Windhoek ist der Dreh- und Angelpunkt Namibias. Sie landen am International Airport Hosea Kutako. Hier geht es vergleichsweise beschaulich zu, keine großen Menschenmassen, kaum Hektik. Ein charmanter Flughafen, übersichtlich und ruhig im Vergleich zu den Hauptstadtflughäfen anderer Länder. Der Flughafen liegt ca. 40 km im Osten der Hauptstadt. Nach einer knappen Autostunde Fahrtzeit haben Sie Windhoek erreicht. Die Fahrt geht über weites nahezu unbewohntes Land; am Horizont sind die Bergketten des Khomas Hochlandes zu sehen.
Windhoek liegt auf 1650 m über NN. Meinem Empfinden nach herrscht ein sehr angenehmes Klima. In den dortigen Sommermonaten ist es heiß, eine gut verträgliche trockene Hitze. Hätte ich die Wahl, ich würde nur allzu gerne zur heißen Jahreszeit in Windhoek leben…
Dieses Buch "Destination Windhoek" umfaßt verschiedene Episoden, die wir im Laufe der Jahre bei unseren Aufenthalten in Windhoek und Umgebung erlebten. (Die Abfolge der Kapitel entspricht nicht den chronologischen Abläufen.) Das Buch bildet den Abschluß meiner Reiseberichte über Namibia.
Eine Übersicht über alle Reiseberichte bietet: https://www.bookrix.de/_ebook-ursula-irma-scholz-reiseberichte-namibia/.
Meine morgendlichen Spaziergänge sind immer ein Spießrutenlauf. Ich suche mir Straßenzüge aus, wo etwas weniger Hunde sind. Unsere Hündin, die aus dem Tierheim stammt (sie war von einem Auto angefahren worden, ihr linkes Hinterbein war verletzt, wovon eine lange Narbe verblieb), ist äußerst neugierig. Sie muss immer ihre Schnuppernase an die Zäune halten. Manchmal passiert es, dass plötzlich dort, wo noch nie ein Hund zu sehen war, bei unserer Annäherung wütendes Knurren und Gebell losbricht. Unser Hund erschrickt nicht minder als ich. So weit ich den Straßenzug entlang blicken kann, achte ich darauf, dass kein Gartenzaun so niedrig ist, dass ein Hund darüberhechten könnte; eingedenk der schrecklichen Erfahrung, die ich vor einiger Zeit mit einem völlig rasenden Rottweiler gemacht hatte. Dieser sprang so hoch, dass er mit seinem Brustkorb fast über dem Gartenzaun hing. Es hätte nur eines weiteren Anlaufs bedurft und er hätte diese Hürde überwunden.
Ferner behalte ich im Blickfeld, ob sich nicht etwa in der Nähe ein Gartentor öffnet, weil jemand rein oder raus fährt. Man kann nie wissen, ob die Besitzer ihre scharfen Hunde wirklich weggesperrt haben, bevor sie per Sensor das Tor öffnen. Böse Zungen behaupten, dass manche Weiße ihre Hunde besonders auf Schwarze scharf machen. Das kann ich mir gut vorstellen. Scharfe Hunde sind die beste Leibwache und der beste Einbrecherschutz. Sogar unser eher kleiner Hund ruft, wenn ich mit ihm an der Leine an Schwarzen vorbeigehe, bei diesen oftmals ängstliche Reaktionen hervor.
Trotz meines versuchsweise umsichtigen Spaziergehverhaltens fährt mir einmal ein gehöriger Schrecken in die Glieder. Ich befinde mich in einer Senke der Straße, als sich von hinten ein Fahrzeug nähert. Es rast an mir vorbei. Aus den weit geöffneten Seitenfenstern des roten Kleinwagens kläffen zwei weiße Schäferhunde. Es wäre beiden ein leichtes, aus der Kiste zu springen und über mich und meinen Hund herzufallen. Ich habe Glück, dass der Fahrer kräftig Gas geben muß, um die steile Straße hochzukommen und sich schnell von mir entfernt...
Meistens bin ich schon morgens um 8.00 unterwegs. Später wird es zu heiß. Die Straßenzüge sind manchmal sehr steil und es ist sehr anstrengend, die Höhe zu erklimmen. Der Hund leidet anscheinend ebenfalls, denn er hechelt und sucht, im Schatten zu laufen. Anfänglich laufe ich in meinen leichten Sommersandalen. Die bieten aber nicht den erforderlichen Halt, so ziehe ich lieber meine Trekkingschuhe an und bin somit dem freude- und temperamentvollen Geziehe und Gezerre an der Hundeleine gewachsen.
