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Auch graue Wölfe beissen noch
Ein Versuch

Am vierzehnten Oktober vorigen Jahres begab sich folgendes:
Charly- wir nennen ihn so, denn er mag seinen richtigen Namen, nämlich Karl, nicht- ging heimwärts.
Er ging stets denselben Weg, der ihn am Kanal entlang führte, sodann durch ein kleineres Gehölz wieder in bewohntere Gegenden.
Die Häuser in seiner Umgebung waren nicht mehr die Neuesten, man sah ihnen an, dass viele ihrer Bewohner nicht zu den Begüterten dieser Welt gehörten, und es sah auch so aus, als ob die Bewohner dieser Häuser lieber fortzogen, als hier zu bleiben.
Nun, also, Charly trottete gemächlichen Schrittes zwischen eben diesen Gebäuden dahin, als es ihm plötzlich so vorkam, als ob eine Stimme in seinem Kopf zu sprechen anfing. Erst wollte er diesen Geräuschen kein Gehör schenken, doch die Worte wurden immer eindringlicher, so dass er letztendlich nicht umhin konnte, als dieselben zur Kenntnis zu nehmen.
"Karl", sagte die unbekannte Stimme recht eindringlich, "Karl, du solltest mal ganz schnell bei deiner Freundin anrufen!" "Na gut" dachte Charly,"das kann man ja mal machen."-Und er begann, in all seinen Taschen nach dem Handy zu suchen. Er wühlte in den Hosen-, den Rock- und den Manteltaschen, doch es war nicht zu finden. "Schiet", dachte Charly,"nun, es wird nicht so eilig sein, und schliesslich bin ich doch bald zu Hause, dann werde ich sie schon gleich mal anrufen." Sein bis dahin etwas schleppender Schritt wurde sichtbar schneller, bis sich daraus ein langsamer Laufschritt entwickelte.
Drei Stockwerke später und mit keuchenden Lungen, sperrte er seine Wohnung aif, und langte auch sofort nach dem Telefon, das er auf der spiessigen Telefonablage neben der Tür geparkt hatte.
Wie erwähnt, die Häuser in dieser Gegend waren nun mal nicht die Neuesten, und daher waren auch die elektrischen Anlagen in den Wohnungen nicht mehr die besten, waren ein wenig störanfällig, man könnte fast schon sagen:gefährlich.
Charly griff also nach dem Telefon, und kaum hatte er es berührt, gab es einen gewaltigen Blitz, und Charly fiel mit einem lauten Schmerzensschrei zu Boden, wo er konvulsivisch zuckend, ganz verbogen, liegenblieb.
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Die Stimme in seinem Kopf war verschwunden, oder er konnte sie einfach nicht mehr wahrnehmen. Oben und Unten konnte er nicht mehr unterscheiden, und auch wusste er nicht,ob er noch lebte, oder bereits tot war. Alles drehte sich in Rasender Geschwindigkeit um sich selbst und um ihn herum, und er glaubte, mal laute und mal leisere Töne oder Melodien zu vernehmen
Er schritt auf einer schnurgeraden, eisblanken Ebene dahin, und ein Mann- oder war`s eine Frau- trat ihm direkt in den Weg.
"Wer bist denn du?" fragte Charly, "Bist du vielleicht der Petrus, der das Himmelstor bewacht?" (Er hatte das mal irgendwann in der Schule so lernen müssen), und also wusste er keine andere Frage, die er diesem Jemand hätte stellen können. "Petrus! was für ein Quatsch," antwortete die Figur , von der Charly dachte, sie sei der Petrus oder so-"wie kann man nur so naiv sein! Ich bin dein behandelnder Arzt, und mit dem Petrus habe ich nunmal schon gar nichts gemein." Charly war hocherfreut, denn gegen ein vorzeitiges Ableben seinerseits hätte er doch einige Proteste einzureichen gehabt."Also", sagte er"dann werden Sie mir doch sagen können, welcher Blitz mich niedergestreckt hat, und sagen sie mir auch gleich, ob ich diesen Fall auch überleben werde!"
"Nach allgemeinem medizinischen Grundwissen - Ähem-Ähem- kann man eventuell davon ausgehen, dass sie vielleicht weiterleben werden, wir werden sehen, wir werden sehen!"
Dem Charly fielen jetzt vor Erschöpfung die Augen zu, denn das war alles zu viel für einen Tag. Noch dazu konnte er nicht mit Sicherheit feststellen, ob diese ganze Geräuschkulisse, in deren Wirbel er sich befand, dem lebenden oder dem toten Charly zugeordnet werden konnte.
Also schlief er ein, in der Hoffnung, auch irgendwann mal wieder aufzuwachen.
"Hallo, sagte eine ihm nicht näher bekannte grosse Schildkröte, und nahm die Brille von der Stirn, um sie dann umständlich zu putzen. Sie schnaufte heftig"Woher kommen Sie denn um diese Zeit?" fragte sie neugierig. Charly musste kurz überlegen."Na, wo werde ich den herkommen, natürlich aus meinem Büro, aber das sollten Sie eigentlich doch wissen, denn Sie sind es doch , die meine Akten holt und bringt, und das schon seit etlichen hundert Jahren!" Die Schildkröte blickte schuldbewusst und ganz erschrocken drein und meinte dann weinerlich"tut mir leid, aber ich kann mir doch nicht alles merken!"- Charly begann, sich zu ärgern:"Wie oft hab ich ihnen schon gesagt, dass sie sich aufschreiben sollen, wenn sie es sich nicht merken können!" Die Schildkröte war beleidigt"Ich konnte es mir ja doch nicht aufschreiben", jammerte sie, "Sie wissen doch, dass wir erst am zwanzigsten jedes Monats die Materiallieferung bekommen, und jetzt hab ich keine Tinte mehr!" "Keine Tinte!"- Charly war kurz davor, die Fassung zu verlieren,"Dann verbinden sie mich sofort mit dem Tintenfisch, seine Nummer ist Oktopus Null Acht!". Es dauerte ziemlich lange bis die Verbindung zustande kan, was Charlys Laune nicht gerade verbesserte.Dann endlich meldete sich der Krake mit krakeliger Stimme:"Hier Oktopus Acht, was wollen Sie?"- "Erstens könnten sie etwas freundlicher sein, und zweitens brauch ich ganz dringend was." "Was brauchen sie, und wieso soll ich das schon im Voraus wissen, ich bin doch kein Hellseher, krakelte missgelaunt der Krake ins Telefon, "Und überhaupt, ich an Ihrer Stelle wäre freundlicher, denn sonst könnte es sein, dass ich leider gar nicht habe, was sie brauchen, so ist das!" Und dann rieb er sich ungeniert seine Tentakel und knallte- welche Zumutung- den Hörer auf die Gabel. Dann verfärbte er sich zufrieden in die Farbe seines Schreibtisches, rollte seine Tentakel ein, um ein kleines Schläfchen zu machen, denn der gesündeste Schlaf ist bekanntlich der Büroschlaf.
Charly war zutiefst in seinem Inneren verletzt, und diese Kränkung würde er dem Stinkefisch, dem hochnäsigen, ganz bestimmt heimzahlen.Nichtsdestoweniger(wasfür ein Wort!) ging es ihm so schlecht, dass er auf der Stelle einen grossen Schnaps brauchte. Karola, so hiess seine Sekretärin, war ganz bestimmt noch nicht nach Hause gegangen, denn sie machte stets Überstunden, weil ihr Freund mehr vor der Spielekonsole sass, als sich um seine Schöne zu kümmern, und das fand sie gemein.Also, Karola war noch im Büro, und Charly bekam schnellstens seinen Brandy, den er sich dann auch blitzartig hinter die Binde goss."Nun gehts mir wieder besser", dachte er, "allerdings kommt mir so manches ziemlich komisch vor!" "Wenn ich noch lebe, dann stimmt hier gar nichts, wenn ich aber tot bin, dann ist das Tot sein ziemlich amüsant!" und er dachte "mal sehen, wie das nun weitergeht!"

