England
Charlotte
„Emily Baker und Charlotte Emerald?”
Erschrocken fuhr ich herum und stieß beinahe mit einem großen dunklen und irgendwie düster wirkenden Typen zusammen. Er erinnerte mich ein wenig an einen von diesen Geheimagenten, mit seiner schicken Sonnenbrille und dem Anzug (wahrscheinlich irgendeine superteure Marke, für spezielle Zwecke, so mit schußfester Weste und so). Er redete englisch, jedoch mit leichtem Akzent. Vielleicht italienisch.
„Ja?“ Damit konnte man hier sich nichts falsch machen, so von wegen andre Länder andre Sitten.
Er rückte seine Krawatte zurecht und musterte Emily und mich, wie zwei Aliens. Dann räusperte er sich als wollte er eine Rede halten.
„Man schickt mich die beiden Ladys zum Hause der Dalenbrooks zu bringen, ihre Herrschaften erwarten sie schon sehnlichst. Was für ... entzückende Mädchen sie doch beehren. Die Zwillinge werden hoch erfreut sein!“
Emily neben mir mußte sich sichtlich anstrengen, nicht laut los zu lachen und auch ich starrte ich nur verwundert an. Dafür, dass er so mysteriös auftrat, verhielt er sich ganz schön uncool.
Als wir uns wieder einigermaßen gefangen hatten, trat Emily vor und sah den Mann abwertend an.
„Und sie sind...?“
James Bond deutete den Hauch einer Verbeugung an und räusperte sich schon wieder. Ob ich ihm ein Bonbon anbieten sollte?
„Wenn ich mich vorstellen darf, Carlos Garcia. Ich bin der Chauffier der Dalenbrookfamilie.“ Spanisch, aber Südländisch.
„Und wozu dann die Sonnenbrille?“ Ich konnte mich einfach nicht beherrschen.
Er tat, als hätte er mich nicht gehört und blickte über unsere Köpfe hinweg zu dem Gepäckwagen, mit unseren Taschen.
„Wenn ich das Gepäck der Ladys tragen dürfte?“, fragte er, griff jedoch bereits nach meiner roten Riesensporttasche und henkte sie sich um, dann nahm er meinen Koffer in die rechte, Emilys in die Linke Hand und bekam irgendwie auch ihren bunten Trolley zu fassen. Dann schlängelte er sich, schneller, als man es ihm mit dem ganzen Gepäck zutrauen konnte zwischen den wartenden Zugpassagieren hindurch. Unwillkürlich fragte ich mich wie viele Stunden er wohl täglich im Fitnessstudio verbrachte, da war er schon aus der Wartehalle des Bahnhofes verschwunden.
Emily, mal wieder die vernünftigere von uns beiden nahm ihre Handtasche und den übriggebliebenen Trolley und rannte „Mr. Garcia“ hinterher. Ich tat es ihr gleich und stand wenige Sekunden später, auf einem Vorplatz, der mit Blumenbeeten und Flaggenmasten eingerahmt war.
Den Geheimagenten konnte ich nirgendwo entdecken, doch Emily stand mit unserem Gepäck auf einem gepflasterten Weg zwischen den Beeten. Ich trat neben sie.
„Wo ist er hin?“, fragte ich und sah mich nach James Bond für Arme um.
„Er hat gesagt, er geht die Limousine holen. Ist das nicht Wahnsinn? Bestimmt sind die voll reich und sie haben Zwillinge! Ist das nicht total cool?“
Aufgeregt trat sie von einem Fuß auf den anderen, so das ihre roten Locken wild hin und her hüpften.
Ich mußte lachen. Eigentlich war ich die verrücktere von uns beiden, aber wenn es um solche Dinge ging, konnte sie durchaus mithalten.
„Mann Ly, du mußt so tun als sei das selbstverständlich für dich!“ Ich grinste noch breiter, als sie versuchte, ganz cool zu wirken. Dabei versuchte sie mir erneut klar zu machen, wohin Garcia verschwunden ist.
„ Er ist die Limo holen und hat mich hier stehen lassen, mit diesem ga...“
Ihre Vorstellung wurde von meinem Aufschrei unterbrochen, als eine weiße Stretchlimo vorfuhr. Garcia stieg aus und bedeutete uns aus dem Weg zu gehen, während er unser Gepäck einlud. Dann öffnete er die Tür und lies uns einsteigen.
Von innen war die Limo eher durchschnittlich, dunkles Leder, sehr schick eben, das Beste war eine Mini-Bar unter den Sitzbänken. Als Emily sie entdeckte quiekte sie auf.
„Dürfen wir uns etwas daraus nehmen“, fragte sie flehend und machte ihr Schmollgesicht.
Chauffier Carlos zuckte nur mit den Schultern. „Nehmen sie sich ruhig etwas, indem Fach daneben ist ein kleiner Kühlschrank, die Zwillinge wollen, dass die Ladys es gemütlich haben bis wir in Dalencore sind.“
Damit schlug er die Tür zu und stieg vorne ein. Emily versuchte sich zu beherrschen, bis das Auto los fuhr. Dann strahlte sie übers ganze Gesicht.
„Das ist so cool!“
Ich legte meine Tasche auf den Sitz und machte es mir gemütlich, während Emily sich vornüber beugte und die Minibar durchstöberte. Sie warf mir ein Päckchen roter Lakritzschnüre zu und nahm sich selbst eine Tüte Erdnüsse. Dann öffnete sie den Kühlschrank und schnaufte anerkennend. Sie wählte eine Cola, sie gab mir ein Johannisbeere-Soda zu und lies sich dann in den Sitz fallen um die Erdnüsse zu verdrücken.
Plötzlich knackte es in einem Lautsprecher an der Decke und Garcia meldete sich: „Wir werden Telford bald verlassen, dann wird es noch etwa eine Stunde dauern, bis wir beim Anwesen der Dalenbrooks sind. Wir kommen dann auch an Harlow vorbei, wo sie zur Schule gehen werden. Ich denke, es dürfte den Ladys genehm sein, wenn ich etwas Musik anmache.“
Kurz darauf dröhnten die neusten Hits aus den Lautsprechern.
Während ich meine Lakritzschnüre aß sah ich aus dem Fenster. Die Betonbauten der Londoner Vorstadt wischen weiten Wiesen und vereinzelten Bäumen. Emily seufzte und ich grinste sie an. „Ganz schöner Luxus was?“
Sie nickte und trank an ihrer Cola. Als man uns sagte, dass wir bei einer Gastfamilie unterkommen würden, hatte ich mir eher so ein kleines Cottage wie das meiner Großmutter erwartet. Das hier jedoch, war das wahre Leben. Mia und David würden blaß werden vor Neid.
Ich warf das leere Päckchen in den kleinen Kasten den ich für einen Mülleimer hielt und öffnete mein Getränk.
„Denkst du, dass diese Zwillinge nett sind?“
Ich stellte die Dose in den Getränkehalter und sah Emily an: „Ach Ly, mach dir keine Gedanken, ich wette die sind total nett und wenn nicht, dann versuchen wir halt irgendwie mit ihnen auszukommen bis wir wieder nach Hause fahren.“
Sie sah mich wenig überzeugt an, widmete sich dann jedoch wieder ihrem Roman. Als ich von der Landschaft genug hatte, tat ich es ihr gleich und vertiefte mich in meine Zeitschrift.
Ich mußte wohl irgendwie eingenickt sein, denn als es wieder in den Lautsprechern knackte schreckte ich auf.
„Ich wollte die Ladys nur darauf hinweisen, das wir in kürze das Anwesen erreichen werden.“
Wir blickten beide aus dem Fenster, um uns herum befand sich eine typische englische Kleinstadt. Dann lösten sich die Häuser und Geschäfte auf und wichen vereinzelten Cottages und größeren Villen.
Eine Villa war von einem eisernen Zaun eingegrenzt, in dem großen Tor waren in Gold die Buchstaben D und B eingegossen. Die Limousine steuerte genau darauf zu und Emily und ich lehnten uns noch weiter aus dem geöffneten Schiebedach.
Plötzlich öffnete sich das Tor. Wir fuhren in einen weiten Innenhof, der an den Seiten von Bäumen gesäumt wurde. Die Villa war zweistöckig gebaut und hatte große Fenster mit altmodischen Fensterläden. Eine Marmortreppe führte zu einer großen alten Tür. In der Einfahrt parkten ein silberner Porsche und ein schwarzer Mustang.
Garcia war ausgestiegen und öffnete uns die Tür. Ich schnappte meine Tasche und stieg hinter Emily aus dem Wagen.
Kaum waren wir draußen, als die Tür aufgerissen wurde und ein total gutaussehender Typ die Treppe hinunter gestürmt. Er hatte kurze braune Haare und lächelte fröhlich. Seine wahnsinnig blauen Augen blickten uns freundlich an, blieben einen Augenblick an Emily hängen und schwenkten dann zum Chauffier. Er ging auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand.
„Vielen Dank Carlos, bitte bringen sie noch das Gepäck hinauf, dann dürfen sie sich frei nehmen.“
Dann kam er zu uns zurück.
„Hallo, ihr müßt Emily und Charlotte sein“, er schüttelte uns die Hand und deutete Richtung Haustür, „Ich bin James, kommt doch rein!“
Er ging voran und wir folgten ihm ins prunkvolle Innere des Hauses. Von der Eingangshalle aus, führte er uns in eine Art Lounge, mit einer verglasten Wand und Zugang zu der Terrasse. Dahinter lag ein kleiner Park, mit Springbrunnen und Blumenbeeten. Zwischen den Granitstatuen standen zu Recht geschnittene Hecken, ich glaubte einen Drachen, vielleicht auch ein Einhorn auszumachen. James führte uns zu einem kleinen Sofa.
„Gut, also möchtet ihr etwas trinken, ich gehe schnell meinen Bruder suchen, ihr könnt euch in der Bar etwas machen. Jill und Mya sind noch draußen, aber wenn sie merken, dass ihr da seid, werden die Beiden gleich hier auftauchen. Ihr werdet sie mögen!“, dann verschwand James wieder und ließ uns zurück.
Ich begab mich hinter die Bar und lies mich auf einen Hocker fallen. Wow, die hatten echt ne Menge Zeug zum mischen da und das meiste davon war alkoholfrei. Ich machte mich ans Werk.
Als ich neun gewesen war, hatte Mum einen Barkeeper als Freunde gehabt. Er hatte mich und David, der damals elf war immer mitgenommen und uns seine Tricks beigebracht. Mum hatte immer Angst gehabt, dass er deshalb gefeuert würde, aber es war in Ordnung, weil die Bar seinem Cousin gehörte.
Ich stellte Emily eine Cola mit Eis und Zitrone hin. Sie grinste total irre.
„Was?“, fragte ich belustigt, obwohl ich die Antwort fast schon wusste.
Sie spielte natürlich das Unschuldslamm: „Nichts, was hast du nur immer. Jill und Mya. Ich schätze, das werden diese Zwillinge sein.“
„Ja, ihr Bruder ist jedenfalls echt nett. Da werden die beiden nicht so schlimm sein können.“ Ich sah, das sie fast platzte und legte noch eins drauf: „Ich frag mich, ob er ne Freundin hat.“
„Na, gut!“, platzte sie heraus, „Du kennst mich zu gut. Ist der nicht total süß? Und wie nett der zu uns war. Total der freundliche Gastgeber. Der ist echt cool!“
Ich lachte: „Ja, aber keine Angst, der ist echt nicht mein Typ!“
In dem Moment, klopfte es an die Terrassentür und wir fuhren erschrocken zusammen. Doch vor der Tür saß niemand anderes als zwei unglaublich süße Chiauaus. Emily ließ die beiden herein. Sofort fingen sie an um ihre Beine zu hüpfen und schnüffelten an ihren Turnschuhen. Sie nahm einen von ihnen hoch er hatte weiß-schwarz geflecktes Fell und seine schwarzen Ohren hingen schlapp herunter. Sein blaues Halsband war mit bunten Mustern bestickt. Der andere war etwas kleiner und hatte braunes, fast rotes Fell. Seine spitzen Ohren, erinnerten an kleine Teufelshörner. Er hatte offensichtlich genug davon Emilys Bein zu beschnuppern sondern kam um die Bar herum und hockte sich vor mir auf den Boden.
„Na du Süße? Du bist niedlich!“, ich bückte mich um sie hoch zu heben, anfangs, wich sie etwas zurück, doch als ich geduldig da hockte, kam sie näher und lies sich von mir in den Arm nehmen.
Auf ihrem Feuerroten Halsband stand in schwarz ´Littel Devil` geschrieben. Wie überaus passend.
„Oh, wie ich sehe habt ihr die beiden bereits kennengelernt!“, sagte James, der soeben wieder kam, „Sind sie nicht echt putzig? Wir haben sie noch nicht so lange.“ Er lies sich neben Emily auf die Couch fallen und streichelte den kleinen Hund, was meiner Freundin die Röte ins Gesicht steigen lies.
Er blickte zu mir rüber und sah, dass ich bereits professionell tätig geworden war. Er lächelte wieder: „Du machst das gut, hast du das schon öfters gemacht?“
Ich lächelte zurück: „ Ja, ein paar mal schon. Soll ich dir auch etwas machen?“
„Wenn du möchtest. Ihr seid zwar unsere Gäste, aber ich denke du machst das besser als ich. Paß nur auf, dass du fertig wirst bevor mein Bruder kommt, das ist nämlich sein Spezialgebiet. Etwas einfach zu trinken ist in Ordnung, aber wenn jemand was mischt, wird er manchmal wütend.“
Ich wurde nun auch etwas rot, hatte mich aber wieder gefaßt und betrachtete die vielen Flaschen und Früchte sorgfältig. Schließlich entschied ich mich für meine Profimischung, für die man leider nur selten alle Zutaten in einer Bar findet. Der Hund kam auf den einen Arm und mit der freigewordenen Hand suchte ich nun Himbeersirup, getrocknete Orangenschalen, Eiswürfel, frische Lorbeerblätter, den seltenen Feigen-Qumquatlikör und Limettensaft zusammen.
Ich versuchte den Hund abzusetzen, doch er krallte sich in mein Sweatshirt. Ich wollte ihn schon zu James bringen, als mir plötzlich zwei Hände zur Hilfe kamen und die Kleine nahmen.
„Danke“, sagte ich und blickte auf. Oh. Mein. Gott. Dieser Bruder war schon eher mein Typ. Seine Haare waren länger und dunkler, als die seines Bruders, was aber auch daran liegen konnte, dass sie noch naß waren. Außerdem glaubte ich vereinzelte blaue Schimmer darin zu sehen. Und noch etwas war blau an ihm. Seine blauen Augen, die mich etwas verwirrt anblickten. Waren James´ Augen schon unglaublich gewesen, so waren diese hier wie Feuer. Blaues Feuer.
Ich nahm die Hand die er mir reichte und setzte mich wieder auf.
Er lächelte genau wie sein Bruder: „Hallo, ich bin Jared.“
„Hallo.“ Mehr brachte ich nicht heraus und auch das war in meinem augenblicklichen Zustand schon eine enorme Leistung.
Er blickte auf seine Hand, die meine noch immer fest hielt und lies sie langsam los. Dann blickte er Emily an und begrüßte auch sie freundlich. Dann sah er auf das, was ich bis jetzt auf dem Tresen stehen hatte uns streichelte dabei seinen Hund.