Ich bin recht leger gekleidet, in kurzen bequemen Hosen, darüber ein weites T-Shirt. So würde ich bei uns in Deutschland niemals herumlaufen, allein schon wegen meiner Beine. Hier aber, wo mich meistens nur die bissigen Hunde sehen oder die Schwarzen lustlos vor sich hinstolpern, habe ich nicht so viele Bedenken. Ich will doch ein wenig Farbe an meine blassen Beine bekommen! So läuft das in der Bewegung ganz nebenbei, ohne Sonnenbrand.
Bei den morgendlichen Runden kann ich allerhand beobachten. Die Schwarzen werden in großen Bussen aus Katatura, der weitläufigen Siedlung der Schwarzen, man könnte fast sagen "herangekarrt". Die Busse hinterlassen eine rußige Abgaswolke. Ganze Trauben von Menschen steigen an den Haltestellen aus. Bunt gekleidete Frauen und Mädchen aller Altersstufen. Manche sind zaundürr, graziös, manche ganz schön rundlich, um nicht zu sagen dick. Letztere schleppen sich lustlos dahin, ob des manchmal steil ansteigenden Weges mühsam einen Fuß vor den anderen setzend. Da kann es schon eine gute Weile dauern, bis sie den Weg zur Arbeitsstelle hinter sich gebracht haben. Alle sind nach ihren Möglichkeiten gut gekleidet, keine abgerissenen Sachen. Manch junge Frauen sehen richtig attraktiv aus, modern gekleidet, oder sehr schick mit einem Deux-Pièce, das durchaus in einem Café am Boulevard Leopold getragen werden könnte. Manchmal ist es ein anmutig geschnittenes schulterfreies Sommerkleid. Alle Achtung, Hut ab!
Dann natürlich die Herero-Frauen, die in ihren viktorianischen Roben einherschreiten, Relikte aus der Vergangenheit. Es sind sehr rundliche Frauen, man könnte ihren Fortbewegungsstil als eher schwerfällig einstufen. Sie tragen die eigenartige Kopfbedeckung, die an Rinderhörner erinnert. Für meinen Geschmack sehr unkleidsam, sitzen diese Ausbuchtungen doch direkt an der Stirn und verstärken somit den eher unvorteilhaften Eindruck. Mir erscheint es rätselhaft, wie derart aufwändig gekleidete Frauen das Tagwerk als Haushaltshilfe oder Putzfrau verrichten können… Mir fällt auf, dass viele der Frauen sehr schlechtes Schuhwerk tragen. Meist sind es ausgetretene oder abgetragene Schlappen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob sie generell keinen Wert auf gute Schuhe legen oder ob sie das erarbeitete Bisschen an Geld lieber für den Unterhalt ihrer Familien verwenden und an sich selbst und ihre Füße zuletzt denken.
Was die Männer anbetrifft, so sind es sehr schlanke Männer aller Altersstufen, manche muskulös und drahtig, andere sehnig und ausgemergelt. Viel zu essen bekommen sie allemal nicht. Ich habe nie einen dicken schwarzen Arbeiter gesehen. Wenn mal ein Schwarzer beleibt ist, gehört er zu den Arrivierten, die hinter dem Steuer ihres Pkw sitzen und die steilen Straßen mit Volldampf hochpreschen.
Manche Grundstücke haben außen ein kleines Metall- oder Bretterhäuschen. Dort müssen die Schwarzen stundenlang Wache schieben, draußen vor dem Gartenzaun. Inwieweit der Dienst sich auch in die Nachtstunden erstreckt, kann ich nicht sagen, da ich nachts tunlichst nicht mehr unterwegs bin.
Die Schwarzen, denen ich begegne, gucken etwas scheel von der Seite auf den Hund an der Leine, wie bereits erwähnt, mancher mehr, mancher weniger ängstlich. Um gleich von vorneherein die Sache zu entschärfen und die Gemüter zu beruhigen, grüße ich freundlich, manchmal verstärkt durch ein Kopfnicken oder ein dezentes Winken. Manchmal grüßen sie zurück mit „Morro morro“ oder so ähnlich, das ist wohl afrikaans und heißt sicher guten Morgen. Oder gar mal english: „Good morning, how are you?“ „Fine, thanks“, und man geht weiter.
