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Gute Gründe offen zu lieben

„Was für ein Schwachsinn“ dachte ich mir, als ich das Buch mit dem oben genannten Titel in den Händen hielt. Und ich sollte unterm Strich Recht behalten. Die Grundidee von polyamoren und offenen Beziehungen ist mit Sicherheit eine Gute, das Problem ist dass die Menschen noch lange nicht an diesem Punkt sind, genau das WIRKLICH zu leben.
In den letzten Monaten habe ich viele sogenannte sexuell aufgeschlossene Pärchen beobachtet und auch gesprochen und stellte mit Erschrecken fest das fast Alle zur Hälfte „erzwungene“ sexuell aufgeschlossene sind. Irgendwann hat man mal damit angefangen und dem einen Teil gefällt es nach wie vor gut, mehr noch in freudiger Erwartung fährt man zum swingen weil man endlich mal wieder etwas anderes vögeln kann, als das was ständig neben einem auf dem Sofa sitzt. Die andere Hälfte begegnet dem Ganzen mit gemischten Gefühlen, würde das natürlich niemals sagen, aus Angst der Partner könnte sich umdrehen und sich bei dem „Überangebot“ einfach einen anderen nehmen, der zumindest auf den ersten Blick ein eingefleischter lockerer sexuell Aufgeschlossener ist. Und so leidet man(n) und Frau still in sich hinein und betet dass ja Niemand da ist an dem der Partner ernsthaft hängen bleiben kann.
Man geht in den Club und legt vorher fest „Schatz aber vögeln tust du nur mich!“ Hä? Aus welchem Grund bitte geht man denn dann in einen Club? „Gucken darfst du, anfassen nicht...!“ Wie lächerlich ist das denn? Man geht als Paar dorthin um den Anderen zu zeigen, „schaut mal wie geil wir aufeinander sind“ oder was steckt da dahinter? Einer von Beiden ist mit Sicherheit enttäuscht auch hier wieder nur das zu spüren was man genauso gut zu hause spürt oder eben auch nicht.
Fremdgucken mit Freifahrtschein, besser als nichts und da die Gedanken frei sind träumt er oder sie unter der Woche von dem geilen Stück am Samstag, beim routinemäßigen Sex schließt man die Augen und stellt sich einfach vor dass es der oder die Andere ist. Der Orgasmus ist dieses mal besonders intensiv und verschämt gesteht man sich am Ende des Aktes gegenseitig ein, wie geil es doch wieder war, dankbar dafür dass keiner von Beiden die Gedanken des Anderen lesen kann und somit alles „in Ordnung“ ist. Das so viele von Ehrlichkeit sprechen wundert mich nicht, jeder bekommt das was er gibt.....
Am Anfang einer Beziehung hat das Ganze mit Sicherheit seinen Reiz, im Grunde sind die meisten so ineinander vernarrt dass man den Clubbesuch oder die Party oder den Dreier dazu hernimmt um zu spüren, wie sehr der Partner doch begehrt ist und wie toll es sich anfühlt ausgerechnet mit diesem Prachtexemplar zusammen zu sein. Dann geht’s nach einigem hin und her nach Hause und man vögelt sich aufgeheizt das Hirn raus. Neben dem körperlichen Höhepunkt flüstert der Partner einem ins Ohr „ Schatz ich bin fast verrückt geworden weil ich nur DICH wollte“. Ein zufriedenes Lächeln lässt beide gemeinsam einschlafen.
Aber irgendwann kippt das Ganze, so wenig die meisten Menschen in der Lage sind zu erkennen, dass der Partner nicht dazu da ist einen „glücklich“ zu machen und sich so zu verhalten damit der Andere ein gutes Gefühl hat, so wenig erkennt man dass genau dieser Anspruch absolut unerotisch ist.
Seinem Partner Vorwürfe zu machen, er müsse sich ändern oder schenke einem zuwenig Aufmerksamkeit trägt nicht unbedingt zu einem entspannten Leben, geschweige denn zu einem aufregenden Sexleben bei. All diese Faktoren brennen sich ein und man fängt an seinen Partner so nach und nach in einem anderen „unschönen“ Licht zu sehen.
