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Prolog




Liebes Tagebuch,
heute ist das passiert wovor ich schon so lange Angst hatte. Er hat es wirklich getan, sich wirklich getraut. Ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr! Was soll ich denn machen ? Ich weiß es nicht! Ich bin so verzweifelt.Wie er nach Hause kam, die Augen glasig und das Gehirn vernebelt voll Alkohol. Wie sein Blick dann mich traf, wie ich mich unter seinem Blick wand. Er kam zu mir und zog mich an den Haaren hinter sich her in sein Schlafzimmer. Dort schubste er mich auf sein Bett, doch ich versuchte sofort wieder auszustehen und wegzurennen. Das machte ihn anscheinend wütend denn er kämpfte sich auf mich und zog aus einer Schublade, Handschellen heraus. Schon da rannen mir die Tränen wie Sturzbäche herunter und ich schrie wie am Spieß. Genau in dem Moment wo ich das klicken der Handschellen hörte wurde mir klar das ich keine Chance mehr hatte. Das ich verloren war, allein. Mich widerte dieses eklige Gesicht an, seine hervorquellenden Augen, seine aufgerissenen Lippen und sein nach Alkohol stinkender Atem. Wie er zufrieden auf mich herab sah und sich daran machte sich selbst auszuziehen. Ab diesem Moment schloss ich die Augen, so wollte ich seine widerwärtige Visage nicht sehen. Als ich dann auch noch seine ekligen Hände auf mir spürte stieg Galle in mir auf. Ich musste mich zusammenreißen ihn nicht geradewegs an zu kotzen.
Meine Hände krallten sich in die Handschellen und ich hielt mich an den Ketten fest. Den Akt selbst sah ich wie von einer anderen Person aus. Ich hatte das Gefühl als würde mein Geist und meine Seele meinen Körper verlassen und ich würde auf meinen reglos daliegenden Körper herabsehen. Zuschauen wie von einer anderen Person wie ein alter stinkender Mann den Körper eines wunderschönen jungen Mädchens vergewaltigte, dass mit Handschellen an ein Gitterbett gefesselt war. In diesen Momenten spürte ich gar nichts mehr. Als er nach einer gefühlten Ewigkeit dann endlich von mir abließ, war ich nicht nur keine Jungfrau mehr, ich hatte auch keine Würde mehr.
Dieser Tag war bisher der schlimmste meines Lebens. Dagegen war der Rest nichts.
Oh Gott tut es weh das hier alles nieder zuschreiben. Der Schmerz der mich noch mal oder schon wieder zu überwältigen droht zu spüren. Mein Leben kann gar nicht noch schlimmer werden...
Nur noch besser, will ich hoffen. Doch wenn ich auch nur einen Wunsch frei hätte, ich wüsste sofort was ich mir wünschen würde; Glück. Ich wünschte ich wäre glücklich.
2. Mai 2010 / 1:55 nachts
Lolita

