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Trouble Makers…


Es war ein herrlicher sonniger Septembernachmittag, der alles in ein goldenes Licht tauchte. Die fünf Brücken aus Granit, das Wasser in den Gräben, die weißen und rosafarbenen Lotosblüten, der weiße Jasmin mit seinem typischen schweren süßlichen Duft, das riesengroße rote Tor, einfach alles war sonnendurchflutet.

Sven und ich hatten zusammen mit meiner Schwester und Ihrem Lebensgefährten John, beide aus Kalifornien, eine zwei- wöchige Chinarundreise gebucht. Die beiden von Los Angeles und wir von Hamburg via Müchen aus. Shanghai war der Ausgangspunkt unserer Chinarundreise gewesen. Am vierten Tag ging es mit dem Flugzeug weiter nach Wuhan, danach zehn Stunden mit dem Bus nach Yichang und checkten dort
auf der "MV Viktoria - Star" ein, und waren vier Tage auf dem Jangste, der mit seinen 6.300 Kilometern der längste Fluss in China ist.


Die Panoramafahrt führte uns in die märchenhafte Welt der Wu-Schlucht. Mit einem kleinen Ausflugsboot fuhren wir in die Drei kleinen Schluchten mit Steilhängen, die von kleinen Affen bevölkert wurden. Die Landschaft war so facettenreich und bezaubernd schön, fast unwirklich. In Chonqing stiegen wir aus und von dort flogen wir weiter nach Xian, um die Terrakotta Armee zu besichtigen.

Dann ging es weiter nach Peking - oder auch Bejing gennant. Wir besichtigten die chinesische Mauer, die Pekinger Altstadt, auch Hutong genannt, den Konfuziostempel und den prächtigen Sommerpalast.


Auf unserem Ausflugsprogramm stand heute die verbotene Stadt.
Der Kaiserpalast ist einer der größten und am besten erhaltenen antiken Baukomplexe der Welt. Jeden Tag strömen Tausende von in- und ausländischen Besuchern hierhin, um die majestätischen Paläste und die wertvollen Sammlungen darin zu bewundern.


Der Dritte Ming-Kaiser Yongle begann 1406 mit dem Bau der Verbotenen Stadt. Also ein absoluter „must see before your die“ Ausflug.

Shila, unsere chinesiche Reiseführerin ging voran und unsere amerikanische Reisegruppe folgte ihr wie immer auf Schritt und Tritt, wahrscheinlich hatten die panische Angst davor Shila zu verlieren und mutterseelenalleine in China umher zu irren. Sven und ich blieben wie immer zurück, da Sven jeden Stein, jede einzelne Blume, die Brücke, den Eingang mich in jeder möglichen Einstellung, den Zoom nah und fern und noch näher, filmen musste, und das dauert eben.

Ich stand so ungefair zehn Meter von Sven entfernt, auf der letzten von den fünf Brücken vor dem Platz und dem großem Eingangsportal und schaute hinunter in den goldenen Fluß, so hieß der mit Wasser gefüllte Graben.

Plötzlich, wurde ich zur Seite geschubst und ein etwas größerer korpulenter asiatisch aussehender Mann mittleren Alters sprang in den kleinen Fluss, nachdem er seine Krücken vorher heruntergeworfen hatte.

Alles passierte in sekundenschnelle und ich folgte mit den Augen in Richtung wohin der Mann gesprungen war, konnte aber nichts sehen. Ich sah mich nach Sven um und nach all den anderen Menschen, die das Geschehene wohl so schnell nicht mitbekommen hatten. Ich rief irgend etwas auf Deutsch aber in diesem Moment kam Sven angelaufen und filmte nach unten ins Wasser. Irgendwann wurden die Menschen darauf hin aufmerksam, aber es war nichts zu sehen. Wieso hatte kein anderer etwas gesehen? War ich etwa die einzige? Oder hatte ich mir das alles nur eingebildet? Vieleicht litt ich schon unter dem China-Syndrom, wenn man allergisch auf Glutamat reagiert und dieser Botenstoff wird ja sehr viel in der chinesischen Küche verwendet...


Es war ja kein reißender Fluss, der wahrscheinlich auch nicht mal tief war, wie konnte ein großer Mann so schnell verschwinden geschweige denn untergehen?

Auf einmal stand ein Sicherheitsbeamter neben uns und forderte uns auf weiterzugehen.
Dann wurde die Stelle abgesperrt, aber es wurde keine Rettungsakton gestartet.

Sven und ich gingen langsam in Richtung Eingangstor, um unsere amerikanische Reisegruppe nicht gänzlich zu verlieren, aber immer wieder mit Blick zur Brücke. Wo waren denn bloß meine Schwester und John, typisch nie da, wenn es mal interessant wird.

Wir trafen aus unserer Gruppe auf Bob und Greg, ein schwules Pastorenpaar aus New York, mittleren Alters, nette freundliche rundliche Gesichter und so richtig typisch amerikanisch mit knielangen Shorts, weißen Turnschuhen und Baseballkappen. Während wir vier jetzt zusammen, nun doch zügiger, weitergingen erzählten wir von dem gerade Erlebten. In diesem Moment wurden wir von dem gleichen Sicherheitsbeamten aufgefordert unsere Kamera abzugeben - als ob wir Spione wären, die in Besitz von hochbrisantem Filmaterial wären, um das später dann an Zeitungen und Fernsehen zu verkaufen.


Sven weigerte sich strikt seine nagelneue Kamera aus der Hand zu geben. Er spielte ihm den Film vor und wie ein Wunder, er war zufrieden und wir trotteten weiter.

Zwanzig Schritte weiter wurden wir von Soldaten umzingelt, so fünf-sechs Mann, sie redeten irgendetwas auf chinesich auf uns ein und zeigten dabei auf unsere Kamera. Wieder eine wilde Diskussion, teils auf Englisch, um die Kamera – die Soldaten wollten sie unbedingt haben, Sven wollte sie aber nicht herausgeben. Er spielte den Film noch mal ab. Ich sah uns schon als politische Gefangene in einem chinesichem Gefängnis mit dicken meterhohen grauen Mauern sitzen, errichtet in der Ming Dynastie.
Mittlerweile hatte sich schon eine beachtliche Menschentraube um uns gebildet und mir wurde immer mulmiger zumute.

Nachdem die Soldaten den Film nun auf
Herz und Nieren geprüft hatten und wohl absolut nichts gefährliches, oder was auch nur in irgendeiner Weise China in ein schlechtes Licht rücken könnte, zu sehen war, ließen sie uns gehen.

Was hatte Sven bloß gefilmt? Warum war auf dem Film nichts zu sehen? Oder mußte ich sagen; "Gott sei Dank" war nichts zu sehen?

Greg meinte nur scherzhaft, dass es besser sei unsere Gesellschaft zu meiden, da es mit uns Deutschen immer gefährlich sei. Wir sind und bleiben "Trouble Maker".

Bevor wir nun endlich das fantastischste
eindrucksvollste und eines der historischsten Bauwerke Chinas besichtigen konnten und uns dem ganzen Zauber der verbotenen Stadt hingaben, musste ich erst einmal den Film sehen.

Wir konnten es kaum erwarten allein und unbeobachtet zu sein. Dann war es so weit, ich war so aufgeregt!

Es war nichts zu sehen, gar nichts. Außer, die fünf Brücken, die Wassergräben, die Lotosblüten, die Menschen, das riesengroße Eingangsportal und mich. Alles ganz normal bis auf ein paar Kreise im Wasser...


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Tag der Veröffentlichung: 26.01.2009

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