Wie sieht das gewöhnlich aus, ich habe einen Partner und habe mich über ihn geärgert, renne zu meinem anderen Partner und beschwere mich lauthals über ihn, natürlich immer schön mit der Aussage „aber ich liebe ihn trotzdem“. Ganz klar gesellschaftlich korrekt haben die wenigsten Menschen begriffen, dass Beziehungen nicht dazu da sind sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Es ist eine Illusion unserer Zeit und über Generationen hinweg zu glauben, man müsse in Beziehungen ein Stück weit leiden. Nicht falsch verstehen, es gibt diesen süßen Schmerz der von Beiden Seiten gewollt ist und der auch ausgekostet wird, wenn sich zwei finden, die genau das wollen.
Paare, die diese Spielart der offenen Begegnungen pflegen sind meistens solche, die nichts voneinander wollen, sie mögen sich, sie sind Single, sie mögen den Sex zusammen und können ohne irgendwelche Verlustängste dem Anderen seinen Spaß beim blasen, lecken, küssen mit einer anderen Frau oder einem anderen Mann gönnen. Gemeinsam geht’s dann nach Hause und wenn alles gut läuft vögelt man da noch eine Runde , der Eine nimmt seine Sachen und man wacht am nächsten Tag alleine in seinem Bett auf und hat im Besten fall eine geile Erinnerung an die Nacht. Single zu sein hat eben doch auch seine Vorteile.
Mit Sicherheit gibt es Menschen, die verstanden haben, dass man für sein Wohlbefinden alleine verantwortlich ist und dieses nicht von dem Verhalten seines Umfelds abhängig macht. Diese haben aber meistens extrem viel Zeit mit sich selbst verbracht und sind nicht wie die Mehrheit an dem Punkt hängen geblieben zu behaupten das andere Menschen ihnen „schlimme“ Dinge angetan haben. Sie sind einen Schritt weiter gegangen und haben erkannt dass alles was ihnen im Leben passiert etwas ist was sie SO bewusst oder unbewusst erleben wollten. Die stellen sich nicht hin und zeigen mit dem Finger auf den verflossenen Partner und schimpfen darüber was sie in der Beziehung mit ihm alles erleiden mussten. Nein sie wissen, dass er nur Derjenige war, der ihnen eine Erfahrung gebracht hat, die sie machen wollten. Und können somit in „Frieden“ weiter gehen. Ob nun ausgerechnet diese Menschen aber offene oder polyamore Beziehungen favorisieren sei mal dahin gestellt.
Die meisten Menschen konsumieren tagtäglich den Müll im Fernsehen und Radio den man ihnen vorsetzt und nehmen alles als ihre Wahrheit hin. Kaum einer denkt die Dinge zu Ende und bildet sich seine eigene Meinung und trifft vielleicht auch einmal unpopuläre Entscheidungen. Aus meiner Sicht ist nichts Schlimmes daran, wenn man seinen Partner nicht teilen will. Es ist wie es ist und das ist gut so. Solange es andere Menschen noch schaffen einen zu verletzen sind wir von „freier“ Liebe meilenweit entfernt und brauchen über polyamore Beziehungen nicht einmal nachzudenken. Liebe bedeutet Freiheit, selbst von dem den man liebt. Das, was die meisten Menschen als Beziehung leben und als Liebe bezeichnen hat mit Liebe nicht das Geringste zu tun. Die meisten quälen sich gegenseitig in der Hoffnung der Andere wird sich schon irgendwann dem Wunsch beugen und sich so verhalten, wie es mir gefällt. Dass man damit dem Menschen die Freiheit nimmt erkennen die Wenigsten. Aber Freiheit ist das was der Mensch will und was sein höchstes Bestreben ist, da helfen keine Regeln und Verbote. Nicht umsonst gibt es so viele die selbst nach langer Zeit sich etwas suchen was besser passt. Und solange das nicht verstanden und gefühlt wird, solange wird es keine freien Liebensbeziehungen geben.
Die meisten polyamoren Paare argumentieren gerne, dass sie ihrem Partner ja nichts wegnehmen, wenn sie ihre Liebe teilen. Aber Liebe ist ein Gefühl, das kann man verschenken so oft man möchte, allerdings hebt die Sexualität eine Verbindung erst in den Status einer zusätzlichen Partnerschaft, ob nun offen oder polyamor und Sexualität ist nun mal eine Handlung. Wenn diese Tat mit mehreren Partner geteilt wird bleibt unterm Strich automatisch weniger für den „eigentlichen“ Partner, mit dem man zusammenlebt ....und man nimmt somit eben doch etwas WEG! Etwas, was mehr Probleme als Lösungen schafft!

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Tag der Veröffentlichung: 01.09.2010

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