Kapitel 1




9.September 2013 / 7:50 morgens
Mal wieder stand ich wie jeden Morgen vor dem Spiegel. Was sollte ich anziehen? Es war Sommer aber mein Bauch und meine Handgelenke zeigten blaue Schattierungen von letzter Nacht. Mein Stiefvater schlug und vergewaltigte mich. Damit ich niemanden erklären musste von wem ich diese Zeichen und Narben trug, zog ich immer lang ärmliche Pullover und Jeans an.
Heute entschied ich mich für einen blauen Schlabberpulli und eine einfache Jeggings. Ein bisschen Schminke drauf und fertig. Ich wurde eh nie von jemanden beachtet und gelte als Freak in der Schule also musste ich mich auch nicht sonderlich aufbrezeln. Da es zum Glück nur ein paar Meter sind musste ich nicht mit dem Bus fahren. Ich schnappte mir noch meine Umhängetasche und einen Apfel aus der relativ sauberen Küche, dich ich immer sauber hielt und machte mich auf den Weg ins Verderben. Ich hasste die Schule. Nicht an sich das Lernen und die Arbeiten oder die Lehrer. Aber die Schüler. Ich hasste ihre Blicke, ihr vor geheucheltes Mitleid und ihre Lästermäuler. Als ich ankam passte das Wetter genau zu meiner Laune. Es regnete und ich war auch noch 10 Minuten zu spät dran. Ich beeilte mich in das dreckige Backsteingebäude zu kommen und rannte über den großen Schulhof während der Regen auf mich niederprasselte. Ich zog kräftig an der schweren Tür damit sie quietschend aufging und ich endlich dem nassen Wetter entfliehen konnte. Meine braunen langen Haare klebten mir in wilden nassen Strähnen im Gesicht und meine Kleidung hing nass und schwer an mir herunter. Ich kam extra jeden Tag ein paar Minuten zu spät um den gaffenden Blicken meiner Mitschüler zu entgehen. Also beeilte ich mich durch die langen weißen Flure zu rennen damit ich nicht so viel zu spät kam. Vor der schwarzen Klassenzimmertür hielt ich noch einmal an, atmete tief durch und ließ mein Gesicht erstarren. Jede kleinste Gefühlsregung glitt von meinem Gesicht und über meine ganzen Emotionen legte sich eine Mischung aus Distanz und Emotionslosigkeit. Ich fühlte mich in diesen Momente nur noch alleine. Aber auch schwerelos.
Mit einem tiefen lautlosen Seufzen öffnete ich die Tür und zog mit der anderen Hand meine Kapuze mir noch tiefer ins Gesicht. Es war wie jeden Morgen, denn die Augen jedes einzelnen fielen wie magisch auf mich. So schnell ich konnte huschte ich durch die Reihen auf den leeren Platz in der letzten Reihe. Doch genau als ich mich hinsetzten wollte stockte ich denn auf meinem Platz lag bereits ein College-block und ein Stift. Verwundert schaute ich auf. Noch nie hat sich jemand getraut sich auf den Platz des Freaks zu setzten. Karamell braune Augen trafen auf Eis blaue Augen.
Schwerelosigkeit traf auf Lebensfreude. Wenn das mal gut geht. Im Hintergrund hörte ich schon leises Getuschel. Es war kein Einzelplatz also musste ich mich wohl oder übel neben den Fremden mit diesen wunderschönen Eis-blauen Augen setzten. Schnell senkte ich wieder meinen Blick als mir bewusst wurde das ich ihn immer noch anstarrte. Ich hörte wie er neben sich die Tasche auf den Boden stellte und so setzte ich mich schnell neben ihn. Meine schwarze Umhängetasche hing ich über die Stuhllehne und meinen dicken Pulli zog ich erst gar nicht aus sonst konnte man noch die Folgen von letzter Nacht sehen. Mein Stiefvater war mal wieder voll und ohne Gnade gewesen. Ich hatte noch versucht mich zu verstecken doch er fand mich und verprügelte mich. Unter Schmerzen konnte ich mich noch in mein Zimmer retten und die Tür abschließen. Deshalb auch meine Maske. Damit niemand mitbekam was dort ablief. Warum ? Was würde sich ändern ? Ich würde in ein Heim kommen oder zu Pflegeeltern. Das wollte ich erst recht nicht. Dann ertrug ich das hier lieber weiter bis ich volljährig bin als wegzumüssen. Ich konnte neben mir jede klitzekleine Bewegung wahrnehmen. Spürte jede kleinste Bewegung des fremden Jungens. Starr starrte ich aber auf meinen College-block. Doch ich konnte spüren wie Eis-blaue Augen mich regelrecht mit ihren Blicken durchbohrten. Dann hörte ich den erlösenden Ton. Die Klingel. Der Lehrer kam pünktlich und fing an ohne Punkt und Komma zureden. Nach etwa 5 Minuten schoss die Hand des neuen wirklich hübschen Jungen neben mir nach oben. „Ja?“ fragte der Lehrer verwirrt. „Ich bin neu hier.“ sprach plötzlich eine wunderschöne Bassstimme. Mein Gott, die Stimme jagte mir tausend Schauer den Rücken herunter. Sie war angenehm und abenteuerlich zugleich. „Ach so, ja, dann stell dich doch mal kurz vor.“ antwortete der Lehrer. „Okay, mein Name ist Markus aber ich werde Mark genannt. Ich bin 18 Jahre alt und grade hier her gezogen.“ sagte Mark selbstbewusst. „Okay na ja, dann hoffe ich das du dich gut bei uns einfindest … Celine, hier, wird dich ein bisschen herumführen.“
Als ihr Name viel sah Celine von ihren perfekt manikürten Fingernägeln auf und schaute sich Mark genauer an. Was sie sah schien ihr sogar mehr als zu gefallen. Sie spitze die Lippgloss verschmierten Lippen und klimperte mit ihren falschen Wimpern. Ich wendete meinen Blick wieder ab und schaute zum wiederholten Male auf meinen College-block in den ich schon wieder eine Szene gemalt hatte. Malen, das konnte ich gut, beziehungsweise zeichnen. Der Lehrer fuhr mit seinem Sinnlosen Geschwätz über irgendetwas physikalisches fort und ich versuchte den Duft der auf einmal von Mark kam und wirklich richtig gut roch, zu ignorieren. Dieser Junge war schon eigenartig.