Ich glaube, dass ich an dieser Stelle rot wurde. „Ich, ähm ich wollte das nicht. Also, ich kann das ganz gut und na ja, eigentlich wollte ich es schon, es macht halt Spaß, aber ich kann auch alles wieder weg stellen!“
Er lächelte nur: „Jilly hat dir vertraut, normalerweise läßt sie sich von niemandem auch nur streicheln. Was ich damit sagen will: Mach einfach mal, ich will sehen, was das wird!“ Er nickte in Richtung der Sachen und lies sich auf einen der Hocker fallen, die vor der Bar standen.
Ich wählte als erstes ein besonders bauchiges Glas und schüttete Eiswürfel, Lorbeerblätter und Orangenschalen hinein. Dann folgte ein Schuss Himbeersirup. An dieser Stell unterbrach mich Jared.
„Kannst du auch irgendwelche Tricks, so Show und so wie die Profis?“
Ich nickte zaghaft, nahm einen Mischbecher hervor und schüttete aus einer Kristallkaraffe Wasser hinein. Dann warf ich die Flasche Likör in die Luft, so das sie sich beim Fallen immer wieder um 360 Grad drehte, so wie Mums Freund es uns gezeigt hatte. Er meinte, dadurch bekäme der Likör ein frischeres Aroma. Ich fing die Flasche auf und kippte ein wenig des duftenden Likörs in den Becher. Dann schüttelte ich und goß den Inhalt ebenfalls in das Glas.
Ich gab es Jared und nahm noch einen Papierschirm und einen Strohhalm. Dann warf ich es und es landete genau im Glas.
Er nickte anerkennend: „Nicht schlecht.“
Dann setzte er den Hund ab und reichte seinem Bruder den Cocktail. James stutzte, als wäre erstaunt über das was er trank.
„Das ist wirklich gut. Und das Jared dich überhaupt an sein Allerheiligstes gelassen hat ist auch ein Wunder“, sagte er und warf ihm dabei einen vielsagenden Blick zu. Dieser errötete ein wenig, was echt süß aussah, konzentrierte sich dann wieder auf seine Hände und lächelte. Mann, ich frage mich echt woher die beiden dieses Lächeln haben.
„Moment mal!“, Emily stockte, dann sah sie Jared an, „Dein Hund heißt Jilly und deine Schwester Jill?“
Er runzelte die Stirn: „Welche Schwester?“
„ Na ja die Zwillinge, Jill und Mya.“
Daraufhin brachen die Jungs in Gelächter aus und auch ich mußte grinsen. Langsam schien meine Freundin zu kapieren.
James erklärte es ihr: „Jill ist Jareds Hund und Mya hast du gerade auf dem Arm. Die einzigen Zwillinge sind wir beide.“
Jared beugte sich rüber und äffte den Gesichtsausdruck seines Bruders nach. Es sah echt komisch aus und ich mußte auch anfangen zu lachen. Jared lies von seinem Bruder ab, als Emily die zweite Weisheit des Tages verkündete.
„Aber ihr seht euch doch kaum ähnlich! Ich dachte Zwillinge sehen gleich aus.“ Ich mußte los prusten und knallte voll mit dem Kopf auf die Tresenkante. Stöhnend hielt ich mir die Stirn, ich konnte fast fühlen wie eine Beule wuchs. Jared war sofort aufgesprungen und hielt mir ein Coolpack hin, das ich dankbar annahm.
Dann sah ich zu Emily: „Mann, das ist so typisch Ly. Mia und David sind auch Zwillinge und sie sehen sich nicht gerade ähnlich!“
Mia und David, waren meine beiden älteren Geschwister. Mia hatte Mums kurze schwarze Locken und David genau wie ich goldblonde lange Haare. Während David dagegen eher dunklere Haut und hohe Wangenknochen hatte, war Mias Haut weiß wie Schnee und sie sah selbst mit neunzehn Jahren noch immer aus wie eine zierliche Prinzessin. Was ihr in frührer Zeit bei den Jungs ihrer Klasse den Spitznamen Schneewittchen eingebracht hatte. Ich war eher eine Mischung aus beiden. Davids Haare und Wangen und Mias Teint.
Emily grinste verlegen: „Sorry, tut es sehr weh?“
„Geht schon“, die Schmerzen waren längst nicht das Schlimmste. Ich nahm den Coolpack ab und betastete meine Beule.
„Mann, ich seh aus wie Quasimodo!“, entfuhr es mir. Jared gab mir den Kühlbeutel wieder.
„Hier, damit geht die Beule schneller weg.“
Gemeinsam setzten wir uns zu den anderen beiden.
James räusperte sich: „Also, um sieben gehen wir Essen, eigentlich wollte Mum für uns kochen, aber ihre Geschäftsreise hat sich um ein paar Tage verschoben. Darum hat Dad uns für heute Abend einen Tisch im Cail Lounge reserviert.“
Jared unterbrach seinen Bruder um seinen teil der Geschichte zu erzählen: „Ich hätte natürlich auch meine Spezialvanilleeispfannkuchen mit geheimer Zutat machen können, aber Jam meinte, das würde außer mir eh keinem schmecken.“
Er beugte sich vertraulich zu mir rüber: „ Die geheime Zutat ist das Vanilleeis im Teig!“
James verdrehte die Augen: „Wie dir vielleicht aufgefallen ist Charlotte, ist Jared eher der aufgedrehtere von uns beiden. Manchmal kann er einen nämlich echt nerven.“
Ich wollte etwas erwidern, wurde jedoch von Emily unterbrochen: „Oh ja! Das kenn ich! Gwen ist ganz genauso.“
Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust und guckte Emily böse an, als sie und James plötzlich in Gelächter ausbrachen. Ohne es zu merken hatte Jared sich genauso hingesetzt und blickte seinen Bruder böse an. Als wir es bemerkten lachten auch wir.
Dann setzte sich Jared wieder auf und blickte auf seine Uhr.
„Fast Fünf. Ich denke wir zeigen den Mädchen jetzt mal ihre Zimmer. Dann haben sie noch etwas Zeit um sich einzugewöhnen, bevor sie morgen gleich zur Schule müssen.“
„Oh, gut das du es erwähnst!“, rief James dazwischen, „ich hätte es beinahe vergessen“, er wandte sich an uns, „ Jared und ich gehen in verschiedene Klassen. Bei uns gibt’s die Klassen, den Fächern nach. Das heißt, ihr habt die Wahl. Entweder ihr nehmt Französisch, literarische Mystik und Zeichnen als wahlbedingte Nebenfächer und Schauspiel als Zusatzfach. Oder ihr nehmt Deutsch, Literatur und Musik als wbN und Schneidern als Zusatzfach.“
Emily und ich sahen uns an. „Also ich nehme das Zweite, mein Englisch ist noch nicht so gut und ich will mir kein Franz auf Englisch antun, außerdem weißt du das Musik und Nähen mehr meins ist als zeichnen. Du bist mehr so die Kreative von uns und du kannst echt gut schauspielern“, entschied sie.
Emily hatte Deutsch gesprochen, so das die Jungs uns nicht verstanden hatten, also wiederholte ich für sie unsere Entscheidung.
„Ok“, sagte Jared, „Wir holen dann die Stundenpläne und zeigen euch unsere Zimmer.“
Brav folgten wir den beiden Jungs zurück in die Eingangshalle und dann die Treppe rauf, in den Schlafbereich. Rechts, so erzählten sie uns seien die Räume ihrer Eltern. Ankleidezimmer, zwei Bäder, Schlafzimmer... . Nach Links ging es zu den Zimmern der Jungs, wo auch die beiden für uns hergerichteten Gästezimmer lagen.
Das erste war Emilys. Uns blieb der Mund offenstehen vor staunen. Das Zimmer war total passend für sie. Die Koffer standen schon auf dem wunderschönen Holzfußboden. James zeigte Emily ihren Stundenplan, während Jared mich in mein Zimmer führte.
Auch hier war alles erschreckend so, wie ich mir mein Zimmer wünschte.
Auf dem Boden lag ein rosalila Teppich und die langen vorhänge waren rot mit rosa Punkten. Das große Himmelbett zu meiner linken war mir unzähligen flauschigen Kissen und Decken bestückt, es war aus dem gleichen hellen Holz gemacht wie der riesige Kleiderschrank. An den fliederfarbenen Wänden hingen Poster der Freiheitsstatue, des Eifelturms, den Pyramiden von Gizeh und meiner Lieblingsstars. Vor dem Fenster standen ein kleiner Tisch und ein bequem aussehender Sessel mit türkisem Blumenmuster. Daneben stand eine Zimmerpalme. Für ein Gästezimmer war der Raum wirklich persönlich eingeräumt. Neben Kleiderschrank führte eine Tür zu Emilys Zimmer, die linke führte in mein eigenes!!!! Badezimmer.
Es war nicht wie das Schlafzimmer in rot bis lila Tönen gehalten, sondern komplett weiß mit Gold. Bis auf die blauen Froteehandtücher und die roten Kerzen auf einem Holzbrett an der Wand. Es sah echt königlich aus. So richtig nach Geld. Nach viel Geld.
Jared brachte mir meinen Stundenplan und verabschiedete sich dann. Kaum war er gegangen, stürmte Emily in mein Zimmer.
„Zeig mal deinen Stundenplan. Hoffentlich haben wir auch irgendwas zusammen!“
Ich hob den Stundenplan neben ihren und schaute mir an, was ich morgen haben würde:
11/ b Montag
Ms. Carter
1. h Englisch R. 234 Mrs. Lee
2. h zeichnen R 126 Mr. Connor
3. h Mathe R 125 Mr. Lotric
Mittagspause /Mensa
4. h Basketball/Schwimmen Mrs. Cailas/Ms. Douglas
5. h Französich R 126 Ms. Carter
6. h Mystik R 234 Ms. Carter
7. h Chemie R 312 Mr. Johnson
8. h Geschichte R 237 Mr. Chapuis
Mathe hatte ich gemeinsam mit Emily genau wie Chemie und Geschichte. Ich hatte mich für Basketball und sie sich für Schwimmen entschieden, so dass wir Sport nicht zusammen hatten.
Bis jetzt war unser Englandaufenthalt echt klasse. Süße Jungs, coole Stundenpläne. Obwohl ich schon öfters in England gewesen war, begann dieser „Urlaub“ doch echt super.
Wir ließen die Tür zwischen unseren Zimmern offen und hörten Emilys Taylor Swift CD, während wir unsere Sachen auspackten. Wir hatten beide fast eine ganze Tasche nur mit Büchern vollgestopft. Emily packte ihre sorgfältig in das kleine Regal, während ich meine zu einem Stapel neben meinem Bett auftürmte, ganz wie zu Hause. Ich stellte die Bilder meiner Familie auf den Schreibtisch und packte die Schulbücher für den nächsten Tag in meinen Rucksack.
Ich sah auf die Uhr die an der Wand hing. Schon halb Sechs, also begann ich mich fertigzumachen.
Ich schloß die Badezimmertür und ließ Wasser in die Wanne. Dann gab ich etwas von dem duftenden Lavendelkristallbad hinein. Schnell zog ich mich aus und lies mich in das wärmende Schaumbad sinken.
Auf dem kleinen Regal standen nicht nur Schaumbäder, auch verschiedene Gesichtsmasken und Cremen konnte ich entdecken. Also nahm ich mir eine Himbeergesichtsmaske und schaltete Musik in dem Radio auf der Fensterbank an.
Fertig gebadet, ging ich in meinem kuscheligen Bademantel zurück in mein Zimmer und suchte mir etwas zum Anziehen raus.
Leider hatte ich beim Packen meiner Taschen nicht daran gedacht, etwas für den Anlaß eines Essens einzupacken. Ich hatte einige Röcke und auch ein paar Kleider dabei und nach längerem herumwühlen, hatte ich zwei Outfits in die engere Wahl gezogen:
1. Chic und doch professionell, ein schwarzer Faltenrock, weiße Bluse mit Weste und darunter schwarze Stiefeletten. 2. Ein türkises, kurzes Kleid, mit dunkelblauer Spitze und halblangen weiten Ärmeln.
Ich entschied mich für das Kleid, welches ich von Mia zu meinem sechzehnten Geburtstag bekommen hatte und das ich mitnehmen hatte müssen. Ob nützlich oder nicht.
Darunter zog ich dunkelblaue Absatzstiefel aus Wildleder, die mir bis zu den Knien reichten an. Meine Haare ließ ich offen. Die Silbernen Steckohrringe, paßten perfekt zu den silbernen Armreifen.
Als ich auf die Uhr sah, war es erst halb sieben, ich hatte also noch etwas Zeit. Ich machte die Tür zu Emilys Zimmer auf, doch sie schien noch im Bad zu sein. Also beschloß ich zu Hause anzurufen. Dazu benutzte ich das alte Haustelefon, es hatte Kurzwahl in die anderen Räume, konnte aber auch nach außerhalb telefonieren.
Zuhause piepte es kurz, dann meldete sich die Stimme meines Bruders:
„Ja? Äh, David Emerald.“ Ich war erst einen Tag von zu Hause weg, und bekam schon Heimweh.
„Hey David. Ich bin es!“
Er freute sich echt mich zu hören. „Hey, cool das du anrufst, wie ist England so, na ja, also das was du nicht davon kennst. Ist deine Gastfamilie nett?“
„Ja, total. Stell dir vor...“ Ich brach ab, als ich im Hintergrund einen Aufschrei hörte.
„Ist das Gwen? Gib sie mir! Los!“ Lilly.
Über Lilly sollte man erst mal wissen, das sie fast mit David verheiratet ist.
Die beiden sind zusammen, seit sie zwölf und er fünfzehn war. Aber kennen tut er sie schon viel länger. Sie wohnt in Emilys Straße und geht in unsere Klasse. Sie ist sowohl meine als auch Emilys beste Freundin. Ok. Eigentlich ist Emily meine beste Freundin und ich ihre, aber Lilly ist eben auch unsere Freundin. Etwas kompliziert halt.
Kaum hatte sie losgeschrieen, war sie schon am Telefon.
„Charlotte? Hi!“
„Hallo Lilly, was hättest du denn gemacht, wenn ich es nicht gewesen wäre?“
Sie lachte: „Egal! Und wie ist England?“
„Hammer. Gut ich fahr jedes Jahr zu meinen Großeltern, aber das hier ist total anders.“
Ich konnte fast sehen, wie sie ungeduldig herumzappelte. „Wie anders?“
Ich spannte sie nicht länger auf die Folter: „Die sind total reich! Wir wurden in einer Limousine vom Bahnhof abgeholt. Und dann hat der Chauffier die ganze Zeit von Zwillingen geredet. Wir dachten natürlich Mädchen, aber es sind Jungs. Und zwar echt coole Jungs.“
Noch ein Aufschrei. „Jungs? Richtig süße, coole ausländische Jungs? Sind sie nett? Wie heißen sie?“
„JA! Ja und Ja! James und Jared!“ Wow, das waren fünf `ja´s in einem Satz.
„Super, warum habe ich nicht gewonnen?“
„Hey und was ist mit mir?“ Das war David. Ich lachte.
„Ach süßer!“, beruhigte ihn Lilly, „Was in England passiert bleibt auch in England!“
Dann brach sie in fürchterliches Gelächter aus.
