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Mein Wecker klingelte und ich schlug gähnend darauf, damit das Nerv tötende Geräusch endlich aufhörte. Mit geschlossenen Augen angelte ich nach dem Schalter für meine Nachttischlampe und knipste das kleine Licht an, blinzelnd sah ich mich im Raum um. Durch mein Fenster schienen noch die Straßenlaternen, es war stockfinster draußen und ich hatte noch weniger Lust überhaupt erst aufzustehen. Als ich dann auch noch daran dachte, dass ich zwei Tage vor Weihnachten in die Innenstadt musste, um weiter nach einem Geschenk zu suchen, drehte ich mich stöhnend auf die Seite und hätte am liebsten weiter geschlafen. Aber dann würde ich mit meiner Planung nur noch weiter nach hinten fallen und ich quälte mich aus dem Bett und schlürfte ins Bad.
Glücklicherweise hatte ich am Vortag meine letzte Vorlesung für dieses Jahr hinter mich gebracht und hatte bis zum Januar erstmal keinen Stress mehr mit der Uni und konnte mich voll und ganz auf Weihnachten konzentrieren.

Als ich geduscht, mit einem Handtuch um die Hüften, aus dem Bad kam, lief mir meine Mitbewohnerin Sue über den Weg, sie wirkte ebenso verschlafen, wie ich es bis vor ein paar Minuten gewesen war und brummte mir nur ein „Morgen.“ zu, dann verschwand sie ebenfalls im Bad.
Ich warf ein Blick auf das Thermometer in meinem Zimmer und zog dann meinen wärmsten Pullover aus meinem Schrank, da draußen Minusgrade herrschten, vielleicht würde es heute endlich schneien, dann hätten wir zumindest weiße Weihnachten. Ich wusste, dass Lou sich weiße Weihnachten mehr als alles andere wünschte, damit konnte ich nur leider nicht dienen und ich verfiel wieder ins Grübeln, was zum Teufel ich ihm schenken konnte. Ich kaufte Geschenke immer Anfang Dezember und das reichte meist auch völlig aus und ich hatte schon alles zusammen, die Geschenke für meine drei Mitbewohner, für meine Eltern, meinen kleinen Bruder, aber für meinen besten Freund, da fand ich einfach nichts.
Ich kannte ihn jetzt schon seit drei Jahren, wir hatten zusammen angefangen zu studieren, waren neu in der Stadt gewesen und kannten, bis auf die Leute mit denen wir zusammen wohnten, niemanden und hatten uns direkt von Anfang an gut verstanden. Ich wusste alles über ihn, kannte seine Lieblingsorte, sein Lieblingsessen, wusste, was er verabscheute und was er liebte und trotzdem hatte ich einfach keine Idee für das perfekte Weihnachtsgeschenk.
„Felix, es gibt Frühstück.“ Eric hatte seinen Kopf durch die Tür gestreckt und ich nickte. „Bin gleich da.“ Ich schlüpfte noch in meine warmen Hausschuhe und ging in die Küche. Dort hatten Eric und Jana schon den Frühstückstisch gedeckt, die Kerzen auf dem Adventskranz brannten auch und es roch nach frischem Kaffee. Ich setzte mich an meinen Stammplatz, auf dem Brettchen lag schon ein, noch warmes, Brötchen und Jana goss mir Kaffee ein, den ich auch dringend benötigte, damit meine Gehirnwindungen endlich in Gang kommen würden und ich bedankte mich bei der rothaarigen, jungen Frau. Sie wohnte noch nicht lange in unserer WG, hatte sich aber schnell eingefunden und keiner von uns anderen wollte sie wieder gehen lassen, wenn wir Jana nicht hätten, würden wir wieder regelmäßig im Chaos versinken, weil weder Eric, noch Sue oder ich ordentliche Menschen waren.
Unsere zweite, weibliche Mitbewohnerin betrat ebenfalls die gemütliche Küche und ließ sich gähnend auf ihren Platz fallen, die nassen, blonden Haare hatte sie im Nacken zusammen gebunden, aber die Dusche schien sie nicht wirklich wach bekommen zu haben.
„Also, was steht heute so an?“, fragte Eric gut gelaunt und bis in sein Brötchen, von dem ein Kleks Bratapfelmarmelade tropfte. „Weihnachtsbaum kaufen, schmücken, dekorieren, putzen. Würde mir jedenfalls so einfallen.“ Ich nickte Jana zustimmend zu. „Ihr müsst nur erst auf mich verzichten, tut mir leid, aber ich muss nochmal in die Stadt, ich hab noch immer kein Geschenk für Lou.“ „Mensch Felix, das kann doch nicht so schwer sein, für den besten Freund ein Geschenk zu finden. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten du seist über beide Ohren in ihn verschossen.“, vermutete Sue und ich verschluckte mich an meinem Essen. Ich war nicht in ihn verliebt, nein! Ich schüttelte den Kopf, Sue zuckte mit den Schultern. „Wäre ja nicht das erste Mal, dass du n Kerl anschleppst.“, warf Eric ein. Das stimmte, aber ich war trotzdem nicht in meinen besten Freund verliebt. „Trotzdem.“, grummelte ich und nahm einen Schluck von meinem Kaffee. „Komm schon Felix, du weißt, dass Sue Recht hat, du solltest dich mal sehen, wenn du mit Lou zusammen hängst oder wenn er dir ein Kompliment macht.“ Jana legte mir eine Hand auf den Arm und sah mich eindringlich an, ich seufzte. Na gut, vielleicht hatten sie doch Recht, aber nur ein kleines bisschen. „Ist doch völlig egal, das löst mein Problem mit dem Geschenk trotzdem nicht.“, lenkte ich ab und schob mir den Rest meines Brötchens in den Mund und stand auf. „Ich geh dann, bevor es richtig voll ist. Bis später.“, verabschiedete ich mich, bevor meine Freunde weiter Vermutungen über mein Liebesleben anstellen konnten.
Im Flur schnappte ich mir mein Handy, Portmonee und die Schlüssel, schlüpfte in meine Jacke und meine warmen Winterschuhe, band mir den dicken Schal um, den ich letztes Jahr von Lou bekommen hatte und zog meine Lieblingsmütze tief ins Gesicht, dann verließ ich die Wohnung und betrat den kalten Hausflur.