Kapitel 2


Die ganze Doppelstunde lang konnte ich mich kaum konzentrieren. Der Unterricht zog an mir vorbei doch ich konnte diese Eis-blauen Stahlaugen auf mir fühlen während ich zusammengesunken auf meinem Stuhl saß und meinen College-block vollkritzelte. Als die Pausenklingel ertönte war ich noch nie so glücklich die Klasse verlassen zu können. Schneller als der Blitz hatte ich meinen College-block und mein Mäppchen in meine Tasche geworfen und war aufgesprungen. Ich sauste aus der Klasse und rannte regelrecht durch die Gänge. Immer wieder hatte ich das Gefühl das die Eis-blauen Augen mir folgten doch als ich dann das Mädchenklo betrat war dieses verschwunden. Erschöpft lehnte ich mich an die Wand und ließ mich sinken. Ich lehnte meinen Kopf nach hinten an die kalten weißen Fließen und schloss die Augen. Ich drehte doch echt durch! Verdammt noch mal, ich musste mich beruhigen. Er ist doch nur ein ganz normaler Junge, da durfte ich doch nicht so ausflippen! Kurzerhand rappelte ich mich wieder auf, trat vor das Waschbecken und hob den Kopf. Ich sah in geweitete Pupillen und große braune Augen. Meine Haare standen mir wild vom Regen vom Kopf ab und meine Stirn war stark gerunzelt. Ich drückte auf den Wasserhahn und schaufelte mit meiner Hand mir Wasser ins Gesicht. Immer noch erschöpft stützte ich mich auf dem weißen Stein des Waschbeckens ab und ließ den Kopf hängen. Nach kurzer Zeit holte ich aus meiner Tasche eine Bürste und kämmte mir die braunen langen Haare. Jetzt sah ich wieder einigermaßen in Ordnung aus. Ich schulterte meine Tasche und trat wieder aus der Mädchentoilette.
Ohne auf die andern zu achten sah ich auf die Uhr. Mir blieben noch 3 Minuten zur nächsten Stunde. Ich hatte wohl in der Toilette vollkommen die Zeit vergessen. Ich beeilte mich schnell wieder in meinen Klassenraum zu kommen.