„Ich... ich!“, prustete sie, „Ich muß Schluß machen sonst bringt mich dein Bruder um. Ruf... hm... morgen...prrr noch mal an. Bye!“
Es klickte in der Leitung und sie hatte aufgelegt. Also ging ich auf den Flur, wo ich James in die Arme lief, der auf dem Weg nach unten war. Ich folgte ihm in die Eingangshalle, wo Jared an der Wand lehnte und mit dem Autoschlüssel spielte. Im Gegensatz zu seinem Bruder, der Anzughosen und Hemd trug, hatte er schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt an. Es stand ihm echt gut, wie ich zugeben mußte.
„Wow! Ähm, du äh, siehst echt klasse aus!“, er lächelte und ich wurde ein wenig rot, „Ich fahre!!“
„Bloß nicht!“, James verdrehte die Augen, „bei deinem Fahrstil muß man sich übergeben!“
„Pah und bei deinem sind wir in einem Jahr noch nicht da!“, gab er zurück, steckte den Schlüssel jedoch wieder in die Hosentasche. Ich folgte den beiden Jungs in den Innenhof, als Emily aus der Tür gestürmt kam.
Sie sah zwar etwas abgehetzt aus, aber trotzdem gut mit ihrem dunkelblauen Hosenanzug und dem helllila Top. Es paßte zu ihren Haaren, die sie hochgesteckt und mit einem lila Haarreif geziert hatte.
Na dann konnte es ja jetzt losgehen.
Freunde und Feinde
Emily
Ich wusste, dass ich spät dran war, aber das Schaumbad war so cool! Da die Zwillinge sich noch um die Schlüssel stritten, stellte ich mich neben Gwen. Nach 10 Minuten wurde es mir zu viel und ich nahm James den Schlüssel ab.
„Wisst ihr was, ich fahre!“, entschied ich.
„Kannst du denn fahren?“, fragte Jared erstaunt.
„Nee, kann sie nicht!“, antwortete Gwen entschieden. Unter ihrem strengen Blick gab ich James die Schlüssel. Ein bisschen enttäuscht war ich schon, normalerweise war Gwen für jeden Spaß zu haben! Endlich fuhren wir los. Jared und Gwen saßen hinten und unterhielten sich. James und ich schwiegen uns verlegen an. Als es mir zu still wurde, fragte ich James, ob er schon lange den Führerschein habe. Er erklärte, dass er schon mit 13 Jahren angefangen hatte zu fahren, mit 17 Jahren aber erst den Führerschein gemacht hatte. Dann fragte er mich:
„Würde es dir gefallen, wenn ich dir das Fahren beibringe? Wir können bei uns im Gelände üben. Mein Dad hat da eine Wiese extra für uns so vorbereitet, dass man fahren kann!“
Glücklich nahm ich das Angebot an.
Wir redeten dann noch über Automarken, zum Glück hatte ich aufgepasst wenn mein Vater oder Gwens Bruder etwas davon erzählt hatten!
Das Cail Lounge war ein kleines schickes Restaurant in Birmingham. Es gab einen Innenhof, wo die Tische in kleinen Nischen standen. Ein Kellner führte uns an der Bar vorbei zu einem Tisch abseits der anderen.
„Dies ist ihr Tisch, Mylords!“, verabschiedete er sich. Gwen pfiff bewundernd durch die Zähne und auch ich war baff. Es war total schick und trotzdem super romantisch!
„Wow, die Dalenbrooks haben wirklich Kohle!“, flüsterte ich Gwen zu. Sie nickte, dann beugte sie sich zu mir rüber.
„Ich kann es gar nicht erwarten die Eltern der Jungs kennenzulernen! Ich mein das sind echte Lords!“, zischte sie mir zu. Aufgeregt und verschwörerisch zwinkerten wir uns zu.
Während wir die Menükarte studierten, wanderte mein Blick immer wieder zu James. Er sah echt sexy aus in dem schwarzen Anzug, doch er schien ganz angestrengt in seine Karte vertieft zu sein. Ich wandte mich der Karte zu und entschied mich schließlich für einen Putenbrust Salat und Wasser. Gwen wagte es Cyróh rounge zu bestellen. Was wie die Jungs ihr erklärten, ein exotischer, mit Pinienkernen und Honigorangen überbackener, Fisch war.
Ich verzog bei ihrer Bestellung das Gesicht. Fisch war nicht wirklich mein Ding, egal wie gesund er sein sollte. Als Fischstäbchen mit Kartoffelsalat ging es ja noch, doch ich würde mich nie freiwillig für Fisch entscheiden. Die Jungs entschieden sich für ein „feines“ Filet. Dazu bestellten sie einen Weißwein aus Frankreich. Der Kellner notierte sich alles ohne eine Miene zu verziehen. Ich wollte schon etwas sagen, schließlich waren wir erst 16 bzw. 17 Jahre alt. Gwen warf mir jedoch einen Blick zu, der so viel hieß wie: Wag es nicht! Während wir auf unsere Gerichte warteten, unterhielten wir uns über unsere Familien. Bei der Erinnerung an meine Mutter, fiel mir ein, dass ich noch gar nicht zu Hause angerufen hatte. Meine kleine Schwester Friederike wollte bestimmt wissen, wie es in England ist. Als das Essen kam, verstummten die Gespräche und jeder widmete sich ganz seinem Gericht. Es schmeckte sehr lecker, aber die Portionen waren winzig. Als wir fertig waren, entschieden wir uns dafür noch ein bisschen durch die Stadt zu gehen. Bei einem Musikgeschäft begannen wir über das Musizieren zu reden. Natürlich nur weil ich mir mal wieder einen peinlichen Kracher leistete:
„Oh wow ein Steinway!“, schrie ich auf, als ich den Flügel sah.
„Ein was?“, fragte James erstaunt.
„Das ist ein sehr teures und gutes Klavier!“, erklärte ich mit glänzenden Augen.
„Spielst du Klavier?“, fragte James sofort. Ich nickte mit rotem Kopf und schämte mich über meinen Auftritt in Grund und Boden.
„Ly spielt sau gut Klavier, sie hat schon viele Preise gewonnen. Wir spielen manchmal zusammen!“, erklärte Gwen. Ich wurde noch roter.
„Was spielst du denn Gwen?“, mischte sich auch Jared ein.
„Sie spielt super Geige und hat schon fast alle Wettbewerbe die es gibt in Deutschland gewonnen!“, meinte ich jetzt. Jared erzählte uns, dass er Gitarre spiele und James Schlagzeug und Klavier. Gwen schlug vor, dass wir morgen doch zusammen etwas üben könnten.
„Und Ly singt dazu!“, bestimmte sie am Schluss. Entsetzt versuchte ich ihr das auszureden, aber auch die Zwillinge waren ihrer Meinung. Ich gab auf und warf Gwen einen wütenden Blick zu. Bei einer Fish & Chips Bude machten wir halt. Alle hatten noch Hunger und wir aßen noch einmal Fish & Chips. Es war viel leckerer als ich dachte, wo ich Fisch doch eigentlich nicht mochte. Fischstäbchen sind dem Fisch von Fish & Chips jedoch sehr ähnlich.
Als wir wieder in Dalencore ankamen war es schon sehr spät, sodass wir alle sofort auf unser Zimmer gingen, nachdem James und Jared uns noch mitgeteilt hatten, wann wir aufstehen müssten. Wir machten uns fertig und kletterten ins Bett. Es war super bequem und ich seufzte behaglich. Gwen und ich ließen unsere Tür offen und unterhielten uns noch ein bisschen. Dann schloss ich die Augen und spulte alles noch mal ab, die Ankunft, die Begrüßung, der Abend.
„Hoffentlich hat James keine Freundin!“, war mein letzter Gedanke, dann schlief ich ein.
Ich wurde wach, als ich etwas Nasses in meinem Gesicht spürte. Erschrocken fuhr ich hoch, doch es war nur Mya. Lachend setzte ich sie auf den Boden. Dann blickte ich mich um, ich konnte immer noch nicht fassen, dass wir hier in England waren. Mein Zimmer war wunderschön eingerichtet. An der Wand zwischen den beiden Erkerfenstern stand ein riesiges weißes Himmelbett, mit einem Vorhang aus blauer Seide und Sternen darauf. Die Wand davor war lila-weiß gestreift.
Unter dem einen Fenster stand ein großer Schreibtisch, auf dem mein Laptop und mein Handy lagen. Links von der Tür stand ein großer Schrank, in den ich meine Klamotten gehängt hatte. Eine Tür führte in mein eigenes Bad, das ganz in weiß-gold gehalten war. Die Zimmer von Gwen und mir waren durch eine Tür verbunden und ich konnte in ihr Zimmer sehen. Es sah ganz anders aus, doch das Bad war gleich. Meine Bücher standen alle im Regal neben der Tür zum Flur. Doch das Beste war der Boden. In der Mitte vom Holzfußboden war ein wunderschönes Sternförmiges Mosaik eingelassen. Nachdem ich mir alles noch einmal angeschaut hatte, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte, schaute ich auf die Uhr.
Es war schon halb sieben und ich begab mich ins Bad um mich fertig zu machen. Da ich heute die erste Stunde frei hatte, ließ ich mir Zeit. Nach einer ausgiebigen Dusche lief ich im Bademantel in mein Zimmer zurück. Dort schrie ich erschrocken auf, denn James stand in der Tür. Schnell zog ich den Bademantel enger um mich. Er wurde feuerrot und entschuldigte sich stotternd:
„Oh äh, sorry, also ich, ich wollt hier nicht so einfach reinplatzen, also, aber ich hab gedacht, also... äh..., du bist schon wach und ich, also, ich…“
Ich beschwichtigte ihn und erklärte, dass ich mich nur erschreckt hatte. Dann fragte er mich ob ich Lust hätte in die Bibliothek zu gehen, wenn wir gefrühstückt hätten. Also beeilte ich mich und zog meine Schuluniform schon an. Eine halbe Stunde später betrat ich mit wehendem, offenem Haar die Küche.
Dort saßen schon die anderen drei und frühstückten. Auch sie hatten schon die Uniform an. Ich begrüßte sie und setzte mich an den Tisch. Beim Anblick von Gwen musste ich lachen. Verärgert blickte sie mich an und meinte:
„Du siehst mit der Schuluniform auch nicht viel besser aus.“ Da sie wahrscheinlich Recht hatte, hielt ich lieber meinen Mund und hörte auf zu lachen. Die Zwillinge sahen so aus, als könnten sie nur schwer ihr Lachen unterdrücken. Ich blickte zu James. Seine Haare standen leicht verstrubelt von seinem Kopf ab und das Hemd betonte seine Armmuskeln, er sah einfach mal wieder perfekt aus. Ich hatte anscheinend etwas zu lange zu ihm geguckt, denn er wurde rot und fragte mich:
„Stimmt etwas nicht mit mir?“ Woraufhin nun Jared und Gwen in Gelächter ausbrachen. „Oh mein Gott ist das peinlich!“, dachte ich und senkte beschämt den Kopf.
Zum Glück verlief das Frühstück dann ohne weitere Zwischenfälle meinerseits. (Jared fiel die Krawatte in sein Müsli und er musste eine Neue holen).
Als ich fertig war lief ich nochmal hoch in mein Zimmer und holte mein Handy. James klopfte diesmal an, bevor er eintrat. Gemeinsam gingen wir zur Bibliothek, die im Untergeschoss war. Unterwegs erzählte er mir von den Büchern und von Albert, dem Bibliothekar.
„Wow, sogar ein eigener Bibliothekar in der riesigen Bibliothek!“, dachte ich entzückt.
Die Bibliothek war wirklich riesig und ich kam mir sehr klein vor, obwohl ich eigentlich zu den Großen gehörte. Die Decke war mit Sternen übersäht und auch auf dem Boden waren Sterne aus Mosaiksteinen. Die Regale waren vollgestopft mit Büchern und reichten bis unter die Decke.
James hatte vorhin gesagt, dass es hier ungefähr 900000 Bücher, was ziemlich viel war, gab. Ich hatte keine Ahnung wie viele ich sah, doch es waren schon sehr viele. James führte mich ein bisschen herum, dann ließ er mich alleine und ging zu den Sportregalen. Ich streifte zwischen den Regalen hin und her. Schließlich kam ich in einen Kapellen ähnlichen Teil. Auf dem Boden war ein riesiger Stern eingelassen. Neugierig trat ich näher an die Regale.
An einem Stand „Mythen, Sagen und Prophezeiungen“. Das Regal war dann nochmal in drei Abschnitte mit Farben unterteilt. Mein Blick schweifte über die Rücken. Viele Titel konnte ich nicht lesen, da sie in fremden oder alten Sprachen, so schätzte ich, verfasst waren. Ein Buch stach besonders heraus. Es war dunkelblau mit goldener Schrift. „
Die Prophezeiung der Elfyre“, las ich leise. Vorsichtig zog ich es heraus und schlug es auf. „Nach langen Jahren der Dunkelheit, lichtet sich der Nebel im Moment der Ankunft und des Endes…“ las ich.
Ich schüttelte den Kopf, „Kein Wunder das ich solche Mythen nicht glaube“, entschied ich, „das ist doch ausgemachter Schwachsinn.“
Trotzdem steckte ich das Buch ein, Gwen würde es bestimmt gerne lesen, doch ich glaubte nicht, dass ich es nochmal finden würde. Ich ging zurück zu James. Wir mussten uns jetzt ran halten, um nicht zu spät zu kommen. Also rannte ich schnell nach Oben und holte meine Tasche. Nach einem letzten Blick aus dem Fenster in den parkähnlichen Garten der Dalenbrooks rannte ich runter in den Hof, wo James schon vor seinem Auto wartete.
Während der Fahrt im zur Schule redeten wir über das gestrige Essen. Doch als die Schule in Sicht kam verstummten wir.
Die Schule war ein Altbau mit mehreren Anbauten, doch sie wirkte ganz nett.
Da ich mit James in einer Klasse war, gingen wir zusammen in die Klasse. Zum Glück, kann ich nur sagen. Alleine wäre ich aufgeschmissen gewesen, denn die Schüler stürmten gleich auf mich zu und überhäuften mich mit Fragen. Ich lächelte und versuchte nicht rot zu werden und alle Fragen zu beantworten. James stellte mir alle vor und sagte dann, dass ich mich neben ihn setzten sollte. Die Lehrerin kam gleich nach dem Klingeln in die Klasse und begrüßte uns. Dann forderte sie mich auf nach vorn zu kommen und mich vorzustellen. Geschockt stand ich auf und ging nach vorne.
„Hi ich bin Emily. Ich bin 16 Jahre alt, komme aus Deutschland und bin für ein halbes Jahr hier in England und wohne mit meiner Freundin bei den Dalenbrooks!“, stellte ich mich vor und wollte schon wieder zurück auf meinen Platz, als ein Mädchen fragte:
„Und wieso bist du hier?“
Also erklärte ich, dass Gwen und ich in der Schule an einem Wettbewerb teilgenommen und gewonnen hatten. Die Reise nach England war der Preis gewesen.
Der Rest der Stunde verlief ganz gut, das meiste vom Gesagten konnte ich sogar verstehen. Trotzdem war ich froh, als Literatur um war und Gwen für die Mathestunde zu uns kam. Ihre Haare flogen durch die Gegend als sie mir mit großen Gesten von ihren Stunden erzählte. In Mathe war ich ziemlich gut, also hatte ich keine Schwierigkeiten.