Bei einer anderen Bevölkerungsschicht liegt die Reizhemmschwelle besonders niedrig. Das sehen wir, als wir eines Nachmittags noch schnell zu einem kleinen familiären Supermarkt an der Straßenecke fahren. Just in dem Augenblick, als wir auf den Parkplatz einfahren, will ein anderer rückwärts ausscheren. Jener fühlt sich sofort in seinem Hoheitsrecht beschnitten, steigt wütend aus, kommt auf uns zugestürmt. Eine weiße Frau versucht, beruhigend auf ihn einzureden. Er aber ist in Rage. Unter wüstesten Beschimpfungen beginnt er, wie rasend auf die im allerletzten Moment hochgekurbelte Autoscheibe auf der Fahrerseite einzudreschen. Wenn unser Sohn nicht schnellstens den Rückwärtsgang eingelegt und wir nicht das Weite gesucht hätten, wer weiß, wie das ausgegangen wäre...
Das Betteln ist ein ganz anderes Kapitel. Das Betteln gestaltet sich hier vielfältiger und einfallsreicher als bei uns in Deutschland. Manchmal kommt ein Schwarzer zu uns ans Gittertor, schellt und fragt nach Arbeit. Erstens sind wir nicht die Eigentümer, sondern nur Mieter. Eine Arbeit können wir nicht vergeben, es sind ja bereits Putzfrau und Gärtner als Hauspersonal da. Man muss zudem mit der nötigen Vorsicht an diese Situation herangehen. Es kann durchaus sein, dass jemand auf diese Weise ausspionieren will, wer wo wohnt, wie viele Leute im Haus sind, ob Autos auf dem Grundstück stehen. Ein großer bellender Hund ist ein beruhigender Einbrecherschutz. Ich habe mir vorgenommen, für den Fall, wenn wieder am Tor geklingelt wird, in Zukunft eine Kleinigkeit zum Essen und Trinken bereitzuhalten.
Einmal beim morgendlichen Hunde-Spaziergang werde ich umringt von einer Gruppe jugendlicher Schwarzer. Einer frägt mich nach Geld oder einer Kleinigkeit, nach etwas, was ich ihm geben könnte. Unsere Hündin ist wohl nicht respekteinflößend genug... Eine ungute Situation! Sein Freund aber entschärft die Situation, indem er den anderen zurechtweisend anstupst. Die Begegnung mit Schwarzen ist ständig eine gewisse Gratwanderung zwischen Mitgefühl und notwendiger Achtsamkeit.
Seit der Unabhängigkeit (25 Jahre sind es in 2015) sind in Namibia die Rechte der Schwarzen sehr gestärkt worden. Es könnte sein, dass der große Nachbar im Süden hier als Vorbild herangezogen wurde? Dort, wo das schwere Erbe der Apartheid bis zur heutigen Zeit spürbar ist. Es liegt mir fern, mich in die politischen Umstände einzumischen oder ein Urteil abzugeben. Es freut, Ansätze zu sehen, wo die Menschen vor Ort ihr Schicksal beherzt in die Hand nehmen und etwas auf die Beine stellen, um die Schatten der Vergangenheit zu überwinden.
Das Haus, in dem wir wohnen, ist etwas abgewohnt. Das hindert den Besitzer jedoch nicht daran, einen saftigen Mietpreis zu verlangen. Die Fenster ähneln Stallfenstern, schließen schlecht. Bei Wind klappert alles und es zieht selbst bei geschlossenen Fenstern und Türen unangenehm. Die Wasserleitungen sind veraltet, das Haus ist sehr hellhörig. Den Nachbarn im Nebenzimmer kann man schnarchen hören.
Der Eingangsbereich ist keinesfalls « TÜV-tauglich ». Von der unteren Garagenebene steigt man über unregelmäßig hohe, in der Trittfläche zu schmale Treppen zum Hauseingang. Man ist in ca. 3 Metern Höhe. Ein lächerlich dünner Handlauf begrenzt optisch den Rand. Kein sicheres Terrain. Noch schlimmer ist es auf der Terrasse der unten gelegenen Wohnung. Ein Abgrund von mehreren Metern tut sich auf, auch hier nur der hölzerne Handlauf. In der Eingangshalle führt eine gemauerte Ziegeltreppe ins nächste Stockwerk. Natürlich ohne Treppengeländer. Auf der Empore wieder nur ein Handlauf. Man kann allenfalls seine feuchten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Ursula Irma Scholz
Bildmaterialien: Ursula Irma Scholz
Cover: Ursula Irma Scholz
Tag der Veröffentlichung: 13.11.2017
ISBN: 978-3-7438-4121-5
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widme ich meinem Mann, unseren Kindern und unseren Freunden in Namibia.
Mit diesem bunten Potpourri der verschiedensten Stationen in und um Windhoek verabschiede ich mich aus diesem wunderbaren Land im Südwesten Afrikas. Namibia und die Menschen dort werden mir immer in positiver Erinnerung bleiben.