Dort ließ ich mich sofort wieder auf meinen Platz fallen und zog die Kapuze meines blauen Pullis über meinen Kopf. Mechanisch zog ich meinen College-block und mein Federmäppchen aus meiner Tasche und fing an zu zeichnen. Dies war meine einzige Zuflucht. All meine Emotionen drückte ich in Bildern aus. Das diese dann immer im Müll landen ließ mich nur auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Denn mein Leben war genau das. Ein Bild, mit vielen Facetten, Emotionen und Winkeln. Doch im Grunde landet es immer wieder im Mülleimer. Diesmal zeichnete ich ein kleines Mädchen. Es lag in ihrem süßem Zimmer und ein schwarzer Schatten beugt sich über sie. Es stellte genau meine Situation dar. Ich war dieses kleine Mädchen und der grauenhafte Schatten vor dem sie so große Angst hatte, war mein Stiefvater. Dem süßen kleinen Mädchen in ihrem kurzen Nachthemd und die Decke bis zum Kinn hochgezogen, liefen die Tränen ihre Wangen herab. Sie sah verängstigt zu dem Schatten hoch der mit langen Krallen und weit aufgerissenem Maul nach ihr trachtete. Ihre panische Angst schien in diesem Moment nur all zu verständlich. So in meine Zeichnung vertieft bekam ich gar nicht mit das sich Mark wieder neben mich gesetzt hatte und der Lehrer schon lange mit dem Unterricht begonnen hatte. So vertieft in meine Zeichnung war ich schon lange nicht mehr. Normalerweise bekam ich auf einem Ohr immer noch etwas vom Unterricht mit und konnte im Zweifelsfall, falls der Lehrer eine Frage an mich richtete, antworten. Doch jetzt faszinierte mich meine Zeichnung so sehr das ich nichts mehr mitbekam. So bekam ich auch die Frage, die mir der Lehrer stellte, nicht mit. Erst als mir jemand sanft in die Seite knuffte, er aber einen großen blauen Fleck erwischte den mein Stiefvater mir hinterlassen hatte, stöhnte ich kurz vor Schmerz auf, hob aber meinen Kopf und sah wieder mal in Eis-blaue warme Augen. Kurz versank ich in diesen wunderschönen Augen, als hätte ich Jahre nichts anderes gesehen. Doch als ich bemerkte das er leise seine vollen Lippen bewegte, sah ich ihn fragend an und tauchte langsam auf, aus meiner eigenen Gedankenwelt. Meine Ohren durch die jetzt wie Zuckerwatte, diese tiefe Bassstimme trat, fingen langsam an wirklich zu hören. „Der Lehrer hat dich gefragt etwas gefragt!“ flüsterte er und damit ich mir nicht schon wieder diesen Pein gab und in seinen Augen versank, fixierte ich seine Lippen. Doch als ich seine Worte realisierte, schoss mein Blick nach vorne. Die gesamte Klasse starrte mich an, einschließlich des Lehrers. Doch durch die Blicke, setze ich sofort wieder meine Maske auf, die dieser Junge kurz zum wanken brachte. „Entschuldigen Sie, ich habe nicht zugehört. Würden sie die Frage wiederholen?“ presste ich höflich, doch gefühlskalt heraus.

„Natürlich, aber Lolita, das möchte ich nicht noch einmal sehen ! Pass gefälligst auf. Also, wir sprachen ja gerade über das Buch was ihr Zuhause bis Seite 200 lesen solltet und ich möchte von dir wissen was du davon hältst. Keine Zusammenfassung sondern deine Emotionen die du dabei hattest als du das gelesen hast.“ erklärte mein Lehrer mir. „Tzz, Emotionen ? Hat das diese gefühlskalte Pute überhaupt ?!“ zischte plötzlich Celine zu ihrer Gefolgschaft, doch gerade so laut das die gesamte Klasse es hörte. Zum einem musste ich ihr völlig recht geben, denn meine Emotionen zeigte ich nun mal keinem. Eigentlich nur meinem Tagebuch und vielleicht noch in meinen Bildern, die doch auch keiner zu Gesicht bekam. Ohne also auf Celines Sticheleien einzugehen antwortete ich dem Lehrer was er erwartete. Ich spielte ihm die Emotionen vor die man vielleicht bei so was empfand und ich denke er war mit meiner Antwort zufrieden, da er sie nicht weiter kommentierte. Sobald er seinen Blick von mir abwandte und auch die gesamte Klasse endlich aufhörte mich anzustarren wie ein Tiger im Käfig, wollte ich mich schon wieder meinem Bild zuwenden und nur mit einem Ohr zuhören als ich bemerkte das ein Blick immer noch auf mir lag. Kurz lunste ich in seine Richtung denn ich spürte genau das mich seine blauen Augen bei jeder Regung verfolgten, während seine Stirn eine süße Falte schmückte. Moment mal ? Hatte ich ihn grade als süß bezeichnet ? Lolita, hast du sie noch alle ?! Um mein unnötiges Selbstgespräch in Gedanken zu beenden ,wand ich mich jetzt doch wieder meiner Zeichnung zu und zum Glück beachtete mich der Lehrer den Rest der Stunde nicht. Auch danach brachte ich den Rest der Schule schnell hinter mich und rannte dann förmlich nach Hause. Klar, war es da nicht besser aber zum Glück kam mein Stiefvater immer erst abends nach Hause, so dass ich mich erst dann verstecken musste. Doch das kleine Häuschen erdrückte einen manchmal, nahm einem die Luft zum Atmen, erdrückte mich, so dass ich mir wünschte ein Vogel im Wind zu sein, zu fliegen, frei zu sein. Was würde ich nicht alles geben um endlich glücklich zu sein ? Doch wie hätte ich ahnen können das, dass Glück zum greifen nahm war.