In der Mensa saß ich zwischen Gwen und einem Mädchen namens Amy, dass mit mir zusammen Literatur hatte. Amy war sehr sportlich und ging, wie sie mir erzählte, reiten. „Cool, ich reite zu Hause auch!“, freute ich mich, worauf sie mich einlud mal mit ihr zum Stall zu gehen. Sie ging dann auch mit mir zu Schwimmen. Auf dem Weg dorthin hatte ich immer wieder das Gefühl angestarrt zu werden, doch ich versuchte nicht zu reagieren. Ich drehte mich nur um, als ein Mädchen sagte:
„Das ist ja voll die Schlampe! In Deutschland gehen alle auf die Straße!“
Geschockt von den ziemlich heftigen Worten über meine Heimat drehte ich mich um. Das Mädchen war eine große Blondine, die aussah als hatte sie schon mindestens 10 Schönheits- OPs.
„Das ist Jeanette. Leg dich nicht mit der an, die ist hier die Chefin. Keiner mag sie, aber alle kuschen weil ihr Vater Schönheitschirurg ist“, zog Amy mich weiter.
Mit einem letzten abwertenden Blick in Jeanettes Richtung folgte ich ihr.
Schwimmen fand im ortsansässigen Schwimmbad statt. Vor dem Eingang stoß ich auf James, der umringt von ein paar Jungs und kichernden Mädchen von irgendetwas lustigem erzählte. Da ich keine Lust hatte, weiter als Verliebte Pute abgestempelt zu werden stellte ich mich nicht dazu. Doch die Jungs hatten mich schon entdeckt.
„Hey, Neuzugang, komm rüber Süße!“, grölte einer. Genervt verdrehte ich die Augen und wandte mich ab.
„Solche Sprüche hab ich so satt!“, meinte ich entschieden zu Amy. Doch die guckte nur über meine Schulter und öffnete den Mund. Ich drehte mich um, so dass meine Haare durch die Luft flogen. James stand hinter mir und lächelte mich an.
„Ich wusste ja gar nicht dass du auch Schwimmen hast!“, begrüßte er mich. Ein paar Mädchen blickten mich böse an.
„Tja, jetzt weißt du es!“, lächelte ich zurück. Dann wandte ich mich wieder Amy zu. In dem Moment kam die Lehrerin und schloss die Tür auf. Während die anderen schon rein gingen, blieb ich bei ihr stehen und erklärte ihr, dass ich jetzt für ein halbes Jahr mitmachte.
Wir zogen uns um und betraten die Schwimmhalle. Das Becken war riesig und sehr tief. Ich lief zum Ende der Halle, wo die Lehrerin stand.
Pfiffe hallten hinter mir auf, so dass ich mich umdrehte. Doch außer Amy, den Jungs, der Lehrerin und mir war niemand in der Halle.
„Das galt dir!“, zischte Amy mir zu, wobei sie neidisch ihren Blick über meinen trainierten Körper wandern ließ. Auch ich guckte an mir runter, wusste aber nicht was der Junge an meinem blauen Bikini so toll fand.
„Oh Emily, das galt deiner Figur!“, stöhnte Amy auf. Die Lehrerin versammelte alle im Kreis und ließ uns Gruppen bilden.
Zwei oder drei Mädchen murrten enttäuscht auf, als James direkt auf mich zukam.
„Ja, schnapp sie dir!“, rief ein hagerer Junge.
„Was für Idioten!“, seufzte ich vollkommen genervt.
„Warum hab ich nicht Basketball genommen?“, überlegte ich.
Zum Glück verlief der Rest der Stunde ganz ok. Wir sollten zu zweit Staffelschwimmen machen, d.h. einer wartet am einen Ende der Bahn, der andere am anderen Ende und dann hin und her schwimmen. Es war kein bisschen langweilig, wie ich anfangs gedacht hatte.
James schwamm ziemlich gut und schnell. Andere Gruppen hatten nicht so viel Glück. Ein Mädchen bekam einen Krampf und ertrank fast, hätte die Lehrerin sie nicht aus dem Wasser gezogen. Am Ende der Stunde durften wir noch Wasserball spielen und wir Mädchen gewannen 20 zu 19.
Deutsch in der nächsten Stunde war auch sehr lustig. Ich sollte einen deutschen Text sagen und die anderen ihn übersetzen. Ich entschied mich für eine Geschichte, die in Deutschland eigentlich jedes Kind kannte. Hänsel und Gretel. Die Übersetzungen waren teilweise zum Todlachen. Am Ende der Stunde spielten wir „Nobody´s Perfect“ mit deutschen Wörtern. Natürlich wollten mich alle in ihrer Gruppe haben. Ich durfte dann Schiedsrichter sein.
Musik war die beste Stunde. Wir beschäftigten uns mit Klassischer Musik. Ich wusste viel über das Thema und durfte sogar eine Sonate von Haydn vorspielen.
Zum Glück hatten Gwen, Jared, James und ich zusammen Chemie und Geschichte. Wir bildeten in Chemie eine Gruppe und führten einen Versuch durch. Da er funktionierte trug die Lehrerin uns allen gleich eine 1+ ein.
Der Geschichts-Lehrer Mr. Oh, tut mir leid, Dr. Chapuis natürlich, war schon sehr alt. Man konnte fast denken, er hätte alles miterlebt, so wie er von Maria Stuart erzählte. Doch das war natürlich Blödsinn.
Als die Schule um 16 Uhr aus war, fuhren Gwen und Jared gleich nach Hause. Sie fragten mich, ob ich mitkommen wollte, doch ich wartete lieber auf James.
„Bye, bis morgen!“, verabschiedete sich auch Amy und ging mit ihrem Freund Brian davon. Lächelnd sah ich ihr hinterher. Ich kannte sie zwar erst einen Tag, aber sie war total nett und lustig. Brian war ein bisschen seltsam mit seinen langen Haaren und Gwen hatte ihm den Spitznamen „Affe“ gegeben, was natürlich außer mir keiner verstand. Der Name passte aus meiner Sicht aber gut.
Schweigend wanderte ich durch die leeren Gänge der Schule und wartete auf James. Dieser hatte noch ein Gespräch mit der Musiklehrerin. Ein Bild interessierte mich besonders.
„Irgendwie kommt mir der Typ bekannt vor!“, murmelte ich immer wieder. Auf dem Bild war ein mittelalter Mann, mit lichtem Haar und altmodischer Kleidung.
„Das ist ja auch kein Wunder, der Mann ist einer der berühmtesten Künstler des 18. Jahrhunderts!“, antwortete mir jemand. Ich wandte mich um. Hinter mir stand ein Mann, so um die 60 Jahre alt, auf einen Stock gestützt und musterte mich. Seine Haare waren sehr grau, fast schon weiß und er hatte einen langen Bart. Der Stock war aus dunklem Holz und mit bunten Steinen, die wie Edelsteine aussahen, verziert.
„Ich hoffe ich habe dich nicht erschreckt, Emily“, begrüßte er mich. „Woher kennen sie meinen Namen?“, fragte ich verwundert. „Und wer sind sie?“
„Deinen Namen kennt hier mittlerweile jeder, manche im Zusammenhang mit deiner Freundin Charlotte und eurem Aufenthalt bei den Dalenbrooks, andere weil du und James euch so viel unterhaltet!“
„Ja und, soll er mich anschweigen?“, unterbrach ich ihn erstaunt.
„Nein, natürlich nicht. Normalerweise reden James und Jared nicht mit jedem Mädchen. Deshalb sind alle erstaunt.“
„Wieso reden sie nicht mit jedem Mädchen?“
„Sie sind halt sehr wählerisch, vor allem James“, antwortete er schlicht, „und jetzt zu deiner zweiten Frage…“
„Welcher Frage? Oh ich weiß…“
„Ich bin der Bibliothekar der Dalenbrooks, Albert. Außerdem bin ich hier als Lehrer für Kunst angestellt. Deine Freundin Charlotte habe ich deshalb auch schon kennengelernt…“
Da in diesem Moment James um die Ecke kam, ließ ich das einfach so stehen.
„Ihr habt euch also schon kennengelernt, wie schön!“, begrüßte er uns. „Bist du so weit, Emily, das wir los können?“
Wir verabschiedeten uns von Albert und gingen auf dem Parkplatz zu James Porsche. Ein Junge stand daneben und bewunderte ihn. Er blickte erschrocken auf und lief weg, als James ihn ansprach. Wieder einmal überlegte ich, woher die Dalenbrooks so viel Geld hatten. Nachdem James aufgeschlossen hatte, wollte ich mich schon auf den Beifahrersitz setzen, aber er sagte:
„Nein, da sitz ich, du fährst!“ Entgeistert starrte ich ihn an. Dann setzte ich mich kopfschüttelnd auf den Fahrersitz und schnallte mich an. Mit einem Blick über das Armaturbrett wollte ich mich gleich wieder umsetzen! Der Wagen war einfach zu teuer, als dass ich ihn zu Schrott fahren wollte und konnte! Doch nach ein paar Anweisungen von James ließ ich vorsichtig den Motor an und fuhr langsam los.
„Wow, du bist ein Naturtalent!“, rief er begeistert, „bei den meisten sauft der Wagen erst einmal ab und sie fahren unsicher!“
Wir stellten die Musik laut an und sangen mit.
„Du hast eine tolle Stimme!“, lobte ich James, doch der winkte nur ab. Lachend erzählte er mir von seinen ersten Fahrstunden bei seinem Dad. Bei den Erzählungen musste ich prusten vor Lachen. Er zog eine Grimasse und ich beruhigte mich wieder einiger maßen. Dann erzählte er mir von den Schülern. Auf meine Frage nach Jeanette meinte er nur: „Oh nee, nicht die bitte. So jemand idiotisches hab ich noch nie gesehen! Die soll schon mit jedem im Bett gewesen sein! ... Also außer mit mir!“ , fügte er schnell hinzu.
„Hoffentlich stimmt das!“, betete ich nach einem Blick in sein rotes Gesicht.
Dann lenkte ich grinsend den Porsche durch den Verkehr. 15 Minuten später bogen wir in die Einfahrt der Dalenbrooks ab.
Schule?!
Charlotte
„Weißt du“, sagte Jared, „seit ich dich gestern kennengelernt habe muß ich dir etwas sagen.“
Mir wurde fast übel vor Aufregung.
„Ich, ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen. Du, du bist so anders, nicht nur, weil du aus Deutschland kommst.“
Ich wurde wohl rot, denn er lächelte mich beruhigend an.
„Alle meine bisherigen Freundinnen, hatten weder in Schönheit, noch in Intelligenz an dich heranreichen können. Es gibt nur wenige Mädchen, die sowohl schön, als auch schlau sind. Jetzt sag nicht, das sich das oberflächlich anhört, aber hey, das Aussehen ist nun mal das Erste was du an einem Mädchen siehst, die inneren Werte siehst du erst, wenn du sie besser kennst.“
Ich lächelte zurück, er hatte ja Recht.
„Woher willst du wissen, dass ich intelligent bin. Ich könnte auch eine von diesen gewöhnlichen dummen Schnepfen sein.“
„Nein, deine Augen verraten dich. Außerdem wäre es mir auch egal, wenn du eine wärst. Denn was ich dir eigentlich sagen wollte ist, dass ich –...“
„ ... ei Schwerverletzte, bei einem Unfall in der Londoner Innenstadt. Vermutlich hatte der Fahrer des Wagens zuvor Alkohol eingenommen und war nicht in der gesundheitlichen...“
Aaaar!! Blöder Radiowecker, verdammt, wenn ich nur wüßte, was der imaginäre Jared hatte sagen wollen.
Ich gähnte noch einmal und schlug dann die Bettdecke zurück. Unter dem dichten Stoff, der Bettvorhänge, herrschte eine einschläfernde Dämmrigkeit. Doch ich vermutete, das es draußen bereits hell war. Ich schlug die Vorhänge beiseite und blinzelte in die erwartete Helligkeit. Ich versuchte den Wecker auszuschalten, wofür ich im Halbschlaf einige Minuten brauchte. Ich schlüpfte also in meine schwarzen Plüschhausschuhe und öffnete die Tür zum Badezimmer, die sich allerdings als die Tür auf den Flur herausstellte. Ich sag’s ja, im Halbschlaf bin ich wirklich zu nichts zu gebrauchen.
Naja, auch gut so, dann würde ich mich mal nach einer Küche in diesem Schloß von Haus umsehen. Vielleicht, würde ich nach einer Tasse Kaffe etwas wacher sein.
Also los, Flur entlang und bloß kein Geräusch machen. Treppe runter und die erste Tür auf.
Niete, sieht eher nach Abstellkammer aus. Nächste Tür. Wider nichts, Fernsehzimmer. Nach einigen weiteren Türen, fand ich etwas, was mich an ein Eßzimmer erinnerte, nur größer. Sofort trat ich ein und fand eine Tür die seitlich abging. Ich glaubte mich richtig und BINGO! Auf der Tür stand in altmodischen Lettern Küche.
Ich drückte die Tür auf und prompt wehte mir der Geruch von frischen Eierpfannkuchen entgegen.
„Guten Morgen!“, wurde ich begrüßt. An irgendwen erinnerte mich diese Stimme. Ich riß die verschlafenen Augen soweit auf, wie möglich, konnte jedoch vor lauter Rauch nichts erkennen.
„Von wegen guter Morgen!“, schimpfte ich, „ erst werde ich aus meinem wunderbaren Traum geweckt, dann bin ich so müde, das ich vermutlich ohne Kaffee jeden Moment wieder einschlafe. Und jetzt bekomme ich auch noch ne Rauchvergiftung!“
Ich bahnte mir einen Weg durch den Rauch und riß alle Fenster die ich finden konnte auf.
Langsam v erzog sich der Rauch und ich blickte in das grinsende Gesicht Jareds, der in der einen Hand eine Pfanne und in der anderen einen verkokelten Pfannkuchen.
„Wovon hast du denn geträumt? Kam ich auch darin vor!“
Jetzt nicht rot werden. „Nein, außer, du möchtest gerne ein Drache sein, auf dem ich über die Wolken fliege!“ Gut gerettet Gwenny.
Jared lächelte versöhnend und hielt mir das verkohlte Etwas hin. Pfannkuchen gefällig?“
Ich schüttelte abwehrend den Kopf und sagte. „Eine anständige Tasse Kaffee wäre mir ehrlich lieber.“
Er holte Luft, als wollte er irgendetwas Schlaues kontern, stimmte mir dann aber einfach nur zu.
Also machte er sich daran uns einen Kaffee zu kochen, während ich versuchte seinen Saustall wegzuräumen.
Dabei besah ich ihn mir genauer an. Er trug nur ein weißes T-Shirt und eine gepunktete Boxershorts, was einerseits niedlich andererseits auch sexy war. Wobei mir einfiel, dass ich auch nichts weiter trug außer meinem hellblauen Seidennachthemd. Welches nicht unbedingt viel verdeckte.
Natürlich wurde ich wiedereinmal rot. Schien ja langsam zur Gewohnheit zu werden.
Ich hockte mich an den kleinen Tisch und wartete bis Jared mir eine Tasse Milchkaffee brachte. Er hockte sich mir gegenüber und betrachtete mich.