Ein Bus brachte mich in die Innenstadt, direkt zum Bahnhof und ich holte mir einen Coffee to go, damit ich nicht erfror, ehe ich mich auf den Weg machte, die verschiedenen Geschäfte abzuklappern, die Verkäufer kannten mir vermutlich auch schon, weil ich in den letzten Wochen öfter hier entlang gelaufen war.
Ich stand am Schaufenster eines Schmuckladens und betrachtete ein Lederarmband, bei dem ich schon mehrmals überlegt hatte, es Lou zu schenken, als mein Handy klingelte und dieser mich anrief. „Ich war grad bei dir zu Hause, Jana sagt du bist in der Stadt.“, begrüßte er mich. „Ich muss noch ein paar Geschenke einkaufen.“, antwortete ich und lief weiter, drängte mich an den Menschen vorbei, die mit kleinen Kindern die Straßen verstopften und staunend die Dekoration betrachteten. „Soll ich dir helfen?“, bot er freundlich an und ich seufzte. Gerne hätte ich seine Hilfe angenommen, aber das war ja leider nicht möglich. „Ehrlich gesagt, nein. Ich such noch ein Geschenk für dich.“, gab ich zu und hörte den Schwarzhaarigen am anderen Ende der Leitung lachen. Ich musste mir vorstellen, wie seine dunklen Augen dabei blitzen und lächelte. Na gut, ich war vielleicht wirklich ein klein wenig in ihn verliebt. „Du weißt nicht, was du mir schenken sollst, richtig? Sonst hättest du nämlich schon längst eins.“ Dieser Kerl kannte mich einfach viel zu gut. „Ich find schon noch was.“ Ich warf meinen leeren Kaffeebecher in einen Mülleimer und sah in ein Schaufenster für Deko-Artikel. „In Wirklichkeit hast du keine Ahnung.“, stellte mein bester Freund fest. „Ist ja gut, du hast ja Recht! Ich hab nicht die leiseste Ahnung, was ich dir schenken soll, zufrieden?“, maulte ich beleidigt und Lou lachte wieder. „Soll ich dir sagen, was ich mir wünsche?“, fragte er und ich brummte. „Schnee, das weiß ich schon.“ Die Idee kam mir wie ein Geistesblitz. Natürlich! „Ja, das stimmt, ich wünsch mit Schnee, aber auch noch…“ „Vergiss es, ich weiß was.“, unterbrach ich ihn. „Man sieht sich dann Weihnachten.“, verabschiedete ich mich, legte auf und steuerte das nächste Reisebüro an.
„Guten Tag, was kann ich für sie tun?“, fragte eine junge Frau mich freundlich und ich ließ mich auf den Stuhl vor ihrem Tisch fallen. „Ich hätte gerne eine Reise vom 27. bis zum 30. Dezember in eine kleine Pension, irgendwie da, wo es mit Sicherheit Schnee gibt.“, äußerte ich meinen Wunsch und sie lachte hell auf. „Haben sie vielleicht etwas genauere Wünsche?“ „Naja, es darf nicht zu teuer sein, für zwei Personen, möglicherweise nach Österreich oder in die Schweiz oder nach Bayern oder so.“, präzisierte ich meinen Wunsch und die Frau tippte etwas in den Computer ein, dann drehte sie nach ein paar Mausklicken den Bildschirm und präsentierte mir einen Text und Bilder. „Das hier ist eine kleine Unterkunft in Bayern, die noch freie Zimmer hat. Frühstück, Mittagessen und Abendrot sind im Preis inbegriffen, es gibt gute Anbindungen in die nächste Stadt und ist nicht ganz so teuer.“ Ich überflog die Informationen auf dem Bildschirm und nickte. „Das nehme ich.“
Wir schlossen den Verkauf ab und ich fuhr glücklich nach Hause, ich hoffte nur, dass Lou das Geschenk gefallen würde.

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Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Bildmaterialien: Alle Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2012

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