-Mark-
Schon als sie den Raum betrat konnte ich meinen Blick nicht mehr von ihr lassen. Sie hatte zwar ihre Kapuze tief in ihr Gesicht gezogen doch trotzdem lugte an der Seite ein paar nasse dunkelbraune Strähnen ihres Haares heraus. Mit gesenktem Kopf schlich sie, geschmeidig wie eine Katze, durch die Reihen genau auf mich zu. Sie konnte mich noch nicht entdeckt haben, dazu war ihr Blick auf den Boden gerichtet. Zwar konnte ich so ihre Augen nicht erkennen, doch irgendwie umgab sie etwas schwereloses. Auch alles anderen aus meiner neuen Klasse starrten das Mädchen an. War sie etwa auch neu hier ? Doch nein. Die Augen die sie verfolgten, waren keineswegs neugieriger Natur, sowie bei mir, sondern in den Augen meiner Mitschüler spiegelte sich Hass, Verachtung und Neid. Dabei sah das Mädchen mit den nassen Haaren und dem blauen Schlabberpulli wirklich nicht so aus als ob man es hassen könnte. So in meine Überlegungen vertieft und sie weiterhin anstarrend hatte ich gar nicht bemerkt wie sie sich genau auf mich zubewegt hatte. Jetzt hob sie auf einmal den Kopf und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl das sich meine Lungen zusammenzogen, ich nicht mehr atmen konnte und mein Herz für einige Sekunden stehenblieb bevor es begann unaufhaltsam zu pochen. Meine blauen Augen versanken regelrecht in ihren karamell-braunen. Erst lief es mir kalt den Rücken herunter, als ich keinerlei Gefühlsregung in ihrem so starren, elfenhaftem Gesicht erkannte. Normalerweise sind die Augen doch der Spiegel zur Seele ? Doch ihre zeugten von tiefer Traurigkeit, von Selbsthass und Zweifel doch über all diesen Gefühlen lag ein dicker Schleier von Emotionslosigkeit. Trotzdem konnte ich einen klitzekleinen Funken von Erstaunen erkennen, als sie realisierte das ich auf ihrem Platz saß. Schon hoffte ich das sie mich vielleicht ansprach, doch meine Hoffnung wurde sofort zunichte gemacht als sie ohne einen Mucks von sich zu geben ihre Tasche an den Tisch stellte und sich neben mich setzte. Gerade wollte ich mich bei ihr vorstellen und sie nach ihrem Namen fragen da wurde ich auch schon unterbrochen, denn der Lehrer betrat den Raum. Den ganzen Unterricht über konnte ich meine Augen kaum von ihr lassen, so sehr grübelte ich darüber nach was wohl der Grund für ihre so tiefe Trauer sein mag. Eigentlich kannte ich dieses Mädchen gar nicht und es musste mich auch nicht interessieren wieso sie so Gefühlskalt rüber kam aber irgendwie hatten mich ihre Art und ihre Augen verzaubert. Doch sie schien gar keine Notiz von mir zu nehmen, so starrte sie den ganzen Unterricht über auf ihren College-block und kritzelte darin herum.Und in diesem Moment nahm ich mir vor diese harte Nuss zu knacken. Nicht, weil ich einer dieser hirnlosen Player war, die einfach Jedes Mädchen haben wollten, sondern einfach, weil ich diesen manchmal wirklich nervigen Helferkomplex hatte. Ich wünschte ich konnte einfach alles und jeden retten, die ganze Welt am liebsten, doch ich musste erst einmal klein beginnen. So nahm ich mir vor die gefühlskalte Maske dieses Mädchens, dessen Namen ich noch nicht einmal kannte, einzureißen und ihr ein bestimmt bezauberndes Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Doch um das zu erreichen, musste ich sie erst einmal kennen lernen, so dass sie mir vertraute. Das ich dabei mein Herz verlor, hatte ich in diesem Augenblick nicht einmal zu träumen gewagt.