Irgendwann wurde es mir unangenehm. „Was?“
Er lachte und trank einen Schluck Kaffee. „Nichts. Du hast sehr intelligente Augen, weißt du das?“
„Was?“ Was?????????????????!
„Naja, also, äh... man sagt ja immer, blonde Mädchen interessieren sich nur für Mode und solchen Quatsch. Aber, bei dir merkt man, das du auch was im Köpfchen hast. Du liest viel oder?“ Er wirkte irgendwie verunsichert, was aber auch süß war.
„Ja, ich. Also ich lese wirklich viel. Vor allem Fantasy. Emily ist da total realistisch. Sie liest lieber Dinge, die wirklich passieren können. Aber ich glaube irgendwie an diesen ganzen Kram. Du weißt schon Elfen, Vampire u.s.w. Verrückt ich weiß.“ ROT ! Jared schüttelte nur den Kopf und sah mich an: „Nein, ganz und gar nicht, ich glaube auch an solchen Mist. Jam könnte mich dann jedes Mal verdammen.“
Er sah auf die Uhr und meinte, wir müßten uns langsam für die Schule fertig machen. Also standen wir auf und brachten die Tassen in die Spüle. Ich lief dann nach oben und zog mir die gestörte Schulkleidung an.
Schwarzer Rock. Weißes Oberteil und Kniestrümpfe waren Pflicht, der Rest konnte frei gewählt werden. Also zog ich den schwarzen Rock und einen weißen engen Rolli an. Die Kniestrümpfe waren echt häßlich, also zog ich Stiefeletten darauf.
Die Haare steckte ich mir hoch, dann zog ich meine dämliche Brille auf, die ich während der Schule tragen mußte und begab mich mit meinem Rucksack und der schwarzen Jacke mit dem Wappen unserer vorrübergehenden Schule nach unten.
Wieder in der Küche traf ich auf James, der für uns alle Müslischalen auf den Tisch stellte. Auch er trug bereits seine Schuluniform und begrüßte mich fröhlich.
„Na, gut geschlafen?“
Ich lächelte ihn an und half ihm dabei den Tisch zu decken.
„Ja, das hab ich, erstaunlicherweise wirklich. Ich war aber auch ziemlich müde gestern Abend. Beinahe wäre ich heut morgen nicht wach geworden. Aber, na ja, was man mit Kaffee nicht alles wieder hinbiegen kann!“
„Oh ja“, sagte er und besaß sich die Tassen im Waschbecken, „Jareds Kaffee macht selbst ein Faultier wieder fit. Hm. Was ich dich eigentlich fragen wollte, warum kannst du so gut Englisch?“
„Ach weißt du, meine Mutter kommt aus England und...“, weiter kam ich nicht, weil Jared herein gestürmt kam.
„Hey, du bist ja auch schon wach!“, lachte er und warf sich auf einen der Küchenstühle. Auch er hatte seine Uniform an, mit dem Unterschied, dass er statt einem Hemd ein T-Shirt trug.
James stellte eine Schachtel Cornflakes auf den Tisch.
„Ich geh mal sehen wo Emily bleibt. Ist sie schon wach?“
Ich nickte ein wenig verwundert, da war er auch schon nach oben verschwunden. Jared warf mir einen vielsagenden Blick zu und stopfte dann das Müsli in sich hinein.
Nach einigen seltsamen Mißgeschicken konnten wir dann endlich zu meinem ersten Schultag in England aufbrechen.
Als Emily und James nach oben verschwunden waren nahm Jared seine Tasche und sprang auf.
„Los“, sagte er, „wir müssen uns beeilen, wenn wir es noch pünktlich zur ersten Stunde schaffen wollen.“
Also griff auch ich nach meinem Rucksack und folgte ihm nach draußen. Vor dem Mustang stoppte er und öffnete die Beifahrertür.
„My Lady?“
Ich lachte und stieg ein. Jared setzte sich hinters Steuer und lies den Motor an. Dann sah er mich an.
„Ok. Wir haben etwa zehn Minuten um bis zur Schule zu kommen. Und wenn wir es packen wollen, schlage ich vor das du dich gut festhältst.“
Mit diesen Worten trat er aufs Gaspedal und raste vom Hof.
Hatte ich noch am Vorabend gedacht, James würde übertreiben, wurde ich jetzt selbst Zeuge von Jareds halsbrecherischen Fahrkünsten. Wäre ich nicht den ähnlichen Stil meines Bruders gewöhnt gewesen, ich hätte mich höchstwahrscheinlich geradewegs auf die schwarzen Ledersitze des Autos übergeben.
So kamen wir also gerade noch rechtzeitig auf dem Parkplatz der Schule an.
Jared holte tief Luft und sah auf seine Armbanduhr.
„Mist, eine Minute schlechter als gestern!“, fluchte er, „Ich schlage vor, wir machen dann mal, dass wir hoch kommen. Mrs. Lee killt mich!“
Er riß die Tür auf und stieg aus.
Die Schule war ein altmodig gebautes Backsteingebäude, das mir auf den ersten Blick besser gefiel als meine Schule in Deutschland.
Jared nahm meine Hand und zog mich mit sich ins Innere des Gebäudes. In der Eingangshalle hingen einige Schüler herum und auf der Treppe stellte sich uns ein blondes Mädchen entgegen. Es hätte gerade aus einer Modezeitschrift entsprungen sein können.
„Hey Jared! Wer ist denn deine neue Freundin?”, säuselte sie und ich beschloß sie absolut nicht leiden zu können.
„Hallo Jeanette. Das ist Charlotte, sie kommt aus Deutschland. Würdest du uns bitte vorbei lassen, sonst kommen wir zu spät.“, erwiderte Jared kalt und lies sie verdutzt zurück.
Ich lachte: „Wer war denn das, deine EX-Freundin?“
Er lachte ebenfalls: „Frag bloß nicht! Die Mädchen unterwerfen sich ihr alle und bei den Jungs heißt sie nur noch die Matratzenkönigin. Ich wette die hat schon die gesamten Oberklassen durch.“
Ich zog die Augenbrauen hoch, wie es unser Deutschlehrer immer tat wenn ich ihm mal wieder auf die Nerven ging und blickte ihn an.
Jared wurde ein wenig rot und deutet die Treppe hinauf.
„Wir sollten uns besser beeilen!“
Kurz darauf stürzten wir außer Atem in die Klasse.
„Jared Timothy Dalenbrook! Was bildest du dir eigentlich ein Junge, jeden Tag zu spät zu kommen?” Timothy!!!!!!!!!!!
Alle Blicke der etwa zwanzig Schüler großen Klasse richteten sich auf uns, oder besser gesagt auf mich. Da fiel mir auf, dass ich noch immer Jareds Hand hielt und zog sie ruckartig weg. Dieser bemerkte es gar nicht, da er zu beschäftigt damit war eine Ausrede für unser zu Spät kommen zusammen zu basteln.
Die Lehrerin jedoch winkte ab und musterte mich: „Wie ich sehe hast du unseren Gast mitgebracht. Wer bist du nun, Emily oder Charlotte?“
Ich schüttelte die Hand die sie mir reichte und antwortete.
„Sehr schön. Jared, setz dich bitte. Charlotte, wie wäre es, wenn du uns etwas über dich erzählst?“
Ich zuckte die Schultern und drehte mich zur Klasse.
„Hy, ich heiße Charlotte Emerald, ich bin sechzehn Jahre alt. Zusammen mit meiner Freundin habe ich den Austausch nach England gewonnen. Wir sind gestern hier angekommen und ich hoffe, dass wir hier viel Spaß haben werden. Ja. Das war es eigentlich.“
„Sehr schön, dann such dir bitte einen Platz aus.“
Jared winkte mich zu sich in die letzte Reihe und ich lies mich auf den freien Platz neben einem Mädchen mit Braunen Locken fallen.
Freundlich lächelte sie mich an und stellte sich vor.
„Hy, ich bin Nikki Martinez. Wir freuen uns alle total, das du endlich da bist.“
Dann stellte sie mir auch gleich den Rest der Reihe vor.
„Das ist Charly. Er ist ein wenig durchgeknallt, aber eigentlich ganz in Ordnung.“
Der Junge mit den blonden Locken, der neben Jared saß hob kurz die Hand.
„Und hier haben wir Felix Petterbottom. Er kommt aus Schottland.“
Der dritte Junge in der Reihe nickte mir zu.
Die beiden neben mir hießen wie ich erfuhr Orlando und Olivia, sie waren Geschwister, doch Olivia mußte die Klasse wiederholen, so das beide in einer Klasse gingen.
Der Rest der Stunde verging relativ schnell und so stand als nächstes Zeichnen an.
Der Lehrer ein älterer Herr, war wie ich erfuhr, bei den Dalenbrooks angestellt und begrüßte mich herzlich.
Da ich eigentlich ganz gut malen konnte, wurde ich von vielen für meine Kritzelei des Eifelturms bewundert. Jared sah es an und blickte dann wieder auf seine mißglückte Zeichnung der Sphynx, knüllte sie zusammen und warf sie in den Müll.
Der Rest des Tages verlief genauso wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Mathe= doof, Basketball= wie immer, Franz.= mittel, Mystik= sollte es öfter geben! In Chemie hätte ich beinahe den Raum zugenebelt und in Geschichte wußte ich mal wieder bestens Bescheid.
Also alles normal.
Um vier war dann endlich Schluß. Jared lehnte lässig im Türrahmen, als ich mit Emily, Nikki, Olivia und Amy, aus Emilys Klasse nach draußen ging.
„Hallo Ladys. Kommt ihr noch mit zu Uncle Sam´ s?“
Amy hatte den Affen im Schlepptau und wollte noch mit ihm ins Kino, Nikki wollte mit Orlando in die Stadt und Olivia hatte die Mathearbeit verhauen, weswegen sie nun für die Nachprüfung lernen mußte.
„Ich fahr lieber mit James nach Hause. Meine Eltern machen sich bestimmt sorgen, das ich noch nicht angerufen habe!“; Entschuldigte sich Emily und wartete auf James, während ich mit Jared zum Auto lief.
„Und wie findest du unsere Schule bis jetzt?“
Ich zuckte die Schultern. „Ist halt ne Schule. Deine Freunde sind echt nett. Aber irgendwie vermisse ich auch meine Freunde daheim. Und natürlich David. Meine Schwester ist ja, seit sie auf diesem Internat für kreativ-hochbegabte Schüler ist sowieso nicht mehr zu Hause.“
Er lächelte mich aufmunternd an: „Sicher hast du Heimweh. Aber he, ich wette wenn du wieder nach Hause fliegst, hast du die aufregendste Zeit deines Lebens hinter dir!“
Wir stiegen gerade in den Mustang ein, als mein Handy klingelte. Der neueste Track der Black Eyed Peas ertönte. Ich sah auf den Display: David.
„Na wenn man vom Teufel spricht! Hey David.“
„Hallo Kleine! Ich hab´s heut morgen schon mal probiert, als wir Pause hatten...“
„Warte einen Moment.“ Ich stellte auf laut um mich anzuschnallen.
„Wieso? Ist irgendetwas.“
„Nee, hab nur auf laut gestellt.“
„Also, heute sind eure beiden Austauschpartner hier aufgetaucht. Phil und Parker heißen die. Eigentlich sollte einer von denen ja zu Emilys Familie, aber ihr Vater war nicht da und Conni und Liz können ja beide kein Englisch. Also sind die jetzt beide bei uns. Die sind echt in Ordnung, sag ich dir. Lilly hat sie vorhin hergebracht, weil die ja in eurer Klasse sind und die Sailer hat gesagt, ich soll dir sagen, du sollst einen Bericht über euren Englandaufenthalt schreiben.“
„Jetzt hol doch erst mal Luft!“, sagte ich als er endlich aufhörte, „wird ja gemacht!“
„Sehr schön!“, rief David, nachdem er Luft geholt hatte, „Ach und Phil fragt, ob du einen Jared bei dir hast.“
„Ja?“, fragte ich ein wenig verwundert.
„Dann sollst du ihm sagen, dass er die Wette nicht vergessen soll. Gut ich muß dann jetzt Schluß machen, die Pizza ist fertig.
Hab dich lieb Kleine! Viel Spaß noch!“
Jared hatte wahrscheinlich kein Wort verstanden. Also schaltete ich wieder auf Englisch um und entschuldigte mich bei ihm.
„Ist schon in Ordnung, ich würde auch mit meiner Freundin reden, wenn ich eine hätte.“
Ich lachte, war er etwa eifersüchtig? Wie süß, brachte mich jedoch nicht weiter.
„David? Du denkst David ist mein Freund?“
Er war rot geworden und zuckte mit den Schultern.
Ich lachte noch lauter: „Er ist mein Bruder!“
„OH!“
Der Wagen hielt vor einem kleinen Laden, der mich an einen Coffeshop erinnerte.
„Warte, ich geh schnell rein, Sam schuldet mir noch einen Gefallen!“
Dann war er auf und davon und ich blieb mit meinen Gedanken alleine.
Jared war jedoch schneller zurück als ich erwartet hätte und so blieb mir keine Gelegenheit über alles nach zudenken.
Er hatte zwei Becher Kaffee und zwei Schoko Muffins dabei.
„Was ist das?“
Er grinste angeberisch und stellte es als seine Erfindung vor.
Ich nickte verwundert: „Du hast also Muffins und Kaffee erfunden?“
„Nein, ich habe Schokokaffeemuffinmatsche erfunden kurz: Schmuma.“
Ich prustete los. „Schmuma? Was ist denn das für ein Name?“
Nun lachte auch Jared mit: „Eigentlich dippt man den Muffin nur im Kaffee, aber Sam´s kleiner Neffe Billy wollte, das es einen Namen bekommt und da er erst fünf ist, heißt es jetzt eben Schmuma!“
Also fuhren wir lachend und „Schmuma“ essend nach Hause.
Wir fuhren auf den Hof und Jared parkte seinen Mustang vor der Haustür, aus der Emily und James gerade heraus kamen. Sie hatten jetzt wieder ihre Alltagskleidung an.
Die Ruine
Emily
In Dalencore angekommen, lief ich gleich auf mein Zimmer und zog die schreckliche Schuluniform aus. Dann holte ich mir das Telefon und ließ mich auf mein Himmelbett fallen. Da meine Eltern ja nicht da waren, hinterließ ich nur eine kurze Nachricht auf dem Anrufbeantworter und lief wieder nach draußen in den Hof. An der Tür wartete schon, in Jeans und T-Shirt, James und hielt diese auf. Kaum waren wir auf den Hof getreten, fuhr auch schon Jareds Ford Mustang durch die Einfahrt. Der Motor ging aus und Charlotte und Jared sprangen heraus. Sie liefen uns entgegen.
„Hi!“, begrüßte ich die beiden, „wir wollen zu einer Burg. Wollt ihr mit kommen?“
Charlotte machte große Augen und fragte:
„Eine echte Burg? Wow, also ich bin auf jeden Fall dabei, aber wie kommen wir hin?“
Als Antwort zog James die Tür zum Schuppen auf. Dort standen vier blitzende Fahrräder.
