros geschlossen hatte. Ich stand in der Mitte des Raumes und wusste nicht wirklich, was ich tun sollte. „Ähm…ja.“, antwortete ich leise und sah auf meine Schuhe. „Entspannen und setzten sie sich doch.“, hörte ich die Stimme meines Chefs genau neben meinem Ohr und ich hätte beinahe einen Satz nach vorn gemacht. Schnell kam ich der Aufforderung nach und auch mein Chef setzte sich.
„Ich möchte, dass sie mir Bescheid geben, wenn Sie in diesem Büro Probleme wegen ihrer Sexualität bekommen.“ „Ähm…natürlich.“, brachte ich verwundert hervor und nickte. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Er sah auf seine Uhr und stand auf, ich erhob mich ebenfalls. „Ich habe noch einen wichtigen Termin.“ Wieder nickte ich und verließ dann das Büro.
„Und das hat er wirklich gesagt?“ Ich lächelte und trank einen Schluck von meinem Kaffee. „Ja doch.“ „Vielleicht ist er ja selbst schwul und steht auf dich.“, vermutete Valérie und grinste mich breit an. Ich saß bereits eine Stunde mit ihr in einem Café und erzählte ihr, was sich vor meinem Feierabend abgespielt hatte.
„Na klar und morgen auf der Weihnachtsfeier gesteht er mir dann seine Liebe. Wir leben nicht im Märchen.“, antwortete ich nüchtern. „Ach komm schon, so unrealistisch ist das auch nicht.“ „Was soll denn an mir so besonders sein, mit dem ich bei ihm mithalten kann?“ Entrüstet sah Valérie mich an. „Wann hast du Idiot eigentlich das letzte Mal in den Spiegel geguckt? Du bist ein ziemlich heißer Mann, der locker mit diesem Wichtigtuer mithalten kann. Außerdem bist du intelligent und kannst mit deinen 29 Jahren schon ein recht nettes Gehalt vorweisen. Du wirst morgen in einem Outfit auf diese Weihnachtsfeier gehen, bei dem dieser Kerl gar nicht anders kann, als dich in das nächste leere Büro zu zerren.“ Triumphierend grinste die Braunhaarige mich an und winkte einen Kellner herbei, um zu bezahlen.
„Bitte was?“, fragte ich nur, total erschlagen von ihren Worten. „Du hast schon richtig gehört. Wir beide werden jetzt shoppen gehen.“ Sie legte das Geld auf den Tisch und zog mich aus dem Café.
„Nein, nein, nein. Ich werde bestimmt nicht mit dir shoppen gehen!“, protestierte ich vor der Tür, dies schien Valérie keinen Moment zu stören, sie zog mich ungerührt durch das Einkaufszentrum und schließlich in einen Laden. Meine Kreditkarte würde diesen Tag noch bereuen.
Nachdem das blauäugige Monster mich drei Stunden lang durch sämtliche Läden geschliffen und in gefühlt hunderte Klamotten gesteckt hatte, fand sie schließlich etwas, von dem sie der Meinung war, dass es perfekt geeignet wäre. Mit dieser Ausbeute waren wir schließlich zu mir nach Hause gefahren, wo ich die Sachen natürlich noch einmal anziehen musste.
Allerdings musste ich zugeben, dass ich wirklich nicht schlecht aussah. Valérie hatte mich genötigt eine schwarze Jeans zu kaufen, von der ich mir nicht sicher war, ob sie nicht doch aus der Frauenabteilung stammt, so eng, wie sie saß. Dazu hatte sie ein rotkariertes Hemd ausgesucht.
Die Ärmel leicht hochgekrempelt und die obersten Knöpfe geöffnet stand ich nun vor dem Spiegel und musterte mich. Mein slawisches Aussehen gefiel mir gut, Valérie machte sich noch an meinen Haaren zu schaffen und redete auf mich ein, obwohl ich ihr schon lange nicht mehr zuhörte.
„Joschi, du siehst umwerfend aus!“, stellte Valérie schließlich fest, nachdem sie fertig war, meine Haare zu richten, ich brummte unbestimmt. „Es ist schon akzeptabel.“, gab ich zu, meine Stylistin stemmte die Hände in die Hüften. „Na hör mal! Wie wäre es mal mit etwas mehr Selbstbewusstsein? Du wirst ihn morgen umhauen!“ „Wenn du das sagst.“ So ganz überzeugt war ich ja nicht, zumal ich sowieso nicht wusste, ob er wirklich auf Kerle stand.
„Die Stehtische dort hin und das Geschirr bitte zum Büffet.“, wies ich die Lieferanten an und blätterte unruhig auf meinem Klemmbrett herum, mit ich im Eingangsbereich der Geschäftsräume stand und versuchte den Aufbau für die Weihnachtsfeier zu koordinieren. Bis jetzt lief alles nach Plan und ich war wirklich froh darüber, ich musste nämlich noch nach Hause um mich umzuziehen.
Tatsächlich wurde alles rechtzeitig fertig und ich konnte entspannt nach Hause fahren, duschen und mich umziehen. Kurz bevor ich losfahren wollte, klingelte das Telefon. „Ich wünsch dir viel Glück für heute Abend. Und wehe ich bekomme morgen keinen Anruf, bei dem du mir in allen Einzelheiten erzählst, wie du ihn dir geschnappt hast.“, plapperte Valérie ohne Begrüßung drauf los und ich grinste. „Jaja, aber jetzt muss ich los.“, wimmelte ich sie ab und legte auf, ich wollte nicht zu spät zur Begrüßung kommen.
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Tag der Veröffentlichung: 17.12.2012
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