Da war auch eine riesige Milchglastür, und diese öffnete sich nun, und ein Rattenschwanz weissgekleideter Ärzte und Pflegepersonal strömte ins Zimmer herein. Charly dachte für sich: Ich bin wahrscheinlich doch noch unter den Lebenden, denn für einen Toten wär der Aufwand eigentlich viel zu gross.Ich muss mal beim Pförtner nachfragen, dachte Charly so für sich ,"vielleicht weiss der mehr, oder vielleicht kann er mir wenigstens jemanden nennen, der da mal Bescheid weiss." das wollte er ganz sicher gleich anschliessend mal tun."Herr Professor" rief Charly,"könnten Sie mir vielleicht sagen , ob ich noch unter den Lebenden verweile, oder ob ich zum toten Teil der Menscheit gezählt werde?" Der Herr Professor aber ignoriert Charlys Frage in einer Weise, die ganz sicher Schwerhörigkeit bei ihm vermuten lasse. Charlys Geduld hing nun an einem seidenen Faden und er war nahe daran, zu explodieren."Kann mir denn keiner von euch Idioten sagen,ob ich noch lebe?" und da ihm keiner dieser riesigen Kavalkade irgendeiner Antwort würdigte, beliess er es bei dieser Frage, und entliess nun selbst eine riesige, laut hörbare und exzellent duftende Blähung mit dem Erfolg, dass sich der Raum blitzartig leerte, und charly nun wieder alleine seinen Gedanken überlassen war.

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Tag der Veröffentlichung: 27.06.2010

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