„Mit dem Rad!“, beantwortete Jared die Frage. Nachdem die beiden sich dann umgezogen hatten, fuhren wir los. Mya und Jill packten wir in die Fahrradkörbe von Charlotte und James Rädern. Wir ließen das Dorf hinter uns und kamen bald darauf an Weiden mit Kühen darauf vorbei. Langsam wich die flache Landschaft einigen Hügeln und ein Wald begann. Wir radelten mitten durch und ich genoss es an der frischen Luft zu sein. Ich überlegte schon, ob wir heute noch mal ankämen, da wichen die Bäume immer mehr zur Seite und man erkannte braune Felsen. Irritiert zwinkerte ich ein paarmal, dann erkannte ich, dass die Felsen eine Burg waren. Oder besser gesagt eine verfallene Burg.
„Das ist die bescheidende, aber doch wunderschöne Burg von Dalencore!“, erklärte James mit einer weiten Armbewegung. Lachend stiegen wir von den Rädern und legten sie hinter einen Busch. Mya und Jill sprangen kläffend um uns herum, dann verschwanden sie im Gestrüpp.
Die Burg bestand auf den ersten Blick nur noch aus ein paar aufeinander gelegten Steinen, doch wenn man genauer schaute erkannte man noch die Mauern und Zimmeraufteilungen. Mittlerweile war der Hof ziemlich verwildert und überall waren Rosen. Trotzdem wirkte alles total düster, war aber auch romantisch.
„Der perfekte Platz für ein Date“, überlegte ich schmunzelnd, „früher war es hier bestimmt mal super schön. Wäre ich eine Prinzessin…“
„Ok, kommt wir wollen euch was zeigen!“, unterbrach Jared meine Überlegungen. Er zeigte auf ein großes Loch im hinteren Teil der Ruine. Ich schluckte. Vor den Jungs wollte ich nicht als Weichei dastehen, aber das Loch wirkte ziemlich dunkel, tief und war bestimmt voller Spinnen.
„Emily, das ist nicht so schlimm wie du denkst. Da unten ist es verhältnismäßig sauber und wir haben die hier“, sagte James und hielt eine große Taschenlampe hoch. „Außerdem ist da unten etwas ganz Besonderes.“
Neugierig gemacht kletterte ich dann doch den anderen hinter her. Glücklicherweise hatten die Taschenlampen starke Batterien und leuchteten sehr hell. So konnte ich ohne Probleme die Stufen ins Dunkle runter kletterten und stellte mich dicht neben Charlotte während Jared und James irgendetwas besprachen.
Einen Moment später führten uns die Zwillinge durch einen engen Gang und blieben vor einer großen Holztür stehen. Diese war überzogen von dicken Kratzern und Rissen. Die Tür ging auf und die Zwillinge verschwanden wieder in der Dunkelheit.
„Hier, hier ist es!“, hörte ich Jared von irgendwo flüstern. Schnell ließ ich meinen Lichtkegel durch den Raum wandern.
„Wow! Der Raum ist ja der Hammer!“, entfuhr es mir, als ich die Malereien an den Wänden entdeckte. An der großen Wand, die gegenüber der Tür lag, war ein riesiges Bild von einem Sonnenuntergang mit silbernen Figuren ohne Gesichter. Die Wände rechts und links daneben war einfach rot, blutrot. Die vierte Wand war weiß. Es war so ein strahlendes weiß das ich kurz die Augen schloss. Gegen dieses weiß setzte sich die tiefbraune Tür noch viel mehr ab. Ich drehte mich einmal um meine Achse. In der Ecke vor der Wand knieten die Zwillinge vor etwas, was wie eine große Holzkiste aussah. Beim Näherkommen erkannte ich, dass es eine Truhe war.
„Was wollt ihr damit und wo genau sind wir?“, fragte Charlotte hinter mir, „Es ist ja nicht so, dass ich Abenteuer nicht mag, ich wüsste nur gern was passiert.“ Dankbar nickte ich.
„Ja, was machen wir hier?“, schloss ich mich ihren Fragen an, doch die Jungs grinsten nur.
„Mach mal das Licht aus und kommt näher!“, herrschte Jared uns an. Charlotte und ich sahen uns seufzend an, dann knieten wir uns neben sie und löschten das Licht der Taschenlampen. Ich hörte ein klicken und im nächsten Moment war ich wie geblendet. Erschrocken kniff ich die Augen zusammen. Dann erkannte ich die Ursache: In der Truhe, die jetzt von den Taschenlampen angestrahlt wurde, lag jede Menge Gold. Echtes Gold.
Ich dachte, ich müsste in Ohnmacht fallen. Gerade hatte ich richtig verarbeitet was ich sah, da schloss James die Truhe wieder.
„Ich denke, dass reicht. Ihr dürft keinem davon erzählen!“, sagte er eindringlich. Mit großen Augen blickte ich ihn an:
„Warum gebt ihr das nicht ins Museum? Ihr wärt reich!“
„Tja, wenn wir es hier rausbekommen würden. Die Truhe ist fest im Boden verankert“, antwortete Jared mit einem Seufzer.
Das kam mir ein bisschen komisch vor, doch ich sagte nichts. Schweigend saßen wir noch ein paar Minuten zusammen, dann machte Charlotte den vernünftigen Vorschlag, wieder nach oben zu gehen.
Wir kletterten also nach oben und kamen schließlich wieder im Hof an. Den guckte ich mir jetzt ein bisschen genauer an: Wir standen auf einem großen Platz um den ringsherum wahrscheinlich einmal Gebäude standen, soweit ich das zu mindestens beurteilen konnte. `Dort stand mal der Stall und hier war das Tor. In der Mitte war ein großer Platz, der auf dem wir jetzt stehen, und hier`, ich drehte mich um, ´hier stand mal das eigentliche Gebäude, wo der König der Burg lebte`, überlegte ich in Gedanken. Ich lächelte bei dem Gedanken. Hier hatte unmöglich ein König gelebt, das wäre doch bekannt. Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder den anderen zu, als mein Handy klingelte. Verwundert zog ich es aus der Tasche und blickte aufs Display. „Amy“. Ich ging ran.
„Hi, was gibt’s?“, fragte ich. Am anderen Ende war nur ein Schniefen zu hören. „Oh, was ist denn, Amy?“, besorgt setzte ich mich auf einen großen Stein.
„Er hat mich verlassen…“, heulte Amy mir ins Ohr. „Oh!“, mehr brachte ich nicht heraus. In Gedanken ging ich alle Schimpfwörter durch, die ich kannte. Schnell wog ich ab, was besser war: Das A*loch Brian gleich ermorden, oder warten was Amy noch erzählte? Ich entschied mich für die zweite Variante.
„Hey, Amy. Dieser Mistkerl hat dich gar nicht verdient!“, versuchte ich sie zu trösten. Meine Worte brachten allerdings nicht sehr viel. „Er, er hat… hat gesagt, er liebt, liebt mich nicht mehr. Weil er lieber Single wäre! Ich habe… habe gefragt warum er Schluss macht… und … er hat gesagt: Das Singlesein ist besser!“, schluchzte sie.
„Oh, dieser Vollhonk, Affe, was auch immer. Der kann was erleben. Ich werde ihn eigenhändig umbringen!!“, schimpfte ich los.
„Du darfst ihn nicht umbringen! Ich liebe ihn doch! Ich werde ihn mir zurückholen!“, hauchte sie erschrocken.
„Reg dich ab, ich bring ihn nicht um. Wir machen das schön langsam und quälen ihn!“, bei dem Gedanken biss ich mir auf die Lippe und nickte, „Ja, das ist am besten. Wir machen ihn richtig schön eifersüchtig, so dass er sich wünscht, uns nie begegnet zu sein!“
Am anderen Ende stöhnte Amy auf. Sofort bereute ich meine Worte. Doch sie hatte schon aufgelegt. Nachdenklich blieb ich auf dem Stein sitzen und überlegte. Dieser Brian war mir vom ersten Augenblick an seltsam vorgekommen, doch das viel mir erst jetzt, wo ich so überlegte, auf.
Zu gern würde ich jetzt zu Hause bei Lilly anrufen und mit ihr reden, doch um diese Uhrzeit war sie noch beim Reiten. Ich seufzte. Kaum waren wir in England angekommen, lief schon alles aus dem Ruder. Okay, nicht alles. Theoretisch nichts eigentlich. Ich kicherte. Dann schluckte ich. Das Einzige, besser gesagt der Einzige, der mich verwirrte war James. Wenn ich mit ihm alleine war, wünschte ich mir, dass andere da wären und wenn zum Beispiel Charlotte und Jared da waren, wünschte ich sie wären weg. Allerdings verstand ich mich mit James auch ziemlich gut. Bis jetzt hatten wir meistens über Bücher und Musik geredet, da wir beide einen ziemlich ähnlichen Stil hatten.
Doch ich hatte auch oft an ihn gedacht, wenn er nicht da war. Genau wie jetzt. Ich stöhnte wieder auf.
„So ein Mist, kann ich nicht mal an was anderes denken?“, genervt stützte ich den Kopf in meine Hände. Ich schloss die Augen und summte vor mich hin. Musik war schon immer eine gute Ablenkung für mich gewesen. In Gedanken ging ich noch einmal zurück in den Raum und betrachtete die Tür.
„Sie kommt mir irgendwie bekannt vor…“, murmelte ich nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Während ich so über den Hof blickte, hatte ich auf einmal das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich blickte mich um, konnte aber niemanden entdecken. Genervt verdrehte ich die Augen. „Jetzt bilde ich mir auch noch ein, ich werde beobachtet“, seufzte ich.
Bevor ich jedoch weiter Nachdenken konnte, hörte ich ein Geschrei.
„Lass mich, ich bin die Königin der Welt!“
Erschrocken hielt ich die Luft an. Die Stimme kannte ich zu gut!
Schnell sprang ich auf und lief auf die Ursache des Geschreis zu.
Ich hatte richtig geraten! Charlotte stand wild um sich fuchtelnd auf einer kleinen Mauer und schrie sich die Seele aus dem Leib. „Das sie dabei noch so sexy aussehen kann!“, entrüstet schüttelte ich den Kopf.
Jared und James waren schon bei ihr und versuchten Charlotte mit Händen und Füßen von der Mauer zu holen. Die lachte nur und rief weiter:
„Hey, seht mich an!! Ich bin eure Königin, ihr müsst mich verehren. Jared, besorg mir was zu trinken. Oder willst du das alle wissen das du eifersüchtig auf meinen Bruder bist?“, schallte ihre Stimme über den Hof. Dabei wackelte sie wild mit ihrem Hintern hin und her. Jared war inzwischen wutschnaubend und mit hochrotem Kopf zu mir gekommen.
„Mach, dass sie aufhört!“, fuhr er mich an. Ich wollte und konnte leider nicht. Lachend und weinend hielt ich mir den Bauch. Es war einfach zu komisch!
„Habt ihr ihr was gegeben?“, fragte ich, als ich wieder einigermaßen Luft bekam.
„Nee, die ist auf einmal da hochgesprungen und hat angefangen rum zu schreien“, klärte James mich auf.
Ich nickte, ja das war Charlotte.
„Passt auf, sonst kommt sie gleich und haut euch eine runter!“, warnte ich die Zwillinge in Erinnerung an frühere Geschehnisse.
„Hey, Leute, ich hör euch!!“, unterbrach uns Charlotte. „Und ich höre erst auf, wenn Emily singt!“
Entsetzt schüttelte ich den Kopf.
„Oh nein meine Liebe, dann musst du da bleiben!“, rief ich hier zu und machte mich auf den Weg zu den Fahrrädern.
Die Jungs folgten mir erst zögernd, dann rannten sie fast zu ihren Rädern und sprangen auf. Ich versuchte noch einmal, Gwen zu überzeugen mitzukommen.
„Hey, Gwen. Wir fahren jetzt!“, rief ich über die Schulter. Es waren keine 3 Minuten vergangen, da war sie schon angerannt und hatte sich aufs Fahrrad gesetzt. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich sie an.
Charlotte zuckte nur mit den Schultern. Schweigend legten wir den Weg nach Dalencore zurück.
James schwieg wahrscheinlich weil alle schwiegen, ich schwieg, weil ich sonst lachen müsste und Jared, tja ich glaub der war beleidigt und verletzt. Das wäre ich in so einer Situation aber wahrscheinlich auch. Ich überlegte immer noch, wie Charlotte auf die Idee gekommen war, so etwas zu veranstalten. Die Dämmerung brach über uns herein als wir gerade die Auffahrt zum Haus erreichten. Dort atmete ich erleichtert auf.
Drogenbilder
Charlotte
„Verdammt Mann, ist sie irgendwie auf Drogen?“
„Was weiß ich denn!“
„Du bist doch ihre Freundin!“
„Na und woher soll ich denn wissen was sie so zu sich nimmt!“
„So was erzählen sich Mädchen doch!“
„Ach ja? „ Das Wortgefecht wurde langsam deutlicher und drang näher an mein Ohr. Als würde ich ein Radio lauter drehen.
„Mensch Leute, das bringt uns jetzt auch nicht weiter!“, mischte sich nun eine neue Stimme ein. Sie kam mir ebenfalls ziemlich bekannt vor, doch ich konnte immer noch nicht sagen wer da mit oder über mich oder...was auch immer, sprach.
Irgendwie kam mir dann die völlig abwegige Idee einfach meine Augen zu öffnen um mir ein besseres Bild zu machen.
Gut, das was ich sah hätte ich mir auch so denken können, aber man braucht ja Gewissheit.
Vor mir standen Emily und Jared und stritten sich lautstark. James stand ein wenig abseits und schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. Als er sah, dass ich wach war, wollte er die anderen darauf aufmerksam machen, doch die waren so sehr in ihren Streit verwickelt, das sie ihn überhaupt nicht beachteten.
Er gab auf und setzte sich neben mich auf... mein Bett???
„Na, wieder normal?“, fragte er vorsichtig. Was? Normal, ich verstand absolut nur Bahnhof.
„Wow, Moment, wie komme ich hier her und warum bin ich nicht normal??“
James schüttelte verwirrt den Kopf, als verstünde er nicht was ich meinte. Jared hörte auf zu streiten, als er meine Stimme vernahm.
Sein Gesicht war wie versteinert und seine Stimme klang kalt als er sagte: „Gut du bist wach!“
James stand auf und drückte Emily sanft zur Tür, dann warf er einen warnenden Blick auf seinen Bruder und einen mitleidigen auf mich und huschte hinter ihr her durch die Tür.
Ich blickte auf die Tür und wartete darauf, das Jared irgendetwas sagen würde, was seine miese Laune erklärte, doch er schweig und starrte angestrengt auf seine Hände, die er nervös knetete.
Ich seufzte und beschloss selbst anzufangen.
„Also, was ist hier los? Und wie komme ich hier her, wir waren doch bei der Ruine oder?“
Er atmete geräuschvoll aus und blickte mich mit diesem verdammt eisigen Blick an.
„Willst du mir damit sagen, dass du dich an nichts mehr erinnern kannst?“
„Woran sollte ich mich denn erinnern?“, fragte ich.
„Hast du Drogen genommen?“
„Was?“ Wie kam er den jetzt darauf?
„Hast du?“, fragte er erneut. Diesmal bissiger.
„Nein, verdammt wie...“
„Warum benimmst du dich dann so anders?“, unterbrach er mich.