 

Kapitel 3

Nachdem ich also endlich die Tür hinter mir zu schmiss und die leicht vermoderte Luft einatmete, war ich mir sehr sicher diesen Ozean-Blauen Tiefen entflohen zu sein. Ich hatte keine Ahnung wieso dieser Junge meine Emotionen so aufleben ließ. Wieso er mich so verwirrte ? Dabei hatte er noch nicht einmal richtig mit mir gesprochen. Er hatte mich nur angesehen. Doch seine Blicke ließen mich nicht kalt, wie die der anderen. Erschöpft ließ ich meine Tasche fallen und schlüpfte aus meinen Schuhen. Wie gewohnt rissen mich meine Verletzungen und blauen Flecken in die Realität zurück. Schule war jedes Mal anstrengend, doch dieses übertraf einiges. Egal. Ich wollte meine Gedanken jetzt nicht wieder an die Ozean-Augen hängen, weshalb ich in die Küche ging und in den Kühlschrank sah. Gähnende Leere sprang mir entgegen. Außer drei Sixpacks Bier war nichts mehr da. Das bedeutet ich musste wieder einmal einkaufen gehen. Aber dafür brauchte ich Geld. Zu meinem Glück aß, Frank – mein Stiefvater -, nie Zuhause. Er trank nur. Schon öfters musste ich für ihn zu skurrilen Typen und für ihn Alkohol kaufen. Nicht gerade schön wenn man dabei auch noch begafft wird, wie ein rohes Stück Fleisch. Schnell flitze ich also die schmale Holztreppe, eine Etage höher um aus meinem Geheimversteck etwas Geld zu entnehmen. Von dem Geld was ich durch meine Arbeit gespart hatte und so gesammelt hatte, wollte ich eines Tage studieren. Aber jetzt musste ich erst einmal versuchen damit durch die nächste Zeit zu kommen. Unter einer Diele lag also die kleine Dose in der sich bis jetzt schon mehrere Hundert Euro befinden. Schnell nahm ich einen 20 Euro Schein heraus. Das was ich davon kaufte musste für ganze zwei Wochen reichen. Zu meinem Glück aß ich nicht viel aber trotzdem musste ich darauf achtgeben, wie viel ich ausgab da das Geld schon so knapp ist. Den Zwanziger ließ ich also in der Gesäßtasche meiner Jeggings verschwinden, drehte die Dose wieder zu und legte die Holzdiele wieder richtig in ihre Fassung. Danach zog ich meine Schuhe auch schon wieder an und verließ das modrige Haus.

Impressum

Texte: Copyright liegt bei der Autorin. Wer Textstellen oder den ganzen Text kopiert muss mit einer Strafe rechnen.
Bildmaterialien: Cover mady be myself !
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2013

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Widmung:
Ich widme es einem ganz besonderen Menschen der mir sehr viel bedeutet

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