„Wie anders? Kann mir endlich mal jemand sagen was hier los ist? Alle beschuldigen mich irgendetwas gemacht zu haben, aber niemand sagt mir was ich gemacht habe! Du siehst mich die ganze Zeit böse an, das ist verletzend, weil ich nicht mal weiß warum du so wütend auf mich bist!“, ich kam richtig in Fahrt, „Ich weiß, dass wir uns erst seit gestern kennen, aber ich hab schon gedacht, das wir uns gut verstehen. Sogar sehr gut. Und auf einmal bist du so fies zu mir. Also würdest du mir jetzt bitte erklären was hier abgeht?“
Er sah etwas weniger ärgerlich aus und begann zu erzählen:
„Naja, du warst mit uns unten in dem Raum mit dem Schatz und dann gingen wir nach oben. Du wolltest dich noch ein wenig in den Kellerräumen umsehen. Also ließen wir dich alleine. Nach kurzer Zeit kamst du dann zurück nach oben und warst total... ähm... anders.“
„Wie anders?“
„Ja anders eben!“, antwortete er ausweichend. Etwas milder gestimmt.
Dafür war ich nun geladen, weil ich mich irgendwie veralbert fühlte: „Entweder sagst du mir jetzt die Wahrheit oder, oder ich... meine Güte irgendetwas eben!“
Er musste lächeln über meine Drohung, begann jedoch zu sprechen:
„Du bist auf eine Mauer gesprungen und hast herumgeschrien. Das du die Königin der Welt bist und... und noch einige... wie soll ich das sagen, beleidigende Dinge über mich gesagt. Deshalb, deshalb bin ich so wütend...“
„...gewesen“, fügte er hinzu.
Oh. Das erklärte einiges, wenn auch nicht, warum ich mich an nichts erinnern konnte, was zwischen meinem Besuch in den Kellern der Ruine und den letzten paar Minuten geschehen war.
Als ich es Jared erzählte hatte auch er keine Erklärung, außer der mit den Drogen, aber davon wollte ich nichts hören.
„Okay“, setzte er an, „erzähl mir genau, wann du umgefallen bist.“
Schön, der erste vernünftige Vorschlag, ich beschloss, also seinem Rat zu folgen. Denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht mit normalen Dingen zuging.
„Ich war also da unten. Nachdem ihr hoch gegangen wart, hab ich mir alles angesehen. Die Truhe hattet ihr uns ja bereits gezeigt. Aber ich interessierte mich mehr für die Wand mit diesen Figuren ohne Gesichter. Sie machten mir zwar schon Angst, aber so etwas sieht man ja nicht alle Tage, also beschloss ich es mir genauer an zu sehen. Da fiel mir plötzlich auf, das in die Wand eine Tür eingelassen war!“
Ich sah kurz auf, weil ich dachte, Jared hielt mich nun bestimmt für vollkommen gestört, doch er hörte nur ruhig zu.
„Ich sah keinen Türgriff und verstand nicht so recht, für was die Tür dann eigentlich da war. Ich fuhr langsam mit der Hand darüber und klopfte dagegen. Es Ich wollte mich also nach einer Art Schlüssel umsehen. Doch ich war nicht mehr in dem Raum, in den wir gegangen waren! Sondern...“
„Was?“, an dieser Stelleunterbrach mich Jared erstaunt.
„Doch! Ernsthaft!“, beteuerte ich. Er blickte zwar immer noch erstaunt und ich hätte wetten können, das er gleich wieder mit der Drogengeschichte anfing, doch er war still und lies mich weiter reden.
„Ja, Der Raum war riesig! Also nach oben, ich konnte die Decke nicht sehen und ich glaube es ging noch weiter nach unten, weil in der Mitte nämlich eine Wendeltreppe hinunter führte.
Der Raum war mit Wandmalereien bedeckt! Sie fingen dort an, wo ich stand und unterteilten sich in mehrere Bilder, die sich durch den gesamten Raum erstreckten.
Das vor dem ich stand zeigte wohl eine Königsfamilie, zwei Frauen und zwei Männer mit Kronen auf.
Die weiteren waren total schön. Bunte Wiesen und Schlösser und alles war ganz prunkvoll gearbeitet, mit eingefassten Edelsteinen und Gold und all so was. Ein Bild war besonders schön, es zeigte einen Weg im Wald, der parallel zu einem Bach lief. Auf der einen Seite standen normale Menschen, aber auf der anderen... Sie sahen schon irgendwie aus wie Menschen, aber vielleicht doch eher so, wie man sich Elfen vorstellt. Ja. Und sie hatten wieder keine Gesichter.
Auf dem nächsten Bild allerdings, sah es so aus, als würden die Menschen gegen diese Elfen kämpfen. Es war voll brutal und ganz grau. Darunter stand etwas in seltsamen Buchstaben, die ich nicht entziffern konnte. Es stand genau der ersten Malerei gegenüber. Auf dem nächsten Bild standen sich dann komischerweise zwei Gruppen von Elfendingern... gegenüber. Die einen waren mit Kohle gezeichnet und die anderen aus Blattgold. Es war nicht so fürchterlich wie das vorherige, aber gegen das auf der anderen Seite, war es gar nichts. Dieses zeigt nämlich wieder diese Schwarzen, die sich langsam zu Schatten verflüssigten. Die, die ihre Verwandlung abgeschlossen hatten, hielten eine junge Frau fest. Sie trug ein goldenes Kleid, aber es schien, als wollten die Schatten ihre Arme und Beine ausreißen. Neben ihr stand ein Mann. Er hatte nur noch einen Arm, über den abgefallenen kauerten sich einige Schatten und hatten begonnen ihn aufzufressen. Das sah echt so widerlich aus!“, ekelte ich mich, „Allerdings hielt er in dem gesunden Arm ein Schwert, mit einem blauen Griff und silbernen Gravuren auf der Schneide. Damit schlug er auf die Schatten ein, die, die Frau hielten. Auf dem nächsten Bild dann waren die Schatten über den Mann hergefallen und begannen an ihm zu nagen. Die Frau floh, ob vor den Schatten oder vor den seltsamen Augen des Mannes, die auf diesem Bild seltsamer Weise zu sehen waren, kann ich auch nicht sagen. Es schien, als hätte er sich für sie geopfert und dadurch einen Teil seines Gesichts wieder bekommen. Die letzten fünf Bilder waren nicht so deutlich, das Erste zeigte erneut die Frau, diesmal in einer Schar von mehreren Goldenen. Und sie sah aus als sein sie schwanger. Vielleicht, war sie aber auch einfach nur extrem dick, keine Ahnung. Obwohl sie keine Augen hatte, sah es so aus, als würde sie einen Typ zu ihrer rechten anschauen, der hatte einen kleinen Jungen auf dem Arm. Auch ohne Gesicht. Auf dem zweiten Bild, standen dann aber zwei kleine Jungen, in einem Bach. Im Hintergrund sieht man die junge Frau von vorher und vorne links im Bild zwei Leute, der eine war der alte Mann ohne Gesicht, aus dem vorherigen Bild und die zweite, war eine Frau mit schwarzen Locken, sie hatte Augen und so, aber trotzdem sah sie nicht menschlich aus. Dann war da noch ein Bild mit zwei leeren Thronen. Auf dem letzten Bild, strahlte dann alles wieder bunt und friedlich, darauf saß jemand auf dem einen Thron und auf dem anderen stand ein kleines Kind. Eine junge Frau hielt seine Hand. Es war über das erste Bild gemalt worden.“ Ich beendete meine Erzählung vorerst und sah Jared abwartend an. Er sah nicht so aus, als hielt er mich für verrückt, wie ich zuvor schon befürchtet hatte, sondern blickte eher nachdenklich. Zwar war das wütende Funkeln in seinen Augen noch nicht komplett verschwunden doch er schien mir zu glauben.
„Das ist ja alles schön und gut!“, sagte er nun, „Doch das erklärt noch nicht warum du dich so verhalten hast oder deine ständigen Ohnmachtsanfälle. Außerdem hast du noch ein Bild vergessen. Du sagtest fünf, hast aber nur vier beschrieben.“
Ja, das hatte ich aus gutem Grund, doch ich wusste je länger ich es vor mir herschob, desto weniger würde ich es aussprechen können.
„Was war denn nun auf dem Bild?“, fragte er immer ungeduldiger.
„Ich“, murmelte ich vor mich hin.
„Was? Du musst schon lauter sprechen, wenn ich dich verstehen soll!“, fuhr mich Jared nun sichtlich gereizt an.
„Na Ich! Mann!“, ich schrie fast und versuchte die Tränen herunter zu schlucken, die mir bereits bis zum Hals standen.
„Wie Du?“, fragte Jared verwirrt, „Meinst du damit, dass du auf der Malerei abgebildet warst? Aber das ist doch nicht möglich, diese Ruine ist steinalt und du nicht gerade!“
Über seine Verwunderung schien er den Zorn beinahe vergessen zu haben.
„Aber es war so“, presste ich mühsam hervor, „die Person hatte meine Haare und mein Gesicht. Sie schien sogar die gleiche Größe zu haben.“
Jared sah aus als wollte er erneut seine Drogenversion vortragen, also redete ich schnell weiter.
„Ich, also das Ich auf dem Bild, kämpfte mit einer anderen Frau. Sie sah gefährlich aus und sie schien mich zu besiegen. Etwas weiter links von ihnen kämpften zwei Männer, die ich kaum erkennen konnte. Die beiden kämpften nicht wirklich miteinander, es hatte eher den Anschein, dass sie sich sogar dagegen sträubten zu kämpfen. Ich musste die ganze Zeit darauf starren, bis ich es nicht mehr aushielt in meine eigenen gezeichneten Augen zu sehen. Also stolperte ich zurück um einen Ausgang zu finden. Stattdessen trat ich auf eine wackelige Bodenplatte die unter meine Gewischt nachgab. Fast hätte ich gelacht, weil es so klischeehaft war. Natürlich erwartete ich irgendeine Geheimtür, doch dann gab es hinter mir ein rasselndes Kettengeräusch. Aus dem Boden fuhr eine Art Springbrunnen. Aus alten Backsteinen und das Wasser war glasklar. Wie man das in Filmen immer so sieht habe ich meine Hände voll Wasser geschöpft und sie mir in mein Gesicht geschüttet, darauf hoffend, dass ich aus einem Traum erwache. Ich bekam etwas von dem Wasser in den Mund. Es schmeckte seltsam. Wie eine Mischung aus Blumen und Holz und ein bisschen nach... nach Zucker. Ich wunderte mich und sah auf das Wasser hinab. Plötzlich schwamm eine einzelne Rose darauf. Ich verfluchte mich dafür, es angefasst zu haben und trat gegen Sockel. Mein Fuß tat höllisch weh und mein Verstand wurde nebelig. Kurz darauf fiel ich in Ohnmacht. Das nächste was ich weiß, ist das ich daraus genau hier wieder aufgewacht bin, ohne Kopfschmerzen oder einen dicken Fuß.“
Ich hörte auf meine Hände zu kneten und blickte abwartend in Jareds Gesicht. Einige Zeit schwiegen wir uns an bis er plötzlich das Wort erhob: „Charlotte.“
Dieses eine Wort, mein Name. Er hielt mich für verrückt, ich wusste es einfach. Für vollkommen plemplem.
„Aber Gwen, ich halte dich doch nicht für verrückt!“, sagte Jared empört. HÄH? Ich hatte niemals in einer Millionen Jahren nicht laut gedacht. Langsam kam mir jedoch der Verdacht, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Ich hatte jedoch keine Gelegenheit darüber weiter nachzudenken, denn Jared hatte mir wohl doch etwas mehr zu sagen.
„Gwen, ich... ich glaube dir jetzt einfach mal. So schwer es mir auch fällt. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass du lügst. Wieso solltest du auch. Außer natürlich, du warst doch bei dir, während du... Naja, was ich eigentlich sagen wollte ist, es... es tut mir Leid.“
Er hatte die Hände entschuldigend gehoben, doch ich schob sie sanft zurück.
„Nein, mir sollte es leidtun. Ich weiß zwar immer noch nicht genau was ich genau getan habe. Aber es hat dich wohl verletzt und das wollte ich ganz sicher nicht. Irgendwie läuft nur gerade alles über meinen Verstand heraus.“
„Ach kleine Gwen, du bist wohl doch irgendwie verrückt“, lachte Jared und strich die Decke neben seinen Oberschenkeln glatt. Neben seinen äußerst muskulösen Oberschenkeln wie ich bemerken musste. Ich wusste nicht genau ob ich ihn in diesem Moment um den Hals fallen oder ihm eine scheuern wollte. Er schien meine zwiespältige Gefühlslage zu erahnen und strich mir versöhnlich über die welligen Haare, die wahrscheinlich in alle Richtungen abstanden.
„Auf eine positive Art verrückt. Nicht so gespielt und tussimäßig.“
Ich lächelte über das Kompliment und versucht aus dem Bett zu krabbeln.
„Komm ich helfe dir!“, sagte Jared und zog an meinen Händen. Was jedoch ein Fehler war, da sich meine Beine in der Decke verhedderten. Dann ging alles ganz schnell, was mir auch ganz lieb war denn sonst wäre ich wahrscheinlich rot geworden.
Jared stolperte und fiel auf den Boden, dabei zog er meine Decke, in der ich noch immer hing mit sich nach unten. Als ich aufschlug war das worauf ich landete auffallend weich und ein schmerzvolles Schreien Jareds lies mich furchtbares ahnen. Wahrscheinlich wurde ich doch rot sodass ich schnell unter die Decke kroch.
Als ich das nächste Mal daraus hervortauchte lag ich rücklinks auf dem Boden. Jared über mir. Lange sahen wir uns an, ein Lächeln umspielte seine Augen, in denen etwas Warmes, Vertrauensvolles lag. Langsam beugte er sich tiefer über mich. Bis seine Lippen meine berührten. Dann war er blitzschnell verschwunden, ohne ein Wort.
Ich blieb noch eine Weile daliegen und genoss das leichte kribbeln, dort wo er mich berührt hatte. Gut, es war nur ein flüchtiger Kuss gewesen und wahrscheinlich würde daraus nichts Dauerhaftes werden, aber immerhin.
Irgendwann, stand ich dann doch auf und trottete hinunter. Jared sah ich nirgends doch aus dem Wohnzimmer hörte ich die Stimmen von Emily und James. Sie schienen mit einer dritten weiblichen Person zu sprechen.
Ich trat ein und wollte mich dem Gespräch anschließen, doch an der Tür hielt ich inne.
„Oh Gwen, wie schön“, hörte ich James sagen, „darf ich dir unsere Mum Kathie vorstellen? Mum das ist Charlotte, Emilys Freundin.“
Ich hörte kaum hin, sah nur die fremde Frau an. Obwohl es nicht ganz richtig war, ich hatte bereits einmal in die braunen Augen dieser Frau geblickt. In die Augen der Frau mit den schwarzen Locken. Der Frau auf dem Bild.
Geschichten
Emily
Nach Charlottes Zusammenbruch war ich erst mal ziemlich geschockt. Jared und James waren es zum Glück nicht und schleppten sie rauf in ihr Zimmer. In das von Charlotte natürlich. Dort lag sie dann auf ihrem Bett, während Jared mich die ganze Zeit anschrie. Als ob ich was für Charlottes Verhalten könnte! Ok, ihre Worte waren sehr verletzend gewesen, aber ich fand es ziemlich süß, wie Jared sich darüber aufregte. Gott sei Dank wachte sie in diesem Moment auf. Ich wollte direkt zu ihr, doch James zog mich am Arm sanft aus dem Raum.
„Hey, was soll das, ich will mit ihr reden!“, beschwerte ich mich.
„Ach komm schon, die beiden wollen bestimmt mal allein sein!“, meinte er nur und lief die Treppe runter. Genervt verdrehte ich die Augen.
„Ok, und was machen wir jetzt?“, rief ich ihm hinterher. Dann sprang ich die Treppenstufen runter und eilte durch die geöffnete Salon Tür. Im gleichen Moment sprang mir schon ein kleines Wollknäuel in die Arme.
„Oh, hei Mya!“, begrüßte ich den kleinen Chihuahua. Dann setzte ich mich neben James auf das Sofa und schwieg.
„Bist du dir ganz sicher, dass sie keine Drogen nimmt?“, nahm er das Gespräch von vorhin wieder auf.
„Kannst du jetzt mal damit aufhören, dass nervt voll. Denkst du ich kenne meine beste Freundin nicht? Und Charlotte nimmt garantiert keine Drogen!!“, brauste ich auf. Wütend sprang ich auf und lief im Zimmer herum. Dabei kaute ich mir unentwegt auf den Fingernägeln herum. Das war etwas, was meine Eltern immer rasend machte. Doch sie waren ja jetzt nicht hier. Ich stellte mich vor ein Fenster und blickte hinaus in die Dunkelheit. James stand auf und stellte sich neben mich. Aus den Augenwinkeln betrachtete ich sein Gesicht. Erschrocken zuckte ich zusammen als die Tür aufging. Eine Frau mit schulterlangen schwarzen Haaren war in den Raum gekommen. Sie sah wunderschön aus, doch auch irgendwie traurig. James war schon zu ihr gegangen.
„Hallo Mum. Das ist Emily“, er zeigte auf mich, „Emily, darf ich vorstellen? Das ist meine Mum Henrietta.“
„Hallo!“, begrüßte ich sie. Sie lächelte mich an.
„Ihr also seid die Mädchen aus Deutschland? Die Jungs sind aufgeregt euch zu lernen kennen, wie ich!“, fragte sie in gebrochenem Deutsch. Ich schmunzelte:
„Ja, die sind wir. Wir freuen uns auch hier sein zu dürfen. Aber sie können ruhig Englisch mit mir reden.“
„Das ist gut, ich kann nämlich nicht wirklich Deutsch reden“, antwortete sie erleichtert und legte den Kopf schief.
„Du bist Emily Baker oder? Das ist aber ein Englischer Name!“
„Ja, theoretisch stimmt das. Aber man spricht es mit langem a. Also Baker.“ Ich sprach es ihr vor. Sie nickte wissend.
„Ihr habt doch einen Wettbewerb gewonnen um hierher zu kommen, oder?“, wollte sie wissen.
„Wir mussten einen Vortrag halten, warum wir nach England wollen und was wir erwarten, das Ganze dann auf Englisch. Charlotte und ich haben einen Film gedreht und ihn vorgestellt. Gott sei Dank haben wir gewonnen. Habt ihr Euch gemeldet, für die Unterkunft, oder wie lief das?“
„Oh, man durfte sich bewerben und wir haben gewonnen“, antwortet Henrietta lachend.
Ich fiel in ihr Lachen ein. Dann blickte ich mich zu James um. Er erwiderte meinen Blick und lächelte.
„Mum, kannst du uns was zu trinken holen?“, lotste er seine Mutter aus dem Raum.
„Natürlich“, sie nickte mir noch einmal zu und verließ das Zimmer. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, als sie schon wieder aufgerissen wurde. Ich stöhnte innerlich auf.
„Mir geht es wieder besser!“, begrüßte uns Charlotte. Wir umarmten uns lachend. Im Wegdrehen sah ich Jareds hochrotes Gesicht. Irritiert hielt ich in der Bewegung inne.
„Was ist denn mit dir los? Warum bist du so rot?“, wollte ich wissen.
„Ach das ist nicht so wichtig“, wehrte er ab. James zog vielsagend die Augenbrauen hoch.
Ich wollte gerade noch eine Frage stellen, als Henrie (ich fand das war ein guter Spitzname für die Mutter der Zwillinge) wieder herein kam. In den Händen hielt sie ein riesiges Tablett mit Gläsern und Getränken.
„OH warte ich helfe ihnen!“, schnell nahm ich ihr die Gläser vom Tablett, da sie schon bedenklich schief standen und zum Rand gerutscht waren.
„Charlie, willst du auch was trinken?“, wandte ich mich meiner besten Freundin zu. Als sie nicht antwortete drehte ich mich um. Sie starrte Henrie mit weit aufgerissenem Mund an.
„ÄHH…“ Schnell klappte Charlotte den Mund wieder zu. Ich warf ihr einen Blick zu. Sie nickte mir zu. Ich verstand sofort und sagte: „Ach wir haben euch ja noch gar nicht unser Geschenk gegeben. Komm Charlie, wir holen es schnell.“
Mit diesen Worten zog ich sie hinter mir her aus der Tür nach oben.
„Was war denn mit dir los? Du hast ausgesehen, als siehst du ein Gespenst!“, zog ich sie auf.
„Hah, das dachte ich auch! Ich hab mich voll erschreckt!“, antwortete Charlotte.
„Aber wieso denn? Und warum war Jared so rot? Was habt ihr angestellt?“
An ihrem Gesichtsausdruck sah ich, dass es Charlie sehr peinlich war. Sie wandte sich hin und her.
„Also?? Ich warte!“
„Naja, er hat mich gefragt warum ich solche Sachen über ihn gesagt hab, als wir in der Ruine waren und warum ich so komisch war. Das hab ich ihm dann erklärt.“
„Und dann?“, ich ließ nicht locker. Das klang einfach zu sehr nach etwas für mich sehr lustigem…
„Also dann wollte ich aufstehen, aber da war die Decke und dann…“, sie stöhnte auf und vergrub das Gesicht in ihren Händen.
„Hat er dich geküsst?“, quiekte ich auf.
„Jain, nicht so richtig, so, ich weiß nicht, es war so schnell und kurz.“
„Aber ihr habt euch geküsst?“, hakte ich nach. Sie nickte mit hoch rotem Kopf.
Ich grinste sie verschwörerisch an.
„Keine Sorge ich sag nichts…“, versicherte ich ihr. „Jetzt sollten wir aber lieber die Geschenke nehmen und wieder nach unten gehen, sonst wundern sie sich noch, wo wir bleiben.“
„Ach, das wichtigste habe ich dir ja noch nicht erzählt…“, begann Charlie. Überrascht drehte ich mich zu ihr um.
„Die Frau, die eben reinkam“ „Henrie, die Mutter von Jared und James“, warf ich ein.
„Ja, genau. Was??? Sie ist die Mutter der beiden? Ich habe in der Ruine ein Bild von jemanden gesehen, der genau so aussah wie sie.“
Aufgeregt erzählte sie mir die Geschichte. Danach saßen wir eine Weile schweigend nebeneinander auf meinem Bett. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Nach ein paar Minuten stand ich auf.
„Komm, wir sollten jetzt trotzdem erst einmal runtergehen!“
Also gingen wir gemeinsam wieder runter und überreichten unseren Gastgebern die Geschenke.
Der Abend verlief dann noch mehr oder wenig lustig und wir gingen gegen halb elf ins Bett. Schließlich konnten wir morgen ausschlafen. Das dachte ich jedenfalls abends.
Am nächsten morgen klopfte es um 7.30 Uhr an unsere Tür. Charlie drehte sich einfach um und schlief weiter. Doch ich war schon seit einiger Zeit wach und hatte angefangen das Buch „Die Prophezeiung der Elfyre“ zu lesen. Vor allem die Sprüche und Rituale hatten mich interessiert und ich wollte unbedingt noch mehr darüber herausfinden. Also kamen mir die Jungs, falls sie es waren, gerade rechtzeitig. Nach dem zweiten, schon etwas lauteren Klopfen hatte ich mir endlich meinen Morgenmantel übergezogen und war zur Tür gehuscht. Schließlich wollte ich nicht wieder halbnackt vor James auftauchen, dass vermittelte sonst wahrscheinlich einen falschen Eindruck. Ich öffnete schnell die Tür und zog sie sachte hinter mir wieder zu, als ich bei Jared und James auf dem Flur stand. Die beiden waren schon angezogen und blickten mich mit erstaunten Gesichtern an.
„Was ist?“, fragte ich und blickte irritiert an mir herunter. „Stimmt etwas nicht?“
„Warum bist du noch nicht angezogen und wo ist Charly?“ fragten beide fast gleichzeitig. Ich blickte sie an, als kämen sie vom Mars (zumindest hoffte ich, dass es so aussah) und entgegnete cool (wobei ich auch hier hoffte, dass es cool klang):
„Habt ihr beiden zufällig auf die Uhr geschaut, bevor ihr beschlossen habt zu kommen? Sicher nicht, dann wüsstet ihr nämlich das es erst halb acht ist. Charlotte schläft noch und ich bin auch erst vor einer viertel Stunde wachgeworden.“
„Warum bist du dann nicht schon aufgestanden?“, hakte Jared nach.
„Ich hab keine Lust gehabt und gelesen. Ist das verboten?“ Als keiner antwortete, wandte ich mich wieder der Tür zu.
„Warte, wir wollten in die Bibliothek gehen und mehr über die Ruine rausfinden. Und über den Raum den Charlotte erwähnt hat.“
Ich drehte mich langsam wieder um.
„Ok, ich zieh mich schnell um. Soll ich Charlie auch wecken?“ fragte ich mit einem Grinsen in Jareds Richtung.
„Ähm, lass sie lieber schlafen, du kannst ihr ja einen Zettel schreiben und dann kann sie nachkommen“, murmelte dieser mit hochrotem Kopf und machte sich aus dem Staub.
Nachdem ich schnell geduscht hatte, stand ich jetzt vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen könnte. Das rote Kleidchen wirkt wohl zu sexy, überlegte ich. Nach einigem hin und her entschied ich mich für eine enge schwarze Jeans und einen weitgeschnittenen hellgrünen Pulli, unter den ich ein schwarzes Top drunter zog. Meine Haare ließ ich offen, in der Hoffnung, dass es doch ein bisschen sexy aussah. Natürlich nur so, nicht etwa für einen bestimmten Jungen namens James. Bei dem Gedanken an ihn wurde ich knall rot. Zumindest kam es mir so vor. Anschließend schrieb ich schnell einen Zettel mit den Worten „Wir sind in der Bibliothek- Jared ist auch da“ und legte ihn neben die schlafende Charlotte. Dann huschte ich schnell aus dem Zimmer und lief leise die Treppe runter zur Bibliothek. Dort standen schon die anderen beiden vor der Tür und warteten. Ich versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen und grinste sie an.
„Na dann mal los!“ Mit diesen Worten öffnete ich die Tür und trat ein. Wie immer war ich überwältigt von den vielen Büchern die sich bis zur Decke stapelten.
Lächelnd ging ich durch die Gänge bis ganz nach hinten, dorthin, wo ich die „Prophezeiung der Elfyre“ gefunden hatte. Wir hatten gerade angefangen die Bücher durch zu sehen, als auch schon der alte Bibliothekar ankam.
„Na, habt ihr was interessantes gefunden?“ erkundigte er sich.
Wir erzählten ihm von der Ruine und von dem Buch. Überraschender weise glaubte er uns. Er schien sogar erfreut, dass wir das Buch und die Ruine kannten. Nachdem sich auch Charlotte, die inzwischen dazugekommen war, einen Stuhl gesucht hatte begann er zu erzählen:
„Es war einmal in einem Land vor unserer Zeit…“
„Oh Gott, schoss es mir durch den Kopf, der erzählt doch jetzt hier nicht eins von diesen Kleinkindermärchen wie Rapunzel? Wobei, die Verfilmung von „Die Schöne und das Biest“ mit Alex Pettyfer doch ziemlich cool war.“ Ich grinste, was mir sogleich einen bösen Blick von Charly einbrachte, ich hörte also doch lieber zu.
„…dieses Königspaar hatte zwei Söhne, Zwillinge, sie waren der Stolz der Eltern. Doch als sie älter wurden, entbrannte zwischen den Brüdern ein Streit. Der Streit um die Thronfolge. Auch wenn der eine Junge ein bisschen früher geboren wurde als der andere, wollten beide auf den Thron. Der Jüngere war auf die Macht aus, er hatte schon immer einen Hang zur Gewalt und Macht. Ihr könnt euch also sicher denken, worauf er wirklich aus war. Sein Bruder, wenn auch nur Minuten älter, war weiser. Er wollte auch auf den Thron, aber nur um das Königreich vor seinem Bruder und anderen Gefahren zu schützen. Es kam wie es kommen musste, in seiner Gier tötete der Jüngere die Eltern. Er wollte sich schon auf den Thron setzen, doch eine gute alte Prophetin erkannte das Problem und sorgte dafür, dass ein uralter Zauber erwachte. Dieser machte es den Brüdern unmöglich den Thron zu besteigen, bis einer der beiden die Liebe entdeckt. Die Brüder lachten natürlich, was wollte die alte mit ihrer Liebe? Doch der ältere verstand im Laufe der Jahre, als er sich in ein wunderschönes, kluges Mädchen verliebte. Er bestieg den Thron und regierte das Land mit seiner Frau bis zu seinem Tod und nach ihm seine Kinder. Doch der jüngere Bruder lernte nie die wahre Liebe kennen, auf dem Todesbett nahm er seinem ältesten Sohn, welcher genau wie er durch und durch böse war, das Versprechen ab, bis zum Sieg zu kämpfen. Der Sohn hielt das Versprechen, allerdings gab es bis jetzt nie einen bösen König, die guten Nachfahren gewannen immer…“
Er machte eine Pause und sah uns an. Während seiner Geschichte war mir etwas eingefallen. Zögernd erhob ich die Stimme und fragte:
„Dieser Kampf oder Krieg herrscht noch immer, nicht wahr? Deshalb erzählen sie uns das. Wir haben auch etwas damit zu tun.“
Er lächelte mich Müde an. „Vielleicht, wenn die Zeit gekommen ist, werdet ihr es herausfinden.“
Ich stöhnte innerlich auf, schon wieder so eine alte Floskel. Als sich der Alte erhob, stellte ich eine letzte Frage:
„Die Ruine, dort haben sie gelebt. Es waren Elfyre, nicht wahr? Aber wo sind sie jetzt?“
Er ließ die Frage unbeantwortet und ging. Schweigend saßen wir vier da und jeder folgte seinen eigenen Gedanken. Wobei sich meine Gedanken immer mehr James zuwandten. Wieder einmal betrachtete ich sein schönes Gesicht und überlegte, wie es wäre ihn zu küssen. Und als hätte er meine Gedanken gehört, drehte er sich zu mir um. Ich versuchte ihn unverfangen anzulächeln.
Gott sei Dank rettete mich Jared.
„Wie wäre es wenn wir jetzt mal richtig frühstücken würden?“
Diese Frage begrüßten wir natürlich mit großem Hallo.
Texte: ElLa.cC
Tag der Veröffentlichung: 10.02.2012
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